Martha im Gepäck - Ulrike Herwig

  • Zum Buch:
    Tante Martha liebt geknüpfte Deckchen, kitschige Malerei – und sie ist eine Despotin. Das bekommt auch die Familie ihrer Nichte zu spüren, als sie plötzlich zwischen den Kindern auf der Rückbank des Kombis sitzt: kariertes Reisekostüm, Koffer auf dem Schoß, mit Regenschirm bewaffnet. Selbstverständlich kommt sie mit in den Schottlandurlaub. Tante Martha zockt Truckfahrer beim Kartenspiel ab, bringt die Familie im Castle eines Liebhabers unter und entpuppt sich als Whisky-Expertin. Und Martha hat noch mehr Trümpfe im Ärmel.


    Zur Autorin (Amazon):
    Ulrike Herwig arbeitete zehn Jahre in London als Deutschlehrerin. Seit 2001 lebt sie mit ihrer Familie in Seattle, USA. Als Ulrike Rylance schreibt sie erfolgreich Jugendliteratur.


    Meine Meinung:
    Familie Thieme ist auf den Weg in den Urlaub nach Schottland. Und eigentlich will Karen nur schnell Tschüss bei Tante Martha sagen…doch die steigt einfach mit ins Auto und fährt mit, weil sie in Schottland etwas Wichtiges zu erledigen hat.
    In diesem Stil geht es dann auch weiter, Martha verhält sich kein bisschen so, wie man es von einer Anfang Achtzigjährigen erwarten kann. Tante Martha blafft unverschämte Mitreisende an, lässt sich von Truckern mitnehmen und nimmt diese dann beim Pokern aus. Und nebenbei bringt sie Familie Thieme dazu ihre Reisepläne so zu ändern, dass es ihr in ihre Pläne passt.
    Die Thiemes sind erst gar nicht so begeistert, allerdings sind sie auf Marthas Erbe angewiesen, daher spielen sie mit. Dass der Urlaub jetzt ganz anders als sonst verläuft tut allen in der Familie richtig gut.
    Als Martha am Ende dann endlich ihr Geheimnis lüftet ist die Überraschung auf jeden Fall groß.


    Das Buch zeichnet sich durch einen leicht lesbaren und sehr anschaulichen Schreibstil aus. Auf jeden Fall lockere Urlaubslektüre, die Spaß macht. Ich könnte mir auch durchaus vorstellen noch eine Fortsetzung zu lesen, das Ende des Buches würde es anbieten.


    Zum Schluß noch einen Satz zur Ausstattung des Buches. Das Cover hat leider gar nichts mit dem Inhalt zu tun, Käufer, die auf der Suche nach Insellektüre sind, werden hier enttäuscht. Schottland hat nun mal gar nichts mit der Weite des Meeres, die hier suggeriert wird, zu tun.
    Den Preis empfinde ich angesichts der Anzahl der Seiten und der schlechten Qualität der Bindung eher unangemessen. Trotz vorsichtigen Lesens ist der Buchrücken am Ende gebrochen und rund.


    Alles in allem ist es ein schönes Buch, inhaltlich volle Punktzahl, für die Verarbeitung gibt es aber Punktabzug.

  • Martha, die potentielle Erbtante drängt sich kurzerhand in den Familien-Schottlandurlaub, bringt frischen Wind in die eingefahrenen familiären Strukturen und entpuppt sich dabei als erstaunlich sensibel. Und natürlich ist sie gut für jede Menge Überraschungen ;-). Am Ende mündet alles in „Friede, Freude, Eierkuchen“, aber genau das erwarte ich von einem Buch dieses Genres auch.
    Wie Streifi bin ich der Meinung, dass es sich um nette und leichte Unterhaltung ohne großen Tiefgang handelt, erzählt in angenehmer, leicht lesbarer Sprache. Natürlich werden einige Klischees bedient, aber Humor und leise Ironie, gemischt mit ein bisschen Slapstick und Comedy machen den Roman zu einem kurzweiligen Lesevergnügen.


    Mitnehmen kann der Leser aus dieser Geschichte, dass alte Menschen häufig unterschätzt, als lästige Verpflichtung angesehen und nicht für voll genommen werden. Eine Erkenntnis, die zwar nicht neu ist, aber es schadet sicher auch nicht, sie gelegentlich in Erinnerung zu rufen, vor allem wenn es so unterhaltsam und humorvoll geschieht.

  • Standing Ovations für Tante Martha, bitte! :-)


    Für Karen war Tante Martha immer nur die alte Schwester ihrer Großmutter, unscheinbar und kaum beachtet. Sie häkelt Deckchen und in ihrer Wohnung riecht es nach Hustensaft, kurzum: sie ist das lebendig gewordene Klischee der alten Jungfer und lästigen Tante, die nur wegen des zu erwartenden Erbes noch besucht wird. Lediglich ihr barsches Auftreten sorgte früher für den ein oder anderen Aufreger in der Verwandtschaft. Dabei war Martha in ihrer Jugend kein Kind von Traurigkeit und hat ein durchaus bewegtes Vorleben zu bieten - und ihre Abenteuerlust hat sich auch mit mittlerweile 81 Jahren nicht gelegt.


    Tante Martha ist ungeheuer sympathisch, viel mehr als die dröge Karen und ihre Familie. Und allein schon das Cover mit der Möwe in Gummistiefeln reizt unweigerlich zum lachen. Die Autorin läßt Martha mit sichtlicher Freude an die frische Luft und wartet mit einer ganzen Reihe überraschender Szenen auf. Da zockt Martha an der Autobahnraststätte mühelos einen gestandenen Trucker ab oder läßt sich von einem Zauberer zersägen - ob man schon mal eine derarte alte "zersägte Jungfrau" gesehen hat? :grin
    Und der Schluß der sehr humorvollen und leicht schrägen Geschichte ist einfach zuckersüß! Womit ich auch schon beim ersten Kritikpunkt bin, denn der Schluß ist zwar wunderschön und etwas für echte Träumer, aber eben doch überzogen. Und ich wage zu bezweifeln, daß der Durchschnittstourist über derart exzellente Sprachkenntnisse verfügt wie Karen und ihr Mann. Aber das sind nur Nebensächlichkeiten, denn insgesamt ist "Martha im Gepäck" der ideale Sommer-Urlaubs-Roman, besonders natürlich für Schottland- und Whisky-Fans.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Zitat

    Original von wirbelwind
    Ich liebe ja dieses Cover, muss ich gestehen. Besonders der Witz, wenn man das Buch umdreht und nur noch die Schuhe zu sehen sind :anbet :chen :kiss


    Das Cover an sich finde ich schon auch toll, es hat nur leider gar nix mit dem Buch zu tun.


    Wenn ich das Buch im Buchladen sehen würde, würde ich es eher für einen Nord- oder Ostsseeroman halten.

  • Karen Thieme, eine Bankangestellte, möchte mit ihrem Mann Bernd und den Kindern Teresa und Mark nach Schottland in den Urlaub fahren. Kurz noch das Schlaftier der Tochter gesucht, noch schnell sich von der Großtante Martha verabschieden und ab geht es in den Urlaub. Wenn, ja wenn Großtante Martha ihnen nicht einen Strich durch die Rechnung machen würde. Kraft Ihrer Entschlossenheit und den Hinweis, dass man ja ohne Gegenleistung auch kein Erbe erwarten kann, befindet sich nun auch die 80-jährige Großtante Martha im Gepäck bzw. mit auf dem Weg in den Urlaub.
    Während am Anfang der Reise Martha noch von der Familie als „Ärgernis oder notwendiges Übel“ betrachtet wird, entwickelt sich Tante Martha zur absoluten Geheimwaffe. Sie ist einfach ein Unikat. Tante Martha weiß alles, kann alles und ist dabei liebenswert schrullig oder beweist ihren trockenen Humor.



    Das Buch lässt sich sehr leicht lesen und ist sehr unterhaltsam. Ich musste oft über Martha schmunzeln. Dazu trägt natürlich der herzliche Schreibstil von Ulrike Herwig bei. Es gelingt ihr, die einzelnen Personen mit den so typischen Verhaltensweisen zu beschreiben, dass mir wirklich jedes Mitglied der Familie irgendwie sympathisch war.


    Das Cover passt nicht unbedingt zum Thema des Buches, aber irgendwie fällt es auf und die Möwe mit den gelben Gummistiefeln ist schon witzig. Und auch die Idee mit dem Lesezeichen in Form eines Kofferanhängers finde ich absolut gelungen.


    Mein einziger wirklicher Kritikpunkt ist die meiner Meinung nach schlechte Bindung des Buches. Noch sind keine Seiten lose, aber ich befürchte, beim mehrmaligen Lesen wird sich das Buch in seine Bestandteile auflösen. Es kann irgendwie nicht sein, das bei einer Öffnung des Buches im Winkel von 90° gerade ab Buchmitte zwischen den einzelnen Seiten der Buchrücken zu sehen ist.



    Edit:
    Punkte vergessen


    9 von 10 Punkten und den Punkteabzug auch nur wegen der schlechten Bindung des Buches

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Macska ()

  • Zitat

    Original von wirbelwind
    Ich liebe ja dieses Cover, muss ich gestehen. Besonders der Witz, wenn man das Buch umdreht und nur noch die Schuhe zu sehen sind :anbet :chen :kiss


    Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. :lache


    Ich finde ja auch das Cover paßt nicht wirklich, aber gedanklich hab ich mir das jetzt so zusammengeschustert, das das Bild von der Fährüberfahrt nach England ist.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zum Inhalt:


    Zunächst ist Familie Thieme wenig begeistert, dass sie mit Tante Martha in den Schottlandurlaub fährt. Eigentlich wollte sich Karen nur von ihr verabschieden (sie muss sich ja mit ihr gutstellen, sonst wird sie enterbt und kann dann von dem Geld kein Haus kaufen), doch sie hat nicht mit der rüstigen alten Dame gerechnet, die mit dem fertig gepackten Koffer in der Tür steht. Schließlich hat sie in Schottland, dem Land von Nessie, noch etwas zu erledigen. Und es eilt sehr! Zunächst ist sie eher so etwas wie das fünfte Rad am Wagen für Vater Bernd, Mama Karen, den stets verkabelten, pubertierenden Sohn Mark und die kleine Teresa, doch Martha entpuppt sich und ist den Ruf der schrulligen alten Oma bald los. Sie hat viele Talente, zum Beispiel Zielgenauigkeit beim Töten von Rehen mit Glasflaschen, sie kann ausgezeichnet pokern und dabei Truckfahrern mal eben so nebenbei einen Haufen Geld aus der Tasche ziehen und sie ist sympathisch, freundet sich mit jedem an. Besonders zu Tochter Teresa findet sie einen guten Draht und auch beim Rest der Familie gewinnt sie an Ansehen, obwohl sie durch ihre enormen Schottlandkenntnisse Vater Bernd und seinen Reiseführer ausbotet und der eine Zeit lang ziemlich beleidigt ist. Bis zum Schluss trumpft Martha immer wieder auf mit pfiffigen Ideen und ihrer außergewöhnlichen Art. Und was hat sie in Schottland denn noch zu erledigen? Wieso muss sie dem schottischen Robin Hood eine Meerjungfrauenstatue mitbringen? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Glen Menis auf sich? Das und viel mehr lustige Ereignisse erzählt Ulrike Herwig in diesem Buch.


    Pro:


    Als gesamtes hat mir das Buch sehr gut gefallen, ich habe es auf einen Zug durchgelesen. Es wird an keiner Stelle langweilig. Mit seinem lockeren Erzählstil ist das Buch auf optimal als Nebenbei-Lektüre geeignet. Es ist nicht zu viel Konzentration nötig, um dem Inhalt zu folgen. Das Cover vermittelt bereits einen passenden Eindruck zur Geschichte. Besonders gut gelungen ist der Autorin die Beschreibung der Charaktere, die sehr detailliert ist und die es dem Leser ermöglicht, sich gut in die Handlung hineinzuversetzen.


    Contra:


    Hier und da findet sich meiner Meinung nach die eine oder andere holprige Formulierung, aber sont gibt es nichts zu meckern.


    Fazit:


    Das Buch kann ich wirklich jedem wärmstens empfehlen, ich habe die Thiemes und Martha während der Lektüre richtig ins Herz geschlossen. Der sehr unterhaltsame Roman hat sich seine fünf Sterne redlich verdient.

  • Ein herrliches Buch für zwischendurch. Eine liebenswerte Familie mit netten Charakteren die einem ans Herz wachsen.
    Schmunzeln und Seufzen immer abwechselnd mit einem schönen wenn auch etwas dick aufgetragenen Ende was meinem Lesespaß aber keinen Abbruch getan hat.

    Diese Eintrag wurde bisher 47 mal bearbeited, zultzt gerade ebend, wegen schwere Rechtsschreipfeler.

  • Inhalt: Famile Thieme, bestehend aus Mutter Karin, Vater Bernd und dem Teenie Mark und der kleinen Tochter Teresa, wollen in den Urlaub nach Schottland fahren. Als sie noch bei ihrer über achzig jährigen und verrückten Tante von Karin anhalten, beschließt diese, dass sie mit kommen wird. Da Karin immer noch auf das Erbe von Tante Martha hofft und sie Angst hat aus dem Testament gestrichen zu werden, wenn sie Martha nicht milde stimmt, nehmen sie Martha kurzentschlossen mit.


    Während der Reise nach Schottland treffen Thiemes auf die unterschiedlichsten Menschen bei denen Martha immer genau zu wissen scheint, wie man mit ihnen umgehen muss. Zudem ereignen sich noch viele andere Zufälle, mit denen Thiemes nie gerechnet hätten. Insbesondere Tante Martha bringt die ganze Familie zum staunen.


    Nicht nur, dass sie im Schottenrock und mit Regenschirm bewaffnet reist, nein sie zockt zudem Truckerfahrer beim Pokern ab, kennt sich überraschend gut mit Whisky aus und möchte unbeidingt nach Glan Manor. Und Martha scheint alle Trümpfe in der Hand zu haben und auf alles eine Antwort zu wissen.



    Meinung: Das Cover hat zwar wenig mit dem Buch an sich zu tun, was der Geschichte aber auf keinen Fall schadet, denn diese ist einfach auf eine sehr sympathische Weise komisch. Martha die von allen als komische und schrullige alte Frau betrachtet wurde, hat in ihrem Leben so viel erlebt, dass sie deutlich mehr weiß, als ihre gesamte noch lebende Familie uns sich zudem auch noch in ganz Großbrittanien bestens auskennt. Zudem ist sie durch ihre erfrischend schnippische und einfallsreiche Art einfach tierisch sympathisch. In manchen Situationen kann man zwar vollkommen nachvollziehen, wieso insbesondere Karin und Bernd von Martha etwas geschockt sind und sie anstrengend finden, aber grade das macht sie so besonders sympathisch.


    Auch die verschiedenen anderen Charakter auf die Thiemes treffen und die ganzen Vorfälle, die geschehen sind teilweise einfach nur lustig und manchmal sogar absurd komisch. Und nicht immer ist Martha in alle Absonderlichkeiten verwickelt, jedoch eigentlich meistens.


    Das Buch ist durch den lockern Schreibstil und den Witz und Humor auf jeden Fall ein super Sommerbuch, was man lesen kann ohne viel nachdenken zu müssen, sich dabei aber richtig gut amüsieren kann.


    Einzig finde ich es etwas schade, dass das Buch bei der geringen Seitenanzahl doch schon 14,99 € kosten soll, was doch ein wenig teuer ist.

    Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.

  • „Hat irgendeiner von euch sich je gefragt, wer ich war, bevor ich die verrückte Alte wurde?“ (Martha, Seite 147)


    Nein, bisher nicht. Es gab ja auch nie einen Anlass dazu.


    Da stolperte ich im Sommer des letzten Jahres bei vorablesen.de über ein Buch namens „Martha im Gepäck“. Aus reiner Neugier fing ich an, die Leseprobe zu lesen – es gefiel mir, irgendwie fühlte ich mich an unsere Familienurlaube erinnert.


    Schließlich hatte ich das Buch zu Hause. Tante Martha ist genial, sie kann sich Dinge herausnehmen, an die man in jungen Jahren nicht einmal denken darf … Aber trotz ihrer Art und dem Urlaubsgefühl, das nur langsam aufkam, war ich noch nicht so richtig überzeugt, noch nicht in die Geschichte eingetaucht. „Martha im Gepäck“ lässt sich flüssig lesen, aber Karens Gedanken empfand ich anfangs als nervig – sicherlich ist sie zwanzig Jahre älter als ich, sie hat zwei Kinder und einen Mann im Schlepptau, aber dennoch … Weiterhin kamen mir zu viele Dialoge in der Geschichte vor – gut, bei „Martha im Gepäck“ muss es einfach so sein, sonst würden diese ganzen lustigen Szenen und Gespräche nicht funktionieren.


    Um es kurz zu fassen: Einerseits fand ich die Schottlandreise spannend, andererseits wusste ich aber nicht, ob es mir gefiel, wie die Dinge dargestellt wurden. Es war zwar irgendwie realistisch, aber dennoch überspitzt. Ich ahnte einfach, wie die Dinge sich entwickelten. (Als Beispiel die Szene in Dwaynes Truck – ich musste bereits an „Go, Trabbi, go“ denken, als die Thiemes noch nicht einmal im Truck saßen.) Dazu gefühlt jede Menge Klischees …


    Und dann gab es diesen Punkt, der mir zum ersten Mal seit einigen Jahren beim Lesen aufstieß – die Figuren. Sie wirkten flach. Teresa und Mark waren nur die nervigen Kinder, Martha die alte Tante, Karen kämpfte mit Eheproblemen und Bernd dachte nur ans Essen … Sie wirkten auf wenige Facetten reduziert.


    Nach der Hälfte dieses Buches war ich immer noch nicht drin, nicht in Urlaubsstimmung. Es war bis zu diesem Zeitpunkt eine unbequeme, chaotische Reise, die erst angenehmer wurde und richtig anzufangen schien, als die Thiemes von einem englischen Motel aus endgültig nach Schottland aufbrachen. Plötzlich fühlte es sich wie eine Urlaubsreise mit meiner Familie in das geliebte Masuren an. Da gab es auch endlich mehr Beschreibungen der Umgebung und der entspannter werdenden Stimmung, das Urlaubsgefühl nahm zu.


    Aber so richtig sprang der Funke immer noch nicht über. Lag es an mir? An dem Gedanken, dem Vorurteil, dass ich eine eher „seichte“ Geschichte lese?


    Ab dem vierzehnten Kapitel fiel es mir leichter, in die Geschichte einzusteigen. Mir gefielen plötzlich die gelungenen, „authentischen“ Dialoge, die nicht mehr gewollt lustigen Szenen, die Situationskomik. Und plötzlich wurden die Thiemes lebendig, sie hatten Ecken und Kanten, waren nicht nur Kinder oder die alte Tante. In ihnen steckte so viel mehr! Das Lesen löste ein wohlig-warmes, familiäres Gefühl in mir aus. Plötzlich mochte ich die Thiemes.


    Nun änderte der Rest sich ebenfalls. Klischees fand ich nicht mehr, die teilweise etwas albernen Szenen am Anfang waren nicht mehr albern, und nun schien es auch noch spannend zu werden. Und seit die Thiemes und ich am eigentlichen Urlaubsziel angekommen waren, hatte ich abends das Gefühl, für ein, zwei Stunden selbst in den Urlaub zu fahren.


    Ich hätte nicht gedacht, dass das Buch so gut wird. Die Umgebung stimmt, die Thiemes sind meine Familie – das Lesen löst den Wunsch nach einem schönen, warmen Sommer aus, nach einem tollen Urlaub in Schottland. Es fiel mir schwer, nach einigen Lesestunden in meinen eigenen Alltag zurückzukehren. „Martha im Gepäck“ ist in meinen Augen keine leichte Lektüre für den Sommerurlaub, sondern das perfekte Buch, um sich in einem kalten und trüben Winter in eine herrliche Jahreszeit und an einen wunderbaren Ort zu träumen. Die letzten einhundert Seiten kann man gar nicht genug genießen, jedes einzelne Wort wollte ich in mir speichern, um es bei Bedarf abrufen, um gedanklich von meinem Schreibtisch fliehen zu können. (Es funktioniert tatsächlich – bevor ich an meinem Arbeitsplatz hysterisch werde, träume ich mich entweder in das Buch oder gleich in unser eigenes Ferienhaus nach Masuren.) Leider kann ich gar nicht alle Szenen, alle Dinge, die mir so unglaublich gut gefallen, aufzählen, ohne die ganze Geschichte in allen Einzelheiten zu verraten …


    Trotz eines etwas schwierigen Starts hat das Buch sechs Sterne verdient. Allein dafür, dass es mir einen wunderschönen Aufenthalt im sommerlichen Schottland mit den Thiemes beschert hat.




    Soundtrack: „C’mon, C’mon“ von Sheryl Crow featuring The Corrs

  • Zitat

    Original von streifi
    Ich könnte mir auch durchaus vorstellen noch eine Fortsetzung zu lesen, das Ende des Buches würde es anbieten.


    Wenn schon eine Fortsetzung, dann bitte auch Marthas Lebensgeschichte! :grin Ich weiß zwar, dass auch ältere Menschen irgendwann einmal jung waren, aber ich kann es mir nur schwer vorstellen ... Martha jedoch kann ich mir plötzlich als junge, ungestüme und wissbegierige Frau vorstellen, und ich überlege immer wieder, wie sie vor vierzig, fünfzig Jahren gewesen ist, was sie erlebt hat ...


    Und dabei ist "Martha im Gepäck" ein Buch, das ich in der Buchhandlung nicht einmal ansehen würde. Ich bin mehr als positiv überrascht. (Von weiteren Büchern dieses Genres werde ich mich aber vermutlich fern halten, sofern sie mir nicht besonders auffallen.)

  • Wenn der Sommer immer näher rückt, sind leichte Lektüren bei mir Pflichtprogramm. Bei “Martha im Gepäck” habe ich auf eine humorvolle Geschichte für zwischendurch gehofft und meine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen. Ulrike Herwig hat mit “Martha im Gepäck” einen grandiosen Debütroman geschrieben, der mich zum Lachen gebracht und zum Nachdenken angeregt hat.


    Der Schreibstil ist wunderbar. Die Geschichte liest sich leicht, flüssig und sehr humorvoll. Stellenweise erinnert mich Ulrike Herwig an Autorinnen wie Dora Heldt und Sofie Cramer, was bei mir immer ein gutes Zeichen ist, da ich deren Bücher bereits alle verschlungen habe. Die Geschichte entwickelt sich gut, bleibt stets sarkastisch und humorvoll und sorgt für unterhaltsame Lesestunden. Die Charaktere sind sehr authentisch und obwohl jede Person ihre Macken hat, konnte ich diese dennoch schnell ins Herz schließen und ihren Urlaub live miterleben, der so manches Mal anders verläuft, als man es sich erhofft hat.


    Das Buch ist nicht unbedingt tiefgründig, dennoch hat es mich an mancher Stelle zum Nachdenken angeregt, wenn Martha in den Vordergrund gerückt ist. Für ihre über 80 Jahre ist sie trotz mancher Krankheit recht fit und für so manche Überraschung gut. Zwar ist sie stellenweise sehr schroff und erpresst auch mal gerne ihre Verwandten, aber dennoch ist sie eine liebenswerte Protagonistin, die ich schnell in mein Herz geschlossen habe.
    Auch die anderen Charaktere haben mir gut gefallen. Karen und ihr Mann Bernd wünschen sich nur eines: Einen ruhigen Urlaub mit ihren Kindern und jede Menge Erholung, allerdings macht Martha dies zunichte, indem sie die Reisepläne immer wieder ändert. Da es zwischen Karen und Bernd stellenweise recht abgekühlt ist, hofft Karen, dass sie sich während des Urlaubes wieder näherkommen. Während er sich in den letzten Jahren einen Bauch angefuttert und sich immer mehr in seine Highlander-Sammlung vertieft hat, ist Karen immer mehr gefrustet und träumt heimlich von ihrem Arbeitskollegen Mike und beneidet ihre Freundin Bettina um ihr Singleleben.
    Etwas anstrengend sind die beiden Kinder Mark und Teresa. Mark steckt mitten in der Pubertät und findet grundsätzlich alles blöd und flüchtet lieber in seine eigene kleine Welt. Teresa wirkt dagegen wahnsinnig verwöhnt und neugierig. Sie ist der einzige Charakter, der mir zwischendurch auf die Nerven ging. Allerdings muss gesagt werden, dass auch sie ihre Berechtigung in der Geschichte hat.


    Was mir besonders gut gefallen hat: Obwohl die Geschichte stellenweise sehr sarkastisch geschrieben ist, wird nicht sonderlich oft übertrieben. So werden die Probleme von Karen und Bernd weder zu überspitzt, noch zu emotional beschrieben. Es ist vielmehr beiden klar, dass es sich hierbei um ganz alltägliche Probleme handelt, die mit Geduld und ein bisschen Arbeit lösbar sind. Insgesamt ist die Geschichte sehr authentisch und ich hatte auf keiner einzigen Seite das Gefühl, dass bei der Handlung etwas nicht stimmig wäre.


    Die Covergestaltung ist ganz hübsch, dennoch habe ich mir ein bisschen mehr erhofft. So hätte ich z.B. Martha im Schottenrock oder den Van mit der kompletten Familie deutlich schöner und passender gefunden. Zwar ist die Möwe auch ganz nett, aber nicht so ganz passend. Die Kurzbeschreibung gefällt mir dagegen gut und macht Lust auf mehr.


    Insgesamt ist “Martha im Gepäck” ein Roman, den man im Liegestuhl am Strand bestens lesen kann. Ulrike Herwig überzeugt durch authentische Charaktere und wunderbare Landschaften, die genauestens beschrieben werden. Eine Pflichtlektüre im Sommer – absolut empfehlenswert!