'Das Bildnis des Dorian Gray' - Kapitel 16 - 20

  • So, das war der letzte Abschnitt eines großartigen Romans, der es geschafft hat, mich in eine andere Zeit zu versetzen und einige unterschiedliche, aber starke Emotionen bei mir hervorzurufen :anbet


    In Kapitel 16 sagt Dorian, dass er sich selbst entfliehen will ("He wanted to escape from himself."), allerdings scheint es einerseits nur eine kurzzeitige Laune zu sein, andererseits schafft er es nicht, weil er immer wieder an seine vergangenen Taten erinnert wird, so zum Beispiel in der Opiumhöhle, in die er sich fahren lässt, wo er auf einen der jungen Männer trifft, die er, mehr oder weniger, society-mäßig ruiniert hat; ebenso wie er sein jugendliches Aussehen nutzt um sein Leben zu retten als er von Sybils Bruder erkannt und bedroht wird.


    In den folgenden Kapiteln wird Dorians Paranoia, von James verfolgt zu werden immer stärker, bis er James' Leiche sieht. Trotzdem fühlt sich Dorian immer noch bedroht, diesmal von seiner eigenen dunklen Seite und er beschließt, sich zu ändern, auch wenn Lord Henry ihm wieder versucht ins Gewissen zu reden, dass sich Dorian weder ändern soll noch braucht. Einmal mehr wirkt Dorian besessen von seinen eigenen Vorstellungen und er glaubt, nur weil er einmal was Gutes getan hat( wobei mal dahingestellt sei, dass es wirklich gut war^^)würde sich seine Sündeninkarnation in Form des Bildnis "zurückentwickeln" Als er sieht, dass dies nicht der Fall ist, versucht er das Bild zu zerstören; in Wirklichkeit tötet er sich selbst damit, weil er und sein Bild eins und untrennbar mitteinander verbunden sind.


    Mein Fazit: Ein ziemlich eindrucksvolles, starkes Buch, sprachgewaltig, aufwühlend...Ich kann für mich nur sagen, ich fand es genial und ich bin froh, es endlich gelesen zu haben. Es hatte es sowas von nicht verdient auf meinem Alt-Sub zu landen :grin

  • Ich bin auch durch, leider.


    Am Anfang des Abschnittes erfährt man endlich, wo Dorian sich rumgetrieben hat, wenn von seinen dunklen Ausflügen in den Untergrund die Rede ist. Sein Name "Prinz Wunderhold" (wie heißt der übrigens originalsprachig, Camero ?() holt ihn ein und setzt Sybils Bruder auf seine Spur. Von da an geht es bergab mit Dorian. Er fühlt sich verfolgt, begreift die Aussichtslosigkeit, in der er steckt, macht noch einen halbherzigen Versuch, sein Leben zu ändern, kann aber nicht mehr heraus aus der Ausweglosigkeit.


    Was letztendlich bleibt, ist das Bildnis, nach Dorians Ende wieder so makellos, wie Basil es einst schuf. Ich weiß nicht, ob dem Maler das gefallen hätte.


    Ich habe diesen Roman sehr genossen, die Meisterschaft, mit der Wilde mit Worten und Lebensphilosophien gewandt jongliert , und ich frage mich wie es passieren konnte, dass ich dieses Buch bis jetzt nicht gelesen hatte.


  • Prince Charming :wave


    Edit ergänzt noch, dass ich nicht glaube, dass es Basil gefallen hätte, dass das perfekte Bild von Dorian wieder existiert, weil er ja Dorians Fehler und Verfehlungen deutlich kennen gelernt hat :-(

  • Ich habe wirklich jede Seite bewusst gelesen und bin trotzdem schon durch.


    Diese Geschichte hat mich fasziniert, sprachlich umwerfend geschrieben und die Tragik der Geschichte auf den Punkt gebracht.


    Der letzte Abschnitt fand ich genial, zu lesen wie Dorian Gray immer mehr durchdreht, man spürt förmlich, dass nun seine Zeit gekommen ist.

  • Zitat

    Original von Faraday
    ...
    Der letzte Abschnitt fand ich genial, zu lesen wie Dorian Gray immer mehr durchdreht, man spürt förmlich, dass nun seine Zeit gekommen ist.


    Und wir beobachten, wie es bergab geht...
    Dorians Schrei, als er sein Ebenbild mit dem Messer attackiert, muss wirklich grausig gewesen sein, wie er beschrieben wird (sogar draußen bleiben die Leute stehen). Wahrscheinlich war es so, als falle in einer Sekunde ein Haufen Lebensjahre und die Last, das Leid und die Bitternis aller Vergehen und Verbrechen, die Dorian begangen hat, auf und in ihn nieder.

  • Zitat

    Original von Clare


    Und wir beobachten, wie es bergab geht...
    Dorians Schrei, als er sein Ebenbild mit dem Messer attackiert, muss wirklich grausig gewesen sein, wie er beschrieben wird (sogar draußen bleiben die Leute stehen). Wahrscheinlich war es so, als falle in einer Sekunde ein Haufen Lebensjahre und die Last, das Leid und die Bitternis aller Vergehen und Verbrechen, die Dorian begangen hat, auf und in ihn nieder.


    Ja, diesen Schrei konnte man beim Lesen fast hören. Dorians Ende war tragisch und gruselig, aber es hat irgendwie gepasst. Ein anderer Ausgang wäre einfach nicht richtig gewesen.
    Die letzte Szene des Romans wird in meiner Ausgabe noch durch eine Illustration betont, auf der man die alten, runzeligen Hände Dorians sieht, die auf dem Bild schon fast an Klauen erinnern.


    Einige Szenen haben mich in diesem Abschnitt stark beeindruckt, wie Dorian nach oben geht und gespannt ist, ob sich seine "gute Tat" auf das Aussehen des Bildes ausgewirkt hat und er lediglich einen listigen Blick und einen Zug der Heuchelei um den Mund wahrnehmen konnte. In diesem Moment wird ihm wohl bewusst geworden sein, dass seine "gute Tat"eigentlich keine war, sondern lediglich ein Ausdruck seiner Eitelkeit.


    Dass James Vane so ganz unabsichtlich erschossen wurde, hat Dorian ja gut in den Kram gepasst, da kam ihm der Zufall zur Hilfe.
    Womit Dorian Campbell erpresst hat, kam ja nicht heraus, aber es muss etwas Schlimmes gewesen sein, wenn Campbell sich daraufhin umgebracht hat. :gruebel


    Das war wieder eine wunderschöne Klassiker-Leserunde. Ich habe das Buch immer in kleinen Häppchen gelesen, denn ich finde, so kann man gerade die klassischen Werke besser und intensiver genießen.

  • Zitat

    Original von Klusi
    ...Ein anderer Ausgang wäre einfach nicht richtig gewesen.
    Die letzte Szene des Romans wird in meiner Ausgabe noch durch eine Illustration betont, auf der man die alten, runzeligen Hände Dorians sieht, die auf dem Bild schon fast an Klauen erinnern.


    Einige Szenen haben mich in diesem Abschnitt stark beeindruckt, wie Dorian nach oben geht und gespannt ist, ob sich seine "gute Tat" auf das Aussehen des Bildes ausgewirkt hat und er lediglich einen listigen Blick und einen Zug der Heuchelei um den Mund wahrnehmen konnte. In diesem Moment wird ihm wohl bewusst geworden sein, dass seine "gute Tat"eigentlich keine war, sondern lediglich ein Ausdruck seiner Eitelkeit.


    Die Illustrationen würde ich gerne sehen - was für eine Ausgaben hast du denn?


    So wie ich es verstanden habe, ist Dorian, je älter er wurde, immer weniger nach ober zum Betrachten des Bildes gegangen, weil er es auch nicht mehr ertragen konnte. Das erst als Glück empfundene hat sich gegen ihn gekehrt...


    Zitat

    Das war wieder eine wunderschöne Klassiker-Leserunde. Ich habe das Buch immer in kleinen Häppchen gelesen, denn ich finde, so kann man gerade die klassischen Werke besser und intensiver genießen.


    Das fand ich auch, und ich habe die LR mit euch sehr genossen! :knuddel1

  • Zitat

    Original von Clare



    Die Illustrationen würde ich gerne sehen - was für eine Ausgaben hast du denn?


    Mein Buch ist eine alte Ausgabe vom Bertelsmann Verlag aus der Reihe "Die große Bibliothek der Weltliteratur" (dunkelblauer Kunstledereinband mit Goldprägung)
    Die Illustrationen sind von Heinrich Heuer.
    Ich habe 'mal zwei Fotos davon gemacht.
    Hier der tote Basil neben dem Portrait


    Und das ist das letzte Bild am Schluss, nach der schaurigen Verwandlung:

  • Zitat

    Original von Klusi
    Ja, diesen Schrei konnte man beim Lesen fast hören. Dorians Ende war tragisch und gruselig, aber es hat irgendwie gepasst. Ein anderer Ausgang wäre einfach nicht richtig gewesen.


    Das empfand ich genauso. Ich bin auch froh, daß Dorian endlich bewußt wurde, wie oberflächlich seine bisherigen Ansichten waren, nämlich das Jugend und Schönheit das einzig Wahre sind. Er hat endlich begriffen, daß es auf die inneren Werte ankommt.


    Leider ist es bei dieser einen Einsicht geblieben. Als er auf sein Leben zurückblickte und sich an all die Menschen erinnerte, dessen Leben er zerstört hat, konnte er dennoch keinerlei Schuldgefühle empfinden. Das Campell sich das Leben nahm, war schließlich seine eigene Entscheidung. Das Dorians Erpressung die Ursache dafür war, das kam ihm gar nicht in den Sinn.


    Zitat

    Original von Clare
    Sein Name "Prinz Wunderhold" (wie heißt der übrigens originalsprachig, Camero ?() .


    Zitat

    Original von Camero
    Prince Charming :wave


    Interessant, in meiner Ausgabe hieß er der Märchenprinz. :grin

  • Doran geht in eine andere Stadt und trifft dort auf James, dem Bruder von Sibyl, der durch Zufall erfährt wer er wirklich ist und ihn aus Rache töten will. Durch sein jugendliches Aussehen rettet er sich, doch ab da hat er Verfolgungswahn und Angst um sein Leben. Als dann James durch einen Jagdunfall ums Leben kommt, fühlt sich Dorian sicher und entscheidet sich zu bessern. Er wird sich bewusst, dass seine Jugend und Schönheit sein Leben verdorben haben und will das beenden.


    Zitat

    Ich wünschte, ich könnte lieben. Aber es scheint, dass ich die Leidenschaft und das Verlangen eingebüßt habe. Ich habe mich zu stark auf mich selbst konzentriert. Die eigene Persönlichkeit ist für mich eine Last geworden. Ich möchte davonlaufen, mich verbergen, mich vergessen. - Doran Gray


    Am Ende ersticht Doran sein Bild und beendet somit sein Leben. Durch diese Tat wird der Vorgang der vor 18 Jahren begonnen hat, rapite beendet und am Ende ist nur das schöne Bilnis des Doran Gray übrig geblieben. Tja das nennt man Ironie des Schicksals! :-) Ich empfand dieses Ende als perfekt!


    Was mir aufgefallen ist ist dass alle eines tragischen Todes sterben (Selbstmord: Sibyl, Campball, Dorian; Mord: Basil, James) nur derjednige, der für all das der Auslöser ist (Lord Hanry), wie ich finde, bleibt als Einziger am Leben. Was wollte uns Wilde damit sagen? Wieso lässt er ausgerechnet Lord Hanry am Leben? Was dennkt ihr?

  • Zitat

    Original von Mary26_87
    ...
    Am Ende ersticht Doran sein Bild und beendet somit sein Leben. Durch diese Tat wird der Vorgang der vor 18 Jahren begonnen hat, rapite beendet und am Ende ist nur das schöne Bilnis des Doran Gray übrig geblieben. Tja das nennt man Ironie des Schicksals! :-) Ich empfand dieses Ende als perfekt!


    Ich fand das Ende auch perfekt so, es hätte gar nicht gut ausgehen können, z.B. wenn Dorian sein Leben geändert hätte. Das hätte einfach nicht gepasst.


    Zitat

    Was mir aufgefallen ist ist dass alle eines tragischen Todes sterben (Selbstmord: Sibyl, Campball, Dorian; Mord: Basil, James) nur derjednige, der für all das der Auslöser ist (Lord Hanry), wie ich finde, bleibt als Einziger am Leben. Was wollte uns Wilde damit sagen? Wieso lässt er ausgerechnet Lord Hanry am Leben? Was dennkt ihr?


    Ich glaube, mit dem was ich über Wilde gelesen habe, dass der Autor in seinem Wesen und auch seinen Ansichten Lord Henry doch sehr ähnlich war. Ist dessen Überleben der Sieg des Zynismus? Vielleicht :gruebel
    Lord Henry beeinflusst, lebt in den Tag hinein und bekämpft die Langeweile, hält sich aber aus moralischen Zwickmühlen heraus, ja denkt nicht einmal darüber nach. Er ist der Verführer, und der bleibt am Ende über den Dingen stehend immer übrig.

  • So, ich bin nun auch durch.


    Ich fand die Sprache bis zum Ende recht schwer zu lesen, lag aber evtl auch daran, dass ich eben auf Englisch gelesen habe und mir dieses Philosophie-"Gelabere" einfach nicht so liegt als Naturwissenschaftler :grin


    Ja, ich finde auch, dass ein anderes Ende nicht gepasst hätte.


    Was ich mich jedoch frage: wie wäre Dorian geworden ohne den Einfluss von Henry? Was denkt ihr? War er einfach von Natur aus so, oder lag es wirklich an Henry und zB diesem einen Buch?


    Ich vergleiche ja immer Buch und Film: im Film geht es dramatischer zu am Ende, da noch die Tochter von Henry ins Spiel kommt. Die beiden lieben sich und Henry will aber mit aller Macht verhindern, dass seine Tochter in die Fänge von Dorian Gray fällt. Dadurch stirbt Dorian am Schluss, aber ich glaube, da hat er sich doch auch selber umgebracht. Sicher bin ich mir jedoch nicht mehr^^
    Dieses Ende hat mir irgendwie besser gefallen, aber liegt vielleicht auch daran, weil man die Emotionen von Dorian mehr wahrnimmt im Film bzw weil solche Szenen eben ausgeweitet wurden und hier kommt ja "nur" ein Schrei.
    Ach so, und im Buch ist es auch so, dass es viel deutlicher rüberkommt wie Dorian jeder Frau an den Rock geht :lache

  • Zitat

    Original von Nightflower
    ...
    Was ich mich jedoch frage: wie wäre Dorian geworden ohne den Einfluss von Henry? Was denkt ihr? War er einfach von Natur aus so, oder lag es wirklich an Henry und zB diesem einen Buch?


    Ich denke, dass gewisse Grundvoraussetzungen einfach da waren. In der Anfangszene, als Lord Henry und er sich bei Basil kennenlernen, ist Dorian zwar noch völlig erstaunt, welche Wirkung er zu haben scheint, aber ich kaufe ihm dieses Erstaunen nicht zu 100% ab. Ich denke, dass er z.B. die Bewunderung Basils bemerkt hatte und sie auch genoss.
    Ohne Lord Henry wäre er vielleicht nicht so selbstsüchtig, genussorientiert und gleichgültig gegenüber den Schwächen anderer geworden, aber einen erheblichen Einfluss hatte das von L.H. geschenkte Buch. Dorian wirft ihm am Ende vor, ihn mit diesem Buch verdorben zu haben, verführt, zu Grunde gerichtet.
    Es ergab sich die Gelegenheit, und er hat sich bereitwillig verführen lassen.
    Schließlich war er selber es, der wünschte seine Jugend für immer zu behalten und an seiner Statt das Gemälde altern und die Last der Jahre tragen zu lassen. Das war seine eigene Entscheidung.


    Zitat

    Ich vergleiche ja immer Buch und Film: im Film geht es dramatischer zu am Ende, da noch die Tochter von Henry ins Spiel kommt. Die beiden lieben sich und Henry will aber mit aller Macht verhindern, dass seine Tochter in die Fänge von Dorian Gray fällt. Dadurch stirbt Dorian am Schluss, aber ich glaube, da hat er sich doch auch selber umgebracht. Sicher bin ich mir jedoch nicht mehr^^
    Dieses Ende hat mir irgendwie besser gefallen, aber liegt vielleicht auch daran, weil man die Emotionen von Dorian mehr wahrnimmt im Film bzw weil solche Szenen eben ausgeweitet wurden und hier kommt ja "nur" ein Schrei.
    Ach so, und im Buch ist es auch so, dass es viel deutlicher rüberkommt wie Dorian jeder Frau an den Rock geht :lache


    Ich kenne keine Verfilmung des Buches.
    Den Schrei im Buch würde ich allerdings nicht als "nur" bezeichnen, denn ich persönlich finde den richtig schrecklich. Wie in einem Moment die Gewalt und das Grauen und die Schuld der Jahre und jede Runzel des Alters auf Dorian einstürzt... :yikes

  • ... und der letzte Abschnitt. Das Buch ist dann doch recht spannend zu Ende gegangen, wenn ich auch insgesamt nicht so hundertprozentig vom Hocker gerissen wurde. Dass Sybils Bruder nun noch mehr zufällig erschossen wird ist da nur ein Punkt. Dorians Tod fand ich in Ordnung. Ihm war das Leben ja eh egal geworden. So kann er wenigstens keinen weiteren Schaden anrichten. Lord Henry wird sich weiter "durchschlawinern", passt auch.


    Äußerst interessant fand ich übrigens die Ausführungen von Wiebke auf Seite 1 dieses Abschnitts :respekt

  • Ich bin nun auch durch und mir hat das Buch, trotz Längen, gut gefallen. Das Ende fand ich äußerst passend und nur konsequent - alles andere hätte nicht gepasst. Ich fand Oscar Wildes Gesellschaftszeichnung und Darstellung des Dorian Gray sehr gelungen!
    Ich muss das Buch erst ein bisschen "sacken" lassen und nachwirken lassen...