Historische Romane = Schund?

  • Hallo zusammen!


    Schön, dass sich hier so gar nichts geändert hat ;-)
    Das Thema wird wohl alle Jahre wieder diskutiert und es bleibt reichlich unergiebig, da es allein im Empfinden des jeweiligen Lesers liegt, was er für Schund hält.
    Schund ist für mich, wenn mir beim Lesen so richtig gruselig wird, wie relativ aktuell bei diesem Shades of Grey-Kram oder bei der schon älteren Feuer und Stein Geschichte.
    Bei solchen Romanen stellen sich mir die Nackenhaare auf und ich will auch gar nicht analysieren oder darüber diskutieren, warum das so ist, geschweige denn, mehr als 2 oder 3 Kapitel davon lesen. Es passt eben für mich nicht. Anderen Leserinnen machen diese Bücher Spaß und es sei ihnen von Herzen gegönnt.


    Mir hingegen bereitet es erhebliches Vergnügen, mindestens 2 x pro Jahr einen bestimmten Roman von Georgette Heyer zu lesen und ihn niemals langweilig zu finden. Bei diesen Romanen ist meist schon aus dem Klappentext ersichtlich, wie die Geschichten enden und können von anderen durchaus als Kitsch oder Schund angesehen werden, aber ich mag diese einmalige Sprache, die Ironie, die liebevoll gestalteten Figuren und... eigentlich alles daran.
    Ebenso lese ich alle Jahre wieder Vom Winde verweht, obschon ich es auswendig kenne.


    Da ich neben Sach- und Fachbüchern überwiegend historische Romane lese, kann ich für mich sagen, dass es immer wieder neue Bücher gibt, die ich nicht für Schund erachte.
    Den hier so viel gescholtenen Maximilian von Peter Prange habe ich ebenfalls gelesen, muss aber leider sagen, dass er meinen Erwartungen nicht gerecht wurde.
    Das hängt u.a. auch damit zusammen, dass Prange es bei mir sehr schwer haben wird, seine Himmelsdiebe zu toppen. Deshalb ist das Buch aber noch lange kein Schund.


    Dann dazu:

    Zitat

    Original von Teresa
    - Die Waringham-Romane von Rebecca Gablé sind eine englische Familiensaga vor historischen Hintergrund. Die Epoche der Rosenkriege ist insofern passend, als ein historisches Setting hier notwendig ist, das es halbwegs glaubwürdig macht, dass die Akteure/innen alles Mögliche erleben und erleiden müssen. Aber genauso gut hätte Gablé einen anderen Bürgerkrieg wählen können oder ihre Familiensaga in einem anderen Land spielen lassen können, wo es zu dieser Zeit ebenfalls eine politisch unsichere Lage gab.



    Die Waringham-Familie ist eng mit dem Königshaus verbunden und deren Geschichte mit den historischen Ereignissen verknüpft, weshalb die Figuren eben nicht im Bayerischen Wald agieren könnten. Man kann auch über Rebecca Gables Romane sicherlich geteilter Meinung sein, aber man sollte sie zumindest gelesen haben, bevor man ein Urteil darüber kund tut.
    Mir z.B. missfällt - neben ihrer Art, Problemen aus dem Weg zu gehen -, ihre oft recht einseitige Darstellung der Figuren, insbesondere auch dann, wenn es um historische Persönlichkeiten geht und die Autorin den Lesern ihre Meinung so vehement als Tatsachen aufs Auge drücken will. Wo aber steht geschrieben, dass man alles glauben muss, was in einem Roman steht? Heutzutage hat doch jeder die Möglichkeiten, sich anderweitig zu informieren, sofern denn Interesse besteht. Dennoch mag ich die meisten ihrer älteren Romane, denn den perfekten Unterhaltungsroman findet man eh nur sehr selten. Das heißt also, man muss Abstriche machen und das kann nur jeder für sich.


    Gerade las ich den dritten Teil einer Reihe über die Tudors und nachdem mir Buch 1 so lala und Buch 2 sehr gut gefallen hat, habe ich mich bei Buch 3 nur noch gewundert, auf welche Ideen ein Autor kommen kann. Für mich ist das mal echter Stuss und die Reihe damit komplett verdorben. Schaut man sich die Rezensionen im Netz an (bei den Eulen gibt es noch keine dazu), stehe ich mit meiner Meinung recht allein im Wald. Das ist aber mein Problem, denn ein Autor kann schreiben, was er will. Dem einen Leser gefällt es - dem anderen eben nicht.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von Kalypso


    Mir hingegen bereitet es erhebliches Vergnügen, mindestens 2 x pro Jahr einen bestimmten Roman von Georgette Heyer zu lesen und ihn niemals langweilig zu finden. Bei diesen Romanen ist meist schon aus dem Klappentext ersichtlich, wie die Geschichten enden und können von anderen durchaus als Kitsch oder Schund angesehen werden, aber ich mag diese einmalige Sprache, die Ironie, die liebevoll gestalteten Figuren und... eigentlich alles daran.


    Welches Buch ist es?

  • Zitat

    Original von Booklooker
    Ich finde immer noch, dass der Autor ein Recht hat, die Charaktere und Begebenheiten so zu interpretieren, wie er es für sich für richtig hält. Dafür hat er oder sie die künstlerische Freiheit. Solange der Schreibstil für den Leser passt und die Spannung oder was auch immer er daraus ziehen möchte ebenfalls ist doch alles ok. Ob man das direkt als Schund deklarieren muss, weiß ich nicht.


    Würdest du, Booklooker, auch noch dieser Meinung sein, wenn der historische Roman z. B. in der NS-Zeit in Polen spielt und Autor/in die Konzentrationslager weglässt, weil das nun einmal nicht zu seiner/ihrer Interpretation von dieser Zeit passt? :-(


    Würdest du ihm/ihr bei der Schilderung eines Progroms eine Darstellung im Sinne künstlerischer Freiheit zu gestehen, wenn die jüdischen Opfer als "Vollkoffer" dargestellt werden, die letztlich noch selbst schuld sind, dass es zu diesem Progrom kam, wenn er / sie dabei nicht einmal die historische Fakten wirklich verändert hat, weil eben nur überliefert ist, dass es dieses Progrom gegeben hat und die Jahreszahl, sonst aber keine Details. :-(

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Zitat

    Original von Grisel
    Es sollte in sich stimmig sein und wenn eine historische Person gegen den überlieferten Strich gebürstet wird, freue ich mich über entsprechende Erklärung im Nachwort. Aber ich sehe das nicht als Verantwortung der AutorInnen, sondern der mündigen LeserInnen. Wenn eine/r meint, er/sie wüsste nun alles über König Kasimir, weil er/sie einen Roman über denjenigen gelesen hat, dann ist diese Person meiner Ansicht nach selber schuld.


    Was aber, Grisel, wenn Autor/in im Nachwort alles tut, um Leser/in glauben zu lassen, dass das, was er / sie erzählt hat, den historischen Fakten entspricht (weil er / sie das vielleicht selbst glaubt), sich diesem als Historienkenner/in präsentiert (obwohl sie das gar nicht wirklich ist) und zudem noch ein Geschichtsstudium in der Biographie erwähnt wird.


    Ist es in diesem Fall wirklich fair, dem/der durchschnittlichen Leser/in Leichtgläubigkeit zu unterstellen? Also die Verantwortung auf Leser/in abzuschieben.


    Wäre hier nicht auch eine gewisse Kritik an Autor/in angebracht?

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Zitat

    Original von Teresa


    Würdest du, Booklooker, auch noch dieser Meinung sein, wenn der historische Roman z. B. in der NS-Zeit in Polen spielt und Autor/in die Konzentrationslager weglässt, weil das nun einmal nicht zu seiner/ihrer Interpretation von dieser Zeit passt? :-(


    Würdest du ihm/ihr bei der Schilderung eines Progroms eine Darstellung im Sinne künstlerischer Freiheit zu gestehen, wenn die jüdischen Opfer als "Vollkoffer" dargestellt werden, die letztlich noch selbst schuld sind, dass es zu diesem Progrom kam, wenn er / sie dabei nicht einmal die historische Fakten wirklich verändert hat, weil eben nur überliefert ist, dass es dieses Progrom gegeben hat und die Jahreszahl, sonst aber keine Details. :-(


    Ich würde sowas vermutlich gar nicht erst lesen. Und ich glaube Schund ist da nicht der richtige Ausdruck.

  • Zitat

    Original von Teresa
    Was aber, Grisel, wenn Autor/in im Nachwort alles tut, um Leser/in glauben zu lassen, dass das, was er / sie erzählt hat, den historischen Fakten entspricht (weil er / sie das vielleicht selbst glaubt), sich diesem als Historienkenner/in präsentiert (obwohl sie das gar nicht wirklich ist) und zudem noch ein Geschichtsstudium in der Biographie erwähnt wird.


    Ist es in diesem Fall wirklich fair, dem/der durchschnittlichen Leser/in Leichtgläubigkeit zu unterstellen? Also die Verantwortung auf Leser/in abzuschieben.


    Wäre hier nicht auch eine gewisse Kritik an Autor/in angebracht?


    Wer sagt denn, dass der Leser alles glaubt, was er liest?
    Es geht hier um Unterhaltungsromane, nicht um Schulbücher oder Kinder- / Jugendbücher und somit ist es, wie bei allem anderen auch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

  • Wenn man sich für ein Thema interessiert, recherchiert man auch oder liest weitere Romane darüber. Dann wird einem auch auffallen, dass sich der "Schund" von den anderen unterscheidet und dementsprechend wird man sich seine Meinung bilden. Zumindest handhabe ich es so.

  • harimau


    nein, es ging nicht gegen Dich. Es geht mir um das Argument an sich, weil es falsch ist.
    Es sagt nichts. Es belegt nichts.
    Ob jemand eine höhere Ausbildung hat, hat keinen Einfluß auf das private Leseverhalten. Es ist eine durch nichts bewiesene Annahme, daß jemand, die z.B. studiert hat, automatisch Literatur der Unterhaltung vorzieht. Oder überhaupt liest.
    Egal, wozu man 'studierte Leut' plus 'liest Schund' einsetzt, es sagt nichts.
    Das Argument wird gleichermaßen dafür gebraucht, die Unterhaltungsliteratur aufzuwerten - ha, das lesen sogar Studierte', wie zu behaupten, daß wer studiert habe, besonders intelligent sei - ha, sogar Intelligente lesen Schund, wie die Lserinen von Schudn aufzuwerten - ha, ich lese, was auch Studierte lesen . wie umgekehrt, Leute wegen ihrer Lektüre unter Druck zu setzen: Du hast studiert und liest so was???
    Dann kann nur passieren, weil der Zusammenhang rundum falsch ist.
    Kann man in die Tonne treten.
    Darum ging es mir.


    Das Jugendbuch ist im übrigen keine Ausnahme. Gute historische Jugendbücher sind die Ausnahme.




    beisswenger


    man weiß viel über die vergangene Epochen, sehr viel sogar. Der Paradigmenwechsel hat nur bedingt damit zu tun. Über die Gründe des WK I gab es nie Zweifel, nur die offizielle Darstellung hing von politischen Überzeugungen ab.


    Und nein, im Mittelalter ging man nicht der Nase nach. Es gab Landkarten.
    Brauchte man auch, schließlich mußte Wegzoll entrichtet werden. Jemand mußte den Straßenerhalt ja finanzieren. Neue bauen, Brücken bauen, den Verkehr sichern. Es sind bloß die AutorInnen historischer Unterhaltungsromane, die fröhlich verkünden, daß man im 'Mittelalter' einfach so in jede Richtung davonhüpfen konnte und irgendwie irgendwo ankam.
    :-)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Booklooker


    Ich würde sowas vermutlich gar nicht erst lesen. Und ich glaube Schund ist da nicht der richtige Ausdruck.


    Kurze Nachfrage, Booklooker, da ich mir nicht sicher bin, ob ich deine Antwort richtig verstanden haben: du würdest so etwas nicht lesen, aber auch in diesem Fall gestehst du also Autor/innen zu, die Geschichte so zu interpretieren und zeigen, wie er/sie es für richtig hält.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Zitat

    Original von Kalypso


    Wer sagt denn, dass der Leser alles glaubt, was er liest?
    Es geht hier um Unterhaltungsromane, nicht um Schulbücher oder Kinder- / Jugendbücher und somit ist es, wie bei allem anderen auch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.


    Hi, Kalypso,
    long time no see
    Und nein, wieso soll sich hier etwas verändern? :lache


    Wer sagt, daß die Leserin alles glaubt?
    Die Erfahrung.


    Sehr viele Menschen ziehen Wissen aus historischen Romanen. Das ist doch das große Problem. Die Autorinnen gelten als verläßliche Wissensvermitlerinnen.
    Ein oft und oft wiederholtes Argument für die Lektüre historischer Unterhaltungsromane ist doch: beim Lesen habe ich auf angenehme Weise viel gelernt über die Zeit.
    Oder: das ist eben nicht so trocken wie Geschichtsunterricht, so angenehm lernt man gern.
    Der Wissenserwerb, das Neue, ist wichtig für die Leserin von historischen Romanen. Sie will mehr als eine Abenteuer-/Liebesgeschichte. Sie will etwas wissen, erfahren, was sie vorher nicht wußte, sich etwas erschließen.
    Schon von daher haben Autorinnen Verantwortung.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Grisel


    Aber wo in der Geschichtsschreibung gibt es so etwas wie die "Realität der Epoche", speziell wenn wir wir im vorliegenden Fall vom Mittelalter sprechen? Vielleicht sind sie damals gern auf rosa Elefanten auf die Jagd geritten. Aber wenn sich keiner die Mühe gemacht hat, das aufzuschreiben, wissen wir es nicht.


    Klar, man muss sich irgendwo festhalten können. Aber ich finde, gerade dieser Mangel an 100 %iger Gewissheit (die wir nicht mal heute haben, wenn wir uns auf das Hörensagen und einschlägige Presse verlassen müssen) gibt AutorInnen historischer Romane die Freiheit, ihre eigenen Interpretationen zu machen. Es sollte in sich stimmig sein und wenn eine historische Person gegen den überlieferten Strich gebürstet wird, freue ich mich über entsprechende Erklärung im Nachwort. Aber ich sehe das nicht als Verantwortung der AutorInnen, sondern der mündigen LeserInnen. Wenn eine/r meint, er/sie wüsste nun alles über König Kasimir, weil er/sie einen Roman über denjenigen gelesen hat, dann ist diese Person meiner Ansicht nach selber schuld.



    Realität ist immer differenziert. In einem Unterhaltungsroman wird vereinfacht. Je stärker reduziert historische Vorgänge dargestellt werden, desto weiter sind sie von der jeweiligen Realität entfernt.


    Wieso soll die Leserin schuld sein, wenn sie nach der Lektüre meint, alles über Kasimir den Dicken zu wissen? Die Verursacherin der Überzeugung ist die Autorin, die ihr das suggeriert hat.
    Man muß eine Menge unterschiedlicher historischer Unterhaltungsromane gelesen haben, um zu sehen, was in dem Genre möglich ist und was nicht und wo die Grenze nach unten ist oder sein soll.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Booklooker
    Wenn man sich für ein Thema interessiert, recherchiert man auch oder liest weitere Romane darüber. Dann wird einem auch auffallen, dass sich der "Schund" von den anderen unterscheidet und dementsprechend wird man sich seine Meinung bilden. Zumindest handhabe ich es so.




    :write




    Zitat von Kalypso

    Zitat

    Wer sagt denn, dass der Leser alles glaubt, was er liest?
    Es geht hier um Unterhaltungsromane, nicht um Schulbücher oder Kinder- / Jugendbücher und somit ist es, wie bei allem anderen auch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.


    sehe ich genauso
    Auch bei Sachbüchern zu einem Thema gibt es unterschiedliche Ansichten.

  • Zitat

    Original von Kalypso
    ... aber man sollte sie zumindest gelesen haben, bevor man ein Urteil darüber kund tut.
    Kalypso


    Zunächst einmal, wenn du Kritik übst, solltest du den Satz um den es da geht, auch im Kontext, in dem ich ihn gepostet habe, betrachten. Meine Einstufung von Gablé als Familiensaga vor historischer Kulisse steht schließlich in einem Posting, das eine Antwort auf die ursprüngliche Frage in diesem Thread war. Da ging es weder um eine Kritik noch um eine Auseinandersetzung mit Gablé als Autorin und ihren Büchern, sondern dort war es nur eines der Beispiele für eine Möglichkeit, wie historische Romane wahrgenommen werden können. (Die Einstufung war auch keine endgültige und allgemein verbindliche Klassifikation, sondern halt eine Möglichkeit.)


    Schade übrigens, dass du mit dem abgegriffenen und in diesem Zusammenhang auch unpassenden Totschlagargument "aber man sollte sie zumindest gelesen haben, bevor man ein Urteil darüber kund tut" kommst, statt direkt auszuführen, warum es für dich eine Abwertung bzw. Problem ist, dass ich Gablés Waringham-Romane nicht als "historische Roman-Serie", sondern als "Familiensaga vor historischer Kulisse bzw. historischen Hintergrund" bezeichnet habe?

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

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  • Zitat

    Original von magali



    Sehr viele Menschen ziehen Wissen aus historischen Romanen. Das ist doch das große Problem. Die Autorinnen gelten als verläßliche Wissensvermitlerinnen.
    Ein oft und oft wiederholtes Argument für die Lektüre historischer Unterhaltungsromane ist doch: beim Lesen habe ich auf angenehme Weise viel gelernt über die Zeit.
    Oder: das ist eben nicht so trocken wie Geschichtsunterricht, so angenehm lernt man gern.
    .


    Wenn ich etwas über die gute alte Leonore erfahren will dann lese ich eine Biographie, und nicht den Roman von Tanja Kinkel!
    Nicht, weil ich Frau Kinkel irgendwie eine unsaubere Recherche unterstelle, sondern weil ihr Buch ein Roman, und somit fiktiv ist.


    Ein Autor ist nicht dafür verantwortlich was der Leser für bare Münze nimmt - ausgenommen er stellt klar das es sich bei dem Erzählten um Fakten handelt.


    Aber es ist die Verantwortung des Lesers seine Quellen zur Wissensvermittlung auszuwählen, und ein Roman ist dafür nicht geeignet, außer vielleicht das Interesse an einem Thema zu wecken. Das ist Alles!


    Die Funktion eines Romans mit der eines Sach- oder Fachbuches zu verwechseln ist schlichtweg dumm! Und dafür kann der Autor nix!

  • Zitat

    Original von magali
    Ein oft und oft wiederholtes Argument für die Lektüre historischer Unterhaltungsromane ist doch: beim Lesen habe ich auf angenehme Weise viel gelernt über die Zeit.
    Oder: das ist eben nicht so trocken wie Geschichtsunterricht, so angenehm lernt man gern.
    Der Wissenserwerb, das Neue, ist wichtig für die Leserin von historischen Romanen. Sie will mehr als eine Abenteuer-/Liebesgeschichte. Sie will etwas wissen, erfahren, was sie vorher nicht wußte, sich etwas erschließen.
    Schon von daher haben Autorinnen Verantwortung.


    Exakt.
    Aus diesem Grund lese ich gern (Auto)Biografien, Romanbiografien und historische Romane.
    Eigentlich widerstrebt es mir, in Zusammenang mit Literatur das Wort "Schund" zu benutzen. Mir fällt auch gerade kein Buch ein. Aber eine Kinderserie über Kaiserin Elisabeth. Dort war die Rede von Prinz Franz und Prinz Karl (es waren Erzherzöge), von Kaiserin Sophie (sie saß niemals auf dem Thron, sie verzichtete zugunsten ihres Sohnes und war Erzherzogin) und Franz' Verlobter, Helene von Weißichnichtmehr. So etwas ist für mich Schund.
    Wenn ich schon eine Geschichte erzähle, denke ich mir entweder etwas völlig Neues aus (ohne die Bekanntheit Elisabeths als Rückenwind zu nutzen) oder ich halte mich wenigstens an die alleressentiellsten historischen Fakten (beziehungsweise begründe in einem Nachwort, wo und warum ich in wesentlichen Punkten von der Wahrheit abwich).
    Wie man hier im thread sehen kann, gehen Erwartungen und Einschätzungen manchmal weit auseinander.
    Gute historische Romane sind für mich (ich höre den Aufschrei schon):
    Vom Winde verweht
    eine Liebesgeschichte, ja, aber die Autorin vermittelt mir das Gefühl, sehr viel Ahnung von den zur Zeit der Entstehung des Buches gar nicht so lange zurückliegenden Bürgerkriegsjahren gehabt zu haben, die Südstaatenatmosphäre sowohl auf der Ebene der Sklavenhalter als auch der Sklaven erscheint mir glaubwürdig und das Ganze garniert mit einem ständig hochdramatisch aneinander vorbeiliebenden Paar.
    Exodus
    ja, die Geschichte des Schiffes wurde verfremdet bzw aus verschiedenen Schiffen zusammengebastelt und das Ganze auch noch relativ einseitig aus der pro-jüdischen Perspektive. Trotzdem machen die Einzelschicksale (wie auch in Greens "Holocaust", dem legendären TV-Vierteiler) die Geschehnisse eben dieses Holocausts (für mich) viel deutlicher vorstellbar als trockene Zahlen in einem Geschichtsbuch. Und die Grunddaten beispielsweise zur UN-Abstimmung und zur Staatsgründung Israels stimmen und machen deutlich, warum es dort heute immer noch brodelt.
    Selten hat mich ein Buch so ergriffen wie Sabine Weigands "Seelen im Feuer" über die Hexenprozesse.
    Auch habe ich als ganz junges Mädchen als Selinkos fiktivem Tagebuch von Napoleons Exverlobter und späteren Urmutter der heute noch in Schweden den Königsthron innehabenden Dynastie Bernadotte, Désirée Clary, viel über das Europa zur Zeit Napoleons erfahren, übrigens auch über die "kleinen Leute", deren Söhne den Russlandfeldzug mitmachen mussten.
    Aus Johannes Mario Simmels "Und Jimmy ging zum Regenbogen" lernte ich, dass es im sog. Dritten Reich zu Vaterschaftsprozessen kam, als arische Mütter ihren halbjüdischen Kindern auf Bitten der geflohenen oder bereits ermordeten jüdischen Väter einen arischen - zweckmäßiger Weise möglichst bereits verstorbenen - Vater "zuschanzen" wollten, aus Konsaliks "Liebesnächte in der Taiga" etwas über die kriegsgefangenen deutschen Soldaten in russischen Gefangenenlagern.
    Beider Autoren Werke werden häufig als "Schund" bezeichnet, kaum jemand gibt zu, sie gelesen zu haben (woher da die hohen Verkaufszahlen kommen, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben). Beide würde ich auch nicht gerade als Beispiel für Autoren historischer Romane nennen, aber für Autoren von Romanen mit historischem Hintergrund, die mein Wissen auf historischem Gebiet erweitert haben und, wie auch Selinko, Uris, Mitchell und Weigand, mein Interesse weckten, mehr darüber zu erfahren.
    Ich denke, jeder hat seine eigene Definition von "Schund".
    Und ja, man müsste unterscheiden zwischen
    "Historischer Roman" (was heutzutage fast für alles verwendet wird, was vor mehr als einer Lebensspanne spielt) und "Familien- (oder Liebes-)Roman vor historischer Kulisse" - aber das ist viel zu lang :-)

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von magali


    long time no see
    Und nein, wieso soll sich hier etwas verändern? :lache


    magali :wave
    Okay, das war ein dummer Gedanke :-)


    Zitat

    Original von magali
    Sehr viele Menschen ziehen Wissen aus historischen Romanen. Das ist doch das große Problem. Die Autorinnen gelten als verläßliche Wissensvermitlerinnen.
    Ein oft und oft wiederholtes Argument für die Lektüre historischer Unterhaltungsromane ist doch: beim Lesen habe ich auf angenehme Weise viel gelernt über die Zeit.
    Oder: das ist eben nicht so trocken wie Geschichtsunterricht, so angenehm lernt man gern.
    Der Wissenserwerb, das Neue, ist wichtig für die Leserin von historischen Romanen. Sie will mehr als eine Abenteuer-/Liebesgeschichte. Sie will etwas wissen, erfahren, was sie vorher nicht wußte, sich etwas erschließen.
    Schon von daher haben Autorinnen Verantwortung.



    magali, du hast dabei sicher mehr Erfahrung und natürlich sind solche Ergebnisse nicht wünschenswert.
    Dennoch sträube ich mich hartnäckig gegen dieses, - in allen Lebensbereichen! - so viel strapazierte "schuld sind immer nur die anderen". Das ist natürlich herrlich einfach, aber bringt im Grunde keinen weiter.
    Wie sollten und vor allem wer sollte denn Autor(inn)en in die Pflicht nehmen? Bei dem Gedanken wird mir gerade etwas gruselig.

  • Zitat

    Original von Teresa
    Zunächst einmal, wenn du Kritik übst, solltest du den Satz um den es da geht, auch im Kontext, in dem ich ihn gepostet habe, betrachten. Meine Einstufung von Gablé als Familiensaga vor historischer Kulisse steht schließlich in einem Posting, das eine Antwort auf die ursprüngliche Frage in diesem Thread war. Da ging es weder um eine Kritik noch um eine Auseinandersetzung mit Gablé als Autorin und ihren Büchern, sondern dort war es nur eines der Beispiele für eine Möglichkeit, wie historische Romane wahrgenommen werden können. (Die Einstufung war auch keine endgültige und allgemein verbindliche Klassifikation, sondern halt eine Möglichkeit.)
    Schade übrigens, dass du mit dem abgegriffenen und in diesem Zusammenhang auch unpassenden Totschlagargument "aber man sollte sie zumindest gelesen haben, bevor man ein Urteil darüber kund tut" kommst, statt direkt auszuführen, warum es für dich eine Abwertung bzw. Problem ist, dass ich Gablés Waringham-Romane nicht als "historische Roman-Serie", sondern als "Familiensaga vor historischer Kulisse bzw. historischen Hintergrund" bezeichnet habe?



    Wenn mich etwas noch mehr langweilt, als schlechte Bücher, dann ist das Stutenbissigkeit, deshalb nur kurz:
    Die Antworten auf deine Fragen findest du in meinem ersten posting zum Thema und das gekürzte Zitat diente nur der allgemeinen Übersichtlichkeit.

  • Zitat

    Original von Bodo
    Wenn ich etwas über die gute alte Leonore erfahren will dann lese ich eine Biographie, und nicht den Roman von Tanja Kinkel!
    Nicht, weil ich Frau Kinkel irgendwie eine unsaubere Recherche unterstelle, sondern weil ihr Buch ein Roman, und somit fiktiv ist.


    Nein anders :-]: Wenn ich einen Roman über eine interessante Persönlichkeit gelesen habe, gehe ich anschließend auf Recherche, was mich aber keineswegs davon abhält, weitere Romane über diese Person zu lesen, denn für mich liegt der Reiz auch an unterschiedlichen Sichtweisen der Autor(inn)en.



    Zitat

    Original von Bodo
    Ein Autor ist nicht dafür verantwortlich was der Leser für bare Münze nimmt - ausgenommen er stellt klar das es sich bei dem Erzählten um Fakten handelt.


    Aber es ist die Verantwortung des Lesers seine Quellen zur Wissensvermittlung auszuwählen, und ein Roman ist dafür nicht geeignet, außer vielleicht das Interesse an einem Thema zu wecken. Das ist Alles!


    Die Funktion eines Romans mit der eines Sach- oder Fachbuches zu verwechseln ist schlichtweg dumm! Und dafür kann der Autor nix!


    Ganz genau!