'Das Kartengeheimnis' - Seiten 186 - 271

  • Das Kartenspiel
    Jede Karte denkt sich einen Satz aus und der Joker sortiert die Sätze zu einem sinnvollen Ganzen. Gelingt das, weil der Joker so geschickt ist oder weil die ausgedachten Sätze schon das sinnvolle Ganze (Vergangenheit und Zukunft) in sich enthalten? Zieht da wer die Strippen? Frode jedenfalls nicht.


    Der Joker sagt: Um seine Würde zu bewahren, muss man seinen Schöpfer töten. Kann man nur Würde haben, wenn man nicht von anderen geschaffen ist? Versteht man sich sonst als Marionette? Aber doch nur, wenn man keinen freien Willen hat.


    Können wir Menschen unseren Schöpfer töten? Wir können ihn verleugnen oder ignorieren, wir können aber auch die Verantwortung für uns und unsere Welt übernehmen und damit zumindest ein Bild von Gott "töten", das ihm alle Verantwortung zuschreibt.


    Auch Frode versteht mit der Zeit, dass er sterben muss, weil der Joker ihn als Schöpfer erkannt hat. Die Patience muss ihren eigenen Regeln folgen. Er muss die Kartenzwerge in die Unabhängigkeit entlassen. Auch er ist nur aus der Phantasie irgendjemandes entsprungen.


    Diese Purpurlimonade steht für alle Drogen, auch Alkohol, aber auch für andere "Süchte", wie Konsum, Werbung, verdummende Medien, Ideologien oder anderes, was die Menschen in irgendeiner Weise "zudröhnt", so dass sie nicht sehen, wer sie sind. Es scheint wichtig zu sein, einmal davon zu probieren, denn auch der Bäcker-Hans gibt Albert ein einziges Mal zu trinken.

  • Liebe made,


    durch Deine Kommentare sehe ich dieses Buch mittlerweile mit anderen Augen. Soviel Gedanken habe ich mir bisher noch gar nicht dazu gemacht.
    Dass Jostein Gaarder geniale Gedankengänge hat zeigt er ja in jedem seiner Bücher, aber mit dem Kartenspiel im "Kartengeheimnis" stellt er das gekonnt unter Beweis.


    Für mich war der Moment, als Frode seinen Enkel in die Arme schließt, sehr bewegend!
    Und nun wünschen wir, dass Hans Thomas endlich seine Mutter findet!

    Ein schönes Buch ist wie ein Schmetterling. Leicht liegt es in der Hand, entführt uns von einer Blüte zur nächsten und lässt den Himmel ahnen.( LaoTse) :flowers

  • Ich finde Gaarders Begabung wirklich bewundernswert, die innere Geschichte gleichzeitig mit der Schöpfungsgeschichte (zumindest der Idee dazu) und Hans-Thomas Leben zu verknüpfen.
    Auch die rechnerischen Seiten gefallen mir, ich mag so was (ich meine, das Jahr in ein Kartenspiel aufzuteilen, darauf muss man erst einmal kommen).


    Der Joker selber weiß leider auch nicht, wer er ist, auch wenn ihm aufgegangen ist, dass er ohne "Limonade" klarer denken kann. Er gehört trotzdem nirgendwo dazu und stellt (vielleicht gerade deswegen) alles in Frage.


    Etwas krass fand ich die Vorstellung, dass ein Vater seinen Zwölfjährigen Martinis trinken lässt. Aber auch das soll schon vorgekommen sein.


    Ich bin gespannt auf das letzte Kapitel, wie sich alles auflösen oder zusammenfügen wird.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Sehr gefreut habe ich mich übrigens nach meinem Gemecker im letzten Abschnitt-Thread, dass der Autor tatsächlich auf Seite 228 darauf eingeht und Hans-Thomas denken lässt, dass er vielleicht doch nicht alles über den Weggang seiner Mutter und ihre Gründe darüber weiß, sprich, dass der Vater ihm vermutlich einiges vorenthalten hat.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Zitat

    Original von killerbinchen
    Ich finde Gaarders Begabung wirklich bewundernswert, die innere Geschichte gleichzeitig mit der Schöpfungsgeschichte (zumindest der Idee dazu) und Hans-Thomas Leben zu verknüpfen.
    Auch die rechnerischen Seiten gefallen mir, ich mag so was (ich meine, das Jahr in ein Kartenspiel aufzuteilen, darauf muss man erst einmal kommen).


    Das gefällt mir auch so an der Geschichte.

    Zitat

    Original von killerbinchen
    Etwas krass fand ich die Vorstellung, dass ein Vater seinen Zwölfjährigen Martinis trinken lässt. Aber auch das soll schon vorgekommen sein.


    Ja, ich verstehe aber nicht, warum Gaarder das für nötig hielt. Es zeigt auf jeden Fall, dass Eltern nie perfekt sind. Und die Kinder müssen damit klarkommen. So ist das Leben.

  • Mir gefällt es, wie sich die beiden Geschichten immer mehr miteinander verweben. Und die Rechenspiele mit Karten und Kalenderjahren fand ich auch klasse. Wie gut das alles passt. Wär ich nie drauf gekommen.


    Dass Hans-Thomas 3 Martinis trinken durfte, fand ich auch krass. Das zeigt, dass der Vater den Maßstab dafür, was gut ist für seinen Sohn, hinsichtlich Alkohol verloren hat.
    Erfreulich aber, dass der Sohn selber offensichtlich ein gutes Gespür dafür hat, was bei seinem Vater schiefläuft, wie sich ja in seinem Verhalten in den folgenden Tagen deutlich zeigen wird.
    Kinder und Jugendliche sehen oft klarer als ihre Eltern. Wenn sie anfangen, ihre Ansichten laut zu äußern, nennt man das Pubertät. Dabei wäre es oft gut, mal hinzuhören und drüber nachzudenken, ob hinter den oft provokativen Äußerungen nicht ein wahrer Kern steckt.
    Wie sich das in dieser Geschichte mit Vater und Sohn gestaltet, finde ich ermutigend. Hans-Thomas provoziert nicht unnötig herum, er verhält sich sehr einfühksam und erwachsen. Und der Vater macht keinen Machtkampf daraus, das finde ich schon beachtlich.


    Zitat

    [I]Original von Made: Diese Purpurlimonade steht für alle Drogen, auch Alkohol, aber auch für andere "Süchte", wie Konsum, Werbung, verdummende Medien, Ideologien oder anderes, was die Menschen in irgendeiner Weise "zudröhnt", so dass sie nicht sehen, wer sie sind. Es scheint wichtig zu sein, einmal davon zu probieren, denn auch der Bäcker-Hans gibt Albert ein einziges Mal zu trinken.[/I]


    Das kann ich so :write. An Alkohol und Drogen hatte ich auch gedacht, aber nicht an alle andere Suchtformen. Doch made hat Recht, es ist im Grunde alles, was einen (dauerhaft) von sich selbst ablenkt und wegbringt in diesem Bild zusammengefasst.

  • Zitat

    Original von ginger ale


    Erfreulich aber, dass der Sohn selber offensichtlich ein gutes Gespür dafür hat, was bei seinem Vater schiefläuft, wie sich ja in seinem Verhalten am Tag danach deutlich zeigt.
    Kinder und Jugendliche sehen oft klarer als ihre Eltern. Wenn sie anfangen, ihre Ansichten laut zu äußern, nennt man das Pubertät.


    Man merkt tatsächlich, dass Hans-Thomas, wie er ja selbst meint, erwachsener geworden ist.

  • Die Geschichten nähern sich immer weiter an. Wie kann es sein, dass die Sätze, die am Jokerfest gesprochen werden, so direkt mit HT und seinem Vater zu tun haben - jedenfalls die letzten Sätze. Schreibt sich das Buch etwa selbst weiter und, auch wenn HT schon gesehen hat, dass es bis zum Ende geschrieben wurde, ändert sich vielleicht der Lauf der Geschichte im Buch, je nachdem wie HT und sein Vater reagieren oder Entscheidungen treffen?


    Spannend ist auf jeden Fall, wie der Seemann von der Insel und nach Dorf gelangt und ob HT und sein Vater finden, wen sie suchen.


    HTs Spleen Strassenschilder rückwärts zu lesen (ATINA - ANITA) gibt ja Hoffnung.

  • Zitat

    Original von mazian
    Schreibt sich das Buch etwa selbst weiter und, auch wenn HT schon gesehen hat, dass es bis zum Ende geschrieben wurde, ändert sich vielleicht der Lauf der Geschichte im Buch, je nachdem wie HT und sein Vater reagieren oder Entscheidungen treffen?


    Das macht mir auch Kopfzerbrechen.
    Irgendwo steht ja: alles steht in den Karten. Aber ich glaube nicht, dass Gaarder sagen will, dass alles vorherbestimmt ist. Der Vater erklärt am Anfang seinem Sohn, dass manches, was nach Schicksal aussieht, nur Zufall ist.
    Allerdings sortiert der Joker die Karten. :gruebel
    Aber kann jeder einzelne Mensch (Karte) sich seinen Text wirklich ganz allein aussuchen?


    Auf jeden Fall ist klar, dass sich Ereignisse bis weit in die Zukunft auswirken können. Somit liegt die Ursache vieler Ereignisse (auch dass Hans-Thomas' Mutter die Familie verlässt), weit in der Vergangenheit zurück.

  • Ich bin fertig. Und muss leider sagen, dass mir der Schluss zu langatmig und verworren war. Ich fand es gut, wie die beiden die Mutter/Ehefrau gefunden haben. Auch toll, wie Hand-Thomas in dem Gespräch mit ihr allein kein Blatt vor den Mund nimmt. Und Athen, die alten Tempel, das Orakel... das gefiel mir.
    Aber diese ganze Zwergen-Joker-Karten-Bäcker-Großvater-und-Generationen-Geschichte... naja. Kann man machen, muss man aber nicht. Das hat mich alles nicht wirklich berührt. Ziemliche Kopfgeburt, viel zu konstruiert.
    Ob es wirklich Jugendliche gibt, die dieses Buch lesen (bzw. gelesen haben) und es auch zu Ende lesen? :gruebel

  • Zitat

    Original von mazian
    Die Geschichten nähern sich immer weiter an. Wie kann es sein, dass die Sätze, die am Jokerfest gesprochen werden, so direkt mit HT und seinem Vater zu tun haben - jedenfalls die letzten Sätze. Schreibt sich das Buch etwa selbst weiter und, auch wenn HT schon gesehen hat, dass es bis zum Ende geschrieben wurde, ändert sich vielleicht der Lauf der Geschichte im Buch, je nachdem wie HT und sein Vater reagieren oder Entscheidungen treffen?



    Das habe ich mich auch gefragt, ob sich die Geschichte im brötchenbuch noch ändert, wenn sie es nicht utu, würde das ja quasi bedeuten, dass das Leben eines Menschen vorherbestimmt ist, ein gedanke, der mir so gar nicht gefällt.


    Ich denke, deswegen musste auch Frode, der "Schöpfer" der Kartenmenschen, sterbennur so können seine Geschöpfe einen freien Willen entwickeln, wenn sie nicht direkt mit ihrem Schöpfer zusammen leben.


    @ ginger ale


    dein letzter beitrag ist ein ganz schöner Spoiler, immerhin sind wir erst im vorletzten Abschnitt.

  • So langsam werde ich mit dem Buch warm. Wird auch Zeit, da ich es nun ja auch schon fast durch habe. Die Purpurlimonade erinnert mich auch an das Soma aus "Schöne neue Welt". Eine Droge in Form von Kleister, der alles schön werden lässt. Die philosophischen Erkenntnisse finde ich aber noch recht dünn: Ist die einzige Botschaft die, dass man seinem Bewusstsein nicht immer trauen kann, sondern die Wahrnehmung oft getrübt ist?


    Etwas unverständlich finde ich die Schlussfolgerung, dass man seinen Schöpfer töten muss, wenn man bemerkt, dass man lediglich erschaffen wurde. Oder meint das Töten einfach nur "entlarven"? Nimmt man dem Schöper dessen Zauber, wenn man hinter sein Geheimnis gekommen ist? Okay, aber was heißt das dann für unsere Realität? Der Transfer gelingt mir gerade nicht. :help

  • Zitat

    Original von xexos
    Etwas unverständlich finde ich die Schlussfolgerung, dass man seinen Schöpfer töten muss, wenn man bemerkt, dass man lediglich erschaffen wurde. Oder meint das Töten einfach nur "entlarven"?


    Ich habe mir gedacht, dass man sein bisheriges, eventuell kindliches Bild von Gott ändern muss.

    Zitat

    Original von xexos
    Nimmt man dem Schöper dessen Zauber, wenn man hinter sein Geheimnis gekommen ist? Okay, aber was heißt das dann für unsere Realität? Der Transfer gelingt mir gerade nicht. :help


    Vielleicht ist unser Schöpfer auch nur eine weitere Zwischenebene in der Hierarchie der Schöpfung, so wie Frode zwar Schöpfer der Karten, aber auch nur ein Geschöpf ist. Wir Menschen sind Geschöpfe eines Prinzips, das unser Universum geschaffen hat. Und was steht hinter dem Prinzip?