Kunst, die niemand sieht

  • Ist Kunst, die niemand sieht bzw. als solche wahrnimmt wirklich Kunst?


    [URL=http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,488798,00.html]Straßenreinigung beseitigt Documenta-Kunstwerk[/URL]


    Reicht es aus, wenn anscheinend nur der Künstler weiß, was er da zusammengekünstelt hat?


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Ist Kunst, die niemand sieht bzw. als solche wahrnimmt wirklich Kunst?


    Nein.


    Ich finde, Kunst soll schön sein, ästethisch sein, ansprechend sein, hässlich sein, provozierend sein, beeindruckend sein, merkwürdig sein, verwirrend sein, aufschlussreich sein... was auch immer, aber sie sollte schon bemerkt werden.
    Was für eine Wirkung kann denn "Kunst" haben, wenn es keinen gibt, auf den sie eine Wirkung haben kann?
    Auf den verlinkten Fall bezogen, da möchte ich doch sehr bezweifeln, dass die angestrebte Wirkung Arbeit für die Straßenreinigung sein sollte...


    Ich hab was diese moderne Aktionskunst angeht, kein Kunstverständnis....

  • :wow Womit jetzt wahrscheinlich eine Endlosdiskussion zum Thema "Was ist Kunst?" oder "Was ist gute Kunst?" ausbricht... :grin


    Aber zum Thema:


    "Die chilenische Aktionskünstlerin Lotty Rosenfeld, offizielle Teilnehmerin der Ausstellung, hatte Fahrbahnmarkierungen mit weißem Klebestreifen in Kreuze verwandelt und damit "zum Aufspüren unterschwelliger Formen von Macht und Kontrolle" beitragen wollen." (Quelle: Spiegel online, siehe Docs Link)


    Da ich es selbst nicht gesehen habe, und es dank der pflichtbewussten und emsigen Kasseler Stadtreinigung auch nicht mehr sehen werde, kann ich das in diesem Fall schlecht beurteilen.


    Allgemein würde ich Deine Frage "Ist Kunst, die niemand sieht bzw. als solche wahrnimmt wirklich Kunst?" mit Ja, unter Umständen beantworten. Später mehr, muss arbeiten.

  • Das erinnert mich an das Butterkunstwerk...


    Zitat


    Joseph Beuys hatte anlässlich eines Besuchs des Dalai Lama eine Fettecke eingerichtet. Die ca. 25 cm hohe Arbeit aus 5 kg Butter war im Raum 3 der Düssseldorfer Kunsthochschule angebracht worden. Diesen Raum hatte man Beuys zur Verfügung gestellt, nachdem seine Suspendierung von der Akademie gescheitert war. Nach Beuys' Tod musste der Raum geräumt werden, die Fettecke blieb als Skulptur erhalten. Eines Tages allerdings waren nur noch Reste der Arbeit zu finden: im Mülleimer. Was war geschehen? Der einmal gefasste Verdacht erhärtete sich rasch: die Putzfrau hatte wohl, in Unkenntnis des künstlerischen Wertes der Arbeit, diese für Schmutz gehalten, der bereinigt werden musste. Allerdings stellte sich bald heraus, dass weder eine Putzfrau noch ein später verdächtigter Hausmeister für die Zerstörung der Arbeit verantwortlich gemacht werden konnte. Von hier an ist alles Legende und die dreht sich um Reinigung. Die Putzfrau, die wegwischte, was nicht weggewischt werden sollte, schien die ideale Figur für die Unwissenheit gegenüber den Gesetzen der Kunst: aber Nichtwissen schützt nicht vor Bestrafung.


    Quelle


    Tja... Kunst liegt im Auge des Betrachters. Aber für mich ist es auch keine Kunst ein paar Striche auf die Strasse zu kleben oder Butter in die Ecke zu schmeißen. Kunst ist für mich Genuß. Ich muss mich mit dem Werk identifizieren könne, oder es zumindest interessant finden, aber das kann ich bei ein bisschen Klebeband nicht. Ich frage mich, welche Botschaft mir das Werk denn vermitteln sollte...

  • Als Kultur-, Kunst- und sonstiger Banause meine ich, das Kunst auch als solche zu erkennen sein muss. Auch bei Beuys habe ich es da mit meinem zugegeben eher beschränkten Verstande nicht so mit dem Kunsterkennen geklappt.


    Ist doch so wie im realen Leben oder wie bei den Eulen:
    Großartige Texte werden als solche nicht erkannt....... :grin :grin :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Bott


    Ich frage mich, welche Botschaft mir das Werk denn vermitteln sollte...



    "Die chilenische Aktionskünstlerin Lotty Rosenfeld, offizielle Teilnehmerin der Ausstellung, hatte Fahrbahnmarkierungen mit weißem Klebestreifen in Kreuze verwandelt und damit "zum Aufspüren unterschwelliger Formen von Macht und Kontrolle" beitragen wollen." (Quelle: Spiegel online, siehe Docs Link)


    :wave

  • Zitat

    Original von Alexx61
    Über diese ähh Kunst wurde geredet, damit hat die Kunst ihren Zweck erfüllt..weg damit


    Ich finde schon, dass diese ähh Kunst verdient, dass darüber gesprochen wird...


    Edit: Wenn man die Stadtreinigung mal als öffentliche Institution betrachtet, ist es dann Ironie des Schicksals, dass die dieses Kunstwerk beseitigt haben? Vielleicht war die Botschaft zu subversiv? :gruebel


    EditEdit: Ich glaube, wir sind hier grade einer ganz großen Verschwörung auf die Spur gekommen...

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Aahh ja....... :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat


    "Die chilenische Aktionskünstlerin Lotty Rosenfeld, offizielle Teilnehmerin der Ausstellung, hatte Fahrbahnmarkierungen mit weißem Klebestreifen in Kreuze verwandelt und damit "zum Aufspüren unterschwelliger Formen von Macht und Kontrolle" beitragen wollen." (Quelle: Spiegel online, siehe Docs Link)



    Die unterschwellige Macht und Kontrolle der Straßenreinigung über die Klebestreifen? :wow

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Ist Kunst, die niemand sieht bzw. als solche wahrnimmt wirklich Kunst?


    Na diese Kunst ist mal eine, die von allen Documenta Kunstwerken dieses Jahr mit am weitesten wahrgenommen wurde.


    Und das Thema ist doch nicht uninteressant- haben wir doch gerade erst vor ein paar Tagen über das Thema Anarchie ist machbar, Frau Nachbar diskutiert. Die Frage von Verkehrsregelung als Ausübung von Macht ist doch eine interessante Gedankenübung.

  • Manche Kunst ist in meinen Augen keine Kunst, sondern schlicht und einfach bescheuert. Aber ich bekenne mich hier gerne eines gewissen Banausentums schuldig. :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Findet Kunst statt, wenn sie niemand sieht?


    Zu Fragen des Kunstbegriffes als solchem empfehle ich das unten verlinkte Buch.
    Zur Problematik Sedlmayr empfehle ich zusätzlich diesen und jenen Link.


    Fragliche Kunst (weil sie niemand sieht):

    • Höhlenmalerei in noch nicht entdeckten Gebieten
    • Paläste und Tempel, die der Dschungel überwuchert hat
    • verschollene Werke, beispielsweise in Schweizer Bankschließfächern
    • "Depotwerke", die aus Kostengründen nicht weiter kuratiert werden
    • "Garagenkunst", für die sich niemand interessiert, weil niemand weiß, was Opa in seinem Hobbykeller bastelte
    • "Verfemte" Werke, die aus politischen Gründen nicht (mehr) gezeigt werden
    • Kunst, die aus Gründen des Geschmackswandels nicht mehr als solche gesehen wird


    Und was ist mit Werken, die nicht im Bereich "Bildende Kunst" beheimatet sind, wie steht es mit deren Kunstverdacht?


    Es muss ja nicht unbedingt Momentkunst sein wie ein Livekonzert oder einer Lesung, wenn nicht mitgeschnitten wurde. Wie steht es beispielsweise mit einem Roman, der zwar in den meisten Fällen über die Augen erfahren wird, der jedoch – je nach Ausstattung des Bandes (siehe beispielsweise die Freds in Sachen Titelbild, Papierqualität, Druckqualität etc. pp.) – im Auge eben noch kein Kunstwerk ist?


    Grüssli, blaustrumpf


    (edit ON) Tippfehler entbastelt (eidt OFF)

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von blaustrumpf ()

  • Kunst kommt nicht von können, sondern von künstlich, so wäre zunächst alles, was nicht natürlich ist auch Kunst- was uns dann klar werden sollte, wenn wir in Museen gehen, die sich mit der "Alltagskunst" der Vergangenheit beschäftigen- und was wir gerne verdrängen, ob der Kosten die heute für so ein Bild bezahlt wurden- ein Tizian, ein van Eyck waren eigentlich nichts anderes als heute ein Propagandafotograph und viele Bilder von Adligen aus alter Zeit, für die als Porträtmalerei von Kunstsammlern und Museen Millionen bezahlt werden, nichts anderes als heute das Bild bei uns in der Eulengalerei- ein Gebrauchsgegenstand mit dem der/die Abgebildete Personen in größerer Entfernung zeigen wollte, wie er aussieht.

  • Zitat

    Original von beowulf
    […] ein Gebrauchsgegenstand mit dem der/die Abgebildete Personen in größerer Entfernung zeigen wollte, wie er aussieht.


    oder eben nicht. siehe das problem Heinrich VIII. und Anna von Kleve.
    :grin

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Noch was zum Ausgangsproblem dieses Freds:


    Da ist also diese Künstlerin, die mit ihrer Kunst auf Machtstrukturen oder so hinweisen will.
    Ja, danke, das interessiert mich nun auch gerade brennend an Kunst. Aber sei's drum.


    Dann lese ich, dass Lotty Rosenfeld, ihres Zeichens Aktionskünstlerin aus Chile, diese Art des Aufmerksammachens bereits 1979 in Chile eingesetzt hat.


    Tut mir leid, da haut es mir den Nuggi raus, wie die Schweizer es gerne nennen. Über ein Vierteljahrhundert sind die Reissäcke in China bereits reihenweise umgefallen und jetzt erst entdeckt die documenta das?


    Also, wenn das nicht der eigentliche Skandal an der ganzen Sache ist, dann … ja, dann … dann ist es vermutlich doch etwas ganz anderes.


    Oder es gibt gar keinen Skandal. sondern nur eine Stadtreinigung, die ihre Arbeit ernst nimmt und sich ganz nebenher auch noch Gedanken über sichere Straßen macht.


    Ist ja wohl nun ganz und gar nicht nichts. Oder sollte für Kassel gelten, dass zu documenta-Schonzeiten mit erhöhtem Kunstaufkommen zu rechnen sei?


    Grüssli, blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Idgie fragt sich gerade, ob der Akt des Entfernens der Klebestreifen durch die Stadtreinigung auch Kunst ist. :gruebel Ich mein, wenn das Hinpappen Kunst sein soll, dann ist das Abkratzen auch eine. :grin