'Keiko' - Seiten 148 - 229

  • Mal wieder hatte ich keine Ahnung von diesen Deportierungen der japanischstämmigen Bevölkerung an der Westküste.
    Ich hätte heulen mögen über diese Menschenverachtung. Egal wo man hinschaut, Menschenrechte und Demokratie scheinen nur was für die guten Zeiten zu sein.
    Da tröstet es auch nur wenig, dass die Deportationen im Nachhinein als Unrecht bezeichnet wurden und Entschädigungen gezahlt wurden.

  • Wie gesagt, ich kannte die Thematik bereits aus dem Buch "Schnee der auf Zedern fällt" ganz im Gegensatz zum Jahre später gedrehten Film überhaupt nicht kitschig, sondern eher wie dieses Buch, eindringlich und empathisch geschildert.


    Ich finde den Satz nicht mehr, den Henry am Ende eines Kapitels denkt, war das als Samantha anstatt einer chinesischen eine japanische Nachspeise machen wollte? :gruebel Egal, jedenfalls, Henrys Gedanken waren, dass er gelernt hatte, dass es bei Familien nicht um Perfektion ginge.


    Ich finde es so schön, dass er nach Jahren des quasi Nebeneinanderherlebens mit Marty, nun endlich aus sich raus geht. Auch Marty sieht seinen Vater ganz anders als er in seiner Vorstellung war.



    Ehrlich Rumpelstilzchen, ich denke immer ich bin zu nah am Wasser gebaut, aber enn es Dir auch so geht.


    Ich finde das jetzt toll von der Köchin Mrs. Beatty, dass sie klammheimlich bei der Schule mehr Lebensmittel ordert, diese dann aber in die japanischen Lager bringt. Es ist schön zu lesen, dass es immer und zu jeder Zeit Menschen gibt, die den Namen verdienen.
    Dazu ermöglicht sie Henry, Keiko zu suchen und zu finden.
    Einfach wunderbar.

  • Stimmt Findus, das ist genau die Stelle. S 196.
    Ein Satz zum in Stein meißeln, dieses: Er hatte vor langer Zeit schon begriffen, dass es in Familien nicht um Perfektion geht.


    Ich bin übrigens sehr sicher, dass es Tränen gibt, die geweint werden müssen, um sich seine Seele zu erhalten. Mitgefühl ist eine der besten menschlichen Eigenschaften.


    Mrs Beatty ist auch eine der Personen, bei denen sich erst nach und nach zeigt, wer sie tatsächlich sind. Mir gefällt besonders die Szene auf S. 201, wo sie Chat fortschickt mit den Worten, die Küche sei heute für ihn geschlossen.


    Überall gibt es kleine Kostbarkeiten von Sätzen, ich möchte sie gar nicht alle aufzählen, aber einen noch: S. 191, als Henry sich so sehr über die kaputte Platte freut und feststellt, dass sie wie so vieles in seinem Leben unvollkommen ist und dieser Zustand gar keine Rolle spielt.

  • Ich fand die Beschreibung der Deportation auch als extrem beklemmend. Das Johlen und Spucken der Schaulustigen ist einfach nur widerlich und erinnerte mich sehr unangenehm an die beschämenden Vorkommnisse von Clausnitz. "Weg mit euch." :uebel


    Zitat

    Original von Findus
    Wie gesagt, ich kannte die Thematik bereits aus dem Buch "Schnee der auf Zedern fällt" ganz im Gegensatz zum Jahre später gedrehten Film überhaupt nicht kitschig, sondern eher wie dieses Buch, eindringlich und empathisch geschildert.[/quote


    Ich fand das Buch auch klasse und bin dadurch erst auf diese Thematik gestoßen. Den Film habe ich auch gesehen, aber schon wieder vergessen.


    [quote]Ich finde das jetzt toll von der Köchin Mrs. Beatty, dass sie klammheimlich bei der Schule mehr Lebensmittel ordert, diese dann aber in die japanischen Lager bringt. Es ist schön zu lesen, dass es immer und zu jeder Zeit Menschen gibt, die den Namen verdienen.
    Dazu ermöglicht sie Henry, Keiko zu suchen und zu finden.
    Einfach wunderbar.


    Ich habe es eher so verstanden, dass Mrs. Beatty die Lebensmittel auf Schulkosten bestellt und dann auf eigene Rechnung verkauft. :gruebel Ihr Verhalten Henry gegenüber zeigt allerdings, dass sich unter der rauen Schale tatsächlich ein weicher Kern verbirgt.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von harimau


    Ich habe es eher so verstanden, dass Mrs. Beatty die Lebensmittel auf Schulkosten bestellt und dann auf eigene Rechnung verkauft. :gruebel Ihr Verhalten Henry gegenüber zeigt allerdings, dass sich unter der rauen Schale tatsächlich ein weicher Kern verbirgt.


    Echt jetzt? Als habgierig hätte ich sie jetzt nicht eingeschätzt. Henry bekommt ja ziemlich viel mit, ich glaube nicht, dass sie sich sonst so in die Karten gucken lassen würde.



    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Stimmt Findus, das ist genau die Stelle. S 196.
    Ein Satz zum in Stein meißeln, dieses: Er hatte vor langer Zeit schon begriffen, dass es in Familien nicht um Perfektion geht.



    Überall gibt es kleine Kostbarkeiten von Sätzen, ich möchte sie gar nicht alle aufzählen, aber einen noch: S. 191, als Henry sich so sehr über die kaputte Platte freut und feststellt, dass sie wie so vieles in seinem Leben unvollkommen ist und dieser Zustand gar keine Rolle spielt.


    Ja danke Rumpelstilzchen, genau der war es.Ich hab hin- und her geblättert aber nicht mehr gefunden. Das mit der Schallplatte war genauso, ja.


    harimau, nicht erst seit Clausnitz, leider. :-(

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    ... S. 191, als Henry sich so sehr über die kaputte Platte freut und feststellt, dass sie wie so vieles in seinem Leben unvollkommen ist und dieser Zustand gar keine Rolle spielt.


    Die Schallplatte ist doch ein Gleichnis für die Beziehung der beiden, oder? :gruebel In zwei Teile zerbrochen, ist sie ihrer "Funktion" beraubt, bleibt für Henry aber eine wunderbare und wertvolle Erinnerung. Was denkt ihr?

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von harimau


    Die Schallplatte ist doch ein Gleichnis für die Beziehung der beiden, oder? :gruebel In zwei Teile zerbrochen, ist sie ihrer "Funktion" beraubt, bleibt für Henry aber eine wunderbare und wertvolle Erinnerung. Was denkt ihr?


    Genauso empfinde ich das auch. Die Beziehung ist an den Umständen zerbrochen, aber die Erinnerung an die gemeinsame Zeit und auch die Sehnsucht spiegeln sich darin wieder. Was mich daran so beeindruckt, ist, dass Henry nicht verzweifelt oder hadert, sondern begreift, dass er das annehmen muss. Er ist nicht in Jammer versunken, sondern hat sein Leben trotzdem, so gut es eben ging, gelebt. Ich bin mir sicher, dass er Keiko zwar nie vergessen hat, Ethel aber dennoch ein liebender Ehemann war.


    Ich muss übrigens "gestehen", dass ich gesteren spätabends noch mit diesem Leserundenabschnitt begonnen habe und nicht mehr aufhören konnte. Ich habe die Zeit vergessen und war irgendwann mitten in der Nacht mit dem Buch fertig. :-)

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Mal wieder hatte ich keine Ahnung von diesen Deportierungen der japanischstämmigen Bevölkerung an der Westküste.
    Ich hätte heulen mögen über diese Menschenverachtung. Egal wo man hinschaut, Menschenrechte und Demokratie scheinen nur was für die guten Zeiten zu sein.
    Da tröstet es auch nur wenig, dass die Deportationen im Nachhinein als Unrecht bezeichnet wurden und Entschädigungen gezahlt wurden.


    Mich hat das beim Lesen auch sehr mitgenommen. Die verzweifelte Suche Henrys nach Keiko in der Masse der Menschen, war erschreckend und beklemmend geschildert.
    Und die Parallelen zum aktuellen Weltgeschehen tun da ihr übriges. :-(

  • Zitat

    Original von harimau


    Die Schallplatte ist doch ein Gleichnis für die Beziehung der beiden, oder? :gruebel In zwei Teile zerbrochen, ist sie ihrer "Funktion" beraubt, bleibt für Henry aber eine wunderbare und wertvolle Erinnerung. Was denkt ihr?


    Das empfand ich ganz genauso. Und wie Saiya sagt, bewundere ich ihn dafür, dass er sein Leben trotzdem so annimmt und das, was ihm mit Keiko passiert ist, als gut und richtig empfindet. Er jammert nicht über den Verlust sondern ist froh, dass er es erleben durfte. Er nimmt es als Teil seines Lebens hin zur Reife an.

  • Das Sinnbild für die zerbrochene Schallplatte finde ich schön formuliert.


    Ich habe auch mit Magengrimmen die Deportierung gelesen, ich denke es gehört zum Lesen dazu Gefühle zu haben, denn sonst wäre das Geschriebene unnütz, wenn es nichts in uns auslösen würde.


    Mrs. Beatty scheint wahrhaft einen weichen Kern zu haben, aber vielleicht hat sie auch einfach Angst :gruebel


    Henry tut mir unglaublich leid, am liebsten hätte ich ihn zwischendurch mal in den Arm genommen und getröstet.

  • Ich finde, dass Henry mit allem sehr gut zurecht kommt. Was für eine Größe für einen Dreizehnjährigen.
    Sicher könnte er Trost brauchen, aber das könnten die Internierten auch.


    Dass Mrs. Beatty Angst hat glaube ich nicht, dazu wirkt sie zu beherzt.

  • Zitat

    Original von Findus
    Ich finde, dass Henry mit allem sehr gut zurecht kommt. Was für eine Größe für einen Dreizehnjährigen.


    Ja, das ist ungewöhnlich, und trotzdem gelingt es dem Autor, Henry glaubwürdig zu halten. Seine Gefühlswelt und seine Gedanken werden so fein gezeichnet, dass sie jederzeit nachvollziehbar sind. :anbet

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von Findus
    Ich finde, dass Henry mit allem sehr gut zurecht kommt. Was für eine Größe für einen Dreizehnjährigen.
    Sicher könnte er Trost brauchen, aber das könnten die Internierten auch.


    Dass Mrs. Beatty Angst hat glaube ich nicht, dazu wirkt sie zu beherzt.



    Sicher ist Henry der Situation besser gewachsen, als viele in seinem Alter, dennoch ist er immer noch ein Kind bzw. Teenager und selbst uns Erwachsenen tut es doch mal gut in den Arm genommen zu werden, oder? ;-)


    Was Mrs. Beatty angeht glaube ich einfach, dass sie sich nicht in die Karten gucken lässt, sie zeigt nach außen hin nicht, was in ihr wirklich vorgeht. Warum sollte sie nicht auch einfach Angst haben wie viele andere Menschen auch :knuddel1

  • Was für ein starkes Buch! :anbet


    Ich kann kaum in Worte fassen, was ich beim Lesen empfinde.
    Bitter and sweet- das fasst es am besten zusammen.


    Unheimlich eindrucksvoll werden die Deportationen geschildert. Dass es durch Henrys Augen geschieht, verstärkt die Abscheulichkeit noch zusätzlich.
    Einfach unfassbar traurig. Wie die Menschen mitten aus ihrem Leben gerissen werden, das ist so dicht geschildert.


    Überhaupt bewundere ich sehr, wie es Jamie Ford gelingt, die Ereignisse aus Henrys Sicht zu schildern, ohne dass sie platt oder verkindlicht wirken. Er begreift zwar nicht alle Zusammenhänge, aber totzdem kann sich der Leser alles wie ein Mosaik zusammensetzen. Das ist stark geschrieben.


    Mir geht das Bild des gefangenen Schmetterlings nicht aus dem Kopf. Keiko hinter dem Stacheldrahtzaun, die zarten Kinderhände, die sich Trost spenden und ihre Freundschaft bekunden- das Buch berührt mich sehr.


    Sehr berührt hat mich auch die Szene, als Henry die Schallplatte findet. Das war wie ein Lichtstrahl in diesem verstaubten Keller. Einen größeren Schatz hätte er nicht finden können, als diese Erinnerung an Keiko und ihre Freundschaft. Einen Moment habe ich die Musik aus dem Jazz-Keller wieder gehört und ich bin mir sicher, Henry ging es genauso.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von harimau


    Die Schallplatte ist doch ein Gleichnis für die Beziehung der beiden, oder? :gruebel In zwei Teile zerbrochen, ist sie ihrer "Funktion" beraubt, bleibt für Henry aber eine wunderbare und wertvolle Erinnerung. Was denkt ihr?


    Das empfinde ich auch so. Sie steht für mich auch für diesen einen vollkommen Glücksmoment, den beide in dem Jazz-Keller erleben. Dieser Moment kommt nicht zurück und die beiden wurden zwangsweise getrennt, aber die Gefühle füreinander bleiben bestehen. Die kann niemand rauben oder zerbrechen.


    Ich bewundere Henry, wie er es geschafft hat, daran nicht zu zerbrechen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von harimau


    Ja, das ist ungewöhnlich, und trotzdem gelingt es dem Autor, Henry glaubwürdig zu halten. Seine Gefühlswelt und seine Gedanken werden so fein gezeichnet, dass sie jederzeit nachvollziehbar sind. :anbet


    :write

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin