Umweg nach Hause - Jonathan Evison

  • Englischer Originaltitel: The Revised Fundamentals of Caregiving



    Klappentext
    Ben hat einen schrecklichen Schicksalsschlag hinter sich und besitzt keinen Penny mehr, als er die Pflege von Trev übernimmt, der unheilbar krank ist. Sein Vater Bob, ein hoffnungsloser Tollpatsch, sucht gleich nach der Diagnose das Weite, was ihm in der Familie natürlich keiner verzeiht. Doch Ben fühlt mit dem verstoßenen und reuigen Vater und überzeugt Trev, im Auto von Washington State nach Salt Lake City zu fahren, um ihn zu besuchen. Auf dem Weg nehmen sie die Anhalterin Dot mit und kommen an den verrücktesten Sehenswürdigkeiten vorbei. Sie gabeln eine reifen-wechselnde Schwangere auf, werden von einem Auto verfolgt, in dem ganz jemand anderes sitzt als vermutet, und lernen schließlich, dass man sich irgendwann seinen Problemen stellen muss. Ein bewegender Roman voller skurriler Situations-komik, der glücklich macht.



    Der Autor
    Jonathan Evison, 1968 in San Jose, Kalifornien, geboren, wurde mit seinem Roman »Alles über Lulu« bekannt, für den erden Washington State Book Award erhielt. »Umweg nach Hause« ist sein neuer Roman.








    "Umweg nach Hause" ist ein phantastisches Buch. Phantastisch nicht in dem Sinne, das es phantastisch gut wäre, sondern das es eine phantastische, sprich unwirkliche Geschichte erzählt.


    Ben hat durch einen schlimmen Unfall seine beiden Kinder verloren. In Folge dessen hat ihn seine Frau verlassen, die mit dem tragischen Verlust besser umgehen kann. Ben hat sich arrangiert, aber eigentlich ist er ohne seine Familie ein Versager. Er hatte schon in seiner Ehe keinen richtigen Job, seine Frau war die Ernährerin. Daran ist ja nichts auszusetzen. Aber im Grunde fühlt es sich deswegen elend. Und er fühlt sich natürlich an dem Tod seiner Kinder schuldig.


    Einer seiner Jobs bringt in zu Trev, der an einer Muskelschwäche leidet und im Rollstuhl sitzt.Irgendwie brechen die beiden dann zu einem Roadtrip auf. Dabei lesen sie eine Anhalterin auf und treffen auf ein hochschwangeres Mädchen und ihren Freund. Alle landen bei Ben und Trev im Auto. So fahren sie quer durch die USA.


    Der Klappentext verspricht diesen Roadtrip zu verrückten Sehenswürdigkeiten, wie z.B.das größte Loch oder Etagentoiletten. Der Trip beginnt aber erst nach ca. der Hälfte des Buches. Die Sehenswürdigkeiten, die vorher schon ein Thema waren, da Trev diese Dinge an einer Landkarte zu kartographieren pflegte, werden nur im Vorbeifahren abgehandelt. Das Buch verspricht da mehr als es hält. Im Grunde geht es um eine handvoll Egoisten, die um ihren eigenen Bauchnabel kreisen und nur so langsam irgendwie merken, das es andere Menschen gibt, die ebenfalls Probleme haben. Jeder einzelne suhlt sich in seinem Elend. So abstrakt die Figuren auch sind, diese Erkenntnis ist eine der wenigen wahren in dem Buch. Überhaupt ist dies ein merkwürdiges Buch. Es erzählt irgendwie eine wahllose Geschichte mit merkwürdigen Figuren. So etwas passiert nicht in real. Was das Buch dann zu einem Durchmarsch macht ist der lockere Erzählstil Der Autor kann wirklich gut schreiben. Er ist zugleich witzig und doch tiefgründig. Die Story ist auch OK, wenn sie auch über die ganze Zeit doch sehr konstruiert und unwirklich erscheint. So liest sich dieses Buch flott weg, ist aber eigentlich totales Zuckerwerk. Es ist gefällig und leicht zu konsumieren, hier und da ist ein guter und tiefgründiger Gedanke. Ein Feel-Good-Buch. Im Grunde erzählt es aber traurige Geschichten. Aber da es so absolut amerikanisch, so weltfremd und seltsam ist, packt es dann doch nicht wirklich. Die meisten Figuren nerven zudem. Ben ist nur weinerlich und absolut Ich-bezogen. Sogar seine Kinder nerven in den Rückblenden. Dot nervt. Trev nervt (jedenfalls zu beginn). Alle nerven irgendwie.


    "Umweg nach Hause" ist vorgeschobene Tiefgründigkeit, die nett unterhält, aber absolut nicht realitätsnah ist. Man kann dieses Buch durchaus als tiefgreifendes, trauriges Buch begreifen. Der Kernpunkt ist durchaus zu erkennen. Trotzdem hat mich das Buch nicht wirklich berührt (außer bei dem schrecklichen Unfall von Bens Kindern). Vielleicht liegt mir auch die lockere Art nicht, mit der hier mit den Tragödien umgegangen wird. Mir erschien es etwas zu gewollt. Trotzdem mochte ich den Schreibstil des Autors sehr. Somit bin ich etwas hin und her gerissen und bleibe deswegen bei der Punktevergabe in der Mitte.

  • Vom Festhalten und Loslassen


    Inhalt:
    Der 40-jährige Ben ist psychisch und finanziell am Ende. Nach einem schweren Schicksalsschlag hat ihn seine Frau Janet verlassen und will die Scheidung. Ben hat nichts gelernt, war „nur“ Hausmann und Vater. Nun steht er vor dem Nichts. Er besucht einen Kurs für häusliche Pflege und lernt so den 19-jährigen Trevor kennen, der bei seiner Mutter lebt. Trevor sitzt im Rollstuhl, er leidet an Muskeldystrophie Duchenne. Wenn er schon sein eigenes Leben nicht auf die Reihe kriegt, versucht Ben wenigstens, Trevor ein bisschen zu unterstützen und aufzumuntern.


    Meine Meinung:
    Jonathan Evison hat einen wirklich tollen Erzählstil. Er ist sehr locker, aber tiefgründig. Mir gefällt, dass Ben hier als Ich-Erzähler fungiert. Es kommt einem so vor, als würde er sich direkt an den Leser wenden. Man bekommt seine ganzen Gedanken und Gefühle gut mit. Das ist wirklich klasse gemacht. Ich mag die Ironie und den Sarkasmus, mit dem er erzählt. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, direkt neben ihm zu stehen bzw. mit ihm im Auto zu sitzen.


    Ben war mir von Anfang an sehr sympathisch. Er hat Fehler gemacht und weiß das auch. Gerade deswegen leidet er so sehr unter der Situation. Er macht sich Vorwürfe und verzweifelt schier daran. Und doch gibt er nie auf, kämpft um das, was von seinem Leben noch übrig ist - auch mit recht skurrilen Methoden.


    Erst durch die eingeschobenen Rückblenden wird immer deutlicher, was in Bens Leben schiefgelaufen ist. So sieht man die Katastrophe kommen, obwohl sie schon längst passiert ist. Man möchte eingreifen, Ben zurufen - aber es hilft ja nichts, das Schreckliche ist ja schon geschehen.


    Auch bei Trev läuft es nicht so toll. Sein Vater hat die Familie vor vielen Jahren verlassen. Etwa ab der Mitte des Buches beginnt dann der im Klappentext erwähnte Roadtrip. Ben und Trev machen sich auf den Weg zu Trevors Vater quer durch die USA. Sie gabeln verschiedene junge Leute auf, wodurch die Reisegruppe sehr bunt wird. Jeder ist ganz besonders und man könnte sicher über jede Figur ein eigenes Buch schreiben. Es ist schön zu lesen, wie diese fremden Menschen füreinander da sind. Das gibt einem Hoffnung. Am Schluss wird jeder einen Schritt weitergekommen sein und etwas für sein weiteres Leben mitgenommen haben.


    Fazit:
    „Umweg nach Hause“ ist ein warmherziger, feinfühliger und locker zu lesender Roman, den ich gerne weiterempfehle. Der Grundtenor ist eher melancholisch, doch gibt es auch viele Momente des Glücks und der Hoffnung.


    Von mir gibt es die volle Punktzahl :-)

  • Nach der Enttäuschung mit „Der Tod fährt Audi“ habe ich mich einem weieren Roadtrip-Roman etwas skeptisch genähert, aber Jonathan Evison hat gehalten, was ich mir von Kristian Bang Foss versprochen hatte.


    Dieser Autor kann wirklich mitreißend erzählen.


    Benjamin Benjamin (die Doppelung von Vor- und Nachnamen fand ich weniger originell) steht vor den Trümmern seines Lebens, dessen Glück ihm nun erst wirklich bewusst wird, da er es unwiederbringlich verloren hat. Die Geschichte wird aus seiner Perspektive erzählt und in einigen Kapiteln blickt er zurück in die Zeit vor der „Katastrophe“. Auch wenn nicht alles eitel Sonnenschein war in seinem Leben als Hausmann, spürt man doch in jedem Satz die Liebe zu seiner Frau und den beiden kleinen Kindern. Man ahnt, wodurch diese Familie zerstört wurde, und von Kapitel zu Kapitel graute mir mehr vor dem Moment, in dem Ben das Unglück offen aussprechen würde.


    Die Geschichte beginnt mit Bens Bewerbung um einen Pflegejob bei Trevor, der erst 19 Jahre alt ist und an einer brutalen Krankheit leidet – unheilbarem Muskelschwund in fortgeschrittenem Stadium. Trevors Vater hat seine Frau und den kranken Sohn vor Jahren verlassen. Sie haben ihm das nie verziehen und in der Folge all seine hilflosen Bemühungen um Wiedergutmachung abgeblockt. Als der Vater eines Tages nach einem Unfall selbst im Rollstuhl sitzt, beschließt Trevor mit Benjamin zu ihm nach Salt Lake City zu fahren. Trotz Trevors zunehmender Behinderung machen sich die beiden auf den Weg, vielleicht aber auch gerade deswegen, denn allzu viel Zeit wird ihm nicht mehr bleiben.


    Bizarre und skurrile Situationen pflastern ihren Weg, oft nicht besonders realistisch, aber durchaus unterhaltsam.


    Die reinen Reisebeschreibungen haben mich weniger interessiert, aber so weit ich das beurteilen kann, waren auch diese wirklich gut. Jonathan Evison sieht sehr genau hin und bietet einen illusionslosen Blick auf das Amerika der weniger vom Glück Begünstigten. Emotionale Szenen ohne viele Worte, das hat er wirklich drauf. Sein lakonischer Erzählstil lässt die Schicksale seiner Figuren erträglich wirken – und berührt doch so viel mehr als pathetische Weitschweifigkeit. Ironischer Humor und reichlich Situationskomik zaubern häufig ein Grinsen oder ein Lächeln in das Gesicht der Leser und verleihen diesem Roman eine verblüffende Leichtigkeit.


    Das Ende bleibt relativ offen, doch ich hatte das Gefühl, jede der Figuren hat sich auf dieser Reise entwickelt und etwas für die Zukunft mitnehmen können.


    8 Punkte für einen Roman, der mich in erster Linie durch seinen Erzählstil überzeugt hat.

  • REZI ZUM HÖRBUCH:


    Ben hat sich um Kinder und Heim gekümmert. Seine Frau hat das Geld verdient. Seit ihrer Trennung ist er in einem ziemlich großen finanziellen Engpass. Um überleben zu können ist ihm jeder Job recht, auch wenn er dafür einen Crashkurs in häuslicher Pflege machen muss und sich um einen kranken, pubertierenden Sechzehnjährigen kümmern muss, der im Rollstuhl sitzt.


    Trevors Lebenszeit ist begrenzt. Von alldem, was er einmal erleben wollte, konnte er bisher nichts umsetzen. Als sein Vater Trevor einlädt ihn zu besuchen, geht er gemeinsam mit Ben auf eine Reise quer durch die USA. Ein aufregender Roadtrip beginnt.


    Auf ihrer Reise begegnen sie weiteren Menschen, die wegrennen vor ihrer derzeitigen Situation, vor Menschen, denen sie am Herzen liegen, denen es aber einfach nicht gelingt dies angemessen zu zeigen. So wie es Trevors Vater bisher auch nicht gelungen ist seinem Sohn die Zuneigung zu offenbaren, die er sich immer gewünscht hat.


    Gesprochen wird das Hörbuch von Bjarne Mädel, bekannt aus der Serie "Stromberg" und etabliert als Hörbuchsprecher, Komiker und Poet. Jedes Mal, wenn ich ein Interview mit ihm sehe, bin ich wieder neu begeistert von seinem Humor. Seine trockene, klare und ein wenig sarkastische Art ist für Ben geradezu maßgeschneidert. Ich könnte mir keinen besseren Sprecher für dieses wunderbare Hörbuch vorstellen.


    Jonathan Evison konnte mich mit seiner Geschichte definitiv überzeugen. Liebevoll gestalte Protagonisten erwärmen Lesern und Hörern das Herz. Sie auf ihrer Reise zu begleiten ist eine wahre Freude, die zum Lachen bringt, aber auch sehr berührt, denn nicht nur Trevor trägt ein hartes Schicksal, sondern auch der sympathsiche Ben, der schon kurz davor war den Kopf in den Sand zu stecken und auf der Reise eine ganz neue Seite an sich entdeckt.


    "Umweg nach Hause" ist ein Roman mit ganz viel Herz. Eine Geschichte, die ich problemlos jedem empfehlen würde.

  • „Umweg nach Hause“ von Jonathan Evison


    Aufmachung des Buches:
    Das Buchcover ist für mich etwas neues, da sich alles (Autor, Titel, -bild, Verlag) in der unteren Hälfte befindet. Aber genau dadurch fällt es schon mal auf. Dann ist da noch die Farbe des Schutzumschlages – kräftig blau. Das Buch selbst ist weiß und hat das Cover als kleine Motive in einer Art Linie rundum. Da hat sich jemand wirklich Gedanken und Mühe gemacht. 
    Auf der Buchinnenseite werden die Mitfahrer des kleinen Roadtrips zusammen mit „Schattenprofilen“ von ihnen kurz vorgestellt. Klasse Idee.


    Inhalt des Buches:
    Es geht um den arbeitslosen, getrennt lebenden und kurz vor der Pleite stehenden Benjamin, auch Ben genannt. Um wieder etwas Sinnvolles in seinem Leben zu machen, belegt Ben Kurse zum Thema „häusliche Pflege“ etc. und bewirbt sich um einen Job bei Trevor, einem unheilbar kranken Teenager. Trev lebt zusammen mit seiner Mutter Elsa und hat ein sehr „strukturiertes“ Leben. Er erlebt kaum Neues oder Spontanes. Ben würde das gerne ändern, jedoch ohne Trev damit zu überrumpeln. Der Vater von Trevor hat ihn und seine Mutter verlassen, kurz nachdem die Diagnose „Muskeldystrophie vom Typ Duchenne“ bei seinem Sohn festgestellt worden ist.
    Ben selbst hat auch mit seiner Vergangenheit als (ehemaliger) Vater und Noch-Ehemann zu kämpfen. Diese Geschichte wird zwischendurch erzählt und geht einem sehr nahe.
    Eines Tages möchte Trev seinen Vater in Salt Lake City besuchen, zum Leidwesen seiner Mutter. Sie glaubt, Ben habe ihren Sohn dazu überredet. Auf ihrem Roadtrip nach Utah treffen Sie die Anhalterin Dot, eine reifenwechselnde Schwangere und Elton. Auch glauben sie verfolgt zu werden, jedoch von wem? Ist es der Scheidungsanwalt von Bens Frau? Oder doch eher Dots Versager-Vater?


    Fazit:
    Ich muss zugeben, dass mein erster Gedanke zu dem Buch war „Hm, klingt ein wenig nach 'ein ganzes halbes Jahr' von Jojo Moyes“. Auch wenn die Geschichte ganz anders ist, so kommt sie doch genauso gefühlvoll und auch witzig rüber. Es ist wirklich ein sehr schönes und außergewöhnliches Buch.

  • Ich habe dieses Buch auch gerade als Hörbuch gehört und muss sagen, dass es mir sogar noch besser gefallen hat als Ein ganzes halbes Jahr. Die Mischung aus Umgang mit Schicksalsschlägen und Situationskomik hat mich sehr bewegt.


    Mein einziges Problem war - und da kann der Autor nichts dafür - dass ich beim Hören durch den Sprecher Bjarne Mädel den Protagonisten immer als Tatortreiniger Schotty vor Augen hatte. Wobei das nicht mal ganz unpassend war. :lache


    Den Autor werde ich auf jeden Fall weiter beobachten.