'Madame Bovary' - Teil 2, Kapitel 01 - 05

  • So heute Morgen habe ich dann weiter gelesen :


    Wie mir scheint sind sie in ein genau so langweiliges Nest gezogen, wie das erste Dorf. Alle wollen sich mit Charles gut stimmen, dem zuerst die Patienten ausbleiben, dann plötzlich 10 Seiten weiter scheint alles in Ordnung und es gäbe keine Geldsorgen mehr :gruebel



    Emma bekommt ein Mädchen und wollte natürlich einen Jungen, es hat mich nicht verwundert, dass sie auch damit nicht zufrieden war und auch das Charles sie noch mehr liebt, scheint eine logische Konseqquents zu sein, meint er doch alles zu haben und alles richtig zu machen.



    Schön finde ich die Stellen, an denen Emma und Monsieur Leon sich über Bücher und Literatur unterhalten. Scheinbar lieben sie das Lesen so wie wir :-]



    Am Ende wird Emma endlich klar, dass Monsieur Leon verliebt in sie ist. ( Braucht die lange.) :pille


    Und plötzlich stürzt sie sich in eine fromme Liebe zu ihrem Mann und kümmert sich um ihr Kind, damit sie sich am Traumbild von Leon laben kann. Nicht, dass die junge Madame verwirrt ist...

  • Mir kam es zunächst auch so vor, als wenn Emma nach dem Umzug vom Regen in die Traufe kommt, denn das Dorf wird ja auch als "schläfrig" beschrieben.


    Aber anscheinend hat sie sich dann doch ein bißchen "verbessert", weil sie und ihr Mann dann doch mehr Kontakt knüpfen.
    Dieser Flirt mit Leon, der anfangs wirklich nur aus gleichen Interessen besteht, gibt Emma wahrscheinlich dieses Gefühl von Abenteuer, nach dem sie zuvor vergebens gesucht hat. Aber ich glaube nicht, daß sie sich wirklich auf dieses Abenteuer einlassen wird. Viel romantischer ist es doch, die Träume aufrecht zu erhalten...

  • Ich möchte zu dem Dialog zwischen Emma und Léon gerne ein paar Sätze aus Manuel Vargas Llosas Buch über "Madame Bovary" zitieren, die vielleicht dazu beitragen, den Dialog ins Romangeschehen einzuordnen:



    >>>
    Im Roman tauchen die Komponenten der romantischen Liebe auf: das Schwelgen in Gefühlen, die tragische Note, die übertriebene Rhetorik. Löst man den Liebesdialog zwischen Emma und Léon (erstes Kapitel des dritten Teils) aus dem Kontext, erscheint er prototypisch für einen romantische Roman. Der Kontext aber zeigt die enorme Dosis Irrealität, die die schönsten Sätze der Liebenden enthalten, die bewussten oder unbewussten Lügen, die sie aussprechen, die Täuschungen und den Selbstbetrug, deren Opfer sie sind, den Unterschied zwischen ihren Worten und Taten. Der Abstand, den der Erzähler zwischen Realität und Illusion schafft, bedeutet nicht, dass die eine die andere auf ewig verdammte: die Szene ist keine Posse. Die Unwahrheiten, die sie aussprechen sind immer bewegend, weil sie ihren Durst nach etwas Ablolutem, nach Genuss und Schönheit, ihr Bemühen verraten, mit Worten über den Abgrund zwischen ihren Idealen und ihrer wahren Lage zu springen.
    <<<


    Ich finde das sehr treffend. Klar zeigen beide in diesem Gespräch, dass sie Bücher und Lesen lieben, dass sie sich gern von Büchern in eine andere Welt entführen lassen - und auch, dass sie ihre Liebe zur Illusion unbedingt gegen die Umwelt verteidigen werden. Aber gleichzeitig ist dieser Dialog auch ein - wie soll ich sagen - Einander-Umkreisen, Beschnuppern, Einander-Versichern. Es schwingt so vieles zwischen den Zeilen, die Sehnsucht nach romantischer Liebe, die Schwärmerei, der Hang nach Höherem, wie man das in bürgerlichen Kreisen leicht verächtlich nennt. Im Grunde erkennen Emma und Léon in diesem Gespräch einander sofort als einzige "Sehende" zwischen einem Haufen Spießbürgern.
    Ich habe dieses Gespräch immer bewundert. In den siebziger Jahren, als ich Schülerin bzw. Studentin war, war es sehr in Mode, Gedichte und philosophische Schriften zu lesen. Es gibt z.B. einen Roman mit dem Titel "Beim nächsten Mann wird alles anders", in dem die Erzählerin ständig ein Buch von Hegel in der Manteltasche herumträgt, und zwar so, dass der Name Hegel oben aus der Tasche herausschaut. Damals haben Paare in der Annäherungsphase, um es mal so zu nennen, ganz ähnliche Gespräche geführt wie Emma und Léon.


    Nachtgruß von Zefira

  • Ich werde mit dem Buch einfach nicht warm. Scheine derzeit kein Glück bei den "Klassikern" zu haben. Da ich mich schon durch "Sturmhöhe" gequält habe, habe ich keine Lust mich durch ein weiteres Buch zu quälen. Wünsche euch noch viel Spaß bei der LR :wave

  • Wiederaufnahme der Leserunde ab dem 02. Mai 2016


    1. + 2. Kap.


    Hier schlägt ja das Herz jeder Leseratte bzw. Büchereule höher! Es ist so schön beschrieben, was Lesen bedeuten kann, wie man eintauchen kann. Leon spricht Emma aus der Seele, ihr bleibt nur noch, ihm zuzustimmen und mit großen schwarzen Augen voll anzublicken.
    Hier vermute ich, dass Leon der sprachgewandtere der beiden ist.


    Endlich hat Emma einen Gesprächspartner, ja sogar einen Gleichgesinnten, Seelenverwandten.
    Wie wird sich diese Beziehung entwickeln? Ich bin schon sehr gespannt.





    Die Erklärungen des Apothekers für das Klima und die Wärme hört sich etwas abenteuerlich an. Ammoniak (Stickstoff und Wasserstoff) erzeugt Wärme, in Verbindung mit atmosphärischer Elektrizität entstehen gesundheitsschädliche Miasmen. Miasmen waren damals die Erklärung für Krankheiten, die in Wirklichkeit durch Bakterien ausgelöst werden.
    Mit fehlt das Hintergrundwissen, um die Ausführungen des Apothekers zu bewerten. Ich vermute aber, sie entsprechen zumindest teilweise dem damaligen Wissensstand.

  • Zitat

    Original von made


    Hier schlägt ja das Herz jeder Leseratte bzw. Büchereule höher! Es ist so schön beschrieben, was Lesen bedeuten kann, wie man eintauchen kann. Leon spricht Emma aus der Seele, ihr bleibt nur noch, ihm zuzustimmen und mit großen schwarzen Augen voll anzublicken.


    Diesen Abschnitt fand ich auch richtig schön und ich kann nur voll und ganz zustimmen. :-]


    Was ich ja sehr seltsam finde, ist das Verhältnis von Emma zu ihrer Tochter. Sie bekommt das Kind und gibt es dann sofort an eine Pflegemutter ab und scheint sich gar keine Gedanken mehr um die Tochter zu machen. :pille
    Ich frage mich, ob es anders gewesen wäre, wenn sie den gewünschten Sohn bekommen hätte ? Hätte sie ihn dann bei sich behalten ? Oder war es generell so üblich, ein Kind gleich nach der Geburt abzugeben? Sie scheint auch gar keine Liebe für die Tochter zu empfinden. Am Ende von diesem Abschnitt nimmt sie die Tochter dann zwar wieder zu sich, aber das kommt mir alles so lieblos vor. Komisch.

  • Ich bin mit Kap. 3 fertig.

    Zitat

    Original von Rouge
    Was ich ja sehr seltsam finde, ist das Verhältnis von Emma zu ihrer Tochter. Sie bekommt das Kind und gibt es dann sofort an eine Pflegemutter ab und scheint sich gar keine Gedanken mehr um die Tochter zu machen. :pille
    Ich frage mich, ob es anders gewesen wäre, wenn sie den gewünschten Sohn bekommen hätte ? Hätte sie ihn dann bei sich behalten ? Oder war es generell so üblich, ein Kind gleich nach der Geburt abzugeben?


    Anscheinend, die Pflegemutter hatte ja noch ein Kind in Betreuung.

    Zitat

    Original von Rouge
    Sie scheint auch gar keine Liebe für die Tochter zu empfinden.


    Ein bisschen Sehnsucht hatte sie ja doch. Aber nur solange das Kind keine Umstände machte.
    Das Feilschen um zusätzliche Zuwendungen fand ich etwas abstoßend. Die Bezahlung für die Pflege ist wohl nicht sehr gut.


    Sehr befremdlich ist auch, dass Emma nicht die Vorfreuden der Mutterschaft empfinden konnte, weil ihr das Geld für die Wiege fehlte.


    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass früher den Müttern geraten wurde, in den ersten Jahren keine zu enge Bindung zum Kind aufzubauen, weil in dem Zeitraum die Wahrscheinlichkeit des Kindstodes groß ist, zum Selbstschutz.


    Im 1. Kap. erklärt der Apotheker seine "Religion". Ich finde, das steht ohne Zusammenhang mit der Geschichte im Raum. Vermutlich wollte der Autor nur seine Ansicht kundtun. Leider weiß ich nicht, wie die damalige Stimmung bezüglich Religion in Frankreich war, mit Säkularisation und Menschenrechten.

  • Zitat

    Original von Rouge
    Am Ende von diesem Abschnitt nimmt sie die Tochter dann zwar wieder zu sich, aber das kommt mir alles so lieblos vor. Komisch.


    Ich denke, es war von vornherein zeitlich so geplant. Wahrscheinlich war die Stillzeit zu Ende. Außerdem war Geld knapp.
    Oder es hing mit ihrer Absicht zusammen, alles perfekt zu machen, sich als Märtyrerin zu präsentieren.

  • Mir gefällt, wie Flaubert die Annäherung zwischen Emma und Leon beschreibt, welchen Einfluss Emma auf Leon hat, so dass es ihm selbst auffällt:
    "Wie hatte er es nur fertiggebracht, ihr eine solche Menge von Dingen und in so guter Form zu sagen? Das war ihm vordem unmöglich gewesen."
    Oder folgendes beim gemeinsamen Weg zur Pflegemutter:
    "Künftiges Glück ist wie ein tropisches Gestade: es sendet weit über den Ozean, der noch dazwischen liegt, seinen lauen Erdgeruch herüber, balsamischen Duft, von dem man sich berauschen lässt, ohne den Horizont nach dem Woher zu fragen."
    Und am Ende des 4. Kap. Emmas Gefühle als Bild vom Regen auf einem Flachdach, das sich staut und nicht abfliessen kann.


    5. Kap.
    Mir ist nicht ganz klar, was beim Besuch des Modewarenhändlers mit Emma passiert ist, dass so eine abrupte Änderung mit ihr vorging. Es hat etwas wie Resignation und Märtyrertum an sich. Ist ihr jetzt klar geworden, dass ihre Träume nie in Erfüllung gehen werden?

  • Zitat

    Mir ist nicht ganz klar, was beim Besuch des Modewarenhändlers mit Emma passiert ist, dass so eine abrupte Änderung mit ihr vorging. Es hat etwas wie Resignation und Märtyrertum an sich. Ist ihr jetzt klar geworden, dass ihre Träume nie in Erfüllung gehen werden?


    Ich glaube, ihre Veränderung setzt schon früher ein - als ihr nämlich klar wird, dass Léon in sie verliebt sein muss.
    Das ist die Stelle im 5. Kapitel, nach dem Ausflug: Ihr Her "hüpfte vor Freude", sie "fühlte im Einschlafen ein nie gekanntes Entzücken, das ihre Seele erfüllte". Sie ist erst mal mit sich zufrieden und fühlt kein Bedürfnis nach Frustkäufen.
    Eine Weile markiert sie so die korrekte Hausfrau, auch Léon gegenüber, als er sie besucht und sie Staubtücher säumt, statt sich mit ihm zu unterhalten. Mehr als zwei Seiten lang beschreibt Flaubert, wie mustergültig sie auf einmal ihren Haushalt führt; sogar ihre Tochter holt sie aus der Pflegestelle, um sich selbst zu kümmern. Dann folgen aber (in meiner Ausgabe) drei Seiten der Beschreibung ihres Seelenzustandes, und der ist geradezu verheerend; sie zeigt alle Anzeiichen einer Depression. Offenbar hat sie kurze Zeit Befriedigung darin gefunden, Léon in sich verliebt zu wissen, aber damit ist es schnell wieder vorbei und ihre Frustration kehrt mit verdoppelter Macht zurück.

  • Zitat

    Original von Rouge



    Was ich ja sehr seltsam finde, ist das Verhältnis von Emma zu ihrer Tochter. Sie bekommt das Kind und gibt es dann sofort an eine Pflegemutter ab und scheint sich gar keine Gedanken mehr um die Tochter zu machen. :pille
    Ich frage mich, ob es anders gewesen wäre, wenn sie den gewünschten Sohn bekommen hätte ? Hätte sie ihn dann bei sich behalten ? Oder war es generell so üblich, ein Kind gleich nach der Geburt abzugeben? Sie scheint auch gar keine Liebe für die Tochter zu empfinden. Am Ende von diesem Abschnitt nimmt sie die Tochter dann zwar wieder zu sich, aber das kommt mir alles so lieblos vor. Komisch.


    Das fand ich auch sehr seltsam, nicht umbedingt, dass sie ihr Kind zu einer Amme gegeben hat, das war ja durchaus üblich, aber ich habe gedacht, dass die Amme dann doch für diese Zeit im Haus der Eltern lebt. :gruebel


    Die Annäherung zwischen Leon und Emma fand ich auch sehr schön beschrieben, warum allerdings ausgerechnet der Modehändler sie wieder total in die Depression reißt, ist mir auch nicht klar.

  • Ich habe jetzt das 5. Kap. noch einmal gelesen.
    Ich vermute, dass es Emma beim Besuch des Modewarenhändlers klar geworden ist, dass manches für sie unerreichbar ist. Sie versucht vernünftig zu sein und ihren Mann schönzureden.
    Sie verdrängt ihre "Lüsternheit nach Reichtum und Luxus" und Charles bemerkt ihre Kraftanstrengung nicht einmal. Und sie leidet.


    Vermutlich wr ihr auch klar, dass Leon ihr keinen Luxus bieten kann.

  • Ihr Lieben, ich habe jetzt zwei Tage lang auf der Hin- und der Rückfahrt zur Arbeit dem Hörbuch gelauscht. Nachdem ich bei Teil 2 angekommen habe, habe ich gemerkt, dass ich gar nicht mehr hin höre. Ich werde wohl abbrechen. Ich weiß nicht, ob das mit einem anderen Sprecher besser wäre, aber so wie ich es zur Zeit höre, geht das gar nicht.

  • Je länger ich das Buch höre, desto größer wird mein Zorn auf Emma. Ich möchte sie am liebsten schütteln und sie auf einen kleinen armseligen Bauernhof stecken, wo sie sich den lieben langen Tag plagen muss,um nur was zu Essen zu haben.
    Ich höre das Ganze ja schon zum zeiten Mal und beim ersten Mal ging mir das gar nicht so, da hat sie mir leid getan.
    Zefira, hattest du das gesagt, dass sie dir leid getan hat?


    Mir kommt sie wie eine leere Hülle vor, die für nichts und niemanden etwas empfinden kann, nur von unerfüllbaren Sehnsüchten lebt.


    Ungeheuerlich finde ich, dass sie ihr Kind in eine so arme und erbärmliche Umgebung gegeben hat und Charles das geduldet hat. Gerade ihm als Arzt musste doch klar sein, was ein Kind in einer solchen Umgebung so alles kriegen kann.


    Die sich anbahnende Romanze mit Leon finde ich faszinierend beschrieben.

  • Mein spontaner Gedanke zu Beginn war: Ihr geht es zu gut. Wenn ihr langweilig war, hätte sie sich eine Beschäftigung suchen können. Viele "bessere" Frauen waren doch ehrenamtlich tätig. Sie hätte Kontakte knüpfen können. Aber das war gar nicht ihr Problem, ihre Umgebung hat nicht ihrem gewünschten Niveau entsprochen.

  • Auf Depressionen wäre ich nicht gekommen. Aber ich kenne mich da nicht so aus. Ich stelle mir da jemanden vor, der sehr antriebsarm und müde ist, kaum aus dem Haus geht, innerlich vielleicht eine Leere verspürt.
    Emma aber steckt voller Emotionen, begierig nach Luxus und dem Traumprinzen.

  • Das ist sie auch und auf der anderen Seite kann sie nichts davon festhalten. Wenn etwas von dem auftaucht, was interessant ist, gibt sie es auf, es wird fade und langweilig.
    Denk nur an ihre Musik. Sie hat damit aufgehört, weil ihr Traum, sie könne dafür Beifall finden und im Samtkleid auftreten, sich nicht erfüllen lässt.
    Sie tut nichts um der Sache willen, weil sie Spaß daran hat. Mit dem Zeichnen und den Büchern ist es genauso.
    Auch die Geschichte mit Leon. Statt sich an dem zu freuen, was sie gemeinsam haben, die Interssen für Bücher und Theater, steigert sie sich in eine Idee von Verliebtheit hinein und meidet ihn.
    Und dann was für ein blödsinniger Gedanke, mit ihm wegzulaufen. Ihr ist der verhältnismäßig wohlhabende Charles zu arm und langweilig. Wie soll das mit einem Notariatsgehilfen werden?


    Und all das ist für mich absolut fesselnd beschrieben.