Übersetzungen und Übersetzer

  • Zitat

    Original von Firesong
    Wenn die Verlagslandschaft nicht so inhomogen wäre, wenn sich Bücher besser kalkulieren ließen, könnte man sicher eher so was wie einen Mindestlohn einfordern.


    Aber wäre sie nicht so inhomogen, gäbe es nicht die viel gerühmte Vielfalt, die wir alle schätzen und lieben. Das Problem, das ich nun mal sehe, ist die Qualität. Ich weiß eben, dass manchmal das Zeitlimit für eine Übersetzung so eng gesteckt ist, dass eine Übersetzung nach vernünftigen Gesichtspunkten kaum möglich ist. Da kann man noch so guter Übersetzer sein. Aber ich glaube einfach, es wird ohnehin mit zweierlei Maß gemessen, es gibt eben jene "oberen Zehntausend", die moppern, weil ihnen die Konditionen nicht passen und ein Heer aus Übersetzern, die sich damit irgendwie arrangiert haben. Inwieweit das gut ist ... weiß ich nicht. Nein, da ist nichts Gutes dran. Aber da sind wir dann wieder bei der Frage, inwieweit man bei dem Anspruch verschiedener Übersetzungen unterscheiden muss - einen Auster zu übersetzen ist mit Sicherheit schwieriger, langwieriger und erfordert mehr Arbeit als die Übersetzung einer Rosamunde Pilcher. Aber wie will man das schon vereinheitlichen, ordnen und entsprechend honorieren - vor allem, wenn dem Übersetzer immer wieder jemand im Nacken sitzt, der in den Markt reinrutschen will und es auch "für weniger" zu machen bereit ist.


    Liebe Grüße
    Juliane

  • Zitat

    Original von JulyRose
    vor allem, wenn dem Übersetzer immer wieder jemand im Nacken sitzt, der in den Markt reinrutschen will und es auch "für weniger" zu machen bereit ist.


    Das ist wohl leider ein großes Problem - und das vor allem dort, wo keine Sprach-/Textfachleute die Entscheidungen treffen, wer was übersetzt, sondern reine Budgetwächter (hier spreche ich allerdings wiederum nicht vom Literaturübersetzen, darüber weiß ich selbst einfach zu wenig).


    Ansonsten regelt sich meiner Erfahrung nach vieles eben doch über die Qualität: Wer dauerhaft gute Texte braucht, muss auch den Preis für gute Übersetzer bezahlen. Wenn die Zielgruppe anfängt zu meckern oder immer wieder teure interne Nachbesserungen nötig sind, ist auch der billigste Übersetzer zu teuer.



    Was ich noch fragen wollte: Arbeiten die Verlage eigentlich auch mit Übersetzungsagenturen zusammen, oder praktisch ausschließlich direkt mit Einzelübersetzern?

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von JulyRose
    Ah, entschuldigt meine Unwissenheit, aber wer oder was sind denn Übersetzungsagenturen?


    Firmen, die Übersetzungsaufträge annehmen und sie (vorwiegend) von freiberuflichen Übersetzern machen lassen.


    Vorteil für den Kunden: alles aus einer Hand, vor allem bei Großprojekten weniger Verwaltungsaufwand, keine Abhängigkeit von einem Einzelübersetzer.


    Nachteil für den Kunden: in aller Regel schlechtere Qualität, denn a) die Übersetzer werden noch schlechter bezahlt, weil die Agentur natürlich ihren Schnitt machen muss, sodass die besten Leute eher nicht für Agenturen arbeiten, b) wird nicht garantiert, dass derselbe Übersetzer immer für dieselbe Firma arbeitet, sodass Einarbeiten und damit verbundene Qualitätssteigerung schwer zu erreichen ist (mit Terminologie- und Übersetzungsdatenbanken lässt sich das zum Teil auffangen, aber niemals ganz), c) besteht meistens kein Kontakt zwischen Übersetzer und Auftraggeber, sodass Nachfragen zwecks Klärung von Unklarheiten (und besserer Übersetzung) praktisch nicht möglich ist.


    Besonders berüchtigt sind Agenturen, die "alle Sprachen, alle Fachgebiete" anbieten und dabei meistens sehr billig sind.


    Davon zu unterscheiden sind auf jeden Fall kleine (rechtlich unterschiedlich gestaltete) Zusammenschlüsse von Übersetzern, die auf dasselbe Fachgebiet spezialisiert sind. Dort profitiert der Kunde oft davon, dass eine Qualitätskontrolle nach dem Vier-Augen-Prinzip stattfinden kann, qualifizierte Urlaubsvertretungen kein Problem sind etc.


    Als Auftraggeberin von Übersetzungen in einem Unternehmen hat mein Chef (Nichtübersetzer) mich jahrelang damit genervt, doch eine einzige Agentur zu suchen, die alle Sprachen für uns übersetzen kann - am besten in Amerika, dann könnten wir noch von der Zeitverschiebung profitieren. :bonk

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  • Vielen Dank, MaryRead, jetzt bin ich schlauer :wave


    Und stimmt, das sind wirklich eher ... ähm ... nicht so schöne Praktiken. Wenn ich eine Übersetzung brauche, dann will ich doch auch Qualität haben. Sonst kommt da sowas bei raus wie bei den Übersetzungen von Videorekroderanleitungen - vom Koreanischen übers Sorbische ins Deutsche oder so :pille


    LG, Juliane

  • Und dann gibt's natürlich noch die maschinelle Übersetzung. :lache Die will ich nicht en gros verteufeln, aber meinen Fund von soeben will ich euch nicht vorenthalten.


    Auf der Suche nach Infos über den "chinesischen Knoblauch", den ich neulich in Ermangelung des üblichen Knoblauchs im Gemüseregal gekauft habe, finde ich dies hier:


    Zitat

    Wir sammeln Sie, verarbeiten Sie, Pack, Laden und Schiff frischer chinesischer Knoblauch zu viel Länder alles Jahr um.


    Achtung, ehe ihr euch verseht, werdet ihr mitsamt dem Knoblauch rund um die Welt verschifft! :grin
    Aber keine Sorge, für ordnungsgemäße Verpackung ist gesorgt:


    Zitat

    Wir beladen die Container in so ein Weg genannt Tunnel, der stapelt, damit Knoblauch Atem mit der gelüfteten Luft einmacht.


    Na dann guten Appetit! ;-)
    Quelle

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  • :lache das ist echt geil.


    Mit Übersetzungsagenturen, die du beschreibst, arbeiten wir glaub nicht zusammen, eher mit kleineren Textbüros, da hat man dann aber trotzdem meist direkt mit dem Menschen zu tun, der übersetzt.


    Und natürlich setzt sich auch im Massenmarkt die bessere Qualität durch. Und wenn es irgendwie geht, kann man dann einem bewährten Übersetzer auch mal mehr geben. Viele, die mit Taschenbuch anfangen und dann auch erfolgreich HC oder Spitzentitel machen, lassen sich dann auch nicht mehr auf TB-Preise ein. Was natürlich doof ist fürs Taschenbuch, aber ich kann's keinem verdenken.


    Im Endeffekt bestimmen ja die vorauskalkulierten Umsätze das Honorar. Man muss mal überlegen, wenn ein Buch 700 Manuskriptseiten hat, dann zahlt man ca. 7000-9000 Euro für die Übersetzung eines TB , und unter Umständen hat noch nicht mal die Lizenz soviel gekostet. Und wenn sich dann doch nur 3000 oder so davon verkaufen, dann hat man schön Verlust gemacht.


    Übrigens hat sich durch den Druck der Übersetzerklagen durchaus was getan, manche Verlage haben jetzt auch bessere prozentuale Beteiligungen in den Verträgen.

  • Es ist beruhigend, dass sich auch im Massenmarkt die Qualität durchsetzt. Leider gibt es immer noch zu viele Bücher, die ich früher oder später enttäuscht beiseite lege, weil sie sprachlich einfach zu eindimensional sind. Ich habe dann oft die Befürchtung, es könnte an der Übersetzung liegen - das übrigens ein Grund, warum ich immer häufiger zum Original greife, wenn mich ein Buch wirklich reizt.


    Liebe Grüße
    Juliane


    P.S. @ Firesong: Hab dir mal eine PN geschickt :wave

  • Da ich sehr viel Fantasy lese, und da sowieso das Meiste aus den USA und England/Australien kommt, lese ich schon ziemlich lange im Original. Einfach auch, weil es so viel mehr Auswahl gibt und mir der Stil der modernen amerikanischen Fantasy mehr zusagt als deutsche. Inzwischen ist bei mir Fantasy so stark mit dem englischen Sprach-Feeling verbunden, dass ich es manchmal fast obskur finde, eine Übersetzung zu lesen. Was auch daran liegen mag, dass in dem Genre viel mit Wortschöpfungen gemacht wird, bzw. Umformen von Vokabular (was die englische Sprache ja sehr flexibel zulässt) und daher wirken die deutschen Entsprechungen im Vergleich oft unhandlich. Deutsch funktioniert halt anders.

  • Ich finde die Diskussion ja sehr interessant, weil ich mir darüber noch nie so Gedanken gemacht hab.


    Ich lese ja eigentich alle Bücher auf Deutsch, obwohl ich durch diese Diskussion ja eigentlich kurz davor wäre, Bücher auf Englisch mal zu probieren (aber nein, ich werde es nicht machen... würden sich das noch mehr Leute denken, würden die Übersetzter bald völlig arbeitslos sein :grin ).


    Aber weil das einige Seiten zuvor von jemanden aufgebracht wurde... die Übersetzung von "you". Das finde ich immer sehr interessant... meistens ist es so übersetzt, wie ich es intuitiv auch machen würde, aber teilweise siezen sich Personen in völlig unpassenden Situationen :gruebel
    Und was ich immer ganz toll finde, ist, wenn sie sich zuerst siezen, dann duzen und dann steht so was wie "ich bin john; ich glaube, wir können "du" zueinander sagen" (so in etwa) halt.
    Das steht doch sicher nicht im Original? Ist das im Ermessen des Übersetzers, wann bzw. ob er das macht? Natürlich ist es schön abgegrundet, weil ohne das wäre es verwunderlich, warum sie sich auf einmal duzen, wo sie sich vorher doch gesiezt haben.

  • Hallo Prombär :wave


    Du hast recht, das ist eine kniffelige Sache mit dem berühmten "you". Man sagt ja immer, in amerikanischen Filmen duzen sich die Protagonisten, sobald sie in der Kiste gelandet sind - musste mal drauf achten! - aber bei Büchern ist das dann doch ein bisschen komplizierter.


    Ich habe zum Beispiel bei meinem aktuellen Buch mehrere solcher Fälle. Da ist die Heldin, die zwei Leute beschäftigt. Die eine nennt sie Mrs. XY - klar, da wird gesiezt. Der andere jedoch nennt sie beim Vornamen - wie soll ich es da handhaben? Da er aber mit im Haus wohnt, scheint es mir logisch, dass sie sich duzen - früher oder später ergibt sich sowas halt.


    Dann ist da noch jemand, mit dem sich die Heldin regelmäßig mittags trifft, um zu plaudern. Siezen oder duzen? Und so steht man vor jeder neuen Person und fragt sich, in welchem Verhältnis sie wohl zu meiner Heldin stehen wird und auch zu den anderen Personen. Es ist für mich eine reine Gefühlssache, und ob ich es richtig mache, können letztlich nur Lektorat und später auch die Leser entscheiden.


    Liebe Grüße
    Juliane

  • Zitat

    Original von JulyRose
    Hallo Prombär :wave


    Du hast recht, das ist eine kniffelige Sache mit dem berühmten "you".



    Da machen es einem die Schweden leichter. Dort wird sich grundsätzlich gedudzt. (Auch wenn mittlerweile in einigen Bereichen wieder zum Sie übergegangen wird und das generelle Du ja auch erst seit ein paar Jahrzehnten existiert.) Da finde ich es angebracht zu Beginn darauf hinzuweisen und das Du dann durchzuziehen.


  • Nee, damit kann man wahrscheinlich Katzen jagen! :lache


    Zum Thema Duzen/Siezen:


    Bei Anne Holt (spielt in Norwegen) stand zumindest in den ersten Bänden ein Hinweis, dass man sich in Norwegen im Alltag generell duzt (oder so ähnlich) und dass das daher auch in der Übersetzung so gehandhabt werde. Ich fand es beim Lesen zuerst gewöhnungsbedürftig, nachher habe ich mich daran gewöhnt. Da lässt sich auf zwei Arten argumentieren:


    - Es soll auch in der Übersetzung erkennbar sein, dass das Buch in Norwegen spielt (s. auch norwegische Straßennamen, Organisation der Polizei etc.), daher gehört die Art der Anrede zum Lokalkolorit und sollte als "du" übersetzt werden.


    - Das "du" in Norwegen bedeutet nicht das Gleiche wie das "du" im Deutschen. Es ist eine "unmarkierte" Anrede, d.h. normal und unauffällig, keineswegs wird damit eine geringere Distanz ausgedrückt. Das deutsche "du" liest man aber automatisch als geringere Distanz. Daher entsteht in der Übersetzung eine Verfälschung, und es wäre besser, auch im Deutschen die "unmarkierte", neutrale Form zu verwenden, und das wäre zunächst einmal das "Sie" (das dann z.B. unter guten Kollegen früher oder später zum "du" wird). Bei einer Übersetzung aus dem Englischen kommt man ja auch nicht auf die Idee, jedes "you" mit "du"/"ihr" zu übersetzen, nur weil es im englischen Sprachraum im Anredepronomen keine Differenzierung gibt.


    Ich weiß nicht recht, was ich besser finde. :gruebel Aber klar ist, dass man dann innerhalb einer Reihe konsequent bleiben sollte, wenn es irgend geht.


    Und ein eigenes Beispiel: aus der Übersetzerwerkstatt geplaudert

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  • MaryRead : Schwierig. Einerseits gebe ich dir recht. Andererseits spricht man sich in Schweden eigentlich immer mit dem Vornamen an. Im Englischen wird ja bist zu einem bestimmten Punkt der Nachname verwendet.


    Ich bin also dafür bei Übersetzungen z.B. aus dem Schwedischen das Du zu verwenden (mit Anmerkung). Das Du im Schwedischen ist einfach ein anderes als im Englischen. Es ist meiner Meinung nach nicht "unmarkiert", sondern eben künstlich eingeführt. Link Dürfte für Norwegen ähnlich gelten.

  • Zitat

    Original von Ronja
    Das Du im Schwedischen ist einfach ein anderes als im Englischen. Es ist meiner Meinung nach nicht "unmarkiert", sondern eben künstlich eingeführt. Link


    Solange das so wahrgenommen wird, hast du auf jeden Fall Recht, danke für die Info!
    Das illustriert bloß wieder mal, wie komplex Übersetzen ist...

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