'Faust: Der Tragödie Erster Teil' - Seiten 025 - 058

  • Faust und Wagner sind auf einem Osterspaziergang.

    Zitat

    Faust: Vom Eise befreit sind Strom und Bäche....Zufrieden jauchzet groß und klein: "Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!"


    Ich kannte zwar das Gedicht, muß aber (peinlicherweise) gestehen, daß mir nicht bekannt war, das Faust es aufsagt.


    Die beiden Spaziergänger treffen einen schwarzen Pudel - der sich später im Studierzimmer als Mephistopheles (den Namen kann ich auch noch nicht unfallfrei schreiben! :rolleyes) zu erkennen gibt:

    Zitat

    Faust: Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Skolast? Der Casus macht mich lachen.


    (Auch wieder ein Zitat, das ich kannte, bisher aber nicht Goethe zuordnen konnte.)


    Mephistopheles geht (indem er sich einer List bedient) aus dem Studierzimmer. Später kommt er wieder und schließt einen Pakt mit Faust.


    Die Tragödie wird immer interessanter - auch das Lesen fällt mir immer leichter (kann auch damit zusammenhängen, daß mein Mann mit unserem Sohn spazieren ist.... :lache).

  • Ha! Ich habe grade festgestellt, dass Jakob Hein seinen Titel Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht bei Goethe geklaut hat! :lache


    Durch den Osterspaziergang und das Gespräch mit Wagner, in dem Faust sein Versagen als Arzt gesteht, gewinnt er für mich deutlich an Kontur, die scheinbare Widersprüchlichkeit, das Hin- und Hergerissensein wird verständlicher und nachvollziehbarer.
    Ebenfalls wird deutlich, dass Wagner den inneren Kampf, der in Faust tobt, überhaupt nicht nachvollziehen und verstehen kann. Er ist ein Vernunftmensch, denkt strikt rational und glaubt an die Macht des Wortes, während sich Faust zwischen Vernunft und Gefühl, zwischen Irdischem und Metaphysischem, Geist und Körper wie zerrissen fühlt.
    Faust beschwört im Gespräch mit Wagner die "Geister in der Luft, die zwischen Erd' und Himmel herrschend weben" und fordert sie auf, ihn "zu neuem, bunten Leben" wegzuführen. Damit bietet er Mephisto, der kurz darauf in Gestalt eines schwarzen Pudels in Erscheinung tritt, die nötige Angriffsfläche.

  • Der Dialog zwischen Mephisto und Faust, der schließlich in der Wette mündet, ist schlichtweg brilliant. Ich ertappe mich beim Lesen immer wieder beim beinahe ehrfurchtsvollen Staunen, weil Sprache, Rhythmus und Stil in ihrer Komposition einfach so perfekt ineinanderfließen. Zudem sind die komödienhaften Elemente, die mit Mephistos Auftreten Einzug halten, sehr klug dosiert. Das ist einfach stimmig, nichts wirkt plump oder burleskenhaft, vielmehr ist es eine feine, eher subtile Komik.


    Mephisto missversteht Fausts Begehren, sein Streben. Korrespondierend mit seinem Bild vom Menschen (das im Prolog im Himmel) bereits Thema war), geht er davon aus, es gehe Faust ausschließlich um die leiblichen, irdischen Genüsse, um positive Erfahrungen, während Faust Absage an das Streben nach Wissen, nach Erkenntnis auf seiner Enttäuschung, auf der Erfahrung des Scheiterns beruht und er von der Hinwendung zu sinnlichen Genüssen keineswegs nur positive Erfahrungen erwartet (er spricht von "dem schmerzlichsten Genuss" und äußert: "Da mag denn Schmerz und Genuss / Gelingen und Verdruss / Mit einander wechseln, wie es kann;").


    Der ursprünglich angedachte Pakt wird durch die Bedingung, die Faust an Mephisto stellt ("Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!") zur Wette mit unbestimmtem Ausgang.
    Wenn Mephisto es also schaffen sollte, Faust in einen Zustand vollständiger Zufriedenheit zu versetzen, einen Zustand, in dem Faust alles Streben aufgibt, gehört seine Seele dem Teufel.


    Das Bild, das Mephisto vom Menschen hat, steht ihm dabei im Weg, zu erfassen, worum es Faust wirklich geht. Dieser erkennt den Irrtum, dem Mephisto aufsitzt ("Was willst Du armer Teufel geben? / Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, / Von deinesgleichen je gefasst?") und ist für mich in dieser Szene der überlegene Part.

  • Ich bin nun mit dem zweiten "Block" durch und muss sagen, dass mir das Lesen immer leichter fällt und so richtig Spaß macht. Es ist eine Freude, Goethes Werk zu lesen. Es versetzt mich immer wieder in Staunen, wie ein Mensch (ein Mikrokosmos wohl gemerkt :-)) ein solches Werk hat vollbringen können. Ich finde insbesondere die Wortkomposition - hier kann man wirklich von der Komposition eines Meisterwerkes sprechen - atemberaubend. Wie ergeht es euch?

    Gruß
    misswalker :lesend



    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Ich bin mit diesem Abschnitt noch nicht durch, Faust und Wagner sind gerade zum osterspaziergang aufgebrochen, aber mir geht es wie dir, misswalker, ich bin jetzt richtig drin im Buch und es macht wirklich Spaß, dieses tolle Buch mal wieder zu lesen.

  • Ich werde jetzt allerdings ein paar Tage nicht zum Lesen komme. Ich muss nämlich noch die vorgegebene Literatur für mein Literaturseminar lesen (z.B. Woyzeck). ich werde aber versuche, etwas Zeit zum Interpretieren des zweiten "Blocks" zu finden. Hat jemand schon eine erste Interpretation vorgenommen?

    Gruß
    misswalker :lesend



    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Ja, mir ergeht es auch so. Vielleicht sollten wir damit anfangen, was uns im zweiten "Block" am besten gefallen hat und warum oder z.B. was einem aufgefallen ist (so nähert man sich auch schnell einer Interpretation).


    Also ich hatte so meine Probleme mit einer Stelle aus "Vor dem Tor". Faust erzählt Wagner, dass er und sein Vater den ihnen entgegengebrachten Ruhm nicht verdienen. Nun hört es sich für mich als Leser so an, als ob Wagners Vater bewusst tödliche "Arznei" verteilt habe. Ich stelle mir die Frage: Wusste Fausts Vater wirklich, dass diese "Arznei" tödlich ist oder wusste er es anfangs nicht (Forschung nach neuen Medikamenten nicht erfolgreich)...


    Ich denke, dass diese Stelle äußerst wichtig ist, da sie einen Einblick in Fausts Vergangenheit und Psyche ermöglicht. Was meint ihr?

    Gruß
    misswalker :lesend



    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Johann Wolfgang von Goethe)

  • Hallo,


    misswalker : ui, das ist eine Stelle, mit der ich mich nie so sehr auseinandergesetzt habe, da sie mir nie so eminent wichtig erschienen ist.


    Ich fand es stattdessen z.B. sehr interessant, dass Faust beginnt, Mephisto seine Bedingungen zu diktieren. Erwartet hätte man es ja eher genau anders herum.


    Ansonsten wurde hier wirklich schon alles geschrieben.
    Für diesen Abschnitt fällt mir nicht viel mehr ein.


    :wave

    LG
    Alisha

    -------------------
    Good girls go to heaven, bad girls go everywhere! :-]
    (Jim Steinman)


  • Zitat

    Original von misswalker
    Also ich hatte so meine Probleme mit einer Stelle aus "Vor dem Tor". Faust erzählt Wagner, dass er und sein Vater den ihnen entgegengebrachten Ruhm nicht verdienen. Nun hört es sich für mich als Leser so an, als ob Wagners Vater bewusst tödliche "Arznei" verteilt habe. Ich stelle mir die Frage: Wusste Fausts Vater wirklich, dass diese "Arznei" tödlich ist oder wusste er es anfangs nicht (Forschung nach neuen Medikamenten nicht erfolgreich)...


    Ich denke, dass diese Stelle äußerst wichtig ist, da sie einen Einblick in Fausts Vergangenheit und Psyche ermöglicht. Was meint ihr?


    Ich habe, diese Stelle immer so verstanden, dass Fausts Vater vielen Menschen einfach nicht helfen konnte und sich deswegen mitschuldigt fühlt. ?(

  • Ich denke auch, dass Faust und sein Vater mit ihrem Wissensstand einfach nicht mehr Menschen helfen konnten.
    Aber für Faust, der ja immer nach mehr Wissen und Erkenntnis stößt, war das wohl einfach nicht hinnehmbar, dass er hier an eine Grenze gestoßen war. Und gibt sich so halt indirekt die Schuld am Tod der Menschen und denkt deswegen, dass er die Verehrung der Bauern nicht verdient.


    Für mich zeigt diese Szene nur noch mal, wie stark Faust - im Gegensatz zu Wagner - nach neuem Wissen strebt, egal um welchen Preis. Auch wenn er sich dafür mit Übernatürlichem einlassen muss.

  • Isiera : Ja, so habe ich es mir auch gedacht. Es geht ja gerade um den Stand der Forschung und die Tatsache, dass dem Menschen irgendwo - auch in der Wissenschaft - Grenzen gesetzt sind, die er erkennen und akzeptieren muss. Faust hat diese Grenze spätestens durch seine Arbeit als Arzt erfahren, jedoch niemals gelernt, damit zu leben. Da er dies nicht mehr auszuhalten scheint, greift er zu dem einzig verbliebenen Mittel - dem Übernatürlichem.

    Gruß
    misswalker :lesend



    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Johann Wolfgang von Goethe)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von misswalker ()

  • Zitat

    Original von Isiera
    Für mich zeigt diese Szene nur noch mal, wie stark Faust - im Gegensatz zu Wagner - nach neuem Wissen strebt, egal um welchen Preis. Auch wenn er sich dafür mit Übernatürlichem einlassen muss.



    Ich glaube kaum, dass Wagner nicht nach neuem Wissen strebt. Er strebt auf andere Weise danach. Faust geht es ja v.a. darum, zu ergründen, warum dem Menschen diese Grenzen vorgesetzt sind. Ich denke nicht, dass er sich viel mehr NEUES Wissen aneignen will, sondern ihm geht es um DAS Wissen schlechthin. Das Wissen um das Leben, die Welt, was dahinter steckt und wie alles zusammenhängt. Es ist Faust - im Gegensatz zu Wagner - bewusst, dass die Wissenschaft niemals alle Rätsel des Lebens aufdecken wird. Wagner verdeutlicht nur den damals herrschenden Wissenschaftsglauben: "Die Wissenschaft wird jedes Rätsel lösen".
    Aber Faust kann dennoch nicht einfach hinnehmen, dass ihm - als Mensch - die Überschreitung jener Grenzen verwehrt bleibt. Daher wendet er sich ans "Übernatürliche", was ja wiederum verdeutlicht, dass Faust kein Positivist ist.

  • Ich meinte nicht, dass Wagner nicht nach Wissen strebt. Nur nicht mit der gleichen Intensität wie Faust. Faust würde meinem Eindruck nach alles opfern, um zu neuen (nicht nur für ihn, sondern für die gesamte Menschheit), während Wagner da der besonnenere ist für mich. Ihm geht es meinem Eindruck nach eher darum von anderen zu lernen (also Sachen, die zwar für ihn neu sind, aber nicht die gesamte Menschheit).

  • @ Isiera: Da stimme ich dir zu. Wagner strebt nach für ihn neuem Wissen, jedoch nicht nach wissenschaftlichem Fortschritt. Würde er, so wie sein Lehrmeister Faust, nach für die Menschheit neuem Wissen streben bzw. suchen, wäre er schon lange zu der Erkenntnis gelangt, dass dem Menschen dort unüberwindbare Grenzen gesetzt sind und hätte dadurch seinen (Wissenschafts-)Optimismus verloren.

    Gruß
    misswalker :lesend



    "Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel." (Johann Wolfgang von Goethe)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von misswalker ()

  • * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
    Wiederaufnahme ab 16. Mai 2017
    * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Diesen Abschnitt habe ich fertig gelesen.


    Ich habe hier eigentlich inhaltlich nichts zu sagen.


    Gefragt habe ich mich hier nur immer wieder, wie man es schafft anhand dieses Textes ein Bühnenbild und die ganzen Emotionen, Gestiken, Laute und Betonungen umzusetzen. Das ist sicher eine sehr tiefgründige und intensive Arbeit. Ich bin sehr gespannt, wie das Theater sein wird, das ich mir in einer Woche ansehen werde.

    Sasaornifee :eiskristall



    _______________________
    "Wer seid ihr und was wollt ihr?" - Die unendliche Geschichte - Michael Ende