'Krieg und Frieden' - Band 1, Teil 3 - Kapitel 01 - 09

  • In diesem Abschnitt habe ich mich noch mehr über Marja ärgern müssen.
    Warum muss sie denn bitte die Heirat mit Anatole gegen ihren Wunsch ablehnen? Ihr Vater tyrannisiert sie ja so oder so...
    Ob das jetzt eine so tolle Ehe gewesen wäre, sei mal dahin gestellt. Aber als verheiratete Frau hätte sie wenigstens ausziehen können.


    Der alte Graf scheint ja recht moderne Ansichten zu haben. Immerhin lässt er Marja frei entscheiden. (Gut, er beeinflusst sie durch sein Verhalten, aber theoretisch hätte sie ihre eigene Entscheidung treffen können.)


    Pierre und Helene fand ich hier ziehmlich farblos. Vielleicht ändert sich das auch noch...


    Nikolaj hat gefällt mir gerade überhaupt nicht. Er brüstet sich mit falschem Heldentum (was wahrscheinlich die meisten "Kriegshelden" tun) und nimmt irgendwie sehr unangenehme Züge an.
    Dabei war er doch am Anfang so sympatisch...

  • ich war ehrlich gesagt erleichtert, dass Marja vorher gemerkt hat, dass Anatole es eher auf Madmoiselle Bourienne abgesehen hat. ich hatte das Gefühl, sie steigert sich dort in etwas hinein und kommt mir vor, als wäre sie zu sensibel, um unter solchen Umständen eine Ehe zu führen. Wer träumt schon von einem Ehemann, der einen hässlich findet? Ich glaube auch, sie hätte mit diesem Mann nicht viel anfangen können, sie beide sind viel zu verschieden. :gruebel


    Der alte Fürst, Marjas Vater, ist und bleibt eine besondere Figur. ich kann schon verstehen, warum die Kuragins ihn als schrullig bezeichnen :lache eigentlich stört mich, dass er so streng ist und alles im Haus nach seiner Nase laufen muss, aber irgendwie hat das Ganze manchmal eine gewisse Situationskomik (z.B. als Tuchin ihn abends ankleidet und gar keine Notiz von den Flüchen des Fürsten nimmt) :chen


    von Pierre und Helene weiß ich bisher auch nicht, was ich denken soll. Mal sehen, wie es mit den beiden weitergeht.


    Nikolais verändertes Verhalten hat mich auch ein wenig verwundert. Er brüstet sich mit den Erlebnissen während der Schlacht, ist teilweise agressiv, trinkt wie es aussieht nun öfter Wein. Ich kann mir vorstellen, dass es seine Art und Weise ist, mit dem Alltag im Lager und dem Erlebten bei der Schlacht umzugehen und sich auch von anderen soetwas abschaut. Ich stell es mir auch nicht so einfach vor, weitab von den Lieben zu sein und nicht zu wissen, wann die nächste Schlacht stattfinden wird, wie die Zukunft aussieht :gruebel



    insgesamt hat mir der Abschnitt ganz gut gefallen, er war unterhaltsam und abwechslungsreicher als die letzten. nun erwartet das Heer Austerlitz, daher ahne ich nicht so gutes.

  • Das Buch entwickelt sich zu einem absoluten Langzeitprojekt, aber wenn ich mir die LR angucke, geht es nicht nur mir so, wir haben ja auch Zeit. :-]


    Dieser Abschnitt hat mir auch wieder besser gefallen. Nikolaijs verändertes Verhalten finde ich auch nicht gut, aber absolut nachvollziehbar, es wäre schon komisch, wenn die Erfahrungen im Krieg ihn nicht negativ verändern würden.
    Andreij dagegen scheint voll in seinem Element, ich glaube allerdings imm ernoch, dass er zu wagemutig ist und das kein gutes Ende mit ihm nimmt.


    Dass Marja Anatol nicht heiraten will, finde ich ebenfalls gut, ich glaube in dieser Ehe wäre sie noch viel unglücklicher als bei ihrem Vater.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Das Buch entwickelt sich zu einem absoluten Langzeitprojekt, aber wenn ich mir die LR angucke, geht es nicht nur mir so, wir haben ja auch Zeit. :-]


    stimmt, gefällt mir auch gut :-)

  • Ich finde es auch gut, dass Marja rechtzeitig erkannt hat, dass Anatol ein falscher Fünfziger ist - sonst wäre sie bestimmt noch unglücklicher geworden. Und irgendwie freut es mich, dass die Rechnung von Fürst Wassili nicht aufgegangen ist, der will seine Kinder ja nur mit guten Partien verheiraten, damit er keine Geldsorgen mehr hat - ich hab nicht den Eindruck, dass es ihm um das Glück seiner Kinder geht. Da fand ich die Einstellung von Marjas Vater schon viel schöner, ich war überrascht, dass er ihr die Entscheidung überlassen hat! :-]


    Pierre ist irgendwie ein Witz, er hat keine Ahnung was er tut und lässt sich von allen und jedem manipulieren. Kein Wunder, dass es ein Leichtes ist, ihn dazu zu bringen, Helene zu heiraten...


    Dass Nikolai sich im Krieg verändert, passt irgendwie - wer bleibt schon der selbe, wenn er das erlebt, was die Soldaten im Krieg eben so erleben. Irgendwie ist er mir lieber als Andrej - nicht so geschniegelt und hochnäsig, auch wenn er selbst etwas arrogant ist. Aber er ist halt stolz auf seine Leistungen und Gefechte und das kann er in meinen Augen auch sein. Irgendwie hab ich eine Schwäche für Kriegshelden :grin


    Boris kam irgendwie nur kurz vor, dabei fänd ich's interessant zu sehen, wie es ihm geht - naja vielleicht im nächsten Abschnitt!


    Ich werde wohl auch noch ewig für das Buch brauchen, aber das ist einfach keine Geschichte, die man mal schnell nebenbei liest - und das ist auch gut so!

  • Jetzt wo ich die alten Beiträge gelesen habe, habe ich festgestellt, dass ich nur eine gekürzte Version lese. Was oben von Nikolai geschrieben steht, kann ich bei mir nirgends entdecken.


    Aber zum Buch. Zunächst ist von Heiraten die Rede. Ein schönes Kontrastprogramm zum Krieg.

    Pierre tickt schon eigenartig. Er schafft es nicht, bezüglich Helene klare Verhältnisse zu schaffen, und ist irgendwie erleichtert, dass jemand anders das erledigt. Dann redet er sich ein, dass alles so kommt, wie es kommen muss. Er lässt andere entscheiden und tut dann so, als ob es ein Naturereignis wäre. Eine gute Ausrede für entscheidungsschwache Menschen. Merkt er nicht, dass er manipuliert wird?

    Und wie schnell alles geht! Sechs Wochen nach der Verlobung ist Hochzeit. Bei uns braucht man mittlerweile ein Jahr Vorlauf.:lache


    Marie hingegen lehnt den Heiratsantrag ab. Was sind ihre wahren Beweggründe? Wegen des Vaters? Weil er es erhofft? Weil sie Anatol nicht liebt und er sie auch nicht?

    Der alte Bolkonsky liebt seine Tochter. Aber Marie sieht es wohl nicht. Sonst hätte sie nicht solche Angst vor ihm. Sie würde etwas gelassener auf seine strenge Art reagieren. Offensichtlich fürchtet sie ihn aber doch nicht so sehr, dass sie um jeden Preis ihn verlassen will. Liebt sie ihren Vater oder bleibt sie nur aus Opferbereitschaft bei ihm?

  • Zu Pierre schreibe ich hier nicht viel, da ich nicht weiß, was wohin gehört. Jedenfalls scheint er ziemlich unentschlossen, wankelmütig und vor allem leicht beeinflußbar zu sein. Kurz: ein Spielball der Interessen anderer Leute.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Über Pierres schwachen Charakter sind wir uns alle einig. Er selbst würde uns zustimmen. Er kommt überhaupt nicht damit klar, dass er nun im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses steht. Köstlich finde ich, die Feststellung: „das er [Pierre] in der Tiefe seiner Seele immer den Eindruck gehabt hatte, er sei wirklich gut und klug“ (Bergengruen, dtv 19932, S.262.) und er sich auf diese Art die Schmeicheleien schönredet.


    Die Tragik seiner Figur zeigt sich darin, dass er schon früh erkennt, dass eine Heirat mit Hélène für ihn ein Unglück wäre, er sich aber dennoch dem Drängen von Fürst Wassilij nicht entziehen kann. Wie dieser schließlich die Initiative ergreift, einfach gratuliert und damit Pierre vor vollendete Tatsachen stellt, ist schon wieder irgendwie genial. Obwohl ich alle Kuragins nicht mag.

    Marie hingegen lehnt den Heiratsantrag ab. Was sind ihre wahren Beweggründe? Wegen des Vaters? Weil er es erhofft? Weil sie Anatol nicht liebt und er sie auch nicht?

    Der alte Bolkonsky liebt seine Tochter. Aber Marie sieht es wohl nicht. Sonst hätte sie nicht solche Angst vor ihm. Sie würde etwas gelassener auf seine strenge Art reagieren. Offensichtlich fürchtet sie ihn aber doch nicht so sehr, dass sie um jeden Preis ihn verlassen will. Liebt sie ihren Vater oder bleibt sie nur aus Opferbereitschaft bei ihm?


    Ich denke, Marja hätte Anatol zum Mann genommen, wenn sie nicht Zeugin der Vertraulichkeit zwischen Anatol und Mademoiselle Bourienne geworden wäre. Dazu noch die Anspielung ihres Vaters, Anatol würde ihr Geld nehmen, aber die Bourienne zur Frau. Ihre Selbstverleugnung geht mir allerdings zu weit. Sie will der Bourienne Geld geben, damit diese Anatol heiraten kann! =O


    Überrascht hat mich wieder der alte Fürst Bolkónski. Zum einen, „daß jedes Mädchen das Recht hat, ihre Wahl selbst zu treffen.“ (Bergengruen, dtv 19932, S.302.) Und zum anderen, er seine Tochter mehr liebt, als sich selbst.




  • Warum zeigt er es nicht? Meint er, man könnte es ihm als Schwäche auslegen?


    Als Erstes wollte ich Dir antworten, es war eine andere Zeit. Väter/Männer zeigten nicht ihre Gefühle. Doch dann fiel mir Graf Rostow ein. Er ist das absolute Gegenteil. Also liegt es im Charakter des Fürsten Bolkónski begründet. Ich habe ihn als tyrannischen Vater in Erinnerung. Der er auch zweifellos ist. Deshalb überraschen mich seine teils sehr modernen Ansichten auch so.

  • Als Erstes wollte ich Dir antworten, es war eine andereZeit. Väter/Männer zeigten nicht ihre Gefühle. Doch dann fiel mir Graf Rostowein.

    Ganz genau so ist es auch in meinen Kopf abgelaufen.

    :lache

    Aber Rostow wird eher als ein schwacher Mensch dargestellt. Somit entsteht das Bild, dass ein Mensch, der Gefühle zeigt, schwach ist. Das war wohl damals so die Meinung.


    Der alte Bolkonski zeigt nicht nur keine Gefühle, sondern ist noch bösartig. Das ist der Charakter.

  • Die Tragik seiner Figur zeigt sich darin, dass er schon früherkennt, dass eine Heirat mit Hélène für ihn ein Unglück wäre, er sich aberdennoch dem Drängen von Fürst Wassilij nicht entziehen kann. Wie dieserschließlich die Initiative ergreift, einfach gratuliert und damit Pierre vorvollendete Tatsachen stellt, ist schon wieder irgendwie genial. Obwohl ich alleKuragins nicht mag.

    :write



    Der alte Bolkonski zeigt nicht nur keine Gefühle, sondern ist noch bösartig. Das ist der Charakter.

    Tja, eine schwierige Figur. Am Ende weiß ich nicht so recht, wie ich ihn einschätzen soll.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Diese Unterwürfigkeit und Opferbereitschaft von Rostow kann ich ja nur schwer ertragen. "Sterben für den Zar" (oder Kaiser, wie es in meiner Übersetzung andauernd heißt). Was für eine Theatralik, aber das ist bestimmt sehr charakteristisch für diese Zeit.


    Pierre wird ja nun auch dauernd umgarnt, nachdem ihm Geld und Einfluss durch sein Erbe in den Schoß gelegt wurden. Und dass er schwach und leicht lenkbar ist, wurde ja schon in der Bärenepisode deutlich.


    Ich weiß gar nicht, ob der alte Bolkonski wirklich so bösartig ist. Verschroben und skurril, aber richtig bösartig ist er zu seiner Tochter nicht. Zumindest nicht aus seiner Innensicht.

  • Diese Unterwürfigkeit und Opferbereitschaft von Rostow kann ich ja nur schwer ertragen. "Sterben für den Zar" (oder Kaiser, wie es in meiner Übersetzung andauernd heißt). Was für eine Theatralik, aber das ist bestimmt sehr charakteristisch für diese Zeit.

    Wie ich gerade an anderer Stelle schrieb, ist das für uns heutige mit unserer heutigen Einstellung nur schwer nachzuvollziehen.


    Ich bin im Lauf des Lesens auch immer mehr zu der Ansicht gelangt, dass er nicht absichtlich Maria weh tut.

    Womit Du eines meiner Probleme ansprichst: ich weiß nicht, was ich wo schreiben darf, ohne zu spoilern, da ich nicht im Kopf habe, was wo passiert ist. Mit Bolkonski ging es mir ähnlich wie Dir.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • xexos Das Problem besteht vor allem darin, daß solche Äußerungen Schlußfolgerungen auf den Handlungsfortgang geben können (beispielsweise wie sich für mich eine Figur entwickelt, welche Anti- und Sympathien sie hervorruft) - und das mögen manche ja gar nicht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")