James Salter - Lichtjahre

  • Gebundene Ausgabe: 392 Seiten
    Verlag: Berlin Verlag (März 1998)
    Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Die schöne Nedra und der erfolgreiche Viri scheinen in ihrem behaglichen alten Haus an einem Fluss in der Nähe von New York die perfekte Ehe zu führen. Materiell unabhängig, künstlerisch begabt und voller Liebe zu ihren beiden Töchtern verbringen sie ein gesellschaftlich glänzendes Leben. Doch die Jahre gegen nicht spurlos an dieser Idylle vorbei …


    Meine Meinung
    In James Salters Roman „Lichtjahre“ wird der langsame Verfall von der Ehe von Nedra und Viri beschrieben. Für den Leser führen Viri und Nedra eine augenscheinlich glückliche Ehe, sie haben zwei Töchter und verbringen ihre meiste Zeit damit Wein zu trinken, sich mit zahlreichen Freunden zu treffen und sind im intellektuellen Leben New Yorks fest verankert. Unter dieser Fassade gibt es aber schon tiefe Risse und sowohl Viri als auch Nedra haben während ihrer Ehe unterschiedliche Geliebte.


    Insgesamt beschreibt Salter eine Geschichte, die fast zwanzig Jahre umfasst, ohne das es einen klaren Erzähler oder Handlungsverlauf gibt. Das hat für mich aber auch den Reiz des Buches ausgemacht, da es Salter gelingt unheimlich flüssig zu erzählen und immer wenn ich das Buch aufgeschlagen habe, habe ich mich direkt in die Geschichte hineingezogen gefühlt.


    Leider ist es schwer, etwas vom Inhalt zu erzählen, ohne nicht schon zu viel zu verraten. Erwähnenswert ist noch, dass der Titel Lichtjahre auch während des ganzen Buches eine wichtige Rolle spielt, da Salter immer wieder das Licht beschreibt und damit spielt. ("Am Morgen, beim ersten Licht" S. 172, "ruhiger Morgen, Licht am Fluß" S. 90 usw.)


    Am meisten berührt hat mich die enge Beziehung zwischen Viri, Nedra und ihren Kindern, die eine wichtige Rolle spielt.


    Zitat

    "Und er ließt ihnen vor, wie jeden Abend, als würde er sie begießen, als würde er die Erde zu ihren Füßen umgraben. Es gibt Geschichten, von denen er selbst noch nie gehört hat, und andere, die er schon als Kind kannte, diese Treppen, die für jeden da sind. Was ist die eigentliche Bedeutung dieser Geschichten, fragt er sich, dieser Wesen, die es nicht einmal mehr in unserer Vorstellung gibt: Prinzen, Holzfäller, ehrbare Fischer, die in Hütten leben? Er will, dass seine Kinder ein altes und ein neues Leben haben, ein Leben, das untrennbar mit allen vergangenen Leben verbunden ist, das aus ihnen erwächst, das über sie hinausgeht, und ein anderes, das neu, rein und frei ist, das weiter reicht als das uns schützende Vorurteil, die Gewohnheit, die uns Form verleiht. Er will, dass sie sowohl Entbehrung als auch Heiligkeit kennen, die eine ohne Erniedrigung, die andere ohne Unwissenheit. Er bereitet sie auf diese Reise vor. Es ist, als hätte er nur eine Stunde Zeit, und in dieser Stunde muss aller Proviant gepackt, aller Rat erteilt sein. Er sehnt sich nach dem einen Satz, den er ihnen mitgeben kann, an den sie sich immer wenden, der alles umschließt, der den Weg weisen wird, aber er kann den Satz nicht finden, er kann ihn nicht erkennen. Er weiß, er ist kostbarer als alles, was sie jemals besitzen könnten, aber er hat ihn nicht." (S. 57)


    Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass mir das Buch unheimlich gefallen hat und es ein sehr bewegendes Leseerlebnis war. Es ist berührend, witzig und am Ende unheimlich traurig.


    Auf jeden Fall würde ich jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen, da es sich auf jeden Fall lohnt.

  • Ich hab's vor ein paar Jahren gelesen und war eher nicht so begeistert:


    Salter wird in einem Atemzug mit John Updike genannt, im Klappentext von "Lichtjahre" heißt es gar, daß seit Updike niemand mehr die Geschehnisse in einer scheiternden Ehe derart anschaulich und nachvollziehbar geschildert hätte. Nunwohl, Updikes "Ehepaare" ist *nach* "Lichtjahre" erschienen - letzteres nämlich 1975 in den Staaten. James Salter ist, wie wir erfahren dürfen, "spät für Deutschland entdeckt" worden. Eine Fernsehrezensentin nannte "Lichtjahre" ein "fulminantes Frauenbuch". Derart vorbelastet ging ich an die Lektüre.


    Na ja. Viri und Nedra sind *das* Traumpaar, jedenfalls nach außen. Schöne, erfolgreiche Menschen, ein behagliches Haus auf dem Land, in der Nähe von New York, ausschweifende und schlicht *herrliche* Abende mit den Freunden, zauberhafte Töchter, Kleinkunst, Weihnachtsbastelei, ein vertrottelter, aber gleichfalls zauberhafter Hund, Hühner, ein Pony. Viri fickt in der Arbeitspause herum, Nedra bei jeder Gelegenheit, vorzugsweise mit gemeinsamen Freunden. Irgendwann, so nach zwanzig Jahren, lassen sich die beiden scheiden. Viri heiratet eine skurrile Römerin, Nedra stirbt bald, nach einem kurzen Leben in "Freiheit".


    Salter ist ausschweifend und auch anschaulich, wenn es um Atmosphäre geht; der Geruch im Haus, die Weihnachtsdeko, der erste Schnee - der Leser erlebt es, als geschähe es direkt vor seinen Augen. Aber damit hat sich's auch schon. Den Dialogen zu folgen, ist gelegentlich unmöglich; um nach einer Buchseite Gespräch noch herauszubekommen, *wer* zur Hölle gerade was sagt - das Verb wird übrigens ausgiebig strapaziert -, muß man abzählen, was bei mehr als zwei Dialogpartnern scheitert. Er wechselt die Zeiten und Erzählperspektiven, als hätte er gewürfelt, ohne erkennbaren Sinn. Ein Freundeskreis wird aufgebaut, als handele es sich um eine Bauernreihe auf dem Schachbrett, austauschbare Eigenschaften werden austauschbaren Charakteren zugewiesen, die darüberhinaus keine Eigenarten besitzen, die sich irgendwie aus Handlung oder Dialog ergäben. Apropos Handlung: Ist nicht. Wie auch die Entwicklung der Gefühle zwischen Viri und Nedra, eigentlicher Kern der ganzen Angelegenheit, kaum andeutungsweise nachvollziehbar wird.


    Quälend langweiliger Käse! Vielleicht ein Frauenbuch, aber damit schert man ein ganzes Geschlecht in übler Weise über einen
    zahnlosen Kamm.

  • Ich habe die "Lichtjahre" eigentlich in relativ guter Erinnerung, obwohl es schon eine Zeit her ist das ich sie gelesen habe. Den Vergleich Salter/Updike halte ich im Übrigen für sehr gewagt, da man Salter hier Schuhe anzieht die ihm ganz einfach zu groß sind.


    Mir gefällt bei Salter sein "weicher" Erzählstil, die Ruhe seiner Geschichten.


    Sehr lesenswert übrigens seine Erinnerungen:


    James Salter - Verbrannte Tage. Erinnerung

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Voltaire ()

  • Zitat

    Original von Tom
    Eine Fernsehrezensentin nannte "Lichtjahre" ein "fulminantes Frauenbuch".


    Und damit hat sie dem Buch keinen großen Gefallen getan :rolleyes

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Zitat

    Original von Tom
    Quälend langweiliger Käse! Vielleicht ein Frauenbuch, aber damit schert man ein ganzes Geschlecht in übler Weise über einen
    zahnlosen Kamm.


    Huch, dabei hat es mir so gut gefallen. :-(


    Ich finde , dass Salter unheimlich tiefgründig beschreibt und ich war nach dem Lesen einfach beeindruckt von seiner Fähigkeit diese "Bilder" zu zeichnen. Ich fand Viri und Nedra so toll, da Salter sie einfach menschlich gezeichnet hat. Sie besitzen eigentlich alles, aber schaffen es dennoch nicht mit den Alltäglichkeiten umzugehen.


    Wahrscheinlich ist es dann doch der persönliche Geschmack, ob man den Stil von Salter mag oder nicht. Natürlich gab es auch für mich Momente in dem Buch, in dem mir sein Stil ein wenig zu viel wurde, aber größtenteils fand ich seine Sprache einfach nur wunderschön und sehr bewegend. Daneben gibt es aber auch unheimlich witzige Stellen, zum Beispiel Viris Besuch bei einem Schneider.


    Aber zum Teil muss ich dir zustimmen, dass Salter zum Beispiel die Motive von Nedra und Viri dann doch einfach zu wenig beleuchtet, um auch beide verstehen zu können. Vielleicht muss man hier dann einfach trennen zwischen Salters (in meinen Augen) wunderschönen poetischen Sprache und der Geschichte, ich weiß auch nicht. ;-)

  • Ich habe Lichtjahre vor vielen Jahren gelesen, und kann mich einfach nur noch mäßig gut daran erinnern, dass ich die Stimmung im Buch sehr ruhig, beinahe schon athärisch empfunden habe, aber mich der Inhalt ansonsten nicht vom Hocker gerissen hat.


    am Kamm hängengebliebene Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ich habe Lichtjahre vor fast 10 Jahren gelesen - mein Gott, ich fühl mich alt.
    Ich habe es in sehr guter Erinnerung. Mir hat die Stimmung des Buches sehr gefallen. Es ist unaufgeregt, recht ruhig, aber mich hat es gepackt.


    Ich glaube aber, daß es genau deswegen auch von meiner Stimmung abhängen würde, ob es mir gefällt. Und es ist ein Buch, daß ich kein zweites Mal lese, um mir die angenehme Leseerinnerung nicht nun doch noch kaputt zu machen.


    Warum das nun aber ein "Frauenbuch" sein soll, ist mir echt ein Rätsel.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Hach, ich freue mich, dass es hier doch ein paar gibt, denen das Buch auch gefallen hat. :-)


    Ich werde mich dann wohl auch an der von Voltaire (danke) vorgeschlagenen "Biographie" von Salter versuchen, auf die ich schon sehr gespannt bin.


    Zitat

    Original von janda
    Warum das nun aber ein "Frauenbuch" sein soll, ist mir echt ein Rätsel.


    Jo, das kann ich auch absolut nicht nachvollziehen. Wenn "Lichtjahre" eins nicht ist, dann ein Frauenbuch. Wobei ich es sowieso schwer finde, Bücher in Schubladen zu stecken, aber unter einem Frauenbuch stelle ich mir dann doch etwas anderes vor. ;-)

  • James Salter ist es gelungen, mich 400 Seiten lang zu fesseln, obwohl eigentlich nicht viel passiert bzw. alles sich sehr langsam wandelt (sowas mag ich nämlich normalerweise nicht).


    Es ist die Sprache, die mich so beeindruckt hat. Salter beschreibt präzise und auch poetisch. Ich hatte manchmal das Gefühl, ich würde über dem Buch schweben.


    So verfolgt man über etwa 20 Jahre die Ehe von Viri und Nedra, den Untergang, den Verfall.
    Zum Ende hin wird die Atmosphäre immer trauriger und bedrückender.


    Die Geschichte scheint unspektakulär, aber ich konnte fast gar nicht aufhören zu lesen. Und das will bei mir schon was heißen :-).


    Danke Dir, buzzaldrin. Durch Dich habe ich einen wirklich großartigen Autor entdeckt.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Auch mir hat an diesem Buch vor allem die Sprache gefallen, die mich sehr beeindruckt hat. Und auch wenn nicht viel passiert ist es, als würde man in das Buch hineingezogen werden. Auch ich konnte kaum aufhören zu lesen.


    Zitat

    Original von Sigrid2110
    Danke Dir, buzzaldrin. Durch Dich habe ich einen wirklich großartigen Autor entdeckt.


    Es freut mich, dass dir Salter so gut gefällt, Sigrid! :wave

  • Buzzaldrin, auch von mir vielen Dank für den tipp! Lichtjahre hat mir außerordentlich gut gefallen. Ich liebe diese stille Sprache, die Ruhe des Buches, vor allem die Beschreibungen der Landschaft. Da muss von mir aus nicht viel passieren!
    Wird bestimmt nicht mein letztes Buch von salter gewesen sein...

  • Ich habe das Buch auch schon vor einigen Jahren gelesen. Vom Inhalt habe ich nichts behalten, aber ich weiß noch, wie sehr ich von Salters Sprache fasziniert war.
    Anscheinend fand ich es so gut, daß ich mir die Autobiographie und einen weiteren Roman ("A Sport and a Pastime") auf englisch gekauft habe. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, die beiden jemals gelesen zu haben. :rolleyes

  • Zitat

    Original von Seerose


    Anscheinend fand ich es so gut, daß ich mir die Autobiographie und einen weiteren Roman ("A Sport and a Pastime") auf englisch gekauft habe. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, die beiden jemals gelesen zu haben. :rolleyes


    Ein schwerer Fehler Seerose! ;-) "Ein Spiel und ein Zeitvertreib" habe ich gelesen, es hat mir zwar nicht ganz so gut wie andere Bücher von Salter gefallen, es war aber dennoch ein unterhaltsames Leseerlebnis. Bei der Biographie warte ich noch auf die deutsche Übersetzung, die in einer Neuauflage im Februar erscheinen soll.

  • Ich habe das Buch gerade zu Ende gelesen und bin irgendwie nicht so übermäßig begeistert - auch wenn ich gerade nicht mal exakt sagen könnte, woran es liegt. Mir hat "In der Wand" jedenfalls eigentlich besser gefallen... wahrscheinlich liegt's doch ein bisschen am Thema.


    Besonders lustig fand ich aber den Satz: "Das Leben besteht aus Mahlzeiten." ^^ ...


    buzzaldrin Ich bereue es aber nicht, das Buch gelesen zu haben und werde sicher dank deiner Anregung noch ein paar Bücher von ihm lesen ;-)

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von saz ()

  • Zitat

    Original von saz


    buzzaldrin Ich bereue es aber nicht, das Buch gelesen zu haben


    ... das will ich auch schwer hoffen. :grin
    Ich denke, das Lichtjahre wirklich ein Buch ist, das polarisiert und entweder es gefällt den Leuten oder sie mögen es eben gar nicht.


    Wenn dir "In der Wand" gut gefallen hat, kann ich dir aber auf jeden Fall auch "Cassada" ans Herz legen, falls du es noch nicht kennst.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Wenn dir "In der Wand" gut gefallen hat, kann ich dir aber auf jeden Fall auch "Cassada" ans Herz legen, falls du es noch nicht kennst.


    Jupp, kenne ich noch nicht - aber du solltest nicht dauernd meine Wunschliste erweitern, sonst bin ich bald ganz arm :grin ...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]