Riemenschneider - Tilman Röhrig

  • @ Enigma


    "Die Hofnärrin" heißt im englischen Original "The Queen's Fool". Angesprochen hat mich zum Einen die Homepage der Autorin mit ihren Ausführungen zu Recherche und Inspiration, zum Anderen paßte es auch zeitlich ganz gut, weil ich vor kurzem Nicole Vosselers "Das Haus der Spione" gelesen habe, das zeitlich zwar etwas später angesiedelt ist, aber thematisch paßt.


    Ich mache bestimmt eine Rezi, wenn ich es durch habe.

  • Zitat

    Original von Charlie
    Ich muss jedes Buch ueber Henry VIII. in der Hand gehalten haben und habe Philippa Gregory mit diesem Roman bei einer sehr schoenen Lesung bei uns im Tower erlebt.


    :wow Eine Lesung im Tower. Wow.


    Was fasziniert Dich an Henry VIII.?

  • Zitat

    Original von Kalypso
    :wow Hoffentlich nichts Schlimmes beim Vierbeiner?


    Ansonsten sollte »Riemenschneider« dir eigentlich gefallen, dennoch bin ich natürlich auf deine Meinung gespannt.


    Viele Grüße und gute Besserung für die Miez!
    Kalypso


    Eine Bisswunde nach einer Keilerei hat sich leider böse entzündet und bis jetzt nimmt sie das Patientendasein noch nicht so gut... :-( da liest sich leichte Lektüre nebenher besser.


    Soll ich zuerst Riemenschneider lesen oder Friedrich II.? :grin

  • In den Historic Royal Palaces (also auch in Hampton Court) werden verschiedene Dinge ab und an veranstaltet (sehr schoene Konzerte, Theaterauffuehrungen, ausgezeichnete Vortraege und Seminare, auch ab und an eine Lesung ja).
    Dies war eine von ihrem Verleger und einem Grossbuchhaendler sowie HRP gemeinsam fuer die HRP Mitglieder veranstaltete Event-Lesung, und sie war wirklich grossartig. Wir wurden an die Schauplaetze des Romans gefuehrt, haben dann die szenisch ausgefuehrte Lesung (Henry war dabei, hach ...) gehoert und dann dort noch diskutieren, essen, Renaissance-Musik hoeren koennen - es war sehr schoen.
    Umso mehr hat's mir leid getan, dass ich hinterher das Buch nicht so mochte - die Autorin fand ich aber sehr sympathisch und offen - interessant! (Ich muss gestehen: das erwaehnte Buch von Margaret George hat mir auch nicht gefallen. Beide sind nicht so mein Geschmack, fuercht' ich.)


    Henry VIII. fasziniert mich schon mein Leben lang, weil die englische Renaissance und die Gruendung der anglikanischen Kirche sowie die Tyndale-Uebersetzung der Bibel so faszinieren. Ich hab ein Buch darueber geschrieben, es erscheint im Juni. Es hat mich zwanzig Jahre lang beschaeftigt - ich glaub, ich wohn' deshalb hier.


    Aber in den Thread ueber "Riemenschneider" gehoert ja Henry eigentlich nur sehr am Rande - sorry!


    Pelican, ich fand das Buch "Wie ein Lamm unter Loewen" ausgezeichnet. Ich kann es sehr empfehlen.


    Einen schoenen Leseabend Euch allen.
    Alles Liebe von Charlie.

  • Zitat

    Original von Charlie
    Henry VIII. fasziniert mich schon mein Leben lang, weil die englische Renaissance und die Gruendung der anglikanischen Kirche sowie die Tyndale-Uebersetzung der Bibel so faszinieren. Ich hab ein Buch darueber geschrieben, es erscheint im Juni. Es hat mich zwanzig Jahre lang beschaeftigt - ich glaub, ich wohn' deshalb hier.


    Na fein, das spricht mich thematisch an (die Ostseeperle ja nicht unbedingt auf den ersten Blick). :-)

  • "Ostsee-Perle" mag ich als Ausdruck auch nicht so sehr, das wuerde ich vermutlich nicht lieber lesen wollen als Du.
    "Atlantis in der Ostsee" ist ebenso bombastisch, trifft aber viel eher zu.


    Aber ich hatte ja versprochen, diesen Thread nicht laenger zu missbrauchen.
    Hoch und heilig: Ich schreib in diesem Thread erst wieder was, wenn ich "Riemenschneider", das ich mir auf Eure Empfehlung hin bestellt habe, gelesen habe und etwas ZUM THEMA sagen kann.


    Einen schoenen Sonntag!
    Alles Liebe von Charlie.

  • Jetzt habe ich auch endlich "Riemenschneider" gelesen. Ich habe es mir übrigens doch gekauft, weil es mir bei der Bücherei zu lange dauerte.
    Das Buch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich dafür länger als für die meisten anderen Bücher gebraucht habe. Es ist anspruchsvoll geschrieben und die Vielfalt der Themen bzw. Handlungsstränge erforderte immer wieder Online-Recherchen.
    Sehr gefreut hat mich,

  • Ich war vom "Riemenschneider" eher enttäuscht. Zwar ist er sprachlich über weite Strecken ein Genuss, aber inhaltlich hat er meine Erwartungen leider nicht erfüllt. Ich hatte vor allem gehofft, mehr über den Künstler Riemenschneider und seine innersten Beweggründe zu erfahren. Aber bei der Person, die mir im Buch begegnet, stehen die künstlerischen Ambitionen deutlich hinter dem Streben nach Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung zurück. Diesen Zielen ordnet er sein gesamtes Leben unter – einschließlich seiner Entscheidungen, diverse Damen zu ehelichen, deren wesentliche Vorzüge sich in einer üppigen Mitgift erschöpfen.


    Besonders übel aufgestoßen ist mir in diesem Zusammenhang das Frauenbild, das der Autor zeichnet. Selbst wenn es sich bei den Ehefrauen (die außer der letzten stets nach einigen Jahren das Zeitliche segnen) um historische Personen handelt, die vielleicht tatsächlich so hypochondrisch, manipulierend, unbedarft-naiv, zickig-bösartig und oberflächlich-nervig waren, wie sie im Buch dargestellt werden – zumindest bei Magdalena (Riemenschneiders „Eva“) hatte der Autor jede dichterische Freiheit. Und was wird daraus? Eine ebenso liebenswerte wie bedauernswerte Gestalt, die ihrem „Herrn“ den Allerwertesten zum Abtritt trägt und trotz aller persönlichen Zurückweisung (als Ehefrau ist sie ihm nicht gut genug) glücklich über jeden Dienst ist, den sie ihm erweisen darf.


    Um die Sache noch schlimmer zu machen, folgt Riemenschneiders Tochter Katharina unverzagt diesem Vorbild und lässt sich von ihrem nichtsnutzigen Ehemann (Magdalenas verwöhntem Sohn) wie eine Flickenpuppe behandeln, die man nach Gutdünken in die Ecke werfen und wieder vorholen kann. Im gesamten Buch findet sich keine einzige Frauengestalt (und solche hat es sicher auch Ende des fünfzehnten, Anfang des sechzehnten Jahrhunderts gegeben), die echte Stärke und Eigenständigkeit verkörpert.


    Enttäuschend fand ich außerdem, dass Riemenschneider selbst viel zu selten im Mittelpunkt der Handlung steht. Zwar beherrscht der Autor die hohe Kunst, virtuos mit vielen verschiedenen Handlungssträngen zu spielen, aber der "Titelheld" kommt dabei gelegentlich doch zu kurz, während andere Figuren für meinen Geschmack zu stark in den Vordergrund rücken.


    Die Schilderung beispielsweise, wie Götz von Berlichingen seine Hämorrhoiden behandeln lässt, ist zwar höchst amüsant, für den Fortgang der Handlung jedoch überflüssig und einen Bezug zum Titel kann ich darin schon gar nicht erkennen. Auch die Auftritte des Reformators Martin Luther wirken auf mich teilweise etwas an den Haaren herbeigezogen.


    Nichts gegen einen historischen Roman über die Zeit der Reformation und der Bauernkriege - und wenn das der Anspruch war, ist Röhrig ein sehr gutes Buch gelungen - aber dann sollte der Titel auch deutlich machen, was ich als Leserin zu erwarten habe.

  • Was den Titel betrifft, so gebe ich Dir Recht.
    Wenn ich nicht bereits vorher die Rezi gelesen hätte, dann hätte ich eher einen biographischen Roman über Tilman Riemenschneider erwartet.


    Das Frauenbild verärgert den modernen Leser und vor allem die moderne Leserin, allerdings glaube ich, dass es durchaus realistisch gezeichnet ist.
    Besonders die ungebildeteren Schichten (Bauern) glaubten ja an die Berechtigung der gesellschaftlichen Hierarchie (Adel und Klerus höherstehend als die breite Masse des Volks, die Frau selbstverständlich dem Mann untertan), die ihnen von der Kirche seit Jahrhunderten eingebläut wurde.
    Vermutlich waren es nur sehr wenige und gebildete Frauen wie z.B. Alienor d´Aquitaine, Christine de Pizan und Elizabeth I, die überhaupt die Überlegenheit des Mannes in Frage zu stellen wagten.
    Darüber hinaus riskierte jede Frau, die zu selbstständig dachte und aufmucken wollte, als Hexe auf dem Scheiterhaufen zu landen... :-(

  • Zitat

    Original von €nigma


    Vermutlich waren es nur sehr wenige und gebildete Frauen wie z.B. Alienor d´Aquitaine, Christine de Pizan und Elizabeth I, die überhaupt die Überlegenheit des Mannes in Frage zu stellen wagten.


    Deshalb lese ich als Kontrastprogramm jetzt auch das "Buch der Gifte" :grin

    Felder müssen gepflügt und Bücher gelesen werden. (chinesische Weisheit)

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  • Riemenschneider – Tilman Röhrig


    Meine Meinung:
    Ein imposanter Roman über den Künstler Tilman Riemenschneider, das bedeutet auch ein Portrait über die Zeit Ende des 15. und Anfang des 16.Jahrhunderts in Würzburg und Orten der Umgebung. Die politischen Ereignisse dieser Zeit wie Terror durch die Blutzapfen, die auf schockierend brutale Art den Zehnt eintreiben, die Bundschuh-Bewegung und die Bauernkriege 1525 sind vollkommen in die Handlung dieses Romans integriert und fest miteinander verbunden.


    Die künstlerische Arbeit Riemenschneiders als Bildschnitzer und Bildhauer wird nicht sehr detailliert oder zumindest mit kleinerem Anteil behandelt. Damit ist Riemenschneider kein reiner Künstlerroman wie etwa „Der Maler Gottes“ von Ines Thron, indem die künstlerische Motivation und Inspiration des Malers Matthias Grünewald gründlich aufgeschlüsselt wird.


    Im Mittelpunkt steht aber die lebenslange Liebesgeschichte zwischen Riemenschneider und der Magd Magdalena, die ihm einst als Modell für die Eva stand. Aufgrund der Standesunterschiede ist eine Heirat nicht möglich, aber die Liebe und die Freundschaft bleibt. Mit Magdalena Sohn und Riemenschneiders Tochter wird sich diese Liebesgeschichte wiederholen und vielleicht wird sich die Liebe hier erfüllen, aber dazu gilt es dramatische Situationen aufgrund des versuchten gesellschaftlichen Wandels zu überstehen.


    Eine Nebenhandlung der Bauernkriege stellt Götz von Berlichingen, der die Bauern als Anführer während der Aufstände im Stich gelassen hatte, mit großer Wirkung dar.


    Die Haupt- und auch Nebenfiguren, zum Beispiel Riemenschneiders Ehefrauen, sind lebensecht entworfen. Das wird durch die relativ lange Zeitspanne, die behandelt wird, noch verstärkt. Diese Figuren leben, die dargestellte Zeit atmet und der Leser vergisst beim Lesen die Gegenwart. So sollte ein anspruchsvoller historischer Roman sein.


    Bei allem Respekt vor der Komplexität und Länge dieses Meisterwerks kann ich dem Roman trotz einiger sehr drastischer Szenen eine gute Lesbarkeit und interessante Lesestunden bescheinigen.
    Ich gebe starke 9 Punkte von 10.

  • Ich lese sehr gerne historische Romane, nur sind die meisten leider nicht umwerfend gut.
    Welch wohltuende Ausnahme ist da Tilman Röhrigs "Riemenschneider".
    Ich habe das Buch mit großer Begeisterung gelesen.
    Besonders gut hat mir gefallen, dass sich der Autor beim Leben des Meisters meiner Meinung nach an die historischen Tatsachen gehalten hat, und dort nichts dazuerfunden hat, wo man eben nichts genaueres weiß.
    Der zeitliche Hintergrund (Reformation und Bauernkriege) ist auch sehr interessant geschildert.


    Das einzige, was mir nicht so gefallen hat, ist die etwas zu langatmige Schilderung der historischen Ereignisse gegen Ende des Buches. Da wäre weniger für mich mehr gewesen.


    Aber sonst gibt es an diesem monumentalen Werk rein gar nichts auszusetzen. Auch die Sprache ist überwältigend.


    Ein Meisterwerk!

  • Tilman Röhrig bringt uns in seinem Buch das Leben von Tilman Riemenschneider auf unterhaltsame Weise näher. Man erfährt viel von der Entstehung seines wohl bekanntesten Werkes –Adam und Eva-, aber auch die anderen Arbeiten werden genannt. Riemenschneider hatte viele Ehefrauen und Kinder, die diese Biografie natürlich interessant machen. Ob es tatsächlich eine Liebelei mit der als Model gestandenen „Eva“ gab, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Geschichte darum hat mich jedoch sehr gut unterhalten. Riemenschneider ist nicht nur Bildhauer und Schnitzer gewesen, sondern auch Ratsherr und später sogar Bürgermeister der Stadt Würzburg.


    Einfach war das öffentliche Leben nicht während die Revolution mit Luther ihre Anfänge hat. Auch Würzburg war von den Auswirkungen der Bauernaufstände betroffen. Was in dieser Zeit mit Riemenschneider passiert, möchte ich hier nicht genauer erwähnen.


    Ich fand den Roman sehr aufschlussreich, er hat mir das 15./16. Jahrhundert in Würzburg etwas näher gebracht. Mich interessierte das Buch so, dass ich es nur ungern aus der Hand legte. Was meinen Lesefluss jedoch ein wenig gestört hat, waren die Einschübe mit vielen Ortswechseln. Am Ende wusste ich natürlich, dass diese Informationen wichtig waren um einen weitreichenden Überblick hinsichtlich der Bauernaufstände zu geben.


    Ich stufe das Buch als sehr lesenswert ein und vergebe 9 Punkte. Weiterempfehlen werde ich es auf jeden Fall an meine Freunde, die sich in der Gegend um Würzburg auskennen und anspruchsvolle historische Romane bevorzugen.

  • Das war mein Jahres-Highliht 2007, sonst ein sehr schlechtes Lesejahr, weil mich nur wenige der Bücher, die ich gelesen habe, wirklich begeistert haben.
    Sieht heuer schon viel besser aus.

  • Mit auf die WL gesetzt. Jedoch mal gespannt, wann ich es mal in den Händen haben soll, bei der Ellen langen WL. :gruebel

    :oha Lg Bellamissimo
    ~~~~~~~~~~~~~~
    Habent sua fata libelli- Bücher haben ihre Schicksale:pferd
    :lesend Der Fluch der Hebamme- Sabine Ebert
    Mit offenen Karten- Agatha Christie

  • Riemenschneider ist sicherlich ein schöner historischer Roman, der wie die meisten Romane von Tilman Röhrig, im ganzen gut gelungen ist. Persönlich habe ich dieses Buch aber nur gekauft, weil mich der Autor fasziniert und weil ich aus Würzburg stamme. Gewissermaßen eine „Pflichtübung“. Nehmen wir einmal an, ich hätte den Autor nicht gekannt, dann hätte ich den Roman nicht so zügig lesen können (wenn ich ihn überhaupt gekauft hätte) wie ich es tat, weil ich immer die Hoffnung hatte es wird irgendwann spannender als es eigentlich war.
    Denn, die Handlungen die bei vielen „Röhrigs“ fast bühnengerecht definiert sind, werden hier manchmal in die Länge gezogen und enthalten nicht die Unterhaltung die man sich von dem Roman verspricht. Ich weiß dass der Vergleich für manche von euch etwas hinkt, aber Iny Lorentz macht diesen Fehler selten. Ihre Romane ziehen den Leser von Anfang in den bann. Leider sind ihre Themen nicht so edel wie die von Tilman Röhrig.

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    "Die Totenbahre ist die Wiege des Himmels..." (Aus: Verschlungene Wege/wahre Geschichten von Pilgern und Gottsuchern. ISBN 978-3-86744-074-5)
    :grab