Die Stadt der schweigenden Berge - Carmen Lobato

  • Carmen Lobato "Die Stadt der schweigenden Berge"


    Knaur Verlag, erschienen Februar 2015




    Hattusa….die verloren geglaubte Hauptstadt des Hethitischen Großreiches, wiederentdeckt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hattusa….der Dreh- u. Angelpunkt dieser Geschichte, ist deren Beginn und Ende zugleich.


    Das Leben der Studentin Amarna im Berlin der 1930er Jahre besteht, von Kindesbeinen an, einzig und allein aus Archäologie. Aufgewachsen zwischen alten Schriftrollen und Karten ihres Archäologenvaters Tilman, teilt sie seine idealistische Auffassung am Entdecken längst verschwunden geglaubter Kulturen.


    Für Recherchearbeiten zu ihrer Magisterarbeit vergräbt sie sich in Entzifferungen von uralten Sprachen auf Tontafeln. Zur Seite stehen ihr dabei ihr Studienfreund Paul, der so gern mehr Platz in Amarnas Leben einnehmen würde, und ihr Mentor und väterlicher Freund Prof. Merten Schobert.


    Amarnas behütete bürgerliche Welt gerät ins Wanken, als sie in den Katakomben der Museumsinsel Berlins auf einen Fremden trifft. Sie spürt instinktiv, dass mehr hinter dieser zufälligen Begegnung steckt. Ein belauschtes Gespräch zwischen Merten und ihrem Vater verstärkt den Eindruck noch, Erinnerungen an ein vergangenes Leben finden den Weg zurück ins Bewusstsein. Gibt es gar eine Erklärung für die ruhelosen Alpträume, die Amarna seit Kindertagen quälen?


    Die folgenschwere Forschungsreise ins anatolische Hochland wird zu einer Reise ins innere Selbst Amarnas, jahrelang „gesammelte“ Puzzlestücke ergeben plötzlich ein Bild.


    Als Leser begleitet man Amarna auf ihrer Suche. Man staunt, fühlt, lacht und weint mit ihr. Intensiviert werden die Geschehnisse durch Sequenzen aus dem antiken Hattusa des 13.Jh. v.Chr. Man spürt förmlich das Geheimnisvolle und Sagenumwobene dieses Ortes. Sprachlich umrahmt werden die Buchabschnitte vom Gilgamesch Epos, einer der ältesten erhaltenen Dichtungen.


    Die Autorin schlägt einen weiten Spannungsbogen von der Antike bis in die Neuzeit. Selbst "Randnotizen", wie die Auswirkungen des Zerfalls des Osmanisches Reiches nach Ende des 1. Weltkrieges, haben es in sich und stimmen einen zutiefst nachdenklich.


    Ein sehr empfehlenswerter (Archäologie)Roman, historisch exzellent recherchiert und unglaublich gefühlvoll geschrieben.

  • Ich finde, das ist gar keine Rezension.
    Ich finde, das ist ein Kunstwerk (wobei Rezensionen das ja durchaus mal ganz regelmaessig waren).


    So so touched, christabel.


    Danke.
    Charlie und Hatti

  • Ach Charlie.... wer so wunderschöne Geschichten erzählen kann, hat eigentlich noch viel mehr verdient. Aber, ehrlich gesagt, fehlen sie mir etwas.... die Worte. Ich würde es am Liebsten noch viel viel schöner u. intensiver schreiben, aber ich kann's einfach nicht so ausdrücken wie ich es möchte bzw. empfinde.


    Das habe ich lange bei keinem Buch gehabt, das letzte Mal vor Jahren bei 'Wuthering Heights' glaube ich....

  • Also wenn's nach mir geht - mir fehlt kein einziges Wort.
    Mir geht's nah. Ich lese es mir durch und in mir huepft's und denkt: Das ist mein Buch, das damit gemeint ist, mit diesen schoenen Worten, meins meins meins!
    Ich habe es gerade gedruckt und zeige es im Haus rum. (Nur Schwager und Kollegin sind da, Sohn und Mann werden an der Tuer ueberfallen.)


    Das ist das Gegenteil vom morgendlichen Blick in den Spiegel: Man wacht nach einer gluecklichen Nacht auf und denkt: Ich bin eine schoene, begehrte Frau mit schwarzbraunem Haar, leicht ins Nussige getoenter und dafuer ueberraschend hellen Augen ... und aus dem Spiegel entgegen glotzt dir ein bleiches, zerknittertes Gespenst mit grauem Gewurschtel um den Kopp und neblig verhangenem Blick ...


    Meine Hatti ist das erste Buch von mir, mit dem ich morgens aufgewacht bin und gedacht habe: Ich glaub, ich hab ein schoenes Buch geschrieben. Vor den Rezensionen hab ich ein bisschen Angst, weil ich inzwischen ja den Blick in den Spiegel kenne. Aber wenn ich Deine lese, denk' ich: Du, ich glaub, das Buch, da solchen Text abbekommt, ist ziemlich schoen.


    Danke.


    Alles Liebe von Charlie
    (Ich trau's mich kaum zu sagen, aber das ist das allereste Mal seit dem Studium, dass ich traurig bin, kein ganz grosser Fan von Wuthering Heights zu sein. Das liegt aber an mir. Ist literarisch einfach keine Epoche, mit der ich gut kann.)

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Expedition in eine unbekannte Welt...


    Ihr habt mal richtig Lust in ein Buch einzutauchen und alles um euch herum zu vergessen? Ihr wollt fremde Kulturen und starke Protagonisten kennenlernen? Dann bleibt euch nichts anderes übrig als zu diesem zauberhaften Buch zu greifen.


    In "Die Stadt der schweigenden Berge" begibt sich der Leser zusammen mit der jungen Amarna auf Reisen, um die Kultur der Hethiter zu entdecken. Doch dabei entdeckt man schnell so viel mehr, denn Amarnas Familienleben wird durch ein Geheimnis bestimmt, das dringend gelüftet gehört.


    Carmen Lobato hat es auf Anhieb geschafft mich mit diesem Buch zu fesseln, denn es hat alles was ein guter historischer Roman braucht: glaubwürdige Charaktere, mit denen man mitfühlen und leiden kann, Geheimnisse, eine fremde Kultur, die zu verzaubern weiß und viel Wissen, so dass man nicht nur gut unterhalten wird, sondern auch noch etwas dazu lernt.


    Zudem verwebt die Autorin gekonnt die Hauptgeschichte noch mit einer Handlung aus längst vergangener Zeit, was zusätzlich für Zauber sorgt.


    Frau Lobato hat einen unglaublich fesselnden Schreibstil. Man sieht die Geschichte wie einen Film vor sich ablaufen und kann sich als Leser alles sehr gut bildlich vorstellen.


    Ganz besonders hat sie mein Herz mit der Figur des Arman erreicht, dessen Schicksal mich so sehr bewegt hat, dass ich immer wieder an ihn denken muss, obwohl die Lektüre schon ein Weilchen her ist.


    Fazit: Für mich ganz klar ein Stern am Himmel der historischen Romane. Ich kann nur meine absolute Leseempfehlung aussprechen und warte zudem sehnsüchtig auf die Fortsetzung...


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten, genial und absolutes Must- Read 2015

  • Amarna Brandstätter. Kein ganz alltäglicher Name im Berlin von 1930 (gut, das wäre auch heutzutage kein ganz alltäglicher Name :lache). Geschuldet ist er ihrem Vater, der ein berühmter Archäologe war, bevor er sich aus ihr nicht genau bekannten Gründen zurückzog. Was mit ihrer Mutter ist weiß sie nicht, nur dass sie starb, als sie noch klein war. Auf Nachfragen reagiert der Vater verstört und abweisend, und so hat sie es sich abgewöhnt. Doch die Archäologie liegt ihr im Blut und so ist es für sie ganz selbstverständlich, dass auch sie studiert und sich insbesondere in die Geschichte von Gilgamesch, dem legendären König von Uruk, und seinem Gefährten, dem wilden Enkidu, verliebt.


    Bei Nachforschungen für ihre Magisterarbeit begegnet sie nachts im Museum einem Fremden, den sie für einen Dieb hält und dessen Schönheit sie vollkommen verwirrt. Er ist anders, als ihr zivilisierter, gesitteter Verlobter Paul, der sich aus einem armen kleinbürgerlichen Haushalt nach oben gearbeitet hat und darauf sehr stolz ist.
    Durch Zufall erfährt Amarna einen Teil der Dinge, die ihr Vater ihr seit Jahren verschweigt und enttäuscht und verletzt, begibt sie sich gegen den Willen ihres Vaters mit Paul auf die Reise nach Istanbul, wo sie versuchen will einen Forscher zu überzeugen, sie mitzunehmen auf die nächste Expedition in das legendäre Hattusa, Hauptstadt des Hethitischen Reiches. Dort trifft sie auch den Mann aus Berlin wieder, der ihr fremd und doch ebenso vertraut ist. Der sie fasziniert und doch mit seiner aufreizenden Art wütend macht. Auch seine Vergangenheit ist durch tragische Ereignisse geprägt, die viele bis heute leugnen...


    Auf einer zweiten zeitlichen Ebene, in den „Nebeln der Vergangenheit“, erfährt man etwas über die Geschichte des Hethitischen Königs Hattusili (am Bekanntesten für seinen Friedensvertrag mit Ramses II.), seiner Frau Puduhepa und seinem Bruder Urhi-Tesub, Großkönig des Hethitischen Reiches.


    Dieses Buch als schlichten Liebesroman abzutun wäre nicht nur falsch sondern auch ungerecht. Es steckt sehr viel mehr darin, was mich persönlich z.B. auch dazu gebracht hat, mich mit Themen zu beschäftigen, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte, und somit einen weiteren weißen Fleck auf meiner historischen Wissenslandkarte beseitigte. Auf empfindsame, nicht voyeuristische Weise wird dem Leser u.a. auch von einem Völkermord berichtet, der einen Schatten auf künftige Ereignisse der deutschen Geschichte vorauswirft.
    Die Begeisterung für die Archäologie und ihre versunkenen Stätten kam für mich auch sehr lebhaft vor. Welche Geschichten und Dramen schlummern wohl noch, sei es vor Ort bei den Ausgrabungsstätten oder in einem noch unerschlossenen Magazin eines Museums?


    Carmen (bzw. natürlich Charlie) hat es sich mit ihren Figuren wieder nicht leicht gemacht und so begegnen uns auf den Seiten des Romans nicht nur liebenswerte Persönlichkeiten sondern auch sture, stolze, gewalttätige und schwache. Menschen eben. Nicht jeder ist zum Helden geschaffen, und gute Taten wiegen nicht immer die schlechten auf. Letzten Endes sind sie konsequent und ihrem Charakter treu, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht immer ganz nachvollziehen kann. Aber ich persönlich mag gerade das sehr gerne an Charlies Romanen: Dass ich mich mit ihren Figuren auseinandersetzen muss. Ich muss mir meine eigenen Gedanken machen, mich fragen warum Entscheidungen und Sichtweisen so ganz anders sind, als meine eigenen. Nicht nur wegen kulturellem oder historisch anderem Hintergrund, sondern eben weil Menschen anders sind.


    Ich habe dieses Buch wieder sehr gerne gelesen, weil es mich was die Figuren angeht nicht enttäuscht hat, weil es ein Thema ist, das mich persönlich schon immer sehr angesprochen hat, weil die präsentierten historischen Ereignisse wie üblich hochwertig recherchiert waren und weil die Energie und Liebe der Autorin zu ihrem Stoff auf jeder Seite spürbar war.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Nicht jeder ist zum Helden geschaffen, und gute Taten wiegen nicht immer die schlechten auf.


    Was fuer ein grandioser Satz.
    Ja, ich glaub, ich wollte sehr gern, dass mein Buch davon handelt.
    Und dass Du meinen (ersten) Versuch ueber das Thema nicht voyeuristisch findest, erleichtert mich sehr - auch wenn mir als Fazit aus den Leserreaktionen vor allem bleibt, dass er zu zaghaft ist, dass ich da deutlich kuehner ran muss.


    nicigirl, ich bedanke mich sehr laut fuer deine reizenden Worte zu meinem Primo uomo. Ich finde mich selbst leicht peinlich und stark zum Totlachen, strahle aber wie Tante Frieda und moecht' dich glatt zum Kaffee einladen. (Nee, ganz so vertantert bin ich dann doch noch nicht. Bei mir gibt's was Staerkeres! Versprochen. Mit meinem Primo uomo war's hier knapp zwei Jahre lang aufregend, scharf und neu. Das ist mehr wert als schaukelnde Milchkaennchen.)


    Vielen Dank, nicigirl und Paradise.
    Koennt Ihr mir bitte einfach glauben, dass ich mich riesig ueber Eure Rezensionen gefreut habe, damit ich nicht ein weiteres Komplettposting mit Kirchenliedvokabeln zuschmeisse, die am Ende doch nicht ausreichen?
    Ich habe mich SEHR SEHR SEHR gefreut.


    Es war wundervoll, Euch dabeizuhaben, und ich werde diese Runde grauslig vermissen.


    Danke!
    Charlie

  • Nachdem ich lange geraucht habe um die richtigen Worte zu finden, hier meine Rezi:


    Die Reise nach Hattusa


    Carmen Lobato nimmt uns in diesem Buch mit auf eine Reise nach Hattusa und zwar gleich auf mehreren Zeitebenen.


    Einmal begleiten wir Amarna, Studentin der Archäologie aus Leidenschaft, die versucht die Lücken in ihrem Gedächtnis zu füllen, denn sie weiß nicht was vor ihrer Einschulung in ihrem Leben passiert ist. Begleitet wird sie von Paul, der ihr die Reise erst ermöglicht, nachdem ihr Vater ihr diese strikt verweigert.


    Auf der anderen Seite ist es auch eine Reise in die Vergangenheit. Einmal in die nahe Vergangenheit, ins Jahr 1912, zur ersten Ausgrabung in Hattusa unter Hugo Winckler und einmal in die ferne Vergangenheit dieser Stadt in den schweigenden Bergen.
    Am Ende schafft es Carmen Lobato diese Reisen zu einem gelungenen Ende zu führen und miteinander zu verknüpfen.


    Mir sind die Hauptpersonen Amarna und Arman ans Herz gewachsen. Jeder hat mit den Widrigkeiten und jeder kämpft auf seine Art damit. Das trifft auch auf die anderen Personen zu und manchmal möchte man sie alle mal schütteln und ihnen zurufen Macht doch mal den Mund auf!
    Aber das hätte uns ja um das Vergnügen gebracht sie auf ihrer Reise nach Hattusa zu begleiten.


    Carmen Lobato schafft es die Atmosphäre in Berlin, Istanbul und auf der Reise durch die Türkei am Beginn der 30 Jahre des letzten Jahrhunderts so zu schildern, dass man das Gefühl hat den Personen direkt über die Schulter zu schauen. Die Schatten der Vergangenheit und auch die der Zukunft schildert sie sehr einfühlsam. Das Thema des Genozids an den Armeniern wird so beschrieben, dass alles klar ist, aber die Bilder im Kopf nicht zu konkret werden. Das was man erfährt ist schon schlimm genug.


    Mich hat das Buch mal wieder zum was wäre wenn denken angeregt: Wäre der Genozid an den Armeniern nicht von der Weltgemeinschaft so totgeschwiegen worden, hätte Hitler dann vielleicht nicht so mit den Juden umspringen können?


    Ich fand das Buch großartig, spricht es doch viele interessante Punkte in der Geschichte an und macht Lust auf eine weitergehende Recherche. Und auf den Nachfolgeband sowieso.


    Und die Leserunde dazu, war die beste Leserunde die ich seit langem hatte :wave Danke Charlie dafür!

  • Zitat

    Original von streifi



    Mich hat das Buch mal wieder zum was wäre wenn denken angeregt: Wäre der Genozid an den Armeniern nicht von der Weltgemeinschaft so totgeschwiegen worden, hätte Hitler dann vielleicht nicht so mit den Juden umspringen können?


    Danke, streifi.


    Dafuer hab ich's geschrieben. Und dafuer schreib ich noch eins und geb's am am 25. April.


    Danke.


    Die Leserunde ist das absolute Highlight meines Lebens als Romanveroeffentlicher. Nach einer Eroeffnung, bei der ich dachte: Nee, das halt ich nicht aus, ich haeng hier entschieden zu weit aus dem Fenster, und mit dem, was die da schmeissen - treffen die ja MICH.
    Mach ich auch nicht nochmal, dazu bin ich in meinem Alter zu nah am Herzinfarkt, und solch'n Buch, das so geradewegs auf mir gebaut ist, dass ich nicht weis, wo hoert'n das Buch auf und wo fang ich an, das schreib ich ja auch nicht nochmal (Teil Zwei zaehlt nicht, der gehoert dazu). Aber das einmal gemacht zu haben und dann mit Leuten zu sabbeln, die sich tatsaechlich drauf einlassen, auch wenn's sicher nicht ganz einfach war - das war grandios.
    Dafuer darf nur ich mich bedanken, ja? Ihr nicht.


    Ihr seid spitze.


    Alles Liebe von Charlie

  • In dem Buch steckt weit mehr, als ich auf den ersten Blick vermutet hätte. Neben der Bekanntschaft mit dem mir weitgehend unbekannten Volk der Hethiter und ihrer untergegangenen Hauptstadt Hattusa wird auch das Verbrechen an den Armeniern thematisiert. Zusammengehalten wird diese Themenvielfalt von der ungewöhnlichen Suche einer jungen Archäologin im Jahr 1931 nach ihren Wurzeln und den verborgenen Geheimnissen in Hattusa. Dabei fehlt auch eine ganz besondere Liebesgeschichte nicht. Klingt verwirrend, ist es aber nicht, da die Fäden dieser komplexen Handlung sehr fein und sehr behutsam ineinander gewebt wurden.


    So ließ sich der Roman angenehm lesen und es hat mir Spaß gemacht, auf nahezu jeder Seite etwas Neues zu erfahren. Er liest sich äußerst kurzweilig, spart aber auch historisch und fiktiv Gewalttaten nicht aus, wobei es trotzdem ein Buch mit einer angenehm positiven Grundstimmung bleibt.


    Zitat

    Original von Saiya
    Diese Begeisterung sprang auch auf mich als Leserin sofort über. Ich habe lange schon kein Buch mehr gelesen, bei dem ich selbst so viel nebenher recherchiert habe, einfach weil es Lust darauf macht, mehr wissen zu wollen.


    Das kann ich so nur unterschreiben! Neben dem Bekanntwerden mit einer nahezu vergessenen Kultur hat mir am besten die sehr differenzierte Personenzeichnung gefallen. Mehrere sehr komplexe Figuren stehen hier nebeneinander, die alle nachvollziehbar und menschlich reagieren. Es gibt keine Schwarz/Weiß-Einteilung, sondern nur sehr viele Grauschattierungen. Das mag ich, denn es bietet Stoff zum Nachdenken und ist realistisch.


    Dieses sehr ausführliche Eingehen auf unterschiedliche Personen verlangt immer wieder einen Perspektivwechsel. Und hier liegt für mich der einzige Knackpunkt, denn dabei kam die eigentliche Hauptperson, Amarna, öfter zu kurz. Immer wieder war sie nur Statist, was ich schade fand. So konnte ich mich zu wenig mit ihr und ihrer Person auseinandersetzen, um eine engere Bindung zu ihr aufzubauen.


    Fazit: Ich habe lange überlegt, ob ich dem Buch wegen seiner differenzierten Personenzeichnung und dem interessanten Setting 9 Punkte oder doch wegen der fehlenden Bindungsmöglichkeit mit der Hauptfigur 8 Punkte geben soll. Aufgrund des überzeugenden und spannenden Schlusses habe ich mich letztlich für 9 Punkte entschieden. Ein empfehlenswertes Buch!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ach Lese-Rina. Nun weiss Quatschtantchen ja schon wieder nicht, wat se sagen soll.
    Danke.
    Das schafftse noch.


    Ich hab diesem Buch so viel gegeben. Nicht Zeit, nicht Energie, das gibt man den Dingen, an denen man intensiv arbeitet, ja sowieso.
    Aber diesem hab ich so viel von dem gegeben, was sich in meinem halben Jahrhundert gesammelt hat.
    Eine Haelfte von mir hat gedacht: Das ist ein Geschenk an die Leser, und das ist ziemlich grosszuegig.
    Und die andere Haelfte von mir hat gedacht: Das ist eine Zumutung fuer die Leser, und sowat kann ooch nur Dir einfallen.


    Anyway.
    Im Endeffekt ist ein Buch ein Produkt und kein Liebesbrief, und wenn's Leser erwischt, die's um und um drehen und sich drauf einlassen, dann hat es verdammt viel Glueck.


    Dieses hatte verdammt viel Glueck, und dafuer bedankt sich sein Autor. Wenn es etwas gibt, womit ich mich revanchieren kann, wuerde ich mich sehr freuen, und das meine ich ernst. So wie's mir bei diesem Buch mehr wehgetan hat, wenn's einer zur Seite gewischt hat, als es einem wehtun sollte, hat's mir auch viel mehr Rueckenwind verpasst, wenn einer sich da reingekniet hat "wie bei einem richtigen Buch".


    Dabei lass ich's jetzt, gell? Sonst ist hier wieder alles voll mit Pathos, das unecht klingt oder wie ein misslungener Werbegag.


    Danke.


    Ganz doll interessant auch Deine Kritik zu Amarna. Ich hab ja mit meinen Frauenfiguren grundsaetzlich diese Null-Bezugs-Probleme (nur gerade mit dieser nicht, haha ...), weshalb ich darueber noch eine ganze Weile nachdenken werde. Auf die Idee, dass es an den Perspektivwechseln liegt, bin ich noch nie gekommen (ich denk ja immer, das liegt daran, dass ich vier Brueder, aber keine Schwester hab und damit nicht genug weibliches Anschauungsmaterial in der Praegephase hatte ... bei uns wimmelte es halt vor Maennlichkeit) - und freu mich darauf, das zu pruefen!


    Das ist richtig toll.


    Ich freu mich. Und ich les Dich auf alle Faelle wieder. Wenn nicht in meiner Ararat-Runde, dann stalk ich Dich halt hemmungslos in anderen.


    Herzlich,
    Charlie

  • Nach den ganzen netten und guten Rezensionen, tut es mir fast Leid, meinen Eindruck zu schreiben.


    Lese das Buch als WB und es hat mich angesprochen wegen Hattusa, was schon seit einiger Zeit auf meiner To Do Reiseliste steht. Irgendwie fängt das Buch auch nett an und die Story an sich ist auch ok, aber irgendwie geht mir jede einzelne Person in dem Buch auf den Keks. Dazu muss ich sagen, ich bin noch nicht durch, grade mal auf Seite 396 und ich überlege seit gefühlten 200 Seiten abzubrechen, weil ich doch den Eindruck habe, dass sich das Gespräch zwischen Arman und Armana alle paar Seiten wiederholt. Dazu kommt, dass das für mich irgendwie keine Gespräche sind, sondern Geplapper von Kleinkindern, gepaart mit so ziemlich jedem Sprichwort das die deutsche Sprache hergibt. Manchmal frage ich mich wirklich wie alt Armana eigentlich ist. Ich weiß nicht, wie oft Arman schon 'Das kommt schon hin' gesagt hat?


    Dazu kommen für mich Sätze die völlig unmelodisch klingen wie '..von dem er selbst sich nichts nahm..', warum nicht 'vom dem er sich selbst nichts nahm'? (Seite 349). Auch die Worte 'Dunkelschön', 'herzliebster' und 'kaltlächelnd'. Einmal, meinetwegen, aber nicht auf jeder zweiten Seite.


    Irgendwie habe ich wahrscheinlich ein völlig anderes Buch erwartet, eines um den es um Archäologie und Hattusa geht, einen Abenteuerroman vielleicht, aber nicht so viel Geschwafel. Leider hält sich auch die Spannung in Grenzen, was die Angelegenheit der ersten Grabung angeht. Immer mal wieder ein paar Fetzen, aber die gehen halt leider unter und ich finde das Buch verliert immer mehr den Fokus, auf was bleibt mir allerdings verborgen.
    Diesen Konflikt um die Armenier fände ich auch spannend, aber ich finde auch das ist eher nur Nebensatz.


    Der Rückblick in den Nebel der Zeit, tja der macht es leider auch nicht besser, vlt. hat der ne Verbindung zur Gegenwart, vlt. auch nicht. So wirklich Einblick in die Welt der Hethiter gibt er nicht und ich weiß nicht, ob ich rausfinden möchte, ob es eine Verbindung gibt.


    Hätte ich die Rezis hier gelesen, bevor ich das Buch begonnen habe, hätte ich es vlt. gar nicht erst aufgeschlagen.

  • Buchmeinung zu Carmen Lobato – Die Stadt der schweigenden Berge


    „Die Stadt der schweigenden Berge“ erschien 2015 als Originalausgabe im Knaur Verlag. Mein Lesekommentar bezieht sich auf das ebook.


    Klappentext:
    Berlin 1931: Die junge Amarna ist fasziniert von der Kultur der Hethiter und vor allem von deren alter, versunkener Hauptstadt. Sie träumt davon, selbst einmal dorthin zu fahren, und vertieft sich in die Lektüre der Schriften jener Zeit. Doch ihr Vater, ein Altorientalist, verweigert ihr die Reise, obwohl er die Leidenschaft seiner Tochter teilt. Was ist auf jener Expedition passiert, die ihn einst in die verlorene Stadt führte? Und warum spricht er nie von der Mutter, an die Armana kaum eine Erinnerung hat? Mit Hilfe ihres Freundes Paul, der Amarna schon lange liebt, gelingt es ihr schließlich, ihren Traum zu verwirklichen – der sich jedoch bald als Alptraum entpuppt.



    Meine Meinung:
    Dieser historische Roman war für mich ein Missverständnis. Er hat aus meiner Sicht leider den Schwerpunkt Liebesroman. Die Hauptfiguren Amarna und Arman agieren derart liebestoll, dass jede Vernunfthandlung auf der Strecke blieb. Arman wird als der alles überstrahlende Astralkörperbesitzer gezeichnet, dessen Anwesenheit die junge Wissenschaftlerin zum liebestollen Weibsbild mutieren lässt. Ihr liebeskranker Jugendfreund Paul verkommt vor Eifersucht zur tragischen Figur und der Professor ist die einzige etwas komplexere Gestalt.
    In der eingebetteten Geschichte hat sich der hethitische Herrscher in die Frau seines Generals und besten Freundes verguckt und dort kommt es zu einer Katastrophe.


    Fazit:
    Bei diesem Buch lagen Erwartung und Inhalt meilenweit auseinander. Positiv ist der flüssige Schreibstil und einiges Erkenntnisse über die Hethiter, die ich bei der Lektüre erhalten habe. Wer einen Liebesroman erwartet wird sicherlich nicht enttäuscht. Ich hatte anderes erwartet und vergebe nur zwei Sterne (50 / 100).

    :lesend James Lee Burke - Die Tote im Eisblock

    hörend: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln