Die Vegetarierin; Han Kang

  • Begierde, Obsession, Scham und Schuldgefühle



    Inhaltsangabe : Quelle LB


    Ein seltsam verstörendes, hypnotisierendes Buch über eine Frau, die, laut ihrem Ehemann an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen ist – bis sie eines Tages beschließt, kein Fleisch mehr zu essen. »Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgroß, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.« Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet. Die Vegetarierin ist eine kafkaeske Geschichte in drei Akten über Scham und Begierde, Macht und Obsession sowie unsere zum Scheitern verurteilten Versuche, den Anderen zu verstehen, der ja doch, wie man selbst, Gefangener im eigenen Leib ist.



    Meine Zusammenfassung :


    Yeong- hye führte mit ihre Ehemann bisher eine ganz normale und gewöhnliche Ehe. Sie war für ihn schon immer eine blasse farblose und nicht Attraktive Frau, die sich einfügte, in das rationelle Koreanische Frauenbild. Bis eines Tages alles Eskaliert und Yeong-hye beschließt ihr bisheriges Leben zu ändern und nur sich noch Vegetarisch zu ernähren. Yeong, bricht mit dem trationellen Frauenbild, läuft ohne BH herum, und stellt ihr bisheriges Leben auf den Kopf. Sie eckt in der Familie an, die sie nicht mehr verstehen Provoziert die öffentliche Gesellschaft, und man hat das Gefühl als ob sie sich trotz allem in ihr eigenes Schneckenhaus zurück zieht. Fragt man sie nach ihren Gründen Heißt es „ Ich hatte einen Traum“, dieses Träume fand ich oft beklemmend. Auch bekommt man das Gefühl sie strebt nach Unabhängigkeit, und möchte aus dem bisherigen Rollenbild ausbrechen. Sie fühlt sich gefangen im eigenen Körper. Anstatt es besser wird, wird alles schlimmer, das ganze Eskaliert, nicht ist mehr wie es vorher war. Alles Fühlen und denken wird zu einer Obsession von ihr, mit einem Gefühl von Schuld und Begierde. In ihrer Fantasie wird sie zu Blumen, Pflanzen und Bäumen, die tief verwurzelt mit der Erde sind. Das ganze war in 3 Abschnitte unterteilt, in der Yeong- Hye, ihr Schwager und ihre Schwester zu Wort kommen und man alles aus ihrer Sicht erlebt.



    Meine Meinung zur Autorin:



    Es war mein 1. Buch von der Koreanischen Autorin Han Kang, und wird auch nicht mein letztes sein. Ihr ist ein einmaliges Werk gelungen, das zu recht den „Man Booker International Prize“ erhalten hat. Das Buch hat große Wellen geschlagen in der Presse, kein Wunder bei dem Inhalt.


    „ Dieser Roman ist ein Fest“ schreibt zum Beispiel die The Guardin, dem ich nur zustimmen kann.


    Es ist wirklich schon ein außergewöhnliches Buch, etwas das ich bisher noch nicht gelesen habe. Einfach verstörend und doch schön zu gleich. Allein die Sprache fand ich klar und Kraftvoll und provozierend. Eine Obsession, etwas noch nie dagewesenes, gewagt, beeindruckend und Provokant.


    Es geht um Begierde, Scham, Macht und Schuldzuweisung, von einer Aktion die zum Scheitern verurteilt ist, vom Gefühl im eigen Körper gefangen zu sein. Auch gewährt sie uns tiefe Einblicke in die Seelen der Protagonisten, der Koreanischen Gesellschaft und ihrer Trationen.


    Ein Buch voller Sinnlichkeit, Begierde und Intimität. Die einzelnen Protagonisten, ihre Emotionen sind sehr gut und Bildhaft beschrieben.



    :fingerhoch
    " Ein Buch voller Begierde, Sinnlichkeit, Provokant, verstörrend, einfach ungewöhnlich und sehr schön "


    :lesend

    „Lesen heißt durch fremde Hand träumen.“ (Fernando Pessoa)

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  • Die einzelnen Protagonisten, ihre Emotionen sind sehr gut und bildhaft beschrieben.


    Ja, so habe ich das auch empfunden. Aber was wollte mir die Autorin mit diesem Buch vermitteln, welche Erzählung, welche Botschaft, welches Erlebnis? Mag sein die koreanische Kultur ist mir so fremd, dass ich es nicht verstehe, aber ich bleibe nach einem Buch, das sicher super übersetzt und daher sehr gut zur lesen war mit der Frage zurück: Was war das, was soll das?

  • Mir hat das Buch gut gefallen.


    Den Schreibstil fand ich gut und die Charaktere glaubwürdig ausgearbeitet.
    Die Geschichte wird nacheinander aus mehreren Blickwinkel erzählt und schildert den psychischen Niedergang einer Frau, deren Leben durch einen Traum aus den Fugen gerät.


    Verstörend, aber lesenswert.


    8 Punkte



    ASIN/ISBN: 3746633338

    Viele Grüße
    Inks



    bokmal.gif


    Aktuell: Jennifer Estep - Crush The King

    SuB: 48

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  • Dies ist ein Versuch, meinen Leseeindruck zu beschreiben. Dies fällt mir immer besonders schwer, wenn mir ein Buch so gut gefällt.

    Ein paar Zeilen genügten und ich wusste, dass dieses Buch ein Kleinod ist und mir gefallen würde.

    Zum Inhalt möchte ich gar nichts weiter verraten, denn die Entwicklung der Protagonistin steht im Zentrum des Romans. Ein Genuss während des Lesens war, diese nach und nach nachzuvollziehen. Es gibt verstörende Elemente, aber auch absolut sinnlich erotische Passagen, die wunderschön geschrieben sind.

    Das Leben Yong-Hyes gerät vollkommen aus den Fugen, sie gerät außer sich im wahrsten Sinne des Wortes. Das tragische ist, wie ihre Umwelt, ihre Familie darauf reagiert bzw. ihr keine Entfaltungsmöglichkeit zugesteht. Außerhalb der Norm hat Yong-Hye keine Daseinsberechtigung. In die Welt, in der sie existieren kann, in der sie Lebensfreude findet, lässt man sie nicht abgleiten.

    Großartig in einer ruhig fließenden Sprache wird Yong Hyes Entwicklung aus drei Perspektiven erzählt. Jede kann für sich alleine stehen, aber nur zusammen beginnt der Leser zu verstehen. In dieser Erzählung gibt es kein Ausweichen. In schlichter Sprache schildert Han Kang sowohl die grausamsten Bilder als auch die sinnlichsten Bilder, die seit langem gelesen habe.

    Dieses Buch hat seinen Stachel in meinen Alltag gebohrt und ein paar Stunden die Welt außer Kraft gesetzt.

    Empfehlen möchte ich es nicht. Jeder mag selbst entscheiden, ob er sich auf diese Geschichte einlassen möchte oder nicht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Regenfisch hat ganz wunderbar dargestellt, wie auch ich dieses Buch wahrgenommen habe. Und auch ich würde es jetzt nicht unbedingt empfehlen, denn es ist schon ziemlich bizarr... Aber ich bin sehr froh darüber, dass ich es gelesen und mich mit der Welt dieser sehr besonderen Protagonistin und ihres Umfelds auseinandergesetzt habe.

  • Regenfisch hat ganz wunderbar dargestellt, wie auch ich dieses Buch wahrgenommen habe. Und auch ich würde es jetzt nicht unbedingt empfehlen, denn es ist schon ziemlich bizarr... Aber ich bin sehr froh darüber, dass ich es gelesen und mich mit der Welt dieser sehr besonderen Protagonistin und ihres Umfelds auseinandergesetzt habe.

    Das freut mich sehr! :knuddel1

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mir hat "Die Vegetarierin" größtenteils gefallen.

    Erstaunlicherweise (also für mich) konnte ich mit den ersten zwei Dritteln, in denen die Autorin sehr künstlerisch und farbenfroh schreibt und es um die Entwicklung der vermeintlich gestörten Person, mehr anfangen, als mit dem letzten Drittel, wo die "normale" Schwester zu Wort kommt und in der grauen Realität selber feststellt, dass die Wand zwischen erträglich und unerträglich sehr, sehr dünn und der Schritt zwischen "ich halte es aus" und "ich halte es nicht mehr aus" sehr, sehr klein ist, und die Versuchung einfach alles hinzuschmeißen manchmal sehr stark ist.

    Ich konnte das Seelenleben und die Entwicklung der Vegetarierin also besser verstehen und nachvollziehen, als das der anderen, "normalen" Personen um sie drum herum.

    Mir ist klar, dass mein Geschwurbel jetzt nur von den Leuten verstanden wird, die das Buch auch gelesen haben, tut mir leid.

    Aber ich finde, man kann mit dem Buch ja nicht viel falsch machen, es ist so dünn...


    8 Punkte von mir für ein Lesevergnügen der ganz anderen Art.

    Ich könnte mir diese Geschichte übrigens sehr gut als Animationsfilm vorstellen.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Ich hatte einen Traum


    fuenfsterne.gif


    Die dreiteilige und nicht sehr lange, mehrfach preisgekrönte Erzählung der südkoreanischen Autorin Han Kang war im Jahr 2016 - neun Jahre nach dem Erstveröffentlichungstermin - auch hierzulande ein Überraschungsbestseller. Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine junge Frau namens Yong-Hye, jene titelgebende Vegetarierin, die mit ihrem Mann in Seoul lebt. Der erste Teil wird aus der Sicht dieses Mannes erzählt, der sie ob ihrer Durchschnittlichkeit als Frau gewählt hat, weil er also damit den gesellschaftlichen Zweck ausfüllen, sich aber vermeintlich nicht allzu sehr um sie bemühen muss. Er nennt sie in diesem Abschnitt meiner Erinnerung nach auch praktisch nie beim Namen, sondern tituliert sie immer nur als „meine (Ehe-)Frau“. Der zweite Teil wird aus der Sicht des Schwagers von Yong-Hye erzählt, der Künstler ist und sich nach seiner Schwägerin verzehrt, und der dritte dann aus der Perspektive der Schwester, also der Ehefrau dieses Schwagers. Yong-Hye kommt zwischendrin kurz zu Wort, aber auch hier bleibt sie, wie im gesamten Buch, eher passiv - jener Traum wird geschildert, der die folgenreiche Entscheidung ausgelöst hat.


    Yong-Hye wird eines Tages, und hiermit beginnt die Geschichte, zur Vegetarierin, vernichtet alle fleischhaltigen oder auf tierischen Produkten basierenden Lebensmittel, dehnt den Verzicht aber auch auf Kleidung und andere Waren aus. Sie verzichtet außerdem auf eine Erklärung, sondern sagt schlicht „Ich hatte einen Traum“, wenn jemand nach ihren Gründen fragt. Mehr sagt sie ohnehin nicht mehr: Sie zieht sich gleichzeitig zurück, emotional und sozial, von ihrem Mann und von allen anderen, und nur als ihr Schwager sie nach und nach diskret davon überzeugt, an seinem Kunstprojekt teilzunehmen, blitzt vorübergehend etwas wie Hoffnung auf, die jedoch missbraucht und schließlich besiegt wird. Denn Yong-Hye scheint zu erkennen, dass es nicht genügt, Vegetarierin zu sein, um passiven Widerstand zu üben - wer sich lösen will und keine anderen Mittel hat, muss den Verzicht auf die Spitze treiben.


    Der in schlichter Sprache, aber eindringlich und auf sehr sachliche Art berührend verfasste Roman erzählt nach meiner Lesart von einer Frau, die den hoffnungslosen Kampf gegen eine strikt patriarchalische, traditionsbasierte und durchritualisierte Gesellschaft auf ihre ganz persönliche Weise aufnimmt. Sie will diesen kathartischen Kampf nicht gewinnen oder andere davon überzeugen, mit ihr zu kämpfen, aber sie will ihn auch nicht verlieren, indem sie sich beugt. Das kostet sie am Ende mehr als alles. Der schmerzhafte und irritierende und zugleich fein erzählte Weg dorthin beleuchtet die Situation und die südkoreanische Gesellschaft sehr detailreich und anschaulich. Wie in wenigen anderen Ländern treffen dort Globalisierung, rasanter technischer Fortschritt, ultramodernes Leben und tradierte, ritualisierte, männlich geprägte Verhaltensmuster in nicht immer sanfter Weise aufeinander.


    Ein Buch, das man nach der Lektüre nicht einfach beiseitelegt. Trotz aller erzählerischen Einfachheit wirkt „Die Vegetarierin“ aber auch literarisch stark nach. Einzig der Aufbau und Verlauf des dritten Teils haben die eine oder andere Irritation ausgelöst, die nicht behoben werden konnte, doch mit diesem kleinen Makel lässt sich gut leben. Auch fünf Jahre nach dem Erfolg und fast fünfzehn Jahre nach dem ersten Erscheinen noch dringend zu empfehlen!