Blaue Augen von Joanne Harris

  • Kurzbeschreibung
    Es war einmal eine Witwe, die hatte drei Söhne. Sie hießen Schwarz, Braun und Blau. Schwarz war der älteste, er war launisch und streitsüchtig. Braun war der mittlere, er war furchtsam und einfältig. Blau jedoch war der Liebling seiner Mutter. Und er war ein Mörder. Ein Mann gesteht einen Mord, den er nicht begangen haben kann. Joanne Harris erzählt die Geschichte eines Jungen, der durch die Grausamkeit seiner Mutter zum Verbrecher wird.


    Über den Autor
    Joanne Harris arbeitete fünfzehn Jahre lang als Lehrerin, bevor ihr mit Chocolat der Durchbruch gelang. Sie ist heute eine der erfolgreichsten und einflussreichsten englischen Autorinnen. Weltweit hat sie mehr als 15 Millionen Bücher verkauft. www.joanneharris.co.uk


    Meine Meinung:
    Eigentlich kokettiere ich ganz gerne mit meiner Intelligenz, meiner raschen Auffassungsgabe und meiner Fähigkeit Krimis und Thriller sehr rasch zu durchschauen, um so schwerer fällt es mir, bei diesem Buch zugeben zu müssen, nach der Lektüre weder sagen zu können, wer hier wo Täter ist, noch verstanden zu haben, worum es überhaupt ging, bzw. wer da denn jetzt überhaupt wer ist.
    Ich bin fest davon überzeugt, daß dieses Buch wäre es nicht von Joanne Harris, sondern von einem Erstlingsautoren noch nicht mal durch die ersten Verlagsschritte gekommen wäre. Kruder Unfug, Rückblende um Rückblende, Namensänderung um Namensänderung, bis der Leser, auch der vermeintlich intelligente nicht mehr folgen kann oder auch mag. Bis zum Schluß hatte ich eine grandiose Auflösung erwartet, die Leseprobe hatte mir damals so unheimlich gut gefallen, aber was mir dann letztlich geboten wurde, war einfach nur Verwirrung und Langeweile.
    Harris bleibt natürlich ihrem ausgesprochen gutem Erzählstil treu und ihre Sprachgewandtheit ist sicherlich einzigartig, aber was macht das, wenn die Geschichte nicht funktioniert?
    Und das tat sie für mich leider überhaupt nicht.
    Vergeudete Lesezeit... leider.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Also haben auch die letzten 150 Seiten keine Wende gebracht.


    Nein, leider nicht. Von Spannung oder gar Thrill keine Spur und den roten Faden suchte ich irgendwie auch vergeblich. Obwohl es stilistisch gänzlich anders ist, wurde ich irgendwie an American Psycho erinnert, das fand ich ja auch mordsmies, allerdings hab ich da wenigstens verstanden, worum es ging...

  • Danke für die Rezi - ich habe damals die Leseprobe schon abgebrochen.
    In dem Fall hat mich mein erster Eindruck nicht getäuscht.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Ich war begeistert, weil es völlig anders gestrickt ist als üblich und die Spannung für mich aus den vielen falschen Fährten und Andeutungen kam. Ich lese aber sicher "anders", weil ich selbst schreibe.




    B.B. Ist 42 Jahre alt, hat einen bescheidenen Job und wohnt als einziger Überlebender von drei Brüdern bei seiner dominanten Mutter. Sein wahres Leben spielt sich im www ab: Dort ist er Blauauge, der in seinem Blog auf boesebuben@webjournal.com Morde gesteht. Seine virtuellen Freunde bewundern oder verachten ihn, stacheln ihn dazu an, mehr von sich preiszugeben. Und so erzählt er.
    Seine einzigen Kontakte in der wirklichen Welt sind Bethan, die das Pink Zebra Café betreibt, und das geheimnisvolle Mädchen im roten Mantel, dem er nachstellt.
    Als Blogleserin Albertine beginnt, sich mit ihm ein Duell der Postings zu liefern, legen die Blogeinträge Stück für Stück die Wahrheit ihrer miteinander verknüpften Vergangenheit frei, bis die Ereignisse sich in einer nicht mehr aufzuhaltenden Eigendynamik in Richtung Katastrophe bewegen.


    Es ist nahezu unmöglich, dieses Buch zu rezensieren, ohne zu viel zu verraten. Joanne Harris spielt mit falschen Identitäten, falschen Wahrheiten, vertauschten Rollen. Nichts ist so, wie es zu sein scheint. Hinweise sind so versteckt, dass man sie überliest, und sich hinterer wundert, wieso man etwas falsch verstanden hat. Eine Reihe von Nebenfiguren treten auf- alle tragen außer ihren Namen auch noch Farben als Bezeichnung, sie werden von Blauauge mit Blautönen benannt wie Chemischblau, Babyblau, Katholischblau, Elektroblau, was noch mehr dazu beträgt, das Verwirrspiel zu komplizieren. Aufgebaut wie eine russische Matroschkapuppe, gibt es hier Geschichten in den Geschichten in den Geschichten - von synästhetischen Kindern, falschen Verdächtigungen, Mütterehrgeiz, Standesdünkeln, Gewalt und Manipulation, um nur einige zu nennen. Obwohl nur aus Blogeinträgen bestehend und in zeitlich ungeordneter Reihenfolge erzählt, spürt man, dass die Autorin die Mosaiksteine nach ausgeklügelter Planung zusammengesetzt hat, um die Spannung stetig bis zum Höhepunkt steigen zu lassen und stets nur so viel zu verraten, wie der Leser in dem Moment wissen muss. Wer einen Thriller nach herkömmlichen Strickmuster, mit einer ordentlichen Auflösung erwartet, dürfte mit dem Buch nicht warm werden. Für alle diejenigen, die sich gerne auf ein sprachlich ausgefeiltes Spiel mit dem Bösen einlassen möchten, und die sich ein paar Tage aus dem Alltag ausklinken können - denn man legt es nicht mehr aus der Hand - ist dieser Roman wärmstens zu empfehlen.

  • Zitat

    Original von Susanne Ruit.
    Ich war begeistert, weil es völlig anders gestrickt ist als üblich und die Spannung für mich aus den vielen falschen Fährten und Andeutungen kam. Ich lese aber sicher "anders", weil ich selbst schreibe.


    *lächelt unverbindlich*

  • Ach, ich sehe sie förmlich vor mir, die gute Joanne Harris. Da sitzt sie an ihrem Schreibtisch und reibt sich die Hände, wie schön sie doch dieses Buch ausgetüftelt hat. Zugegeben, das "Getüftelte" merkt man dem Buch auch an: Lauter doppelte Böden, lauter Spiegelungen, lauter Halbwahrheiten, lauter Identitätswechsel. Aber vor lauter Tüfteln ist ihr dabei der Kontakt zum Leser verloren gegangen - zumindest der Kontakt zu mir.



    Vieles hat mich einfach nicht erreicht. Da ist zum Beispiel die Grundidee für die Handlung, das "Setting". Wenn man mal alle falschen Rahmen beiseite lässt, dann ging es im Grunde um Folgendes: eine englische Kleinstadt, und diverse Gestalten, die in ihrem Mief festhängen. Auf der einen Seite eine tyrannische Mutter mit drei (farblich getrennten) Söhnen, scheinbar frisch aus "Grimms Märchen" entsprungen. Auf der anderen Seite zwei kleine Mädchen, jede auf ihre Weise beschädigt, und ebenfalls aus dysfunktionalen Familien. Mindestens zwei der Kinder haben ungewöhnliche Fähigkeiten, die im Fachjargon "Synästhesie" (das Verschmelzen mehrerer Sinneseindrücke) genannt werden. Und mit diesen Fähigkeiten konkurrieren sie um die Aufmerksamkeit des ortsansässigen Wissenschaftlers. Verkompliziert wird das Ganze dann noch durch die überdreht ehrgeizigen Mütter. Tja - tut mir leid, aber diese "Mischung" geht einfach an mir vorbei. Ich verstehe einfach nicht, wie daraus lebenslängliche Verstrickungen und gar Animositäten entstehen können. Ich fand diese Grundhandlung schlicht uninteressant - um nicht zu sagen, streckenweise ausgesprochen langweilig (besonders im mittleren Drittel des Buches).



    "Aufgepeppt" wird diese Idee allerdings durch die Schreibweise in Form eines Blogs. Das Buch wird geschrieben aus der Sicht eines der drei Söhne, der zum Schluss noch mit seiner teuflischen Mama in deren (Hexen-)Häuschen übrig bleibt. Er ist mittlerweile im mittleren Alter, und in seinen Blog-Einträgen versucht er wohl, das Erlebte Revue passieren zu lassen - wobei er aber offensichtlich genauso viel schönt und erfindet, wie er zugibt. Ab der Mitte des Buches kommen noch die Einträge einer anderen Bloggerin hinzu, Albertine. Ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich beim Lesen zumindest ansatzweise Interesse, da die Einträge der beiden Personen sich ständig widersprechen, spiegeln, dann wieder ergänzen. Es ist ein wenig wie bei einem Tennismatch - die Aufmerksamkeit des Lesers fliegt ständig hin und her, und kann sich doch nie zur Ruhe setzen. Das ist zumindest gut gemacht.



    Doch dieser an sich nette Gedanke wird wiederum dadurch zunichte gemacht, dass es die Autorin nicht dabei belassen konnte. Nein, es geht nicht nur um zwei Blogger, die sich gegenseitig belauern. Jetzt kommen auch noch die geheimen Identitäten ins Spiel. Im letzten Drittel des Buches herrschte bei mir nur noch Verwirrung. Etliche vermutete Identitäten stellen sich als falsch heraus, und bis zum Schluss war ich mir bei manchen Schlussfolgerungen nicht sicher. Eigentlich müsste man das Buch sofort noch einmal von vorne lesen, aber aufgrund des zähen Kaugummi-Feelings in der Mitte, und aufgrund der für mich an sich völlig belanglosen Handlung um zwei verhinderte Wunderkinder, werde ich das ganz sicher nicht tun!



    Es war einfach ein wenig "too much". Zu viel gewollt, zu viel gespiegelt, wie ein Spiegelbild im Spiegel im Spiegel im Spiegel... da wurde mir richtig schwindelig! Eindeutig zu viel "Schwindel", und das in mehr als einem Sinne des Wortes. Da konnte das - zugegeben - dann wieder rasante Ende, der Showdown, auch nichts mehr reißen. Denn er begann viel zu spät, und dauerte auch nur 30 bis 50 Seiten.



    Ich vergebe dennoch drei Sterne von fünf, da ich anerkenne, dass die Autorin grandiose Fähigkeiten, und auch interessante Ansätze, hat. Sehr gut gelungen ist es ihr, die Verführbarkeit und Scheinheiligkeit im Internet zu zeigen. Jeder kann sich als jeder ausgeben, und immer wird es etliche verlorene Seelen geben, die darauf hereinfallen. Zweitens hat mich der Ansatz interessiert, etliche Elemente aus bekannten Märchen einfließen zu lassen. Teilweise werden bekannte Passagen sogar wörtlich erwähnt - wie zum Beispiel aus "Rotkäppchen" (roter Mantel und Körbchen am Arm, also bitte!), "Rapunzel" (die böse Zauberin, die jemanden im oberen Stockwerk festhält), die böse Stiefmutter, die drei Söhne, und und und. Aber das wirkte viel zu "unorganisch" mit der Internet- und Blog-Handlung verquickt. Schade.



    Ja, letztlich weiß ich einfach nicht, was ich aus diesem Buch ziehen soll. Dass das Internet mit Vorsicht zu genießen ist, wusste ich schon vorher. Das Joanne Harris im Prinzip gut schreiben kann, auch. Vermutlich ist es dies: dass auch die interessanteste Leseprobe noch keinen Aufschluss über das Gesamtkonzept eines Buches gibt. Okay, hier habe ich dazugelernt!
    ****


    Außerdem kann ich Babyjane nur zustimmen. Danke, dass Du den Mut hattest, dieses Buch kritisch zu betrachten!

    Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)

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  • Hm, also ich hab das Buch vor vier Wochen in der Bücherei ergattert und hab mich gefreut wie Bolle, mal so eine aktuelle Neuerscheinung zu erwischen! Ich finde es auch nicht schlecht, aber schon sehr verwirrend. Wüsste ich nun, dass es eine spannende Auflösung gibt, würde ich es auf jeden Fall zu Ende lesen. Aber wenn das immer so weitergeht und die Verwirrungen noch zunehmen ohne schlussendlich zu einem spannenden Finale zu führen, na dann weiß ich auch nicht...


    Der Punkt ist: Mein Leihausweis ist abgelaufen und ich müsste erneut die Jahresgebühr bezahlen, um das Buch verlängern zu lassen. Da ich aber ca. 13 - 15 eigene, nagelneue, ungelesene Bücher noch vorhabe zu lesen, außerdem noch meinen Alt-Sub-Abbau, wollte ich den Leihausweis vorerst nicht verlängern lassen.


    Und wenn das Buch nicht so unbedingt lesenswert ist, dann werde ich es wohl abbrechen und abgeben!

  • Also ich hab meiner Schwester davon erzählt, dass das Buch hier nicht so gute Kritiken bekommen hat, und dass ich es evtl. abbrechen werde.


    Meine Schwester - die selbst auch sehr viel liest, mehr als ich - meinte dann, ich solle mich nicht im Vorhinein beeinflussen lassen, sondern mir selbst meine Meinung bilden. Sie hat auch mal ein Buch gelesen, von dem die Büchereulen hier etwas enttäuscht waren, hat es aber selber gut gefunden!


    Da dachte ich, damit hat sie irgendwie ja auch wiederum Recht!


    Und immerhin hatte ich schon 150 Seiten gelesen...


    Also gut, dachte ich mir, ich lese weiter, dann kann ich mir wirklich eine Meinung bilden und hier wenigstens was dazu schreiben!


    Ich bin jetzt im letzten Drittel angelangt, auf Seite 362 - und es lichtet sich gerade so einiges!!!


    Also was ich auf jeden Fall bestätigen kann, ist, dass es schon ein bisschen verwirrend ist, wer wer ist - aber das merkt man erst, wenn es sich so langsam auflöst!!! Ich bin aus allen Wolken gefallen - möchte aber nicht mehr verraten!


    Jedenfalls hab ich mehrfach in frühere Kapitel zurückgeblättert und nochmal gelesen, und es ist tatsächlich stimmig!!


    Also ich finde das richtig cool, dass ich da auf ne falsche Fährte gelockt wurde!


    Den Schreibstil finde ich auch wirklich außergewöhnlich, sehr detailliert und schön! Schreiben kann sie wirklich, die Joanne!!


    Dieses Buch ist ganz anders als alles andere, was ich vorher gelesen hab. Auch die Tatsache, dass das ganze als ein Internet-Blog geschrieben ist, find ich ne interessante Idee!


    Die Quintessenz, worum es in dem Buch geht, hat rumble-bee schon sehr gut geschildert - ich muss aber sagen, ich find das Thema durchaus interessant und ich war nicht gelangweilt, auch nicht im mittleren Drittel (und ich bin eine wenig ausdauernde Leserin, bin schon schnell mal gelangweilt :-] ).


    Jetzt bin ich sehr gespannt, wie es im letzten Drittel noch weitergeht - ein paar Dinge sind noch immer ungeklärt und ich hoffe, die werden noch aufgeschlüsselt!


    Ich kann aber auf jeden Fall schon mal sagen, dass mich das Buch nun doch in seinen Bann gezogen hat - und das hätte ich absolut nicht erwartet, nachdem ich mich ja schon zum Abbrechen entschließen wollte!


    Hier hab ich eine tolle Rezension gefunden, die auch meine Meinung widerspiegelt:


    http://www.yopi.de/rev/417310

  • So, habe es heute ausgelesen und muss sagen, ich hab es echt gut gefunden! Alle Verwirrungen werden zum Schluss aufgeklärt und es bleibt spannend bis zum letzten Satz!


    Also ich würds weiterempfehlen!

  • Salut, Belle Affaire,


    so unterschiedlich können Meinungen sein. Also, ich finde nicht, dass am Ende alles geklärt ist in diesem Buch. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich auch keine Lust hatte, zurück zu blättern, um manches zu überprüfen. Ich fand es irgendwann nur noch anstrengend.


    Schön fand ich aber, dass Du Dich auf meine Rezension bezogen hast. Dann hat sie ja wenigstens jemand gelesen - vielen Dank!


    Lieben Gruß,
    die Lesebiene

  • Zitat

    Original von Belle Affaire
    So, habe es heute ausgelesen und muss sagen, ich hab es echt gut gefunden! Alle Verwirrungen werden zum Schluss aufgeklärt und es bleibt spannend bis zum letzten Satz!


    Also ich würds weiterempfehlen!


    Ich vermute ganz dringend, daß wir unterschiedliche Bücher gelesen haben oder aber ich an vorrübergehender Amnesie beim Lesen gelitten habe.
    Am Ende wird rein gar nichts aufgeklärt, das ist ja eben das, was mein großer Kritikpunkt ist...