Gute Übersetzungen - schlechte Übersetzungen ...

  • Ich greife hier das Thema auf, das in meinem Begrüßungsthread angesprochen wurde. Der Ausgangspunkt war, dass ich auf meiner HP kritisiere, gute Übersetzungen würden vom Publikum nicht angemessen gewürdigt. Damit stellt sich automatisch die Frage, was denn eine gute Übersetzung ist und woran man sie erkennt. Ich will mal versuchen, dazu aus meiner persönlichen Sicht und Erfahrung ein paar Thesen zu formulieren:


    1) Eine Übersetzung ohne sprachliche und inhaltliche Schnitzer ist für mich nicht unbedingt eine gute, sondern erst mal „nur“ eine korrekte ... was eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber keineswegs immer ist. Wirklich gut ist eine Übersetzung erst dann, wenn es ihr gelingt, auch die Idee oder eben den „Geist“ (wie SiCollier es ausgedrückt hat) des Originals zu vermitteln. Ich vergleiche das gerne mit einem Lied, dessen Melodie und Text ich angemessen in meine eigene Sprache übertragen muss.


    2) Das ist ein ziemlich hoher Anspruch, der sich in der Praxis nur erfüllen lässt, wenn


    a) das zu übersetzende Original tatsächlich ein Lied ist und nicht nur ein „Gekrächze“,


    b) ich als Übersetzerin die Melodie wahrnehmen und harmonisch auf ein anderes Instrument übertragen kann (Sprachkompetenz),


    c) ich den Text des Liedes verstehe und ebenfalls harmonisch übertragen kann (Sachkompetenz)


    d) ich bereit bin, mich mental und emotional auf die Botschaft des Liedes einzulassen.


    3) Wenn diese vier Voraussetzungen erfüllt sind, wird eine Übersetzung gut ... im günstigsten Fall so gut, dass man beim Lesen gar nicht auf die Idee kommt, es könnte sich um eine Übersetzung handeln. Für mich persönlich gehört es jedenfalls zu den größten Komplimenten, wenn mir jemand sagt: „Mir ist beim Lesen überhaupt nicht aufgefallen, dass es eine Übersetzung war.“


    4) Genau darin liegt das Dilemma: Bei einer wirklich guten Übersetzung wird der Übersetzer/die Übersetzerin unsichtbar – und folglich auch nicht wahrgenommen.


    5) Es gibt verschiedene Gründe, warum wirklich gute Übersetzungen eher die Ausnahme als die Regel sind:


    a) Aus einer schlechten oder mäßigen Vorlage (und davon gibt es leider reichlich) lässt sich auch durch die Übersetzung kein gutes Buch machen.


    b) Aktualität wird zunehmend höher bewertet als Qualität; der Zeitdruck wächst, oft arbeiten mehrere Übersetzer parallel an verschiedenen Textabschnitten desselben Buches, die Abgabefristen – nicht nur für die Übersetzer, sondern auch für Lektoren und/oder Redakteure – sind eng und werden immer enger.


    c) Die Honorierung richtet sich gewöhnlich nicht nach dem Schwierigkeitsgrad von Texten und schon gar nicht nach der Qualität der abgegebenen Übersetzung. Ob ich mir also viel oder wenig Mühe gebe, ggf. umfangreich nachrecherchiere oder sonstigen Aufwand betreibe, ist gewissermaßen mein Privatvergnügen – auf den Stundenlohn wirkt es sich allenfalls negativ aus, weil ich mehr Zeit pro abzurechnender Normseite aufwende. Bösartig zugespitzt: Dünnbrettbohrer stehen sich finanziell am besten.


    d) Die finanzielle Situation der meisten Übersetzer ist so, dass sie jeden Auftrag annehmen müssen, den sie bekommen können, ob sie nun Lust auf gerade dieses Thema und diesen Autor haben oder nicht, ob sie die Vorlage gut oder schlecht finden, sich von dem Text überfordert fühlen oder sich dabei langweilen ... kaum jemand kann es sich leisten, einen Auftrag abzulehnen.


    So ... ich denke, das reicht erst mal zur Information und Provokation, und ich bin gespannt auf eure Rückmeldungen.


    Annuith :wave

  • Das finde ich schon mal sehr interessant.
    Aber ich denke mir, wenn ich Übersetzer für Bücher werden will, muss ich mich erst mal für Bücher interessieren - also schon einiges gelesen haben und mich auch fürs Thema interessieren... bzw. darüber schlau machen.


    Ich habe teilweise Bücher gelesen (weiss nicht mehr welche), da hab ich manchmal den Sinn eines Satzes nicht verstanden.


    Wie läuft denn das? Du bekommst ein Buch oder einen Teil und übersetzt den. Liest das noch jemand korrektur (naive Frage - aber ich hab wirklich keine Ahnung) oder wird das so übernommen?
    Denn wenn man sich lange mit einem Thema beschäftigt (ich weiss das, weil ich Fremdsprachenkorrespondentin gelernt habe und auch Textte - allerdings Wirtschaftstexte übersetzen musste), kann es sein, dass man blind für Fehler ist. Ich habe damals alles wieder und wieder durchgelesen - pro Absatz oder so und habe irgendwann gemerkt, dass ein Wort fehlt oder so... Ist doch sicher bei euch auch so. Vor allem am Ende eines langen Arbeitstages, oder?

  • Ein interessantes Thema :-)


    Ich finde es auch schade, wenn gute Übersetzer nicht gewürdigt werden. Wenn ein Buch schlecht übersetzt wurde, dann motzen die meisten, wenn es aber gut übersetzt wude, heimst der Autor das ganze Lob ein. Dazu kommt noch, dass nach meiner Erfahrung die meisten Übersetzungen eher mittelmäßig bis schlecht sind, so dass ich englischsprachige Romane meistens eher im Original kaufe und nur noch dann zur Übersetzung greife, wenn ich das Buch in der Buchhandlung vorher anlesen konnte. Dadurch entgehen mir bestimmt auch einige gute Übersetzungen.


    Deinen Thesen stimme ich zu. Man kann erkennen, ob ein Buch gut übersetzt wurde, auch wenn man das Original nicht kennt. Mir ist es mal bei einem Buch so gegangen, dass ich erst wirklich nicht merkte, dass es eine Übersetzung aus dem Englischen ist - und dabei achte ich sehr darauf, die Originalsprache zu lesen! Erst als ungefähr in der Mitte zum ersten Mal ein englischsprachiger Name erwähnt wurde (vorher waren die Namen eher neutral), schaute ich nach, woher der Autor eigentlich stammt. In solchen Fällen erwähne ich das auch bei der Rezension, denn ich bin wie du der Meinung, dass gute Übersetzer nicht total untergehen sollten. (Es geht um dieses Buch: Isabellas Liebe zum Flügelhorn (Paul Fattaruso))



    Zu dem Thema fällt mir ein: Ich muss endlich mal "Quasi dasselbe mit anderen Worten" von Eco lesen, das habe ich mir vor einigen Wochen geleistet. Kennst du das Buch? Mich interessiert die Thematik allgemein sehr, zumal ich mit Übersetzern zusammenarbeite (allerdings "nur" Dokumentationen, keine Literatur), manchmal auch selbst übersetzen muss und es unglaublich schwierig finde, die richtigen Worte auf deutsch zu finden und dafür zu sorgen, dass es nicht übersetzt wirkt. Das ist immer wieder eine schöne Herausforderung. :-)

  • @ Booklooker: Der übliche Weg sieht so aus: Ich bekomme meinen Text (Buch oder mittlerweile häufiger Manuskript/Umbruch), übersetze, schicke die Übersetzung an den Verlag, der gibt sie an einen Lektor/Redakteur, und der überarbeitet das Ganze noch einmal, prüft, redigiert, korrigiert ... und segnet die Endfassung schließlich ab, bevor sie in die Produktion geht.


    Wie sorgfältig ich selbst meine Übersetzung inhaltlich und sprachlich be- und überarbeite ist meine Sache. Aber da ich die von dir angesprochene Betriebsblindheit gut kenne, treibe ich in dieser Hinsicht einigen Aufwand.


    Erst liest meine Freundin (selbst Autorin) jede meiner Übersetzungen korrektur - auf Tippfehler, fehlende Worte, unverständliche und missverständliche Formulierungen etc. - und wenn sie fertig ist, kommt das Manuskript zu mir zurück, ich lese es selbst noch mal komplett, überarbeite dabei, wo es nötig ist, gebe dann alle Korrekturen ein, und erst dieser doppelt kontrollierte und überarbeitete Text geht dann an den Verlag.


    @ Nikana: Nein, das Buch kenne ich noch nicht *schäm* Danke für den Tipp, kommt gleich auf meine Wunschliste :lesend

    Felder müssen gepflügt und Bücher gelesen werden. (chinesische Weisheit)

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  • Zitat

    Original von Annuith
    Ich greife hier das Thema auf, das in meinem Begrüßungsthread angesprochen wurde. Der Ausgangspunkt war, dass ich auf meiner HP kritisiere, gute Übersetzungen würden vom Publikum nicht angemessen gewürdigt.


    Das stimmt und das bemerke ich auch an mir. Der Grund ist: mir fällt eine Übersetzung erst dann so wirklich auf, wenn sie schlecht ist.


    Da ich ein Buch nie im Original und übersetzt lese, sondern entweder oder, habe ich als Leserin keinen Vergleich.
    Ich kann nicht sagen, ob eine Übersetzung tatsächlich fehlerfrei ist und ob sie den Geist eines Originals in allen Aspekten transportiert.


    Man muß sich darüber im klaren sein, daß eine Übersetzung immer einen Eingriff in das künstlerische Schaffen des Autors darstellt und ein Übersetzung immer nur eine Bearbeitung eines Originals ist. Es wird nicht gelingen, das Original 1:1 zu übertragen, in all seinen Aspekten.
    Aus zwei Gründen:
    Ein Übersetzer, so sehr er sich auch in ein Werk hineinarbeitet, interpretiert, in dem übersetzt und das Original zu erfassen versucht. Er sieht das Original durch seine Augen und gibt ihm seine Sprache. So sehr sich ein Übersetzer bemüht, er ist immer subjektiv. Eine objektive Übersetzung ist von Menschenhand nicht möglich.
    Und der zweite Grund liegt in der Sprache: es ist nicht möglich, sprachlich 1:1 zu übertragen, das gibt die Unterschiedlichkeit der Sprachen, der Vokabulare und der Sprachmelodien nicht her.


    Wenn man also den Anspruch hat, wirklich Original zu lesen und den Autor wirklich verstehen zu wollen, kommt man nicht umhin das Original zu lesen.


    Ich gebe mich mit einer Übersetzung zufrieden, weil ich die Sprachen nicht oder nicht gut genug beherrsche und aus reiner Bequemlichkeit.


    All das wissend, was ich vorangestellt habe, ist für mich eine Übersetzung eine gute, wenn sie mir nicht aufstößt, wenn ich nicht ins Stolpern komme beim Lesen und wenn ich nicht merke, daß hier jemand wirklich üble Schnitzer gebaut hat.


    Ein Übersetzer sollte nicht wahrgenommen werden.
    Wenn den Übersetzer das nun stört, dann - man möge mir verzeihen - sollte er sich einem anderen Beruf zuwenden und selbst kreativ werden.


    Ähnlich ist es bei Filmsynchronisationen: egal, wie gut die ist, sie ist nie das Original und ist ein Eingriff in die Darstellung des Original-Schauspielers. Wer es echt will, muß das Original schauen.
    Und der beste Synchron-Sprecher ist der, der überhaupt nicht auffällt. Wenn man im Film vergisst, daß man hier die falsche Sprache hört, ist es gut.





    Verglichen mit anderen Berufen kommt bei mir nicht viel Mitleid auf mit den Übersetzern.
    Es ist in vielen Berufen so, daß sie erst auffallen, wenn es schief läuft und wenn es etwas zu beschweren gibt. Wenn alles prima läuft, wird man auch dann nicht wahrgenommen.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

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  • Zitat

    Original von janda
    Ein Übersetzer sollte nicht wahrgenommen werden.


    Wenn du damit meinst, dass es nicht auffallen soll, dass ein Buch übersetzt wurde, dann hast du recht. Aber die wörtliche Aussage des Satzes kann ich nicht unterschreiben. Ich will einen Übersetzer wahrnehmen, da ich nur gut übersetzte Bücher kaufen möchte. Ich merke mir die Namen der Übersetzer, die mir gefallen haben, und achte dann auch bei anderen Büchern auf den Namen. Sagt mir der Name des Übersetzers nichts, greife ich in den meisten Fällen zum Original. Ich beziehe mich damit natürlich nur auf englischsprachige Originale, bei allen anderen bin ich auf die Übersetzung angewiesen.


    Zitat

    Original von janda
    Und der beste Synchron-Sprecher ist der, der überhaupt nicht auffällt.


    Den gibt es nicht, Synchronsprecher fallen immer auf. Alleine schon dadurch, dass das gesprochene Wort nicht mit der Mundbewegung des Schauspielers übereinstimmt. Synchronsprechen und übersetzen kann man meines Erachtens nicht vergleichen, das Ergebnis kommt immer anders rüber. Und die Synchronsprecher übersetzen auch nicht selbst, sie lesen das übersetzte Drehbuch ab.

  • Ich stimme auch zu, ein interessanter Thread ist das und auch ich kenne die Schwierigkeiten einer Übersetzung. Ich habe ein Studium zur Europasekretärin absolviert mit den Sprachschwerpunkten Englisch, Französisch und Spanisch. Aber genau wie Booklooker habe ich da mehr mit Wirtschaftstexten zu tun. Und ich muss janda zustimmen, denn mir fällt auch eine Übersetzung erst auf, wenn mir der Satzbau komisch vorkommt oder inhaltlich etwas unlogisch erscheint.


    Bei "Im Schatten des Windes" ist es mir so zum Beispiel gegangen. Bei einigen Sätzen hatte ich einfach das Gefühl, dass es wortwörtlich übersetzt war. Das Buch steht zwar teilweise immer noch auf einigen Bestsellerlisten, aber bei dem Buch ist mir die Qualität der Übersetzung ziemlich ins Auge gesprungen. Ging es vielleicht irgendwem genauso?


    Generell sagt man ja auch immer schlechte Nachrichten verbreiten sich schneller (10x so schnell?) als gute Nachrichten. So ist es wohl auch mit den Übersetzungen und der Tatsache, dass gute Übersetzungen zu wenig gewürdigt werden.

    :write "Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein." -Albert Einstein-


    :lesend

  • Zitat

    Original von janda
    Ein Übersetzer sollte nicht wahrgenommen werden.
    Wenn den Übersetzer das nun stört, dann - man möge mir verzeihen - sollte er sich einem anderen Beruf zuwenden und selbst kreativ werden....


    Ich finde: Wenn ein Übersetzer so gut ist, dass man ihn nicht wahrnimmt, dann ist er kreativ.

  • Zitat

    Original von Annuith
    1) Eine Übersetzung ohne sprachliche und inhaltliche Schnitzer ist für mich nicht unbedingt eine gute, sondern erst mal „nur“ eine korrekte ... was eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber keineswegs immer ist. Wirklich gut ist eine Übersetzung erst dann, wenn es ihr gelingt, auch die Idee oder eben den „Geist“ (wie SiCollier es ausgedrückt hat) des Originals zu vermitteln. Ich vergleiche das gerne mit einem Lied, dessen Melodie und Text ich angemessen in meine eigene Sprache übertragen muss.


    Bei der ersten Hälfte stimme ich - leider - zu, die zweite Hälfte ist mir ein bisschen zu pathetisch. Was ist denn der "Geist" eines Textes? Ich habe nicht so eine mystifizierende Herangehensweise an einen Text. Daher bleibt mir auch der Liedvergleich eher fremd. Sich auf einen Text einlassen - das sollte man sicher, aber seine "Botschaft" werde ich dadurch nicht herausfinden. Allein das Vokabular ist mir viel zu produktionsästhetisch. Aber das ist eine andere Diskussion.


    Zitat

    Original von Annuith
    5) Es gibt verschiedene Gründe, warum wirklich gute Übersetzungen eher die Ausnahme als die Regel sind:


    b) Aktualität wird zunehmend höher bewertet als Qualität; der Zeitdruck wächst, oft arbeiten mehrere Übersetzer parallel an verschiedenen Textabschnitten desselben Buches, die Abgabefristen – nicht nur für die Übersetzer, sondern auch für Lektoren und/oder Redakteure – sind eng und werden immer enger.


    Das ist ein Punkt, den man nicht dick genug unterstreichen kann. Problem ist, dass der Leser schlechte Übersetzungen nicht bestraft, indem er zum Original greift, wohl weil er es nicht immer kann. Außerdem muss man leider festhalten, dass Bücher nicht immer aufgrund ihrer literarischen Qualität gemacht werden, so dass auch die literarische Qualität einer Übersetzung oft in den Hintergrund tritt.


    Zitat

    Original von Annuith
    c) Die Honorierung richtet sich gewöhnlich nicht nach dem Schwierigkeitsgrad von Texten und schon gar nicht nach der Qualität der abgegebenen Übersetzung. Ob ich mir also viel oder wenig Mühe gebe, ggf. umfangreich nachrecherchiere oder sonstigen Aufwand betreibe, ist gewissermaßen mein Privatvergnügen – auf den Stundenlohn wirkt es sich allenfalls negativ aus, weil ich mehr Zeit pro abzurechnender Normseite aufwende. Bösartig zugespitzt: Dünnbrettbohrer stehen sich finanziell am besten.


    Das sehe ich nicht ganz so. In Lektoraten wird schon genau bemerkt, welche/r Übersetzer/in gut arbeitet. Der/die bekommt im Zweifel auch als erste/r den nächsten Auftrag angeboten. Umgekehrt gilt natürlich: Lausige Übersetzungen versperren im Regelfall den Weg zu neuen Übersetzungsaufträgen. Das ist bei literarischen Texten sicher stärker der Fall, als bei reinen Gebrauchstexten.


    Zitat

    Original von janda
    Da ich ein Buch nie im Original und übersetzt lese, sondern entweder oder, habe ich als Leserin keinen Vergleich.
    Ich kann nicht sagen, ob eine Übersetzung tatsächlich fehlerfrei ist und ob sie den Geist eines Originals in allen Aspekten transportiert.


    Diese einfach Tatsache halte ich im übrigen für den Hauptgrund, warum Übersetzungsleistungen selten Erwähnung finden. Man stolpert in der Übersetzung ja eigentlich nur über die unrunden Formulierungen. Die runden können entweder dem Übersetzer zu danken oder auf den ursprünglichen Text zurückzuführen sein. Das kann man als Leser nur einer Version in der Regel nicht entscheiden.


    Herzlich: Bartlebooth

  • Zitat

    Original von janda


    Ein Übersetzer sollte nicht wahrgenommen werden.
    Wenn den Übersetzer das nun stört, dann - man möge mir verzeihen - sollte er sich einem anderen Beruf zuwenden und selbst kreativ werden.


    Ich kann das nur unterschreiben :write Eine Übersetzung sollte nicht als solche wahrgenommen werden. Dass der Literaturübersetzer unsichtbar ist und der Autor die Lorbeeren einheimst, ist einem doch vorher klar.


    Klar, auch Übersetzung (im literarischen Bereich) erfordert Kreativität, aber Janda hat das sicher nicht abwertend gemeint, sondern so, dass der Übersetzer dann selbst schreiben sollte.


    Ecos Buch kann ich im Übrigen allen, die sich für das Übersetzen interessieren, nur ans Herz legen :-)


    Noch was, wo doch oben die literarische Qualität einer Übersetzung angesprochen wurde: wie würdet ihr denn als Übersetzer handeln, wenn vor euch ein Ausgangstext liegt, der stilistisch ein absolutes Grauen ist? Denn das ist leider oft der Fall. Beim Übersetzen gilt ja die Faustregel: "So nah wie möglich, so frei wie nötig!". Hält man sich an diese Faustregel, schreibt man keinen völlig neuen Text, der dasselbe Thema des Ausgangstextes aufgreift, sondern man versucht die Stilebene des Autors zu treffen. Dann jedoch rufen viele "was für eine schlechte Übersetzung" (Anm.: ich spreche von stilistischen Mängeln, dass inhaltliche Fehler nach Rücksprache korrigiert werden sollten, ist klar).

  • Zitat

    Original von Toebi



    Bei "Im Schatten des Windes" ist es mir so zum Beispiel gegangen. Bei einigen Sätzen hatte ich einfach das Gefühl, dass es wortwörtlich übersetzt war. Das Buch steht zwar teilweise immer noch auf einigen Bestsellerlisten, aber bei dem Buch ist mir die Qualität der Übersetzung ziemlich ins Auge gesprungen. Ging es vielleicht irgendwem genauso?


    Mir ist es beim Lesen dieses Buches auch so ergangen :write Hier ist natürlich auch fraglich, ob das Buch sich gerade wegen des "spanischen Stils" so gut verkauft ... wenn "luna de miel" mit Honigmond übersetzt wird, kann sich der englisch- bzw. spanischsprechende Leser denken, dass die Flitterwochen gemeint sind und es ist auch eine schöne Metapher, aber ist Honigmond wirklich "richtig"? :gruebel


    Edit: das obige Beispiel ist natürlich nur eines von vielen.

    Aktuell: Anne Hertz - Flitterwochen
    Gelesen 2013: 13 Bücher
    Alt-SUB-Abbau 2013: 2/12

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  • Es ist klar, dass ein schlechtes Original nicht durch die Übersetzung besser werden kann. Das erwarte ich als Leser auch nicht. Aber was ich als Leser erwarte ist zumindest sprachliche Kompetenz auf Seiten des Übersetzers, dass er in der Lage ist einen englischen Text korrekt zu übersetzen, und zwar komplett, Atmosphäre und Seele des Textes hin oder her. Was mir in letzter Zeit viel zu oft auffällt ist, dass es vielen Übersetzern ganz einfach an dieser grundlegenden sprachlichen Kompetenz zu mangeln scheint.


    Man stolpert über Sätze, die keinen Sinn ergeben, da der Übersetzer den Originalsatz offenbar nicht verstanden hat, oder er war mit irgendeiner umgangssprachlichen Ausdrucksweise nicht vertraut und übersetzt sie wörtlich und damit falsch (so dass man als Leser auch erkennt, welche englischen Worte im Original benutzt worden sein müssen) oder er kennt ein Fachausdruck offenbar nicht und macht auf deutsch Müll daraus – das ist es was ich wirklich ärgerlich finde. Und das sind manchmal Fehler, die derart offensichtlich sind, dass kaum ein Lektor das noch einmal gelesen haben kann.


    Es ist klar, dass eine Übersetzung viel schneller negativ auffällt, wenn man über Fehler stolpert, aber ich denke schon, dass man gute Übersetzungen zu schätzen weiß. Ich kann mich durchaus erinnern, dass ich Bücher gelesen habe, und mich daran erfreut habe, dass es offenbar gut übersetzt zu sein scheint.

  • Zitat

    Original von Ushuaia
    Es ist klar, dass ein schlechtes Original nicht durch die Übersetzung besser werden kann. Das erwarte ich als Leser auch nicht. Aber was ich als Leser erwarte ist zumindest sprachliche Kompetenz auf Seiten des Übersetzers, dass er in der Lage ist einen englischen Text korrekt zu übersetzen, und zwar komplett, Atmosphäre und Seele des Textes hin oder her. Was mir in letzter Zeit viel zu oft auffällt ist, dass es vielen Übersetzern ganz einfach an dieser grundlegenden sprachlichen Kompetenz zu mangeln scheint.


    Da stimme ich dir hundertprozentig zu. Sprachliche Kompetenz ist das A und O, aber ich bin jetzt einfach mal davon ausgegangen, dass das klar ist :-)

    Aktuell: Anne Hertz - Flitterwochen
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  • Zitat

    Original von Annuith


    Ich finde: Wenn ein Übersetzer so gut ist, dass man ihn nicht wahrnimmt, dann ist er kreativ.


    Und da liegt für mich das Dilemma.
    Denn eigentlich ist der Übersetzer im Dienst des Autoren, der die kreative Leistung erbracht hat. Übersetzen als Ausdruck der eigenen Kreativität kann für mich ein Problem sein, weil es mehr ums eigene Ego des Übersetzters geht, als um das Werk.
    Für mich sollte sich ein Übersetzer im Dienste des Originals und des Originalwerkes stellen und in dessen Schatten bleiben. Dann ist es ein guter Übersetzer.
    Ein Übersetzer, der seine eigene Leistung in den Vordergrund stellen möchte, tut meiner Meinung nach nicht unbedingt dem Original einen gefallen und sollte dann lieber versuchen, eine eigene Geschichte zu erzählen und nicht die Stücke anderer zu übersetzen.



    Um es mal deutlich zu sagen: ich möchte den Beruf des Übersetzens keineswegs abwerten! Es ist eine Leistung ein Buch in eine andere Sprache zu übertragen. Und den Übersetzern verdanke ich es, daß ich Bücher aus China und Island lesen kann, ohne mich mit der Sprache rumschlagen zu müssen.


    Das ändert für mich aber nichts an meiner Einstellung zum Verhältnis von Autor / Werk und Übersetzer. Für mich ist der "Künstler" der Autor, aus dessen Feder das Werk im Ursprung ist. Der Übersetzer ist für mich ein Dienstleister, der es mir ermöglicht, das Werk in meiner Sprache zu lesen.
    Das mag jetzt manchem Übersetzer bitter aufstoßen, aber so ist meine Meinung.

    :lesend
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    Oprah Winfrey

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  • Zitat

    Original von Nikana


    Den gibt es nicht, Synchronsprecher fallen immer auf. Alleine schon dadurch, dass das gesprochene Wort nicht mit der Mundbewegung des Schauspielers übereinstimmt. Synchronsprechen und übersetzen kann man meines Erachtens nicht vergleichen, das Ergebnis kommt immer anders rüber. Und die Synchronsprecher übersetzen auch nicht selbst, sie lesen das übersetzte Drehbuch ab.


    Ich wollte die Tätigkeiten nicht miteinander vergleichen. Es ist mir durchaus klar, daß es sich um grundlegend Unterschiedliche Tätigkeiten handelt.
    Für mich ist es nur ein ähnliches Phänomen: man überträgt die künstlerische Leistung des einen (Autor oder Schauspieler) in die deutsche Sprache (geschrieben oder "nur" gesprochen).
    Wenn es gut gemacht ist, fällt es mir beim Lesen oder schauen eines Filmes nicht auf. Dann zieht mich die Handlung in den Bann und ich stolpere nicht über sprachliche Ungereimtheiten oder seltsame Synchronstellen.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    Original von Ushuaia


    Man stolpert über Sätze, die keinen Sinn ergeben, da der Übersetzer den Originalsatz offenbar nicht verstanden hat, oder er war mit irgendeiner umgangssprachlichen Ausdrucksweise nicht vertraut und übersetzt sie wörtlich und damit falsch (so dass man als Leser auch erkennt, welche englischen Worte im Original benutzt worden sein müssen) oder er kennt ein Fachausdruck offenbar nicht und macht auf deutsch Müll daraus – das ist es was ich wirklich ärgerlich finde. Und das sind manchmal Fehler, die derart offensichtlich sind, dass kaum ein Lektor das noch einmal gelesen haben kann.


    Das unterschreibe ich hundertprozentig. Als Erklärung biete ich an: So wie es gute und schlechte Autoren und Übersetzer gibt, so gibt es auch gute und schlechte Lektoren. Aber das ist schon wieder ein ganz eigenes Thema ...

  • Zitat

    Original von janda
    Das ändert für mich aber nichts an meiner Einstellung zum Verhältnis von Autor / Werk und Übersetzer. Für mich ist der "Künstler" der Autor, aus dessen Feder das Werk im Ursprung ist. Der Übersetzer ist für mich ein Dienstleister, der es mir ermöglicht, das Werk in meiner Sprache zu lesen.
    Das mag jetzt manchem Übersetzer bitter aufstoßen, aber so ist meine Meinung.


    Hm, das sehe ich auch nicht anders. Nur bin ich der Meinung, dass man guten Dienstleistern gerne etwas mehr Aufmerksamkeit schenken kann. Damit möchte ich nicht sagen, dass dem Übersetzer gleich ein Podest gebaut werden soll, sondern eher eine positive Erwähnung in der Rezension.

  • Zitat

    Original von janda
    Für mich ist es nur ein ähnliches Phänomen: man überträgt die künstlerische Leistung des einen (Autor oder Schauspieler) in die deutsche Sprache (geschrieben oder "nur" gesprochen).
    Wenn es gut gemacht ist, fällt es mir beim Lesen oder schauen eines Filmes nicht auf. Dann zieht mich die Handlung in den Bann und ich stolpere nicht über sprachliche Ungereimtheiten oder seltsame Synchronstellen.


    Ok, das habe ich falsch aufgefasst. Bei Synchronisationen kann ich auch nicht so recht mitreden, ich gucke keine synchronisierten Filme, weil ich aufgrund einer Hörschwäche auf die Lippenbewegungen angewiesen bin und es mich wahnsinnig macht, wenn diese nicht mit dem gesagten Wort übereinstimmen. Es lebe die DVD ... :grin

  • Zitat

    Original von Dani
    wie würdet ihr denn als Übersetzer handeln, wenn vor euch ein Ausgangstext liegt, der stilistisch ein absolutes Grauen ist? Denn das ist leider oft der Fall. Beim Übersetzen gilt ja die Faustregel: "So nah wie möglich, so frei wie nötig!". Hält man sich an diese Faustregel, schreibt man keinen völlig neuen Text, der dasselbe Thema des Ausgangstextes aufgreift, sondern man versucht die Stilebene des Autors zu treffen. Dann jedoch rufen viele "was für eine schlechte Übersetzung" (Anm.: ich spreche von stilistischen Mängeln, dass inhaltliche Fehler nach Rücksprache korrigiert werden sollten, ist klar).


    Literarische Vorlagen, die stilistisch ein absolutes Grauen waren, hatte ich zum Glück noch nicht.


    Auf Sachbücher bezogen: „So frei wie nötig“ steht dann im Vordergrund, und nach meiner Erfahrung erwartet man das im Lektorat auch gar nicht anders. Es käme mir jedenfalls nicht in den Sinn, eine stilistisch schlechte Übersetzung damit zu rechtfertigen, dass der Ausgangstext ebenfalls stilistisch schlecht war.