'Jane Eyre' - 2. Band, Kapitel 06 - 11

  • So, mittlerweile habe ich die ersten beiden Kapitel in diesem Abschnitt gelesen. Bei mir Kapitel 21 und 22.


    Tante Reed liegt im Sterben und will Jane nochmal sehen und sich alles von der Seele reden. Nach langem Hin und Her tut sie das dann auch, findet ihren Frieden aber trotzdem nicht. Naja, Mitleid habe ich mit ihr deswegen nicht. Dafür bin ich gespannt, ob Jane mir ihrem Onkel auf Madeira Kontakt aufnehmen wird.


    Auf dem Rückweg nach Hause kommt Jane irgendwann in "Stadt X" an. Was soll das denn? Also dann lieber ein Fantasiename, wenn es kein echter sein soll, aber Stadt X finde ich etwas daneben. Das erinnert so an "wir haben seine Stimme verändert, einen anderen Namen genommen und das Bild verzerrt, damit man den Beteiligten nicht erkennt" :-(


    Als Jane Mr Rochester begegnet wechselt die Erzähl-Zeit plötzlich ins Präsens. Das hat mich ziemlich irritiert und ich dachte erst, sie fantasiert.
    Schön fand ich, dass Jane nun das Gefühl kennengelernt hat, nach Hause zu kommen.


    Die Hochzeitsvorbereitungen von Mr. Rochester sind auch sehr merkwürdig. Ich hoffe, dass da bald mal ein bißchen Lichts in Dunkel kommt und wir mehr über Grace, die bevorstehende Hochzeit und Mr. Mason erfahren...

  • 6. Kapitel: Was für eine Lust am Erzählen! Jede Szene wird ausgeschmückt und genussvoll ausgebaut. Bis sie zum entscheidenden Detail gelangt, vergehen viele Seiten, ohne dass sich Langeweile einstellt.
    Jane erhält die Nachricht, dass Mrs. Reed im Sterben liegt und sie noch einmal sehen will. Sie bittet Rochester um Urlaub. Bei dieser Gelegenheit bittet Jane ihn, die kleine Adèle auf eine Schule zu schicken, wenn er heiratet. Sie selbst werde sich dann eine andere Stelle suchen. Er soll sich über die Konsequenzen seiner Entscheidung im Klaren sein.
    Jane reist zu ihrer einstigen Pflegefamilie. Der fiese John Reed hat die Reserven seiner Mutter beim Glücksspiel nach und nach aufgebraucht und sich kürzlich in London das Leben genommen. Aus Gram über seinen Tod hat seine Mutter einen Schlaganfall erlitten und wird bald sterben.
    Jane verbringt einige Zeit mit ihren Töchtern. Giorgiana ist selbstgefällig, eitel und auf die Unterhaltung durch andere angewiesen (Gefühl ohne Verstand). Eliza ist eigenbrötlerisch, organisiert und kalt (Verstand ohne Gefühl).
    Auf dem Sterbebett gesteht Mrs. Reed Jane zwei große Vergehen ein: a) Jane nicht wie versprochen wie ihr eigenes Kind angenommen zu haben und b) Jane einen Brief verheimlicht zu haben, der vor drei Jahren eingetroffen war. Ein John Reed schrieb aus Madeira, er sei zu Vermögen gekommen und wolle Jane adoptieren.
    Leider schafft Mrs. Reed es nicht, sich mit Jane auszusöhnen. Sie hält sie noch immer für einen von Grund auf schlechten und verdorbenen Charakter.
    Ich habe mich gefragt: Was war eigentlich mit Janes Vater passiert, dass sie Vollwaise wurde? Wurde das irgendwo mal erwähnt? Und in welchem Verhältnis steht sie zu John Reed, der sie adoptieren und beerben möchte?


    7. Kapitel: Nachdem Jane erst Giorgiana, dann Eliza Beistand geleistet hat (sie hat wohl doch eine recht aufopfernde Mentalität...), reist sie nach vierwöchiger Abwesenheit zurück nach Thornfield. Für sie ist es eine Heimkehr und Mr. Rochester scheint sich ebenso zu freuen wie sie. Statt sich wie erwartet mit seinen Hochzeitsvorbereitungen und Brautbesuchen zu befassen, bleibt er guter Dinge auf Thornfield Hall und ist zu Jane liebenswürdiger denn je.


    8. Kapitel: Mich hat schon lange kein Buch mehr zu Tränen gerührt, aber was habe ich geheult, als Rochester Jane erklärte, dass er nun heiraten werde und für sie eine Stelle in Irland gefunden hatte! Hat euch das auch so mitgenommen?
    Und dann dieser Umschwung zu seiner Liebeserklärung und einem Heiratsantrag... Aber dieses Theater passt zu ihm. Man weiß nie, woran man ist.
    Jane ist nun endlich glücklich, aber das Buch ist noch lange nicht zu Ende. Was wird als nächstes geschehen?


    9. Kapitel: Mr. Rochester ist in überschwänglicher Liebeslaune, und nicht nur Mrs. Fairfax, auch Jane misstraut der Beständigkeit dieser Gefühle. Jane lehnt großzügige Geschenke ab und besteht darauf, auch weiterhin als Gouvernante zu arbeiten und ihr eigenes Geld zu verdienen.
    Sie schreibt ihrem Onkel auf Madeira von ihren Hochzeitsplänen - in der Hoffnung auf sein Erbe und ein eigenes kleines Vermögen.
    Rochester gegenüber bleibt sie im Brautmonat auf Distanz. Statt Zärtlichkeiten hat sie nur Bosheiten und Sticheleien zu bieten. Ein Verhalten, dessen Motivation mir nicht ganz klar ist...
    (Witzig: "Oger" scheint es schon länger zu geben als Shrek, den wohl bekanntesten seiner Art.)


    10. Kapitel: Mr. Rochester ist über Nacht verreist und Jane bekommt Besuch von einem "Gespenst", das ihren Brautschleier zerreißt. Mr. Rochester stellt die Vermutung an, dass es sich um Grace Poole handelte, aber die genauen Hintergründe will er Jane erst ein Jahr und einen Tag nach ihrer Hochzeit verraten. (Ich tappe immer noch im Dunkeln.)


    11. Kapitel: Die Trauung gerät zum Disaster. Mason erhebt mit Hilfe seines Anwalts Einspruch gegen die Ehe. Rochester lüftet das Geheimnis: Er ist bereits verheiratet - mit Masons geisteskranker Schwester, die von Grace Poole gepflegt wird.
    Für Jane bricht eine Welt zusammen. Sie sieht nur einen Ausweg: Weggehen von Thornfield Hall, für immer weg von Mr. Rochester, der sie belogen hat und sie ihrer Ansicht nach nur benutzen will.
    Was für ein Schock: Auf diese Auflösung wäre ich nie gekommen!


    Wie sehr muss Charlotte Bronté in ihrer Geschichte versunken sein, um so aufgehen zu können in ihren Figuren. Überhaupt ist der Roman wirklich meisterhaft geschrieben. Obwohl die Autorin sehr ausführlich erzählt, wird es nie langweilig. Sie erzählt genau das, was der Leser wissen will, bietet keine überflüssigen Details, jede Szene hat ihren Sinn und man lässt sich gern in ihren Bann ziehen.

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Wie sehr muss Charlotte Bronté in ihrer Geschichte versunken sein, um so aufgehen zu können in ihren Figuren. Überhaupt ist der Roman wirklich meisterhaft geschrieben. Obwohl die Autorin sehr ausführlich erzählt, wird es nie langweilig. Sie erzählt genau das, was der Leser wissen will, bietet keine überflüssigen Details, jede Szene hat ihren Sinn und man lässt sich gern in ihren Bann ziehen.


    :write :write :write


    Und wieder wurde Jane Eyre das Herz aus dem Leib gerissen. Man kann ihren Kummer geradezu nachempfinden.
    Aber auch Mr. Rochester kann ich verstehen, er wollte nur einmal glücklich sein.

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Wie sehr muss Charlotte Bronté in ihrer Geschichte versunken sein, um so aufgehen zu können in ihren Figuren. Überhaupt ist der Roman wirklich meisterhaft geschrieben. Obwohl die Autorin sehr ausführlich erzählt, wird es nie langweilig. Sie erzählt genau das, was der Leser wissen will, bietet keine überflüssigen Details, jede Szene hat ihren Sinn und man lässt sich gern in ihren Bann ziehen.


    Habe er danach gesehen, daß Joschi genau diesen Absatz zitiert hat


    Schließe mich der Meinung von Waldfee voll an.


    Für mich ist das verblüffend wie jemand in einem derart begrenzten Lebensraum (Pfarrhaushalt - nicht negativ gemeint) eine derartige Phantasie entwickeln kann, um solche Geschichten schreiben zu können und die Leser damit fesselt? Ich weiß es ist teils autobiographisch, aber doch nicht alles.

  • Ich habe auch wieder richtig mitgefiebert.


    John Reed hat also große Teile des Vermögens verspielt und sich daraufhin umgebracht. Seine Mutter erlediet einen Schlaganfall und will Jane nochmals sehen. Diese bittet Mr. Rochester um Urlaub und fährt zu ihrer Familie. Aber selbst in diesen Stunden zeigt die Tante keinerlei Gefühle für Jane, nur Kritik an ihrem angeblich schlechten Charakter. Hier konnte ich richtig mitleiden, sie will doch "nur" geliebt werden und erfährt selbst in den letzten Tagen der Tante keine Nähe und Herzlichkeit nur Härte und Kälte. Die Tante beichtet dann, daß sie einen Brief von einem Onkel aus Madeira nicht weitergeleitet hat, sondern daß sie dem Onkel den Tod von Jane mitgeteilt hat. Welch hartherziges Weib!! Wie kaltschnäuzig muß man sein, um eines anderen Menschen Tod zu verkünden?


    Aber wir lesen auch ... keine von uns hatte eine Träne vergossen.
    Das ist ja wohl Ausdruck genug ihrer Beliebtheit.


    Zuerst bleibt sie noch bei ihren Cousinen - hat wohl wirklich einen aufopferungsvollen Charakter und reist nach 6 Wochen zurück nach Thornfield. Man erfährt, daß Eliza später Oberin in einem Kloster wird und Georgine sich reich verheiratet.


    Mr. Rochester teilt ihr seine Hochzeit mit und daß er für sie eine Stelle in Irland finden wird. Dann ein wenig Geplänkel und am Schluß macht Mr. Rochester Jane einen Heiratsantrag - hier war ich dann doch wieder beruhigt, es wird es wird ..... Er gibt zu, daß er sie mit Blanche nur eifersüchtig gemacht hat.


    Jetzt weiß ich nicht mehr wo es genau hingehört, aber Rochester berichtet noch, daß er den Damen Ingram erzählt hätte, daß er sehr wenig Vermögen besitzt. Daraufhin wurden dies vollkommen kühl ihm gegenüber.


    Während der kommenden Wochen will Mr. Rochester sie immer wieder beschenken mit Schmuck und Kleidern. Sie will aber nur Kleiderstoffe in schwarz und grau. Diese Zeit genießt Jane und ist glücklich und verliebt.


    Dann verspricht Rochester Jane, daß er in einem Jahr und einen Tag die Wahrheit über Grace Poole erzählen wird.


    Die Hochzeit selbst ein Drama! Mr. Mason legt in der Kirche Einspruch gegen diese Hochzeit ein, weil Mr. Rochester schon verheiratet ist, und zwar mit einer Wahnsinnigen, die von Grace Poole gepflegt wird. Dann kommt noch heraus, daß Mr. Mason Jane's Onkel auf Madeira kennt und dieser seit einiger Zeit sehr krank ist.


    Welch ein Schluß? Es bleiben wieder sehr viele Fragen offen
    Was ist mit der Ehefrau und Grace Poole?
    Was ist mit diesem Mr. Masonl?
    Was ist mit dem Onkel auf Madeira?
    UND DAS WICHTIGSTE Wie geht es mit Jane weiter?


    Also für solch eine Autobiographie (so steht es bei Insel) unglaublich spannend und fesselnd, ich bin begeistert :wave

  • Zitat

    Original von Richie
    Also für solch eine Autobiographie (so steht es bei Insel) unglaublich spannend und fesselnd, ich bin begeistert :wave


    Na ja, eine Autobiographie ist das ja nicht wirklich, sondern die Ich-Erzählerin gibt das ja nur vor. Aber ansonsten kann ich das nur unterschreiben :write und mich der Begeisterung anschließen.


    Das Buch ist wirklich toll, aber dass Mr. Mason und Janes Onkel sich kennen und sich nach Janes Brief zusammengetan haben, um Jane vor Unheil zu bewahren, finde ich dann doch etwas unwahrscheinlich und an den Haaren herbeigezogen.

  • Zitat

    Original Taki 32
    ...aber dass Mr. Mason und Janes Onkel sich kennen und sich nach Janes Brief zusammengetan haben, um Jane vor Unheil zu bewahren, finde ich dann doch etwas unwahrscheinlich und an den Haaren herbeigezogen.


    Warum? Ich sage nur Zufälle gibt`s...

  • So jetzt bin ich auch mit diesem Abschnitt durch. Endlich ist das Geheimnis gelüftet. H. Rochesters Heiratsantrag war mir ein wenig zu schwülstig und inszeniert, aber nun gut - Jane hat es wohl gefallen... :grin Aber etwas skeptisch war sie wohl trotz allem Glück, z.B. beim Kleiderkauf, als sie seine Gaben nicht annehmen wollte.
    Frau Fairfax hatte ja auch ihre Zweifel - ich bin mal gespannt, ob sie nochmal zu Wort kommt.
    Die Szene in der Kirche war ja heftig. Wird diese Frage nach dem Einwand gegen die Hochzeit eigentlich wirklich gestellt? Ich habe immer den Eindruck, die gibt's nur im Film und in Büchern, aber bei echten Hochzeiten ist sie mir noch nie aufgefallen...
    Dass Mr. Mason Jane' Onkel kennt war mir auch ein wenig zu konstruiert - auch wenn es wirklich manchmal die ulkigsten Zufälle gibt.


    Dass ich diese Leser-Anrede nicht mag, habe ich ja schon geschrieben, aber in diesem Abschnitt kam wieder mal eine vor, die mir besonders widerstrebt: "Die Kirche war, wie der Leser weiß, ganz in der Nähe... " :cry


    Zitat

    Original von Richie
    @ taki
    nur zur Erklärung:
    habe extra Autobiographie geschrieben, weil es bei Insel so genannt wird


    Steht bei mir auch drauf. Aber eine erfundene Autobiographie finde ich irgendwie seltsam. Soll dieser Autobiografie-Titel dem Buch mehr Echtheit verleihen??

  • Bin mit diesem Abschnitt jetzt auch fertig.
    Und hier passiert wirklich viel! Die Beziehung zwischen Mr. Rochester und Jane ist irgendwie seltsam ...
    Die beiden lieben sich ja anscheinend sehr, aber trotzdem herrschen diese ganzen Unstimmigkeiten und Missverständnisse zwischen ihnen.
    Das Ende dieses Teils fand ich heftig, aber die Auflösung der ganzen Fragen hat mir gut gefallen!
    Dass Jane so nett zu ihren Cousinen und ihrer Tante war, hat mich gestört. Ich hätte mich an ihrer Stelle so richtig gerächt an den dreien - gut, vielleicht weniger an der Tante (aber sie ist doch auch kein besserer Mensch, nur weil sie jetzt im Sterben liegt!), aber die Cousinen sind auch unmöglich.
    Aber okay, so ist offensichtlich Janes Charakter - nachgiebig, verständnisvoll, einfach nett.
    Bin wieder mal gespannt auf die nächsten Seiten! Die Autorin versteht es wirklich, einen bei der Stange zu halten :grin !

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Ich habe mich gefragt: Was war eigentlich mit Janes Vater passiert, dass sie Vollwaise wurde? Wurde das irgendwo mal erwähnt? Und in welchem Verhältnis steht sie zu John Reed, der sie adoptieren und beerben möchte?


    Janes Vater wurde doch ganz am Anfang erwähnt. Er und seine Frau sind durch eine Krankheit, die er sich bei einem seiner Besuche (ich glaube, er war Pfarrer) geholt hat, gestorben. Mr. Reed (der schon so lange tot ist), war der Bruder von Janes Mutter.


    John Reed hat sich doch selber umgebracht, ein gewisser Mr. John Eyre möchte Jane adoptieren und beerben. Er ist auch ihr Onkel. Da bin ich auch mal gespannt, was da noch kommt.


    Zitat

    9. Kapitel: Mr. Rochester ist in überschwänglicher Liebeslaune, und nicht nur Mrs. Fairfax, auch Jane misstraut der Beständigkeit dieser Gefühle. Jane lehnt großzügige Geschenke ab und besteht darauf, auch weiterhin als Gouvernante zu arbeiten und ihr eigenes Geld zu verdienen.
    Sie schreibt ihrem Onkel auf Madeira von ihren Hochzeitsplänen - in der Hoffnung auf sein Erbe und ein eigenes kleines Vermögen.
    Rochester gegenüber bleibt sie im Brautmonat auf Distanz. Statt Zärtlichkeiten hat sie nur Bosheiten und Sticheleien zu bieten. Ein Verhalten, dessen Motivation mir nicht ganz klar ist...
    (Witzig: "Oger" scheint es schon länger zu geben als Shrek, den wohl bekanntesten seiner Art.)


    Das mit dem Oger fand ich auch sehr lustig.
    Dass sie so komisch zu ihrem Bräutigam ist, habe ich einfach ihrer Art, ihrem Charakter zugeschrieben. Sie glaubt ja auch noch nicht wirklich an ihr Glück und will es nicht überstrapazieren.


    Ich werde jetzt auf jeden Fall weiterlesen, das ist wirklich spannend.

  • Dann wollen wir mal.


    Bei mir stand übrigens nicht "Stadt X" sondern "die große Stadt -". Klingt irgendwie besser, auch wenns nicht viel Unterschied ist.


    Von einem Oger stand in meiner Ausgabe nirgends was. In welchem Zusammenhang wurde das denn erwähnt? ?(


    In diesem Abschnitt passiert wirklich außerordentlich viel. Als Jane zu ihrer sterbenden Tante gerufen wird, dachte ich zunächst auch, die will jetzt ihr Gewissen erleichtern und im Frieden mit Jane und dem Rest der Welt dahinscheiden. Pustekuchen. Zwar drückt sie schon ihr Gewissen, aber nur dahingehend, dass sie 2 Fehler zugibt (was sie für eine riesen Demütigung hält, man könnte fast meinen Jane hätte sie gezwungen das zu erzählen). Ich hätte nicht gedacht, dass sie Jane wirklich hasst. Sicher, sie war ihr lästig und sie war mehr als froh, das Kind los zu sein. Aber, dass sie ihr wirklich so abgrundtief zuwider war, dass sie nicht einmal den Gedanken ertragen konnte, Jane könnte eine glückliche Zukunft erwarten finde ich schon ein echt starkes Stück. Entsprechend will sie keine Vergebung von Jane und sieht ihrerseits keine Veranlassung ihren Groll fahren zu lassen. Merkwürdige alte Frau, kein Wunder, dass nicht einmal ihre Töchter ihr nachtrauern.


    Jane kehrt kurze Zeit später nach Hause zurück, das Verhältnis zu Mr. Rochester ist besser denn je und doch lauert immer im Hintergrund die zu erwartende Hochzeit mit Miss Ingram. Schließlich stellt sich endlich heraus: Es war alles nur gespielt um Jane aus der Reserve zu locken und sie dazu zu bringen Rochester ihre Gefühle zu zeigen. Mistkerl. *g* Aber gut verständlich. Mir gefiel der Heiratsantrag, auch ich neige hin und wieder zu herzlichen Szenen (kommt selten genug vor). *mit Taschentüchlein tupf*


    Und doch will Jane erst einmal weiterhin Distanz wahren. Sie hat Angst sich Hals über Kopf in diese Leidenschaft zu stürzen und versucht ihr Bestes, auch Rochester davon abzuhalten. Sie denkt offenbar, je heißer die Leidenschaft nun ist, desto schneller muss sie verglühen. Rochester möchte sie mit Schmuck, teuren Kleidern und anderem Reichtum nur so überschütten, aber je mehr er das tut, desto mehr ängstigt es Jane (für alle die "The Price of Temptation" gelesen haben... kommt uns das iiiiirgendwie bekannt vor? *g*)


    Der unheimlichen Nachterfahrung Janes folgt ein nicht wirklich beruhigendes Gespräch mit Rochester. Die persönliche Ansprache an den Leser, ich kann es nur immer wieder betonen, gefällt mir ganz ausgesprochen gut. Vor allem die Stelle als Jane auf Rochesters Rückkehr aus London wartet und sagt "Bleib, bis er kommt, Leser, und wenn ich ihm mein Geheimnis enthülle, sollst auch du eingeweiht werden." Irgendwie hat das fast was von der Unendlichen Geschichte, das Buch spricht mit mir. *g* An der Stelle hätte ich es auch nicht gewagt es zur Seite zu legen, bevor nicht das Geheimnis erzählt war. ^^


    Die Trauungszeremonie endet schließlich in einem Desaster, Rochesters Geheimnis, welches mir leider schon bekannt war, wird gelüftet: Er versteckt seine geisteskranke und gewalttätige Ehefrau im dritten Stock. Ich finde nicht, dass man ihm einen Vorwurf machen kann. Im Gegenteil. Manch einer hätte sich sicherlich einfach aus der Affäre gestohlen indem er ihr mal eben ein nicht ganz nachweisbares Gift ins Essen gemischt hätte. Jane ist natürlich verzweifelt, auf ein gemeinsames Leben mit ihm kann sie nun nicht mehr hoffen (wilde Ehe ist zu dieser Zeit ja nicht drin, also muss sie auf jedne Fall das Haus verlassen, nun wo alle wissen wie die beiden zueinander stehen). Die einzige Hoffnung wäre ein baldiger Tod der Angetrauten, sie wirkt allerdings recht kräftig und "fidel", so dass die Hoffnung mehr als gering ist. Wie geht es für Jane nun weiter?


    Interessantes aus den Anmerkungen von Reclam:
    Senfsamen ist der Name einer Elfe aus Shakespeares Sommernachtstraum.


    Französisches aus Kapitel 24:
    sans mademoiselle: ohne das Fräulein
    "Oh, qu'elle y sera mal - peu comfortable!": Ach, da wird sie es aber nicht sehr gut haben - recht unbequem!
    un vrai menteur: ein richtiggehender Lügner
    contes de fée: Feenmärchen
    du reste, il n'y avait pas de fées...: übrigens gäbe es gar keine Feen, uns selbst wenn es welche gäbe...
    pour me donner une contenance: um meine Fassung wiederzugewinnen


    Charlotte Bronte kam mir der Zeit etwas durcheinander, einmal ist Juli, dann plötzlich wieder Juni...


    Für die Grundidee der Geschichte zu "Jane Eyre" gab es offenbar eine wahre Begebenheit (aus der Biographie von Mrs. Gaskell):
    "Zu der Zeit [als Charlotte an Miss Woolers Schule unterrichtete] kam es in der Umgebung von Leeds zu einem Vorfall, der auf breites Interesse stieß. Eine junge Frau, die bei einer sehr angesehenen Familie als Erzieherin in Stellung war, wurde von einem Mann umworben, der in dem Handelsunternehmen ihres Arbeitgebers eine untergeordnete Stelle innehatte. Die beiden heirateten schließlich. Ein Jahr nach der Hochzeit - die junge Frau hatte unterdessen ein Kind zur Welt gebracht - wurde bekannt, daß der Mann, den sie ihren Gatten nannte, bereits eine Frau hatte. Es heißt, daß diese Frau geisteskrank gewesen sei und er dies als Entschuldigung für eine zweite Ehe angeführt habe."
    Zudem spielt noch eine Geschichte eine Rolle die sich um das Herrenhaus Norton Conyers rankt (das zum Teil Vorbild für Thornfield Hall war). Dort soll angeblich jahrelang eine Irre im dritten Stockwerk des Hauses eingesperrt gewesen sein.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • @ Paradise Lost


    Die Erklärung mit der "Irren", die du zitierst, finde ich interessant.


    Ich habe ja schon des öfteren die Phantasie von Bronte für dieses Buch bewundert, aber ohne irgendwelche "Vorgaben", kann man ja auch nicht derart kreativ sein.

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Für die Grundidee der Geschichte zu "Jane Eyre" gab es offenbar eine wahre Begebenheit (aus der Biographie von Mrs. Gaskell):
    "Zu der Zeit [als Charlotte an Miss Woolers Schule unterrichtete] kam es in der Umgebung von Leeds zu einem Vorfall, der auf breites Interesse stieß. Eine junge Frau, die bei einer sehr angesehenen Familie als Erzieherin in Stellung war, wurde von einem Mann umworben, der in dem Handelsunternehmen ihres Arbeitgebers eine untergeordnete Stelle innehatte. Die beiden heirateten schließlich. Ein Jahr nach der Hochzeit - die junge Frau hatte unterdessen ein Kind zur Welt gebracht - wurde bekannt, daß der Mann, den sie ihren Gatten nannte, bereits eine Frau hatte. Es heißt, daß diese Frau geisteskrank gewesen sei und er dies als Entschuldigung für eine zweite Ehe angeführt habe."
    Zudem spielt noch eine Geschichte eine Rolle die sich um das Herrenhaus Norton Conyers rankt (das zum Teil Vorbild für Thornfield Hall war). Dort soll angeblich jahrelang eine Irre im dritten Stockwerk des Hauses eingesperrt gewesen sein.


    :gruebelinteressant... wie's das leben halt so manchmal macht


    der oger und die hexe... was für eine charmante paar-beschreibung :lache

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Ja, fand ich auch interessant, dass es dazu ne Vorlage gab. Aber es ist meistens so, dass man (bei ausreichender Kenntnis des Umfeldes etc. ) irgendwo Paralellen entdeckt. Dank Reclam muss ich nicht selber suchen. *gönnt sich den Luxus kolosaler Faulheit*

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • So dieser Abschnitt wäre jetzt auch geschafft. Der Beginn des Abschnitts war ja recht spannend, aber der Mittelteil rund um die Anbahnung der "Beziehung" von Rochester und Jane war dann doch etwas sehr ausführlich. Da hätte ich gern eine gekürzte Ausgabe gehabt.


    Die Szene am Totenbett der Mrs Reeds erscheint mir schon etwas zu übertrieben. Jane Eyre mit all der Demütigung, der sie in dem Haus erfahren hat, bekommt nun noch einmal eine kalte Dusche und sie lächelt dazu nur und versucht der Frau auch noch Trost zu spenden.


    In Thornfield dann die Geschichte mit Rochester. Wie bereits erwähnt war mir diese zu ausführlich. Interessanter ist da das Geheimnis rund um seine Frau. Aber auch, wie der Haushalt zusammenhält. Mrs Fairfax Einwende scheinen mir genau aus diesem Grund zu kommen - sie dürfte zumindest von der Existenz der Irren wissen, wahrscheinlich auch, dass es seine Ehefrau ist. Trotzdem halten aber alle dicht.


    Rochester scheint gleich nach der Ehe eine längere Abwesenheit einzuplanen. Ich vermute ein Jahr, dann will er Jane auch die Wahrheit sagen. Vielleicht wäre dann die Nichtigkeit der Ehe nach damaligen Recht geheilt.

  • An die glaub ich mittlerweile aber selbst nicht mehr. Erstens war es von Haus aus unwahrscheinlich, dass der Nichtigkeitsgrund der Doppelehe heilen kann, wenn einer der Vermählten bösgläubig ist - wobei es aber natürlich so hätte sein können.


    Aber

  • Zitat

    Original von Joschi


    Warum? Ich sage nur Zufälle gibt`s...


    So sehe ich das auch.


    Zitat

    Original von Chiclana
    Die Szene in der Kirche war ja heftig. Wird diese Frage nach dem Einwand gegen die Hochzeit eigentlich wirklich gestellt? Ich habe immer den Eindruck, die gibt's nur im Film und in Büchern, aber bei echten Hochzeiten ist sie mir noch nie aufgefallen...


    Soweit ich weiß, ist das nur in GB und den USA so üblich.



    @ Paradise Lost
    Danke für all die interessanten Infos aus der Reclam-Ausgabe!!


    Dass die Geschichte von der Bigamie wegen geisteskranker Erstfrau auf einer wahren Begebenheit beruhte, erklärt vielleicht, weshalb Charlotte Bronte die Namen einiger Schauplätze anonymisierte (Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig... :grin)


    So, und nun habe ich mit Hilfe eines Zweitbrowsers sogar zwei unterschiedliche Zitate in einem Posting untergebracht. Ist aber sehr mühsam. Wenn ich es eilig habe oder nicht lange dran bleiben kann, werde ich auch in Zukunft mal drei Postings hintereinander ablassen. In allen anderen Fällen gelobe ich Besserung. :-)