Schöne neue Welt - Kapitel 09 - 13

  • Oh hat noch niemand weitergelesen? Gut dann fang ich mal an.


    In diesem Abschnitt wird der "Wilde" alias Michel nun in die schöne neue Welt eingeführt. Und es scheint bis zum Ende so, dass er sich dort nicht wirklich wohlfühlt. Ebenso ergeht es auch Sigmund. Zuerst erfährt er wie es ist beliebt zu sein, jemand zu sein. Doch der Hochmut kommt vor dem Fall. Und somit stürzt er nach diesem Ausflug in die Welt der Schönen, wieder in seinen tristen und so verhassten Alltag. Und genau in diesem Moment zeigt sich, wer sein wirklicher Freund ist. Nämlich Helmholtz.


    Michel offenbart Lenina nach langem hin und her seine Liebe. Sie fühlt sich zwar zu ihm hingezogen, will nur noch ihn, doch innige und wahre Liebe kennt sie nicht. Somit verwechselt sie es wiedermal mit purer Triebbefriedigung. Er sagt ihr, dass er sie auf ewig lieben will und sie zieht sich aus. Michels Reaktion darauf kann ich jedoch nicht wirklich nachvollziehen. Fand es etwas sehr überspitzt wie er ausgerastet ist.


    Und dann der Telefonanruf zum Schluss... Ich tippe ja auf seine Mutter die im sterben liegt.


    Das Buch fing meiner Meinung stark an, aber es lässt irgendwie zur Mitte hin auch wieder stark nach... Wir werden sehen, was der letzte Abschnitt bringt.

  • Ich konnte seine Reaktion eigentlich sehr gut nachvollziehen. Da prallen halt einfach Welten aufeinander. Sie hat ja auch die ganze Zeit nicht verstanden was er wollte, als er von den Liebesbeweisen gesprochen hat.
    Er liebt sie wirklich und sie ist eigentlich gar nicht in der Lage wirklich zu lieben, vielleicht wird ihm das in dem Moment bewusst...

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.

  • Ich kann Michels (blöder Name :fetch) Verzweiflung auch verstehen. Es wird ihm klar, dass er in dieser schönen neuen Welt, in der Lenina (aber auch alle anderen) genorm ist, keine ihm adäquate Beziehung führen kann.


    Interessant, was er in Kapitel 12 (S. 180) sagt: "Nun, ich wäre lieber unglücklich, als dies unechte gleisnerische Glück mein eigen zu nennen, dessen Se sich hier erfreuen".


    Siegmund ist mir richtig unsympathisch, Helmhotz dagegen gefällt mir gut.
    .

  • Zitat

    Original von taki32
    Siegmund ist mir richtig unsympathisch


    Oh ja, dem kann ich nur zustimmen. Anfangs noch der sympatische Außenseiter mauserte er sich bei mir auch zum Ende hin zum feigen Angsthasen den man am liebsten ignoriert hätte.

  • Da bin ich mit meinem Unwillen gegen Sigmund ja gar nicht so allein.


    Die Reaktion Leninas konnte ich im Übrigen sehr gut verstehen, sie kennt es ja nicht anders. Mit den plötzlichen Gefühlswallungen in sich selbst gerät sie durcheinander und versucht wenigstens mit den gewohnten Verhaltensweisen ein wenig Ordnung hinein zu bringen. Das das mit Michel schief geht ... armes Mädel.

  • Zitat

    Original von Fran-87
    Ich konnte seine Reaktion eigentlich sehr gut nachvollziehen. Da prallen halt einfach Welten aufeinander. Sie hat ja auch die ganze Zeit nicht verstanden was er wollte, als er von den Liebesbeweisen gesprochen hat.
    Er liebt sie wirklich und sie ist eigentlich gar nicht in der Lage wirklich zu lieben, vielleicht wird ihm das in dem Moment bewusst...


    Das denke ich auch so. Man darf nicht vergessen, dass Michel ungenormt ist und eine ganz andere Gesellschaft erlebt hat: Dort heiraten die Menschen noch, bleiben lebenslang zusammen und sind sich treu.
    Lenina ist anders genormt, sie weißt nicht, was Liebe und Treu ist. Durch ihre Normung hat sie vieles verloren, was für mich einen Menschen ausmacht.


    Wobei ich mich schon frage, ob wirklich ein Mensch ohne Liebe auskommen kann. Besonders im Kindesalter ist dies doch für die Entwicklung sehr wichtig. Gab es nicht mal ein Experiment mit einer Affenart, dass dies bestätigt hat? :gruebel


    Und als "Ersatz" diese Droge Soma, die am Ende das Leben verkürzt.


    In der schönen neuen Welt werden Menschheitsträume realisiert: Kein Altern, dafür ewige Schönheit. Gleichheit, keiner ist anders. Dann noch die "freie Liebe".


    Ich muss immer etwas schmunzeln, wenn technische Errungenschaften wie die Lufttaxis oder das Fühlkino beschrieben werden! Manches ist heute realisierbar, teilweise sind wir heute weiter. Anders, wie das Fühlkino, haben wir selbst jetzt am Anfang des 21. Jahrhunderts noch nicht erfunden.

  • Zitat

    In der schönen neuen Welt werden Menschheitsträume realisiert: Kein Altern, dafür ewige Schönheit. Gleichheit, keiner ist anders. Dann noch die "freie Liebe".


    Die Aufzuchtstation wird mit einem Bienenschwarm verglichen, der einzelne zählt absolut gar nichts, weil die Herstellung von "Menschen" vollständig industrialisiert ist.
    Denken und Kommunikation entfalten sich in dieser Welt in extrem engen Schablonen, in normierten Konventionen, und jede Abweichung ist - wie BUND, der von Siegmund geschasste Ex-Direktor, sagte - "Wir können ganz ohne Mühe neue Einzelmenschen erzeugen, so viele wir nur wollen. Ungewöhnlichkeit bedroht mehr als das Leben des einzelnen, sie iste ein Schlag gegen die Allgemeinheit selbst..."(und meinte damit: Schlimmer als Mord).


    Drei Dinge zeichnen diese Gesellschaft vor allem aus:
    1. Vollständige Kontrolle bis hin zur Sklaverei,
    2. Mangelwirtschaft auf hohem Niveau,
    3. abgestufte Privilegien zur Erhaltung dieser organischen Ordnung und
    4. Triebsteuerung und Befriedigung durch Drogen und Animation zum
    Sex (durch ein Hormon und durch das "Fernguck" mit seinen Fühl-
    filmen).

  • Bis zu diesem Abschnitt war mir Bernard/Sigmund eigentlich ganz sympathisch, aber diese Vorführerei von John/Michel fand ich schrecklich, war er doch nur auf seinen eigenen Ruhm aus. Gut dass John sich irgendwann verweigert, überhaupt dass vdie alle immer nur The Savage/Der Wilde zu ihm gesagt haben, eine Unverschämtheit.
    Lenina tat mir irgendwie leid, aber ich kann gut verstehen, dass John so reagiert hat. Abgesehen davon, dass er Liebe und keinen Sex wollte, dieses herunterbeten irgendwelche durch Konditionierung einverleibten Sprüche kann ja nur abtörnen.

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Da bin ich mit meinem Unwillen gegen Sigmund ja gar nicht so allein.


    Die Reaktion Leninas konnte ich im Übrigen sehr gut verstehen, sie kennt es ja nicht anders. Mit den plötzlichen Gefühlswallungen in sich selbst gerät sie durcheinander und versucht wenigstens mit den gewohnten Verhaltensweisen ein wenig Ordnung hinein zu bringen. Das das mit Michel schief geht ... armes Mädel.


    Ja, klar, genau das ist ja das Tragische... dass beide sich so verhalten wie sie es eben gelernt haben. Beide wollen ja eigentlich nur was Gutes und trotzdem klappt es nicht.

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.

  • Nur schade dass Michel so unbeweglich ist und ihr nicht begreiflich macht, was er will. Ich habe den Eindruck, sie hätte sich darauf eingelassen, ist ja nicht das erste Mal, dass sie die Beziehung zu nur einem Mann pflegt. Und die Liebe entdecken, dass hätte sie auch gekonnt, sie war ja schon auf dem besten Weg. So steht sie verwirrt da und weiß nicht, was sie eigentlich falsch gemacht hat, während Michel mit ihr das ganze System von sich weist. Tragisch. :write Das ist das treffende Wort.

  • Zitat

    Original von taki32
    Ich kann Michels (blöder Name :fetch) Verzweiflung auch verstehen. Es wird ihm klar, dass er in dieser schönen neuen Welt, in der Lenina (aber auch alle anderen) genorm ist, keine ihm adäquate Beziehung führen kann.


    Ich konnte sein Ausrasten sehr gut verstehen. Jede andere Reaktion wäre für mich unverständlich gewesen. Er gesteht ihr endlich seine Liebe. Sie freut sich und er glaubt, sie liebe ihn auch, nach seiner Definition von Liebe. Als sie dann ihre Kleider fallen lässt, wird ihm bewusst, dass sich nichts geändert hat, sie ist und bleibt genormt und hat keine Ahnung von der Liebe.
    Diese Verzweiflung , als er das erkennen muss, drückt sich dann in purer Aggressivität aus. Verständlich, oder? :gruebel


    Besonders interessant fand ich auch das Zusammentreffen mit seinem Vater. Dass die Worte Vater und Mutter so widerwärtig sein sollen, lässt mich immer schmunzeln. Sigmund schreibt in seinen Berichten das Wort "Mutter" ja nicht einmal aus.

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • .. es kommt in diesem Abschnitt schön heraus - zwei sprechen von Liebe und meinen doch etwas ganz anderes.


    Ich glaube wenn man es darauf anlegt, kann solche Muster tatsächlich anerziehen und eine ganze Gesellschaft umerziehen - erschreckend !


    :wave

  • Kapitel 11 habe ich gerade beendet.


    Zwischendrin hatte ich den Gedanken, ob unser exzessives Lesen nicht auch eine Art Soma ist und wir hierdurch nicht auch zu oft der Realität entfliehen. :grin


    Sigmund ist nun komplett verwandelt und von der Macht korrumpiert. Wo ist seine Sehnsucht nach Individualität hin? Jeder ist also irgendwie normbar.


    Und bei Lenina und dem Wilden müsste es nach unserer Normung wohl eher Michel und die Wilde heißen, oder?


    Diese drei Kapitel haben mir sehr gut gefallen. :anbet

  • Zitat

    Original von xexos
    Kapitel 11 habe ich gerade beendet.


    Zwischendrin hatte ich den Gedanken, ob unser exzessives Lesen nicht auch eine Art Soma ist und wir hierdurch nicht auch zu oft der Realität entfliehen. :grin


    Das ist mit Sicherheit so. Drogen und Ersatzsatzdrogen...Was tun wir nicht alles, nur um nicht nachdenken zu müssen. Nicht immer natürlich und nicht alle, aber ich möchte mich da auch nicht freisprechen. Insofern hast du schon Recht.


    Zitat

    Sigmund ist nun komplett verwandelt und von der Macht korrumpiert. Wo ist seine Sehnsucht nach Individualität hin? Jeder ist also irgendwie normbar.


    Das hat mich auch erstaunt, vor allem, dass sie so schnell verschwunden ist. Er war so gequält und angeekelt von der Gleichförmigkeit um ihn herum, so hin und her gerissen zwischen dem seit Kindheit als richtig bekannten und akzeptierten, und so schnell war das alles weg. Von ihm hätte man wohl eher erwartet, dass er, was weiß ich, vielleicht versucht, in der Reservation zu bleiben.

  • Völlig vergessen:
    Interessant war für mich, dass das Buch, mit dem Michel (John) seine Lesefähigkeiten erweiterte, eine Gesamtausgabe der Werke Shakespeares war. Die Stücke haben seine Gedankenwelt und seine Wertvorstellungen nachhaltig beeinflusst, auch seine Moralvorstellungen.

  • Zitat

    Original von Clare


    Das ist mit Sicherheit so. Drogen und Ersatzsatzdrogen...Was tun wir nicht alles, nur um nicht nachdenken zu müssen. Nicht immer natürlich und nicht alle, aber ich möchte mich da auch nicht freisprechen. Insofern hast du schon Recht.


    Wenn ich ganz ehrlich bin, sind Bücher schon eine Art Soma für mich. ;-) Auch sonst suchen wir immer Abwechslung in der Freizeit, was in meinen Augen ganz menschlich ist. Und in Huxley's neuer Welt wird diesen Bedürfnissen gekonnt und berechnend entgegen getreten.


    In diesem Abschnitt "entgleitet" mir Sigmund immer mehr. Ich wollte in ihm den Menschenrevolutionär sehen. Aber er ist wohl doch mehr genormt und in der "neuen Welt" gefangen als erhofft. :-(


    Lenina's Reaktion auf Michel's Liebeserklärung war leider abzusehen. Michel's Heftigkeit danach hat mich aber trotz Verständnis für seine Enttäuschung etwas überrascht. Möglicherweise enlädt sich in der Situation sein ganzer Frust. :gruebel


    Filine scheint es immer schlechter zu gehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich nirgends mehr Daheim fühlt.

  • Der Michel hat Lenina in seiner Wahrnehmung fast zur Göttin erhöht. Er sagte irgendwo ja auch "Ich bin ihrer nicht würdig. Aber hoffentlich macht sie nichts, wodurch sich das ändert.". Hat sie dann aber.

  • Michel ist von der schönen neuen Welt bitter enttäuscht. Sicherlich hat es sich eine Welt wie in Shakespeares Dramen vorgestellt. Auch Sigmunds Verhalten, der ihn zu einem Austellungsstück degradiert, enttäuscht ihn sicherlich. Und mit Leninas so offen zur Schau gestellten Lust kann er nur mit Aggressivität reagieren. Er handelt wie damals als Kind, als er seine Mutter und Popé beim Liebesakt beobachtet hat. Auch hier liegt, wie du schon gesagt hast, xexos, eine gewisse Normierung vor.
    Er wirkt auf mich wie ein brüllender Löwe, der sich im Käfig aufbäumt, aber weder in den Zirkus noch in die freie Wildnis gehört.


    Sigmunds Entwicklung empfinde ich als Verrat. Er verrät ncht nur den BUND, sondern verkauft auch Michel an diejenigen, die sich den Wilden ansehen möchten. Sein Verhalten ist abstoßend, aber durchaus verständlich. Endlich hat er die Gelegenheit, dazuzugehören, von der oberen Gesellschaft akzeptiert zu werden. Plötzlich ist er anerkannt, weil er eine Attraktion bieten kann. Dass diese Art der Akzeptanz nichts wert ist, liegt außerhalb seines Normbereichs. Als sich Michel verweigert, stürzt er sofort wieder ab und ist wieder ungefragt.


    Holmes-Watson finde ich eine sehr interessante Figur. Er rsikiert innethalb des Systems einiges, er scheint mir am ehesten ein Denker, seine Sehnsucht nach Freiheit am größten.
    Ihm ist klar, dass das Einstreuen eines eigenen Gedichtes in seine Vorlesung Konsequenzen hat und er wagt es trotzdem. Bemerkenswert mutig, ja fast schon revoluzzerhaft!


    Mal sehen, ob ich heute den Rest noch packe. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin