42erAutoren foppen Zuschussverlage - Spiegel Online berichtet!

  • Hallo, Christa.


    Ich beteiligte mich seit fast zwölf Jahren an öffentlicher Textarbeit u.a. im Rahmen der wöchentlichen "Besprechungstexte" bei den 42erAutoren. Nur wenige Texte musste ich auslassen, ich habe viele tausend Seiten und mehrere hundert Autoren gelesen und kritisch begutachtet. Insgesamt viermal war ich inzwischen Juror bei Literaturpreisen, im Rahmen dessen habe ich gut und gerne zweitausend Wettbewerbsbeiträge gelesen. Die Teilnahme war immer anonym, aber verblüffenderweise waren die Sieger dieser Wettbewerbe fast durch die Bank Leute, die bereits gegen Geld (nicht ihres!) veröffentlicht hatten.


    Unter diesen vielen Autoren waren einige, denen ich durchaus Talent attestieren würde. Viele waren "auf dem Weg", manche sind es noch. Die überwiegende Mehrheit aber offenbarte so oder so, in einem wesentlichen Bereich (oder in allen) nicht das richtige Gefühl für die Sache zu haben. Ein Gutteil der Texte waren absolute Katastrophen, einfach unrettbar und eine Qual für den Leser. Ganz, ganz wenige Beiträge - im einstelligen Prozentbereich - hätte ich, wäre ich ein Entscheider, für eine Veröffentlichung durchgewunken. Zuweilen war es außerordentlich schwer, eine Handvoll Texte für die Endausscheidungen zu nominieren. Manchmal wurden nicht alle Preise vergeben, weil es trotz mehrerer hundert Einsendungen nicht genügend Texte gab, die preiswürdig erschienen.


    Zehntausend Leute bewerben sich Jahr für Jahr für das "Superstar"-Casting. Diese Veranstaltung lebt von denen - der großen Mehrheit -, die von Anfang an keine Chance haben, weil ihnen eine oder alle Eigenschaften fehlen, die nötig sind, um vor einem Publikum zu bestehen. Selbst die Finalisten, also jene zwei Dutzend, die es in irgendwelche Endrunden schaffen, würden ohne diese Veranstaltung vermutlich nie auf eine Platte gepresst oder für eine Konzertreise gebucht werden.


    Was ich damit sagen will: Ja, der Buchmarkt ist eng und die Plätze für neue Autoren sind rar. Es ist aber umgekehrt einfach so, dass nur ein kleiner Teil derjenigen, die es versuchen, auch wirklich dazu in der Lage ist, auf diesem Markt zu bestehen - vorsichtig ausgedrückt. Die anderen schreiben irgendwelche Texte, drehen sich verkopft um sich selbst, haben kein Sprachgefühl, keines für Dramaturgie, erzählen langweilige und/oder epigonenhafte Geschichten, beweisen mangelnde Empathie, mühen sich an Themen ab, für die sie kein wirkliches Interesse haben, zu denen ihnen der Zugang fehlt, an denen sie sich maßlos verheben, kupfern ab oder arbeiten mit Versatzstücken. Sie überschätzen sich (wie die DSDS-Teilnehmer), wenn sie glauben, Literaturpreise gewinnen oder einen Verlagsvertrag ergattern zu können. Und damit geht auch einher, dass sich nur sehr, sehr wenige Leser für diese Texte interessieren würden, gäbe es sie in veröffentlichter Form.


    Ja, der Buchmarkt siebt aus, und zwar mit einem extrem feinen Sieb. Und dennoch werden sehr viele Bücher bei Publikumsverlagen veröffentlicht, die floppen und noch in der ersten Auflage makuliert werden. Die Mehrheit der Neuerscheinungen entert niemals irgendwelche Bestenlisten oder das Feuilleton der Premium-Tageszeitungen. Selbst durch dieses feine Sieb rutschen also Leute, die ein Veröffentlichungsrisiko darstellen oder sich nachträglich als ein solches erweisen. Wenn diese Autoren Pech haben, endet die Karriere mit dem ersten Buch auch gleich wieder - und das sind keineswegs Außenseiter! Natürlich geht es dabei, wie schon mehrfach gesagt, längst nicht nur um "literarische" Aspekte. Der Buchkäufer ist ein komplexes Wesen, sein Verhalten ist schwer zu antizipieren. Was man aber von vorneherein von ihm weiß: Er würde diese ganzen Übungstexte der vielen, vielen tausend Autoren, die sich in Foren tummeln und gegenseitig beweihräuchern, auf keinen Fall kaufen. Ausnahmen bestätigen diese Regel nur.


    Schreiben ist eine großartige Beschäftigung, die nicht selten auch therapeutische Aspekte hat. Fraglos ist - wenigstens für sie selbst - sehr wichtig, was viele Autoren schreiben, die sich nur so genannt werden, weil sie es selbst tun. Eine Investition im fünfstelligen Bereich macht aus den Texten dieser Leute aber keineswegs etwas, das irgendwen interessieren würde. Wie auch eine Karaokebox oder ein Heimstudio aus den Gesangsproben der zehntausend DSDS-Teilnehmer keine Musik machen würde, die plötzlich alle hören wollen.


    Das beschämende bei dieser Angelegenheit besteht nicht darin, eine Karaokebox oder einen "Verlag" zu betreiben, der einfach alles druckt. Sondern das zu tun und den Leuten weiszumachen, es hätte irgendeinen Nutzen, ihr Gesang oder ihre Texte wären geeignet, ein breiteres Publikum zu erreichen. Das ist nicht der Fall. Und zwar in weit mehr als der Mehrheit der Fälle.

  • Zitat

    Ganz, ganz wenige Beiträge - im einstelligen Prozentbereich - hätte ich, wäre ich ein Entscheider, für eine Veröffentlichung durchgewunken.


    Quoten in dieser Größenordnung kenne ich aus vergleichbaren Situationen. Reichen Hinz und Kunz ein, Amateure, Halbprofis und Profis, liegt der druckbare Output vielleicht bei 5%.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • ich war gestern echt baff, als ich beim frühstück die süddeutsche aufschlug und ein interview mit tom vorfand. zieht ja wirklich kreise, die geschichte.


    vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass sommerloch ist. und sicher war es auch nicht nicht die erste auseinandersetzung mit diesem thema - aber in dieser form für mich doch sehr unterhaltsam. hat wohl meinen humornerv genau getroffen...


    und was die verbindung mit dem autorenkalender betrifft, muss ich sagen: dafür war das genau die richtige geschichte - und dass die nun in der medienlandschaft so ein starkes echo hervorruft, dürfte wohl kaum jemand von den 42ern erwartet haben.


    entspannte freitagsgrüße,


    bo


    ps: nicht, dass jemand denkt, ich würde immer süddeutsche lesen - aber die hatten nix anderes in dem hotel. dieser hinweis ist mir wichtig!

  • Hallo, Bogart.


    Natürlich glaubt hier niemand, dass Du regelmäßig die Süddeutsche liest. ;-)


    Wir kommen mit der Verarbeitung der Meldungen kaum hinterher. Gestern hat der österreichische "Kurier" berichtet, in einer halben Stunde (um 17.20 Uhr) ist Rico live im Berliner "Radio eins" zu hören. Das mag mit Sommerlöchern zu tun haben, und, ja, das Thema ist keineswegs neu. Aber die Art, wie wir es angegangen sind, und wie wir diese Kunstfigur ausgestattet haben, durchaus. Selbst Leute, die sich eigentlich nicht mit diesem Thema befassen oder auskennen, finden das unterhaltsam und amüsant. Und je mehr Leute wir erreichen, umso größer wird auch der Aufklärungseffekt.

  • Zitat

    Original von TomDas beschämende bei dieser Angelegenheit besteht nicht darin, eine Karaokebox oder einen "Verlag" zu betreiben, der einfach alles druckt. Sondern das zu tun und den Leuten weiszumachen, es hätte irgendeinen Nutzen, ihr Gesang oder ihre Texte wären geeignet, ein breiteres Publikum zu erreichen. Das ist nicht der Fall. Und zwar in weit mehr als der Mehrheit der Fälle.


    Hallo, Tom,


    danke für deine ausführliche Antwort! Ich habe mich daraufhin neugierigerweise noch einmal daran gemacht, "Verlag sucht Manuskripte" einzugeben und eine der Adressen genauer anzuschauen. Als unbefangene
    Autorin würde ich mich wirklich hochgeehrt fühlen, bei einem solchen Verlag zu veröffentlichen! Und erwarten, dass mein Buch bei der nächsten Messe in Chicago vorgestellt wird.
    Vielleicht könnte man so sagen: Sie spielen mit den Träumen derer, die es aus Gründen, die du genannt hast und die vielfach genannt wurden, nicht zu einem richtigen Verlag schaffen. Und verdienen sich eine goldene Nase daran.
    Dass der Beutlich nun zu einem Publikumserfolg wird: Es bestätigt alles, was du gesagt hast. Wenn man so gut so schlecht schreibt, kann das ja gar nicht ausbleiben!


    Herzlichst
    Christa

  • Zitat

    Original von Tom


    Die überwiegende Mehrheit aber offenbarte so oder so, in einem wesentlichen Bereich (oder in allen) nicht das richtige Gefühl für die Sache zu haben.


    Ich picke diesen Satz heraus, aber im Prinzip sind es zwei oder drei größere Punkte aus deinem Kommentar, die ich ein wenig in Frage stellen möchte (normalerweise bin ich ein Fan deiner Kommentare über das Schreiben und Veröffentlichen).


    Was mir hier ein wenig fehlt, ist die Berücksichtigung von Entwicklungspotentialen und die Abgrenzung der (finalen) Beurteilung von Texten von deren Autoren. Dass die Anzahl unrettbarer Texte enorm groß ist, kann ich mir gut vorstellen, aber welche Relevanz hat diese Zahl wirklich? Es wird Autoren geben, die in einer Phase ihrer Entwicklung sind, in der sie nur unrettbare Texte produzieren. Manche davon entwickeln sich weiter, manche nicht. Einige Beurteilungskriterien für Texte, die du aufführst würde ich als erlernbar einstufen. Wieviele der von dir erwähnten Beurteilungstexte haben selbst die Autoren denn wirklich als fertig eingestuft oder handelt es sich dabei nicht eher um per Definition unfertige Werkstatttexte?


    Was Selbstüberschätzung angeht, so finde ich die bei Schreibanfängern - bis zu gewissen Grenzen - normal. Fast jeder fußballspielende kleine Junge träumt von der Bundesliga wieso sollte der initiale Schreibanreiz nicht auch unrealistisch sein? Das Problem ist nur, dass heutzutage durch Internetforen der Weg in die Öffentlichkeit und durch POD-Verlage der Weg zur Veröffentlichung viel zu einfach geworden ist. Das strapaziert oft die Geduld von Foren-Benutzern und den Geldbeutel der Autoren. Die Träume werden zu leicht erfüllt.


    Den Vergleich zu DSDS finde ich etwas schief. Man schaut bei DSDS eher in eine Anfängerschreibwerkstatt, nur dass man nicht unter sich ist, sondern dass ein Publikum sich an den mangelhaften Schreibversuchen vergnügt und sich über die Autoren lustig macht. Genauso wie kein DSDS-Teilnehmer in seiner aktuellen Entwicklungsphase einen Plattenvertrag bekommen würden, so würde auch keiner der Teilnehmer einer entsprechenden Schreibwerkstatt seine aktuellen Texte (gegen Honorar) veröffentlichen können. Viele würden es gar nie können. Das ist nun wirklich nicht weiter verwunderlich.

  • Es wäre schön und hilfreich, wenn sich an dieser Diskussion mal Autoren beteiligen würden, die für die Veröffentlichung ihrer Manuskripte bezahlt haben. Es wäre doch sehr interessant, mal deren Sicht zu sehen. Wir reden hier in der Tat von "außen" über deren Beweggründe. (Was aber nicht davon ablenken soll, dass die Praxis der DKZ-Verlage das Allerletzte ist)
    Es kann aber gut sein, dass sich keiner traut.
    Ich hatte heute Morgen ein langes Gespräch mit meinem Agenten, und wir kamen auch auf die Aktion ,Rico Beutlich’ zu sprechen. Nach seinen Erfahrungen gibt es neben den völlig talentfreien und sich überschätzenden Hobbyautoren auch eine große Anzahl, die absolut beratungsresistent und oftmals nicht bereit sind, auch nur ein Komma an ihren Manuskripten zu ändern. Mit solchen „Autoren“ will logischerweise kein richtiger Verlag zusammenarbeiten. Gut möglich, dass die DKZ-Verlage in diese Bresche springen, nach dem Motto: „Wir drucken alles, was Sie schreiben, genau so, wie Sie es haben wollen. Die anderen haben ja keine Ahnung!“


    Zitat

    Den Vergleich zu DSDS finde ich etwas schief. Man schaut bei DSDS eher in eine Anfängerschreibwerkstatt, nur dass man nicht unter sich ist, sondern dass ein Publikum sich an den mangelhaften Schreibversuchen vergnügt und sich über die Autoren lustig macht.


    Kein Amateurmusiker, der jahrelang daran gearbeitet hat, sich zu verbessern und eine gewisse Klasse erreicht hat, wird sich dazu herablassen, von einem Dieter Bohlen vorgeführt zu werden, nur um zum Klassenclown der Nation abgestempelt zu werden. Die Bewerber bei DSDS werden nach dem Kriterium des größtmöglichen Unterhaltungswertes ausgesucht, und dazu gehört in unserer heutigen Gesellschaft leider auch eine große Portion Schadenfreude. Man lacht über das Missgeschick und die Selbstüberschätzung eines anderen und verdient auch noch gut daran. Insofern ist DSDS ein recht guter Vergleich zu den DKZ-Verlagen.


    Dean

  • Hallo, Googol.


    Um beim Bild mit dem Nachwuchsfußballer zu bleiben: Dem ist im Normalfall keineswegs damit gedient, ihn aus der A-Jugend eines Provinzvereins direkt in einen Bundesligaclub zu versetzen, selbst wenn er wirklich überaus talentiert ist. Zuschussverlage suggerieren aber solchen Nachwuchsfußballern, bundesligatauglich zu sein.


    Hallo, Dean.


    Was sollen sie sagen? Ja, ich habe für eine Veröffentlichung bezahlt, die Leute waren nett und haben mir freundlich behandelt, aber mein Buch verkauft sich verblüffenderweise kaum. Die drei- bis dreißigtausend Euro, die man für den Paukenschlag des Debüts am Literaturmarkt investiert hat, haben nicht einmal das Pendant eines Knallplätzchenschusses bewirkt. Tatsächlich aber äußern sich einige der Kollegen in einschlägigen Foren, auch zur Rico-Beutlich-Story. Einfach mal danach googeln.


    Übrigens hat Michael "Kaelo" Janßen, der auch das Youtube-Video eingesprochen hat, am Freitag ein wunderbares Interview bei "Radio eins" (RBB) gegeben, das man auch online anhören kann:


    http://www.radioeins.de/progra…4/rico_beutlich_wird.html

  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass man recht bald merkt, ob ein Autor (oder ein Sänger) Talent hat oder nicht. Manches bessert sich durch Schulung, Technik und Übung - und manches ist hoffnungslos. Zwischendrin gibt's ein paar Zweifelsfälle, bei denen sich die Experten streiten: lernt er's oder lernt er's nimmer?


    So gesehen ist für mich ein Vergleich zwischen DSDS und einem Kurzgeschichten-Wettbewerb nicht ganz aus der Welt.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Hallo, Vandam.


    Das deckt sich auch mit meiner Erfahrung, zudem ist es schon häufig ausgeführt worden. Es gibt in allen Bereichen - vom Sport bis zur Kunst - die Chance für (fast) jedermann, es zum ambitionierten Laien zu bringen. Also ein vergleichsweise brauchbares Tennisspiel durchzuhalten oder eine lustige Jubiliäumsrede zu formulieren. Ab einem gewissen Punkt aber trennen sich Spreu und Weizen, und der Trennungsfaktor heißt nun einmal: Talent.


    Der DSDS-Vergleich ist nicht nur nicht falsch, sondern trifft den Kern. Menschen glauben von sich, etwas zu können, das sie objektiv betrachtet nicht können - in einigen Fällen noch nicht. Wer in Jurys für irgendwas - seien es Gesangs-, Schreib- oder Sportwettbewerbe (oder "Castings") - gesessen hat, weiß das. Knapp neunzig Prozent der Teilnehmer bei offenen Wettbewerben gehören da (noch) nicht hin, bewerben sich mit grausigen Beiträgen, spielen mit der Geduld der Juroren, haben einfach keine Chance. Nicht die leiseste. Aber sie wissen das nicht, weil ihnen häufig der Maßstab für die Einschätzung der eigenen Leistung völlig fehlt. Es gehört zu den Selbstschutzmechanismen des Menschen, sich besser zu sehen, als er ist. Und wenn solche Leute tolle Verlagsangebote, begeisterte Lektoratsgutachten (oder, zum Beispiel, hingerissene Äußerungen von "Schreibakademie"-Mitarbeitern) erhalten, sind sie willfährige Opfer sich daran anschließender Verkaufsgespräche.

  • Wobei mich eine krasse Selbstfehleinschätzung bei der Musik immer noch mehr wundert als beim Schreiben. Beim Singen gibt es Töne, die haben so zu klingen, wie es definiert ist, und da gibt es keine Interpretationsspielräume. Entweder man trifft den Ton oder man liegt daneben. Wenn ich einen Dreck in Rom-A-Dur oder Schiss Moll zusammenjaule, muss ich das doch hören.


    Beim Schreiben sind die Kriterien nicht messbar. Da leuchtet mir eine Fehleinschätzung des eigenen Könnens noch eher ein. Und da gibt's auch die Möglichkeit des Spartentalents. Ich kann nix Erfundenes schreiben, lebe aber gut von meinen "Sach- und Gebrauchstexten". Ein Kumpel von mir kann nur "komisch", und das recht erfolgreich. Drama vergeigt er. Verlassen wir unser angestammtes Terrain, versagen wir.


    (Mir hat auch schon ein Verlag bescheinigt, dass ich keine Ahnung hätte. Dafür leb ich aber ganz schön lang schon vom Schreiben.)


    Hat man eine eher durchwachsene Story eines Autors auf dem Tisch, kann es immer noch sein, dass er schreiben kann, aber halt nicht dieses Genre. Wer aber bei DSDS in Schiss Moll plärrt, der kann nicht singen, basta.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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  • Zitat

    Beim Schreiben sind die Kriterien nicht messbar.


    Na ja. Es gibt Regeln - grundlegende wie orthographische und grammatikalische (grammatische?), aber auch darüberhinausgehende. Es gibt gekonnte Regelbrüche. Und es gibt etwas Abseits davon. Wer sich in diesem Abseits befindet, wird messbar. Und beim Singenkönnen geht es ja auch nicht nur darum, Töne zu treffen. Sondern um Ausdruck, beispielsweise. Der ist schon schwerer messbar. Hier ähneln sich Gesang und Literatur wieder.


    Aber es ist, da hast Du recht, schon ein Dilemma. Ein harscher Verriss, dem auch noch viele zustimmen, kann mit der Feststellung gekontert werden, dass es da irgendwen gab, dem die Schreibe exzellent gefallen hat. Genau darauf ziehen sich ja einige der "Verlage" zurück, übrigens auch grundsätzlich in der Negativargumentation: Ein einziges gegenteiliges Beispiel widerlegt eine allgemeine Äußerung. Wer behauptet, die Bücher wären in keiner Buchhandlung vorzufinden, wird mit einer einzigen Buchhandlung, in der dann doch ein Titel der und der Verlagsgruppe liegt, als Lügner entlarvt (und gerichtlich belangt). Wer sagt, es gäbe keine Presse, bekommt einen Zeitungsausschnitt aus dem monatlichen Tulpenzüchterblättchen vorgelegt und wird wegen verleumderischer Aussagen abgemahnt. Wer feststellt, dass keine Rezensionsexemplare versendet werden, wird mit der Eidesstattlichen Versicherung irgendeines Provinzredakteurs konfrontiert, der eines bekommen hat. Und wer meint, es wären nur schlechte Texte, die dort veröffentlicht werden, muss sich erklären lassen, dass es Kunstrichtungen und -gattungen gibt, die vermeintlich schlechte Qualität nutzen, um die Erwartungshaltung des Konsumenten herauszufordern. Immerhin lässt sich diese Frage in Rücksprache mit den Autoren klären. ;-)


    Dieses Argument, Literatur wäre niemals messbar schlecht, ist nicht ganz ungefährlich. Aber die Qualität ist ohnehin nicht die ausschlaggebende Größe für die Veröffentlichung eines Buches, für das man zum Beispiel 5.000 Leser benötigt, um es zu refinanzieren (uns liegen die Angebote der "Verlage" vor, die entsprechende Beispielrechnungen enthalten). 5.000 verkaufte Exemplare, das ist schon fast ein Bestseller. Mit etwas Glück könnte sich ein solcher Titel sogar in irgendeiner Spiegel-Liste wiederfinden. Ein Text, der fünftausend zahlungswillige Leser finden soll, muss nicht nur "irgendwie" gut sein. Sondern interessant, überraschend, beeindruckend, spannend, originell, einzigartig. Fünftausend Bücher sind viel Holz. Dabei geht es, wie gesagt, keineswegs nur um literarische Qualität (darum geht es auch vielen Publikumsverlagen nicht) - sondern darum, ob man diese vielen tausend Käufer interessieren kann. Wenn dann nicht einmal die Qualität, darüberhinaus aber auch sonst nichts stimmt, wird dieser Fall niemals eintreten. Was zu erwarten war, ist und immer sein wird. Die hier vertretenen Autoren, die in "echten" Verlagen veröffentlicht haben, können ja mal berichten, wie lange sie gebraucht haben, um diesen Punkt zu erreichen. Mein sich bisher am besten verkaufendes Buch "Idiotentest", zuweilen auf einem sehr niedrigen dreistelligen Verkaufsrang bei Amazon, hat dafür fast anderthalb Jahre gebraucht.

  • Gut, ich sehe jetzt die grundsätzlichen Parallelen zwischen DKZ-Verlägen und DSDS. Wahrscheinlich sind es eher wenige Details, die mich an dem Vergleich stören. Der offensichtlichste Unterschied ist vielleicht die Publikumswirksamkeit. Ich denke, man kann in einem DKZ-Verlag veröffentlichen und kein Mensch bekommt davon mit (es sei denn man ist besonders gut oder penetrant im Marketing), aber bei Bohlen ist einem die Aufmerksamkeit sicher, besonders bei Talentlosigkeit.


    Ich kenne ein wenig den amerikanischen Markt für Science Fiction-Kurzgeschichten, der nicht 100% stellvertretend sein mag, und dem es auch schon einmal besser ging, aber ich versuche ihn trotzdem einmal als Vergleich heranzuziehen. Es gibt dort drei Magazine ("the big three": Asimov's, Analog und F&SF), die weit verbreitet sind und z.B. bei Borders etc. erhältlich. Dann gibt es noch eine Reihe kleinere Magazine, die einigermaßen angesehen sind, aber nur über Abo erhältlich sind, es gibt Webzines etc.... Es gibt vielleicht ingesamt 100 Publikationsmöglichkeiten, die meisten davon bezahlen für Stories, in den unteren Regionen allerdings teilweise lächerlich kleine Summen (bis runter zu 5-10 US $ pro Story). Diese Publikumsmöglichkeiten kann man recht einfach nach Honoror/Sichtbarkeit etc. sortieren, so dass ein Autor, der eine Kurzgeschichte anzubieten hat, diese in dieser Reihenfolge an die Magazine schickt und praktisch permanent im Umlauf hält. Bekommt man eine Absage, wird das Manuskript einfach umgetütet und dann geht sie an den nächsten Markt. Nicht jeder neue Autor geht diese Liste ganz runter und es ist auch nicht wirklich eine gute Idee, das zu tun, und teilweise dauert es Jahre bis ein Autor endlich eine Story unterbringen kann, trotzdem funktioniert dieses System für die Autoren und im Grunde für den ganzen Markt. Die Autoren lernen dabei. Sie lernen auch direkt publikumswirksames Schreiben (oder besser: das Schreiben von Stories, die besonders Herausgebern interessieren könnten) und wenn sie dabei ihr Handwerk verbessern setzt auch irgendwann der Erfolg ein. Was die meisten Autoren tun, ist bewußt ihre Ziele höher zu stecken als ihr aktuelles handwerkliches Talent es eigentlich zulassen würde. D.h. sie schicken ihre Stories zuerst an die besseren Märkte. Man könnte argumentieren, dass das die beste Möglichkeit ist, das Handwerk zu verbessern ("aim high"). Und dem sind sich die Autoren bewußt oder zumindest bewußter als den Teilnehmern bei DSDS.


    Nun mögen sich Jury-Mitglieder von unzureichenden Texten, die zu Wettbewerben eingereicht werden, belästigt fühlen, aber im Ernst: es sollte in den meisten Fällen das Lesen des ersten Absatzes genügen, um grundsätzliches mangelndes Talent zu erkennen. Das sollte dem Jury-Mitglied nicht besonders weh tun, das sollte dem Autoren nicht besonders weh tun und während dessen schreibt der Autor vielleicht an seiner nächsten, vielleicht dieses Mal besseren, Story.

  • Hallo, Googol.


    Na ja, auch 700 vermurkste erste Absätze können wehtun. Aber darum ging es mir bei der Erwähnung dieses Zustandes nicht, sondern darum, dass auch diese 700 von 800 oder 900 Autoren tatsächlich glaubten, eine Siegeschance zu haben - sonst hätten sie die Storys wohl kaum eingetütet. Möglich, dass einige von denen tatsächlich irgendwo in die Endauswahl kämen, kamen oder gekommen wären, hätten sie - was ja nicht unüblich ist - ihre Geschichten einfach bei dreißig, vierzig Bewerben eingereicht (viele Autoren tun das, man merkt das bei thematischen Bewerben daran, dass irgendwo völlig unmotiviert das Thema auftaucht, weil es offenbar nachträglich eingearbeitet wurde). Alleine die Streuung dürfte aber - im Gegensatz zu Deinem SF-Beispiel - kaum genügen, um letztlich irgendwann alle Storys zu Gewinnern zu machen. Vielleicht landen aber diese schlussendlich bei Schein-Wettbewerben, bei denen jeder gewinnt, dann aber entweder Seitenzuschüsse zahlen oder Pflichtexemplare abnehmen muss (eine Sonderform der Zuschussveröffentlichung - und übrigens keine unübliche!).

  • Ich fühle mich irgendwie motiviert, eine grotesk schlechte Geschichte für den Putlitzer zu schreiben, den Wettbewerb mit dieser zu gewinnen, und dann einen Artikel darüber für Spiegel Online zu schreiben. :lache


    Ungefähr so wie die Kathrin Passig vor ein paar Jahren den Bachmann-Preis mit ihrer ausgezeichneten Geschichte unterwandert hat.

  • Hallo Tom


    Zitat

    b einem gewissen Punkt aber trennen sich Spreu und Weizen, und der Trennungsfaktor heißt nun einmal: Talent.




    Diesen Punkt würde ich gerne näher beleuchten. Vor kurzem las ich einen sehr interessanten Artikel - ich weiß nicht mehr, ob Stern oder Focus - , der sich um das vielzitierte Talent drehte und sich mit meiner Erfahrung weitestgehend deckte.
    Fazit: So etwas wie Begabung oder Talent gibt es nicht.
    Man hat in langen Jahren sehr viele Musiker, Schriftsteller und auch Sportler aus dem Spitzenbereich untersucht. All jene, die sehr erfolgreich sind, hatten bereits als Kleinkind Kontakt zu ihrem Fach. Es hat sich gezeigt, dass es ungeheuer wichtig ist, im frühen Kindesalter z.B. mit dem Klavierspielen zu beginnen - allerdings muss das freiwilig geschehen, es macht keinen Sinn, die Kinder als Baby auf den Tennisplatz zu zwingen, um 20 Jahre später die Millionen abzukassieren.
    Es geht letztlich darum, dass diese frühe Kindheitsphase ein Zeitfenster darstellt, in dem wichtige Weichen gestellt werden. Hinzu kommt nun jahrelanges, hartes Training. Ein wie immer geartetes Talent spielt überhaupt keine Rolle, sondern die exzessive Beschäfting mit einer Sache führt zur späteren Glanzleistung. Das gilt übrigens sogar für Sportler. Man hat festgestellt, dass selbst spezielle körperliche Anlagen, die z.B. ein Sprinter benötigt, vom Körper herausgebildet werden, wenn man früh genug anfängt.
    Auch für Seiteneinsteiger ist das später noch möglich, aber ungemein schwieriger. Und sie werden in den allermeisten Fällen niemals die Perfektion derjenigen erreichen, die bereits als Kind "bei der Sache" waren. Logischerweise haben jene einfach einen riesigen Zeitvorsprung.
    Wie viele erfolgreiche Autoren spürten bereits den Wunsch zu schreiben, als sie zum ersten Mal einen Stift halten konnten? Ich wette, die meisten.
    James N. Frey scheibt: "Es macht die Sache nicht leichter, wenn man glaubt, Talent zu besitzen. Im Gegenteil, es wird noch viel schwerer."
    Es grassiert eben immer noch der Mythos vom Autoren, den eines Nachts die Muse küsst und der innerhalb kurzer Zeit ein Meisterwerk schreibt, das zum Weltbestsller wird. In Wirklichkeit ist eben ganz anders, das werden mir sicher alle Autoren hier im Forum bestätigen. Um gut zu werden, muss man sehr sehr sehr viel arbeiten, selbstkritisch sein, die Ohren aufsperren, wenn Leute, die's können, Ratschläge erteilen. Wahrscheinlich ist es das größte Manko der DKZ-Autoren, dass sie auf ihr Talent vertrauen, weil es ihrer Meinung nach mehr nicht braucht. Und das ist ein großer Irrtum!
    Meine persönliche Meinung ist, dass einen Beharrlichkeit viel weiter bringt als Talent. Auch ein Gefühl für Sprache kann man lernen und ständig weiter entwickeln - wenn man viel liest.
    Eine Ausnahme würde ich machen: Ich kann noch so oft "Roxanne" von THE POLICE singen, eine Stimme wie Sting habe ich nicht und werde sie auch nie bekommen und die hoheh Töne liegen einfach jenseits der Möglichkeiten meiner Stimmbänder. (Wobei selbst das trainierbar ist)


    Dean

  • dean : Ich habe meinen ersten "richtigen" Roman mit vierzehn (!) gelesen. Literarisches Interesse gab es in meiner Familie keines. Meine Lehrer betrieben keine Förderung irgendwelcher Art.


    Diese These, Talent gäbe es nicht, wird gerne kolportiert, und es finden sich immer wieder Leute, die damit spielen. Das macht sie nicht wahrer.

  • Tom


    Interessant. Ich saß als Kind von vier Jahren immer vor dem alten Dampfradio meines Vaters, der außerdem Schifferklavier und Orgel spielte. Ich konnte nach kurzer Zeit alles, was im Radio lief, auf die Tasten übertragen - nur aus dem Gedächtnis heraus. Meine Eltern lesen sehr viel und haben das immer getan. In beiden Bereichen, Musik und Schreiben, war ich früh sehr aktiv - wobei das Schlagzeig das Schreiben viele, viele Jahre verdrängte, weil es als Jugendlicher einfach angesagter war, auf ein Arsenal von Trommel drauf zu hauen und auf der Bühne zu stehen.
    Ich fand den Artikel sehr plausibel. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, wenn ich mich lange genug mit einer Sache auseinander setze, klappt's irgendwann. Aber Du hast natürlich Recht: Ob ich dann mit Meistern dieses Fachs gleichziehen kann - keine Ahnung.


  • Wird wohl kaum ein Verlag SO schreiben, meistens sind Absagen höflicher vormuliert


    Zitat


    das hätte der zusage, jedem die möglichkeit zu geben, sich veröffentlicht zu sehen, ja widersprochen. (abgesehen jetzt mal davon, dass sie hätten merken müssen, dass ihr, wenn ich das recht verstanden habe, teile des manuskripts irgendwo kopiert habt.
    :wave


    Wie sollte man das merken? Da müsste man ja jeden Text, der irgendwann irgendwo mal veröffentlicht wurde, kennen


    Ok, habe jetzt nicht den ganzen Thread gelesen, also entschuldigt, wenn diese frage schon gestellt wurde:
    Es gibt (meines Wissens nach) über 5000 Verlage in Deutschland. Gibt es eine wirklcih ausführliche, übersichtliche und allgemein brauchbare Liste, welche dieser Verlage wirklich seriös arbeiten (wie immer man das definieren mag)