Mensch ohne Hund – Håkan Nesser

  • btb Verlag (HC) (20. August 2007), 544 Seiten


    Originaltitel: Människa utan hund (erschienen 2006 in Stockholm)
    Aus dem Schwedischen übersetzt von Christel Hildebrandt


    Handlung laut Rückseite:
    Barbarottis Rätsel
    "Wir haben zwei Personen, einen Onkel und einen Neffen. Gemeinsam mit einigen weiteren Verwandten kommen diese ein paar Tage vor Weihnachten zusammen, um ein Familienfest zu feiern. In der ersten Nacht löst sich der Onkel in Luft auf. In der nächsten Nacht löst sich der Neffe in Luft auf. Warum?"


    Zum Autor laut randomhouse:
    Håkan Nesser wurde am 21.02.50 in Kumla geboren, Abitur 1968, ab 1969 geistes-
    wissenschaftliches Studium (Englisch, Literaturgeschichte, Nordische Sprachen, Geschichte und Philosophie) in Uppsala, danach Lehramtsstudium in den Fächern Schwedisch und Englisch, Abschluss 1974. Arbeitete bis 1998 als Lehrer, zuerst in Märsta, danach in Uppsala. Seither freier Autor. Lebt in Uppsala mit seiner (zweiten) Frau Elke und zwei Kindern.


    Mehr Siehe www.hakan-nesser.de


    Meine Meinung:
    Skandinavische Krimis gibt es wie Sand am Meer. Und Hakan Nesser hat einen großen Teil dazu beigetragen. Mich hat der Titel Mensch ohne Hund an diesem Roman gereizt.
    Es ist der erste Fall für Inspektor Gunnar Barbarotti, Nessers neuester Serienheld für mindestens 4 Teile, nachdem Kommissar Van Veeteren „seinen letzten Fall“ hatte.
    Ich hatte vorher noch nie einen Hakan Nesser Roman gelesen, daher sind die folgenden Eindrücke mit Vorsicht zu werten.


    Ich verstehe den Roman nicht! Es ist sicherlich kein stereotyper Krimi, das finde ich bei den Beschränkungen den sich das Krimigenre auferlegt auch ganz gut so. Aber das Hakan Nesser bewusst nicht den, oft kopierten gesellschaftskritischen Anspruch eines Per Wallhö/May Sjöwall hat, kann auch ein Mangel sein. Denn, was bleibt dann?
    Die Handlung empfinde ich als wirr, zu den Charakteren kann ich keinen Zugang finden und eine geradlinige, logische Handlung sehe ich auch nicht.
    Skurrilitäten um des kruden Effekts wegen, kann ich nicht schätzen.


    Aber kommen wir lieber zu den positiven Aspekten:
    Bei den Dialogen beweist der Autor viel Wortwitz und ist alles andere als langweilig.
    Nesser folgt nicht dem üblichen Maintream, viele Satzwendungen und Wertschöpfungen wirken ungewöhnlich und frisch.


    Auf Seite 193 taucht dann zum ersten mal Inspektor Gunnar Barbaretti auf.
    Er ist ein geschiedener Mann mit Kind. Eine Figur an der sich der Leser klammern kann. Aber ganz ehrlich, ich mag ihn nicht!


    Dennoch, eine Schwäche ist der detailgenaue Blick, den der Autor besitzt, aber leider wahllos an viele seiner Figuren weitergibt, die so keine eigene Identität erlangen. Das wirkt beliebig und erschwert den Zugang zu den Charakteren.
    Dem Autor gelingt es auch bis zum Schluss nicht, den Leser für seine Figuren zu interessieren.
    Der Titel Mensch ohne Hund ist einem Manuskript eines der Opfer entnommen. Eine literarische Spielerei, die leider wie so viele andere verpufft.
    Ich kann das Buch wirklich niemanden empfehlen, da fast nichts lohnenswertes im Roman bleibt, dafür aber viele andere wichtige Bücher von nicht so bekannten Autoren dringend gelesen werden sollten.

  • Danke für die Vorstellung!
    Ich wollte Nesser eigentlich noch eine Chance geben und dieses Buch lesen, weil mich der Titel sehr gereizt hat ...
    Jetzt werde ich wohl Abstand davon nehmen und das Buch dekorativ im Regal stehen lassen.

  • Danke für die schöne Buchvorstellung. :-)
    Von Nesser habe ich bisher nur ein Buch gelesen, 'Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod', und ich empfand es ähnlich verwirrend, langatmig und konnte auch keinen Zugang zu den Figuren finden.


    Eventuell bekommt Nesser nochmals eine Chance, 'Der Kommissar und das Schweigen' habe ich seit ewigen Zeiten im Regal stehen - sollte sich meine Befürchtung allerdings bewahrheiten, dann wars das wohl mit Nesser.

  • Ich lese das Buch im Moment und bin eigentlich über die negative Kritik überrascht. Mir gefällt es im Vergleich zu allen anderen nesser Büchern, die ich gelesen habe sehr gut. In diesem Buch wimmelt es nur so von persönlichkeiten, die alle irgendwie einen Schuß haben. ich finde das sehr interessant.

  • Ich habe es heute beendet. Es liest sich sehr gut weg, ist frisch erzählt, ich finde auch Herrn Barbarotti nicht unsympathisch. Einiges an der Motivation der handelnden Personen kann ich allerdings nicht nachvollziehen, vor allem ist mir unbegreiflich,


    Gut geschildert fand ich dagegen die Entwicklung in der Familie Grundt, vor allem die Ebbas und Kristoffers Trauer.
    Trotz der positiven Aspekte stimme ich darin zu, dass man richtig "warm" mit dem Buch nicht werden kann. Wenn ich zum Beispiel einen Vergleich mit Karin Alvtegens "Schatten" ziehe - auch darin geht es um den Zerfall einer Familie, aus verschiedenen Perspektiven geschildert -, da liegen Welten dazwischen.


    Schönen Gruß von Zefira

  • In seinem ersten Fall muss der geschiedene Inspektor Gunnar Barbarotti das mysteriöse Verschwinden von Walter Hermansson und seines Neffen Henrik Grundt in Kymlinge, einem Dorf in Schweden aufklären.
    Zunächst erzählt Håkan Nesser in „Mensch ohne Hund“ ungefähr 200 Seiten lang die Vorgeschichte der einzelnen Protagonisten und stellt die verschiedenen Familienmitglieder vor.
    Das Familienoberhaupt Karl – Erik Hermansson will zusammen mit seiner Tochter Ebba Hermansson Grundt seinen 65. Geburtstag bzw. ihren 40. Geburtstag feiern, als kurz vor der Familienfeier sein Sohn Walter verschwindet.
    Zunächst wird nicht weiter darüber nachgedacht, da Walter das „schwarze Schaf“ der Familie ist und mit dem Gedanken gespielt wird, dass es sich mit irgendwelchen Bekanntschaften die Zeit vertreibt.
    Erst als am Tag darauf Ebbas Sohn Henrik verschwindet wird die Polizei eingeschaltet und Inspektor Gunnar Barbarotti tritt mit seiner Kollegin Eva Backmann auf den Plan.
    Die Geschichte beginnt zuerst schleppend, gewinnt aber stellenweise an Tempo und Spannung. Insgesamt aber plätschert die Handlung eher vor sich hin, was auch an den zähen Ermittlungen liegt, die sich über ein Jahr hinziehen. Auch steht eher die Familiengeschichte als die Ermittlung im Zentrum der Handlung.
    Es passiert auch nichts wirklich prägendes, so dass man die Geschichte nicht wirklich im Gedächtnis behält.
    Dennoch kann man das Buch durch Nessers authentischer Sprache gut lesen und die Geschichte ist leicht zugänglich.
    Auch die verschiedenen Erzählperspektiven und die Einblicke in Barbarottis Privatleben sind gut und glaubwürdig erzählt.
    Dennoch ist Gunnar Barbarotti zunächst eine eher unspektakuläre und farblose Figur, die nicht wirklich greifbar erscheint. Als Leser gewinnt man noch keinen bleibenden Eindruck, was sich aber in den weiteren Fällen ändern kann.
    Letztendlich ist Barbarottis erster Fall angenehm zu lesen, mit etwas Spannung durch die Überlegung einer möglichen Verbindung der beiden Vermisstenfälle und den unklaren Zusammenhängen.
    Håkan Nesser schafft es mit seinem ungewöhnlichen und beeindruckenden Schreibstil die Geschichte dem Leser schmackhaft zu machen.


    3,5 von 5 Sternen!

  • Der Titel sprang mich an, auch wenn Hasewue's Rezi etwas besser ist, bin ich froh das es die Eulen gibt die einen vor solch offensichtlichen Fehlkäufen abhalten. Danke.

    Diese Eintrag wurde bisher 47 mal bearbeited, zultzt gerade ebend, wegen schwere Rechtsschreipfeler.

  • Und schon wieder eine nordische Neuentdeckung für mich.


    Klasse, dieses Buch von Hakan Nesser!


    Es geht um zwei verschwundene Menschen. Diese beiden sind verwandt.
    Es handelt sich um Onkel und Neffe - beide innerhalb von zwei Tagen vom selben Ort verschwunden, und zwar von der gemeinsamen Geburtstagsfeier zweier Familienmitglieder.


    Sehr lange wird der Leser über die Charaktere der Familie aufgeklärt - vor und nach dem mysteriösen Verschwinden der Beiden, bis nach ca. 200 Seiten der Ermittler auf den Plan gerufen wird. Auch er wird vom Autor ziemlich eindringlich beleuchtet.


    Der Fall an sich ist sehr spannend, hat aber im Roman den gleichen Stellenwert wie die Charakterstudien der Darsteller. Und dies macht das Buch so lesenswert. Hakan Nessers Schhreibstil ist recht eigenwillig, zu Anfang auch gewöhnungsbedürftig, aber gestaltet sich als immer mitreißender, je mehr die Geschichte voran geht.


    Die düstere (Winter)atmosphäre Schwedens wird genauso zum Leben erweckt, wie die Abgründigkeit der Menschen.


    Ein toller Thriller, der für mich nach mehr von diesem Autor schreit.
    Die beiden Folgebände werde ich sicherlich lesen.


    9, nein 10 Punkte!

  • @ Anton: ich habe nur Band 2 und 3 gelesen. Band 2 "Eine ganz andere Geschichte" kann ich vorbehaltlos empfehlen. Aber der dritte Teil "Das zweite Leben des Herrn Ross" schwächelte in meinen Augen doch gewaltig.


    Vielleicht liest Du erstmal Band 2, so als Entscheidungshilfe :-).

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • "Mensch ohne Hund" ist der erste Roman von Håkan Nesser, der von Kommissar Gunnar Barbarottis Fällen erzählt. Das Buch beginnt mit einer ausführlichen Familienbeschreibung der Hermanssons, die sehr darauf bedacht sind, den Schein der Normalität zu wahren. Die Familie besteht aus dem pensionierten Rektor Karl- Erik, seiner depressiven Frau Rosemarie, ihren drei Kindern und zwei Enkelkindern. Die ganze Familie kommt zu einer Feier zusammen, um Karl- Erics 60. und den 40. Geburtstag seiner Tochter Ebba zu feiern. Die unterdrückten Probleme innerhalb der Familie kommen nach und nach an die Oberfläche, als zwei Familienmitglieder ohne jede Spur verschwinden. Zu diesem Zeitpunkt kommt Kommissar Barbarotti ins Spiel und nimmt seine Ermittlungen, vor allen im Kreis der Familie, auf.
    Gunnar Barbarotti ist Håkan Nessers Vorgänger von Kommissar Van Vetteren und dementsprechend lagen die Erwartungen bei mir sehr hoch. Leider konnte Barbarotti meine Erwartungen in "Mann ohne Hund" nicht erfüllen. Im Gegensatz zur Familie Hermansson wird der Charakter des Kommissars wenig beschrieben und ich wurde nicht vertraut mit ihm.
    Obwohl bereits nach der Hälfte des Buches vermutet werden kann, wer der Mörder ist, macht es trotzdem Spass das Buch zu Ende zu lesen und den schleichenden Verfall der immer neurotisch werdenden Familie Hermansson zu verfolgen. Håkan Nessers "Mensch ohne Hund" ist eine ausführliche Familienchronik gepaart mit der nötigen Spannung eines Kriminalromans. Ein durchaus empfehlenswertes Buch, auch wenn es nicht an die Vorgängerbücher mit Kommissar Van Vetteren herankommt.


    Viele Grüße,


    Katha*

  • Gestern kam eine deutsche Verfilmung... na ja, ich dachte: man hat sich Mühe gegeben. Die Charaktere hatten ja wirklich fast alle einen Schuss weg und die meisten Schauspieler haben mit ihrem Spiel so übertrieben, dass es weh tat, dazu dieses andauernde Gestocke beim Reden - das wirkte so, als hätten sie zwei Stunden Schauspielunterricht gehabt ("Also, wenn ihr jemanden spielt, der nervös ist, dann redet so abgehackt wie möglich. - Ich - wusste - nichts - - davon, - dass..." Schön war aber, als Barbarotti bei den Älteren dann plötzlich auch so redet!).


    Der Film-/Buchtitel hat auch überhaupt keine Bedeutung, wie schon im Eingangsposting steht. Einer der Toten schrieb an einem Buch mit dem Titel, schön, aber da dies keine weitere Rolle spielt, wozu dann das ganze Buch danach benennen?


    Barbarotti selbst kam ganz sympathisch rüber, zu dem Gottes-Existenz-Experiment sage ich aber lieber nichts...

  • Familie Hermansson bereitet sich auf ein großes Familienfest vor. Es soll der 65. Geburtstag des Vaters Karl-Erik und der 40. Geburtstag der Tochter Ebba gefeiert werden. Zu diesem großen Tag werden von den Eltern Rosemarie und Karl-Erik ihre drei Kinder Ebba, Walter und Katarina samt Anhang erwartet.


    Während der ersten Nacht verschwindet der Sohn Walter und in der darauffolgenden Nacht verschwindet der Enkelsohn Henrik.


    Dies ist der erste Fall für Gunnar Barbarotti, seiner Kollegin Eva Backman, Gerald Sorgsen und deren Chef Asunander. Sie haben sehr wenig Anhaltspunkte und deshalb gestaltet sich die Angelegenheit auch sehr langwierig.


    Der Autor hat die gesamte Familie Hermanson sehr genau charakterisiert und vorgestellt. Auch über Barbarottis persönlichen Hintergrund erfährt man einiges.


    Nichtsdestotrotz fehlte mir persönlich der rote Faden und auch die Spannung in diesem Buch. Der Leser war den Ermittlern gegenüber klar im Vorteil, denn er konnte sich manches sehr frühzeitig zusammenreimen. Es war nicht so sehr ein Krimi als vielmehr ein Familienroman darüber, wie diese Familie vor dem Unglück gestaltet war und wie sie mit dem Verarbeiten und der Bewältigung des Verlustes umgeht.


    Ich habe vom Autor die Romane mit van Veeteren sehr gerne gelesen, die anderen Romane haben mir nicht so gut gefallen und Barbarotti wird es vermutlich auch zu keinem 2. Fall mehr schaffen.


    Von mir 7 Punkte

  • Ich habe mir vorgenommen, die Barbarotti-Serie endlich komplett zu lesen, nachdem es mich wiederholt bei Band 3 rausgeschmissen hat. Diesmal klappt´s hoffentlich, immerhin habe ich mir Teil 4 und 5 schon gekauft.
    Nun aber zu "Mensch ohne Hund": ich kann Richie zustimmen, es ist weniger ein Krimi als eine Familienstudie in Zeiten größter Dramatik. Dieser erste Teil mit der Familienzusammenkunft hat mir auch super gefallen, da tun sich wahrlich Abgründe auf!
    Mit dem Erscheinen Barbarottis geht es leider deutlich bergab: ich kann mich an Serienteil 2 nicht mehr so genau erinnern, aber in diesem Buch hier bleibt der Ermittler doch sehr farblos und ungreifbar. Naja, er ist halt einfach kein Van Veeteren... Auch die eigentliche Ermittlungsarbeit in diesem Fall ist mehr als dürftig, dafür wird der Plot auf über 500 Seiten ausgedehnt.
    Sehr gut gefallen hingegen hat mir wieder einmal Nessers Schreibstil, der Mann kann ganz einfach schreiben.
    Insgesamt war´s für mich ein durchwachsener Serienauftakt, dennoch bin ich schon gespannt auf die weiteren Teile!

  • Lange scheint keiner mehr eine Rezi zu diesem Buch geschrieben zu haben. Ich habe das Buch seit Jahren im Regal stehen gehabt, ungelesen.
    Im Thriller, der eigentlich kein richtiger Thriller ist, geht es um eine Familie, die eigentlich keine richtige Familie ist, sondern aus Einzelpersonen besteht, die alle mit ihrer Kindheit/Vergangenheit zu kämpfen haben. Sie kommen nach längerer Zeit zusammen, weil es zwei runde Geburtstage zu Feiern gibt. Diese Feier wird zum Verhängnis, denn innerhalb von 48 Stunden verschwinden Onkel und Neffe. Das Buch beginnt mit einer ausführlichen Familienbeschreibung der Hermanssons, die sehr darauf bedacht sind, den Schein der Normalität zu wahren. Die Familie besteht aus dem pensionierten Rektor Karl- Erik, seiner depressiven, später alkoholkranken, Frau Rosemarie, ihren drei Kindern, zwei Schwiegerkindern und drei Enkelkindern. Die unterdrückten Probleme innerhalb der Familie kommen nach und nach an die Oberfläche, als zwei Familienmitglieder ohne jede Spur verschwinden. Kommissar Barbarotti soll nach den Vermissten fahnden.


    Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, denn noch Hakan Nessers Schreibstil entwickelt sich in rasantem Tempo eine düstere Dynamik. Der eigenwillige Schreibstil hat mich total mitgerissen. Einzig am Ende hätte es für mich etwas schneller gehen dürfen, ohne diese ausschweifenden Nebengeschichten. Es war mein erstes Buch von dem Autor und es erhält 9/10 Punkte. Ich freu mich schon auf die anderen.