Verbrechen - Ferdinand von Schirach

  • Verbrechen
    Ferdinand von Schirach
    ISBN:978-3-492053624
    Piper Verlag
    206 Seiten, 16,95 Euro



    Über den Autor: Ferdinand von Schirach geboren 1964 in Münschen, arbeitet seit 1994 als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Zu seinen Mandanten gehörten das frühere Politbüromitglied Günter Schabowski, der ehemalige BND-Spion Norbert Juretzko, Industrielle, Prominente und Angehörige der Unterwelt.


    Klappentext: Ferdinand von Schirach ist Strafverteidiger. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er – lakonisch wie ein Raymond Chandler mit unfassbarer Wucht. Ein angesehener, freundlicher Herr, Doktor der Medizin, erschlägt nach vierzig Jahren seine Frau mit einer Axt. Er zerlegt sie, bevor er schließlich die Polizei informiert. Sein Geständnis ist ebenso außergewöhnlich wie seine Strafe.
    Ein Mann raubt eine Bank aus, und so unglaublich das klingt, er hat gute Gründe. Gegen jede Wahrscheinlichkeit wird er von der Justiz an Leib und Seele gerettet.
    Eine junge Frau tötet ihren Bruder.
    Aus Liebe.
    Lauter unglaubliche Geschichten, doch sind sie wahr.


    Meine Meinung: Das ist wieder einmal ein Buch, in das ich nur kurz hineinsehen wollte und das mich dann erst wieder in die Wirklichkeit entließ, nachdem die letzte Seite gelesen war. Ferdinand Schirach schildert hier einige seiner ungewöhnlichsten Fälle und die Art und Weise, wie er das tut, ist genauso minimalistisch, wie Cover und Klappentext und die Information über den Autor selbst. Sein Stil ist nüchtern, er hat es nicht nötig, viele Worte zu verwenden – die Fälle sprechen für sich. Da gibt es einen Mann, der stumm zwei Neonazis tötet und der wieder freigelassen wird, einen Angeklagten, der eine Bank überfällt und für den die Geschworenen Geld sammeln – viele außergewöhnliche Verbrechen finden sich in dieser Sammlung, dessen karger Titel so wenig aussagt - Manchmal unfreiwillig komisch, manchmal unheimlich und mehr als einmal auch sehr berührend.


    Schirach ist ein lakonischer Erzähler der sich völlig in den Hintergrund stellt. Seine emotionslosen Sätze bewirken teilweise mehr Emotionen, als viele rührselige Adjektive das geschafft hätten. Es sind die Menschen, die hier ganz klar in den Vordergrund gestellt werden, Tatmotive werden geradezu seziert und durch kurze Erklärungen zur Rechtslage sieht der Leser die Zwickmühlen in denen Anwälte und Richter manchmal stecken, kann Urteile nachvollziehen oder sich nur wundern…


    Fazit: Eine faszinierende Sammlung ungewöhnlicher Kriminalfälle, dessen Autor durch seinen lakonischen Schreibstil besticht.

  • Das Buch enthält 11 Geschichten, die verschiedene Aspekte aus dem Berufsleben von Schirach beleuchten. Auffallend ist dabei der nüchtern-sachlich, distanzierte Schreibstil des Autors. Die geschilderten Fälle sind alle unterschiedlich und behandeln die verschiedensten Vergehen, von einem Einbruch bis hin zu Mord. Durch die meist emotionslose berichtähnliche Art kann man sich als Leser gut eine eigene Meinung bilden. Die Geschichten hinter den eigentlichen Taten lassen einen diese oft mit anderen Augen sehen, so dass man Verständnis und manchmal auch Mitgefühl mit den Tätern bekommt.


    Bei einigen Fällen hätte ich mir gewünscht, dass Schirach noch mehr Details erzählt, besonders bei dem Mann am Bahnhof. Auch wenn er schreibt er wüsste selbst nicht mehr, fand ich es schade, dass die Geschichte einen sehr rätselnd zurücklässt. Da wäre meiner Meinung nach eine andere Geschichte in dem Fall die bessere Wahl gewesen.

  • Das klingt sehr interessant, danke für die Rezi!
    Isiera
    Ist es nur die eine Geschichte die dich rätselnd zurück ließ? Oder gaben auch andere noch Rätsel auf weil du schriebst, du hättest dir mehr Details gewünscht?

  • Und gestern kam auch bei ttt was über Autor und Buch. Wer Interesse hat, kann sich [URL=http://www.daserste.de/ttt/beitrag_dyn~uid,fuj7pj3sbpye0dzd~cm.asp]HIER[/URL] das Video anschauen oder den Text zum Beitrag lesen.


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  • Zitat

    Original von nofret78
    Das klingt sehr interessant, danke für die Rezi!
    Isiera
    Ist es nur die eine Geschichte die dich rätselnd zurück ließ? Oder gaben auch andere noch Rätsel auf weil du schriebst, du hättest dir mehr Details gewünscht?


    Vor allem die Geschichte mit dem Mann am Bahnhof; ich glaube der Titel war "Notwehr". Ansonsten hätte ich mir bei manchen Geschichten noch ein, zwei Sätze darüber gewünscht, wie die Personen ihr Leben nach dem Vorfall weitergeführt haben. Aber das empfindet jeder wohl anders.

  • "Stories" - Geschichten, die das Leben schreibt


    Ferdinand von Schirach hat ein Buch mit elf Geschichten veröffentlicht, die er selbst erlebt hat - als Verteidiger in Strafprozessen. Gebunden an seine Schweigepflicht, wird er die Ereignisse verändert haben, um den Schutz der realen Personen zu wahren. Als Verteidiger ist er parteiisch und steht auf der Seite seines Mandanten. Als Erzähler ist er frei.
    Von Schirach hat mit seiner Auswahl für den Leser ein Kaleidoskop unterschiedlichster Straffälle ausgewählt. Wir lesen von einer Ehe mit tödlichem Ende, von dem Diebstahl einer wertvollen Teeschale, einem Kannibalen, Kriminalität im Drogen- und Prostituiertenmilieu und anderen Taten.
    Gemeinsamkeiten aller dargestellten Fälle sind ihre absolut unerwarteten Verläufe, die psychischen Veränderungen der handelnden Personen und eine unbeschreibliche Brutalität.
    Manche Fälle verlaufen "im Sande". So entlastet ein Mann seinen angeklagten kriminellen Mitbruder durch eine geschickte Zeugenaussage. Ein anderer Mann mit eindeutigem Hang zum Kannibalismus entzieht von Schirach sein Mandat.
    Während man die meisten Geschichten mit Distanz lesen kann, sind andere dabei, denen man sich gefühlsmäßig nicht entziehen kann. Das Leid ist manchmal so stark, dass man es selbst spüren kann.
    Wir erleben die nach außen hin intakte Ehe eines anerkannten Mediziners, der nach 48 Jahren physischer und psychischer Demütigung seinen Lebenszustand nicht mehr aushält und seine "geliebte" Ingrid umbringt. Da von Schirach gemächlich und präsise beschreibt, wie es zu der Tat kommen konnte, wird sie zu einer zwingenden, nicht mehr abwendbaren Konsequenz. Auch diese überzeugende Erzählweise ist allen beschriebenen Fällen zu eigen.
    Furchtbar zu lesen ist, wie zwei Kinder in einer mutterlosen Familie aufwachsen: Ein liebloser, strenger Vater verlangt von ihnen bedingungslose Disziplin und Verzicht. Obwohl Vermögen vorhanden ist, müssen die Kinder sich ihr Taschengeld erarbeiten, z. B. indem sie Löwenzahn ausstechen.
    An manchen Stellen klärt von Schirach den Leser sehr kurz, aber ausreichend informativ über das deutsche Rechtssystem, insbesondere den Prozessverlauf auf.
    Auch die immer wieder diskutierte Frage nach dem Sinn von "Strafe" spricht er an und erörtert das rechtsphilosophische Problem (vgl. S. 17).
    Das Buch liest sich sehr schnell. Von Schirachs Sprachstil ist klar; seine Sätze sind meist kurz und einfach.
    Sicher lesen wir tagtäglich von neuen kriminellen Geschehnissen, aber so stark, wie von Schirach seine Erzählungen aufbereitet hat, indem er uns ins Innerste der Handelnden schauen lässt, bleibt Nachdenkenswertes hängen. Sind wir parteiisch geworden? Stehen wir mehr auf der Seite des Kriminellen als auf der der Opfer?
    Bilden Sie sich selbst ein Urteil, indem Sie dieses Buch lesen.

  • Vielen Dank für die ausführlichen Rezis. Ob das Buch so dringen lesen will, dass es bei dem Preis auf meinem SUB landet weiß ich noch nicht. Aber ich glaube ich werde auf die TB Ausgabe warten (sofern es eine geben wird) oder mal in der Bücherei anfragen.

  • Das klingt wirklich sehr interessant. Ich denke, ich werde auf jeden Fall in der Buchhandlung mal reinlesen.


    Wenn ich so richtig darüber nachdenke, dann passen zu einem Juristen auch keine übermäßigen Adjektive. :grin

  • So, jetzt habe ich mir die verschiedenen Eindrücke durchgelesen.
    Vielen Dank für den Hinweis dass es hier schon einen thread gibt; manchmal bin ich etwas betriebsblind :grin

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • "Verbrechen" ist ein ganz besonderes Buch, von Schirach schafft es durch die Schilderung seiner alltäglichen Arbeit in einer derart lakonischen Art und Weise den Leser zu fesseln, ja regelrecht zu bannen.


    Absurd sind die beschriebenen Umstände, beinahe schon bizarr, und eben so wie das Leben sie schreibt.
    Schirach hat einen interessanten Stil, beinahe unpersönlich lässt er uns die Fakten wissen, und doch schimmert ab und an seine Eigene Meinung oder sogar Mitgefühl durch, so sachte, dass man oft meint sich getäuscht zu haben.
    In klare Sätzen die nicht zu lang geraten sind, kehrt er dem Juristen in sich zumindestens sprachlich den Rücken, obwohl er sich zu jederzeit über seine Eigene jeweilige Rolle im Intermezzo im Klaren ist.


    Ein lesenswertes Buch, dass einen desöfteren mit offenen Mund zurücklässt.







    Cabriofahrerin ,


    es reicht mir langsam mit Dir!


    ich habe Dich schon mehrfach nett gebeten, in Deinen Rezensionen die wichtigen Fakten zu spoilern, den Anderen nicht den Spaß und die Überraschung des Lesegenusses zu verderben.


    Du reagierst auf gar nichts, PNs hast Du geblockt und in Deine Beiträge scheinst Du nie wieder reinzusehen, geschweige denn dass Du auf Beiträge Anderer auf Deine Post reagierst, was für mich ein nur allzudeutliches Zeichen darstellt, dass Dich das Forum und deren Mitglieder einen feuchten Kehricht interessieren!
    Ich find es gelinde gesagt einfach nur ätzend!



    langsam wirklich wütende Grüße :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Hallo,
    ich verstehe nicht so recht, was ich alles falsch mache ... Nach der Aufforderung meine Rezi unter Antworten einzustellen, habe ich dieses auch getan, oder ist das immer noch falsch???
    Was versteht Ihr unter "nicht am Forenleben teilnehmen"?
    Was heißt "PN"s habe ich geblockt?
    Ich habe nicht den Eindruck, dass ich dem Leser den Spaß am Lesen nehme, im Gegenteil ich fordere ihn auf, sich dieses Buch nicht entgehen zu lassen...
    Bitte um Hilfe
    Mit lieben Grüßen und Entschuldigung
    Cabriofahrerin

  • Um hier nicht den Eindruck zu erwecken, ich würde Deine Fragen nicht beantworten wollen:


    Hier gibt z.B einen Fred zum Thema spoilern Spoilern was ist das


    Dann bitte lies dies hier:


    Spoilern



    Hier ist die Seite mit Tips rund ums Forum, wo (wenn man weiterklickt) auch die Sache mit den PNs und den persönlichen Einstellungen beschrieben ist.


    Tips rund ums Forum


    Du hättest sicherlich die Tips und Tricks selber entdeckt, wenn Du Dich im Forum etwas umgesehen hättest (das verstehe ich unter nicht am Forenleben teilnehmen), dann hättest Du vor allem auch dieses hier entdeckt:
    Wie Buchvorstellungen aussehen sollten


    Um das nocheinmal deutlich zu machen, ich reagiere so, weil ich Dich in mehreren Freds höflich aufgefordert habe, Deine Texte zu bearbeiten, Du hast Dich nie gemeldet, oder sonstwie reagiert und ich meine irgendwann ist auch mal Schluß.



    entschlossene Grüße von Elbereth :wave


    edits: Tipfehler

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Elbereth ()

  • Meine Meinung:
    Ferdinand von Schirach erzählt in elf Geschichten ungewöhnliche Fälle aus seinem Berufsleben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Hintergründen der Taten, den Motiven der Täter.
    Die Vielfalt der Taten ist groß, von Sachbeschädigung, Raub über Körperverletzung bis hin zu Totschlag und Mord. Genauso facettenreich sind die Gründe, die die Täter zu ihren Taten veranlasste. Manches lässt sich vom Leser nachvollziehen, manchmal schüttelt man ungläubig mit dem Kopf.


    Ferdinand von Schirachs Schreibstil ist knapp und klar. Er schreibt sachlich, formuliert deutlich. Emotionen lassen sich allenfalls an einigen Stellen bei ihm erahnen.
    Den Leser zieht dieser Stil jedoch in den Bann. Man ist erschrocken, schockiert, ist berührt und leidet auch manchmal mit dem Täter mit. Dieses Mitleiden oder Mitempfinden ist aber keine Wertung der Tat, kann eine solche niemals entschuldigen.
    Kurz wird am Ende der Geschichten auf den Prozess eingegangen, wobei die Urteile zum Teil verblüffend sind.


    „Verbrechen“ liest sich fesselnd wie ein fiktionaler Krimi. Ihre Leser bitten um mehr, Herr von Schirach!

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Sigrid2110 ()

  • Meine Rezension
    Wie Eskalina schon sagte: ein Buch, das sich wegliest wie nix. Ferdinand von Schirach plaudert hier ein wenig aus dem Nähkästchen und lässt uns an einem bunten Sammelsurium seiner interessantesten Fälle teilhaben.


    Einiges davon ist ganz schon übel, anderes gehört eimfach zu den Dramen des Lebens – interessant sind alle Geschichten. Der Autor muß sich auch gar nicht mit blutigen Details belasten. Die Geschichten, die er zu erzählen hat, sprechen für sich selbst.


    Fazit : sehr interessant, sehr spannend, sehr lesenswert.


    Und twins Bitte nach MEHR kann ich mich ebenfalls nur anschließen. Tolles Buch! Daumen rauf!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe dieses Buch heute quasi am Stück gelesen und bin sehr beeindruckt.
    Jede der elf Geschichten ist auf ihre Art und Weise berührend, erschreckend oder einfach nur irgendwie unglaublich.
    Lesenwert sind sie alle. Und die letzte Geschichte war für mich die emotionalste. Fast wie im Roman. ;-) Aber schön. :-]


    Der Schreibstil von Ferdinand von Schirach ist schnörkellos und passt haargenau. Kein Wort zuviel, kein Wort zuwenig.


    Nur bei der Geschichte mit den Schaafen habe ich mich gefragt:


    Auch ich wäre jederzeit bereit, mehr Geschichten von Herrn von Schirach zu lesen. :-)


    Das Buch bekommt von mir 9 von 10 Punkten.

  • Inhalt: Ferdinand von Schirach arbeitet als Anwalt und erzählt die Geschichten die ihn in seiner Berufslaufbahn am meisten bewegt haben. Und nicht nur ihn....


    Mein Eindruck: Selten hat mich ein Buch nach dem Lesen noch so lange begleitet. Die Geschichten nehmen einen gefangen und lassen einen nicht mehr los. Die Geschichte mit Bruder und Schwester hat mich bewegt, die Geschichte von dem Jungen



    Die Sprache im Buch ist durchgängig klar und unverschnörkelt, man merkt, dass von Schirach versucht, jegliche Emotionalität von sich abprallen zu lassen und sich nur auf eine professionelle Betrachtungsweise zu beschränken. Das gelingt dem Leser eher weniger, im Gegenteil, gerade weil die Sprache frei von triefenden Betroffenheitsphrasen ist, wird der Leser gepackt und gefesselt.


    Ein wirklich tolles Buch, bei dem man auch lernt über den Tellerrand zu blicken denn Verbrechen ist nicht gleich Verbrechen