Don Winslow - The Power of the Dog / Tage der Toten

  • Bedauerlicherweise habe ich für diese Zugfahrt nur ein Buch eingesteckt, hat es doch gut 700 Seiten. Ich bin überraschenderweise auch nicht eingeschlafen, auch wenn das Buch aus aufgewärmten Geschichten von ganz bösen Buben handelt. Alle kommen sie darin vor, wie in amerikanischen B-Movies. die Mafia, das Cali Kartell, die CIA, die DEA und das FBI, Pablo Escobar und die mexikanischen Drogenbarone und weil das an Bösen noch nicht reicht, muß auch das gute alte Opus Dei noch herhalten, spätestens da hätte ich bei einer Alternative abgebrochen. ach ja, es wird nicht nur erstochen, vergiftet und erschossen, sondern auch gevögelt, was halt an Klischee so rausgedrückt werden kann. Ein Wahnsinn an Dummheit und Langeweile.

  • Hallo beowulf,


    handelte es sich bei diesem Buch um Deinen ersten Winslow?


    Um eine Rezension für dieses Buch habe ich mich lange gedrückt, zu schwer zu verorten ist diese Mischung aus Fiktion und Dokumentation über amerikanische Ermittler und mexikanische Drogenmafia, über familiäre Unternehmen und den Einfluss der katholischen Kirche. Immer nah dran am Geschehen stellt Winslow - meines Erachtens in seinem bislang besten Buch - recht glaubhaft unter Beweis, dass niemand sich den Machtstrukturen der Kartelle entziehen kann und zeigt die zahlreichen Verflechtungen auch zwischen Tätern und amerikanischen Ermittlungsbehörden auf, deren Einsatz außerhalb amerikanischen Staatsgebiets äußerst zweifelhaft erscheint. Dass in "Tage der Toten" zwangsläufig Klischees bedient werden, liegt auf der Hand, zum einen weil sie ihre Grundlage in der Lebenswirklichkeit finden, zum anderen weil die Drogenbosse einen Lebensstil zelebrieren, der unweigerlich die Frage aufkommen lässt, ob das Abbild oder die Realität zuerst existiert hat.


    Tatsächlich lebt dieses knapp 700 Seiten umfassende Werk nicht von der rahmengebenden Handlung um den Drogenfahnder Art Keller, sondern von den zahlreichen Exkursen, die ein beispielhafter Beleg für die mühevolle Recherchearbeit Winslows sind, und den Roman in seiner Gänze aufwerten.
    So erfährt der Leser ebenso etwas über die Zwangslage eines Geistlichen, der nach den katholischen Glaubensregeln nicht zwischen Tätern und Opfer unterscheiden darf und doch nicht jegliche menschliche Regung verloren hat, wie über das Schicksal einer Prostituierten, die ihrem vorgezeichneten Lebensweg entrinnen möchte und sich doch in den Verzweigungen eines Systems wiederfindet, für das sie sich am Ende doch bewusst entscheidet.


    Die Begründung, warum nun dieses Buch beim Publikum nur auf bedingte Begeisterung stößt, liegt auf der Hand: Winslow zeigt in seiner eindrucksvollen Bestandsaufnahme, dass es nichts Gutes ohne das Böse geben kann. Niemand seiner Protagonisten kann für sich beanspruchen, nur auf einer Seite des Systems zu stehen, denn die Drogenkartelle nehmen nicht nur, sie geben auch, sorgen für Jobs und halten mit ihrer Schattenwirtschaft eine Volkswirtschaft am Leben, deren Regierung versagt hat.
    Dass Winslow bei seinen Schilderungen nicht zimperlich mit dem Leser umgeht, mag ihn so mancher nicht verzeihen.
    Wer sich auf "Tage der Toten" einlässt, den erwartet ein schonungslos offener, brutaler und grausamer Realitätsroman, der tief auf die menschlichen Abgründe blickt und bislang verborgene Zusammenhänge der mexikanischen Drogenmafia aufdeckt.

  • Zitat

    Original von Richie
    Nachdem ich in der LR Missing New York auf dieses Buch aufmerksam gemacht wurde, mußte ich es heute einfach haben.


    Bisher hatte ich nur Positives gehört, am Ende habe ich jedoch beos vernichtenden Worte gelesen - jetzt bin ich gespannt ?(


    Ging mir ebenso, Richie. Ich habe mit dem Lesen begonnen und stecke im 2. Kapitel ca. S. 76.
    Ehrlich gestanden gefällt es mir nicht und ich stehe kurz vor dem Abbrechen.


    Als "Schundroman" ohne Realitätsbezug, wie beowulf schreibt, würde ich es nicht bezeichnen, aber es spricht mich überhaupt nicht an.


    Liegt hauptsächlich am Thema denke ich. In die Thematik "Drogen und Mafia" möchte ich nicht so tief eindringen, vor allem nicht auf die Art und Weise und in der Intensität wie Don Winslow das hier tut.


    Die Begeisterung kann ich zwar verstehen und auch nachvollziehen, aber ich teile sie nicht.


    Die etwas leichtere Variante à la Missing New York ist mir da bei weitem lieber, auch wenn ich mich damit als Banause oute.


    Ich würde aber sehr gerne ein weiteres Buch von Don Winslow lesen.
    Mal sehen, was ich als nächstes ausprobiere, er hat ja schon Einiges geschrieben :gruebel.

  • Und ich bin jetzt seeeehr gespannt, wie ihr es findet, ginger und Richie :grin.


    Der Schreibstil ist schon ähnlich wie in Missing New York, aber sehr viel härter. Die vielen Personen und die Beziehungen untereinander waren mir zu kompliziert und zu vielfältig. Vielleicht hätte ich länger durchhalten müssen um besser durch zu blicken, aber es hat mich überhaupt nicht gefesselt. Auch später nicht, denn ich habe stichprobenweise ein paar andere Seiten weiter hinten gelesen.


    Vielleicht sollte man auch mehr Interesse für das Thema aufbringen als ich es tue :gruebel.

  • Ich habe "Tage der Toten" bereits im August gelesen und war begeistert von dem Buch. Vielschichtig, realitätsnah, ein sehr guter Einblick in die Welt der Drogenmafia in Mexiko und Südamerika und deren Verstrickungen mit der USA und CIA. Ein Buch von epochaler Weite, das mich ganz lange danach noch gefangen hielt. Allerdings darf man was Tote, Folter und Blut angeht nicht gerade zimperlich sein. Die Brutalität diese zum Glück fremden Welt wird schonungslos dargestellt. Wenn man jedoch schafft, in diese Lesewelt richtig einzutauchen, hat man viele interessante Lesestunden vor sich.


    Von mir gibt es 9 Punkte.

  • Mein erster Thriller dieser Art und mein letzter mit Art Keller. Die auktoriale Erzählperspektive hat mir weder Protagonisten noch Antagonisten besonders nah gebracht. Vielleicht wäre eine personale besser gewesen. Vielleicht hätte ich dann die Distanz zu den Personen überwinden können, von denen mir keine besonders sympathisch erschien.


    Spannung kam hin und wieder auf, doch meist plätscherte die Geschichte ein wenig lustlos vor sich hin. Einzig die Schilderung der Verstrickung zwischen Politikern, Drogenclans und US-Regierungsorganisationen wirkte annähernd interessant.

  • Mitte der 1970er Jahre wechselt Agent Art Keller von der CIA zur neu gegründeten DEA und beginnt in Mexiko einen Krieg gegen die dortige Drogenmafia. Nach anfänglichen Rückschlägen hat er raus, wie der Hase läuft, und wird immer mehr zur Bedrohung für das mexikanische Drogengeschäft. Von den Erfolgen beflügelt, steigert sich Art immer tiefer in die Arbeit hinein, vernachlässigt seine Familie. Aber selbst eine gescheiterte Ehe und Mordanschläge auf ihn können den Agenten nicht aufhalten.

    Bei „Die Tage der Toten“ gibt es keine kategorische Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Beim Krieg gegen Drogen müssen beide Seiten Dinge tun, auf die sie später nicht besonders stolz sind. Aber nicht nur die Methoden, sondern auch der Drogenkrieg an sich wird hinterfragt. Don Winslows Roman zu dem Thema umfasst einen Handlungszeitraum von nahezu dreißig Jahren und wird in Winslows üblichen unverblümten Stil erzählt. Die Geschichte ist gut recherchiert, voller faszinierender und krasser Momente. Obwohl fiktiv, greift der Roman auf mehrere reale Ereignisse und Personen zurück. Neben Protagonist Art Keller wird die Story aus der Sicht zahlreicher Ganoven und aus der von Spitzeln und Informanten erzählt. Ständig tauchen neue Charaktere auf, manche nur für ein, zwei Kapitel. Dadurch wird es schwierig, den Überblick zu behalten. Gleichzeitig wird die Geschichte allerdings dermaßen rasant erzählt, dass solche Feinheiten problemlos unter den Tisch fallen.