'Wonniger Donnerstag' - Prolog - Kapitel 09

  • Im Prolog erweist sich Mack erstaunlicherweise als begnadeter Literaturkritiker und bringt Vorschläge, die der Autor der Cannery Row in seinem nächsten Roman beachten soll und wird, z.B. das Geschnörkel.


    Doc kehrt nachdem Kriegseinsatz zurück, doch an der Cannery Row hat es auch empfindliche Verluste gegeben: Dora Flood ist verstorben, Auch Gay ist tot. Die Fabrik ist geschlossen. Der Ladenbesitzer Lee Chong hat seinen Laden verkauft und ist auch nicht mehr dabei. Auch Henri der Maler hat die Stadt verlassen.

    Ich hoffe aber doch, dass man von einigen der anderen Figuren wenigstens noch mal etwas hören wird. Zum Beispiel wüsste ich gerne was aus dem schutzbedürftigen Frankie geworden ist.


    Doc selbst findet sich auch verändert. Das zeigt sich daran, dass er ziemlich viel trinkt.

    Insgesamt ist die Atmosphäre dieses Buches vergleichsweise düster.

  • Insgesamt ist die Atmosphäre dieses Buches vergleichsweise düster.


    Jede(r) liest dasselbe Buch anders - daran musste ich gerade wieder denken. Denn ich finde die Atmosphäre nicht düster. Allerdings habe ich erst den Prolog und zwei Kapitel gelesen.


    Und ich bin schon wieder begeistert. Unglaublich, wie witzig, originell und genial schon der kurze Prolog ist. Wer hätte das gedacht: Mack als Literatursachverständiger und Philosoph im Miniformat. Ich liebe diesen Kleinkriminellen und hauptberufliches Schlitzohr, obwohl ich im RL wohl nichts mit ihm anfangen könnte.

    Aber John Steinbeck schafft es, dass ich ihn mag.


    Im ersten Kapitel habe ich Steinbecks sprach- und bildgewaltige Zusammenfassung genossen. Da ist kein Wort zu wenig und keines zu viel. Ob wir von Lee Chang noch einmal hören werden? Und Flora bzw Fauna scheint ihre Flotte Flagge auf neuen Kurs zu bringen. Schade, dass Henri die Flucht ergriffen hat.


    Ich fand die Schilderung von JMs Gaunerkarriere köstlich. Vor allem seine Marihuanapflanzen auf öffentlichem Platz vor der Nase der Polizei.


    Mack hat auch schon für Docs Niedergeschlagenheit und Lethargie eine Patentlösung. Man darf gespannt sein.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Jede(r) liest dasselbe Buch anders - daran musste ich gerade wieder denken. Denn ich finde die Atmosphäre nicht düster. Allerdings habe ich erst den Prolog und zwei Kapitel gelesen.

    Ich habe jetzt auch gerade bis zum Ende des zweiten Kapitels gelesen. Als düster würde ich die Atmosphäre auch nicht beschreiben. Aber schon als sehr verändert. Im ersten Band war die Stimmung für mein Gefühl wesentlich heiterer. Ich empfinde es im Moment noch als etwas gedämpfter und nachdenklicher.

    Trotzdem gefällt mir das Buch schon wieder richtig gut und ich bin auch von Steinbecks Sprache wieder begeistert.

    Zum Beispiel wüsste ich gerne was aus dem schutzbedürftigen Frankie geworden ist.

    Frankie ist mir vom ersten Buch auch noch richtig gut in Erinnerung geblieben. Ich hoffe auch sehr , dass wir noch mal was über ihn lesen dürfen.


    Dieser JM scheint mir ja ein richtiges Schlitzohr zu sein. Er wird die Cannary Row bestimmt noch ein wenig aufmischen.

  • Ein gelungener Trick, die Verbesserungen, die sich Steinbeck ausgedacht hat, seinem Protagonisten Mack in den Mund zu legen. Ich finde, es liegt etwas wie leise Wehmut oder ein Hauch von Lethargie auf der Gemeinschaft. Ich denke, dass sie von Doc ausgeht, an dem der Krieg nicht spurlos vorübergegangen ist. Aber diese unterschwellige leise Ergebenheit in ihre Situation, die nichts zu tun hat mit Aufgeben oder Verzweifeln, zieht sich durch alle Teile der Romane. Im Gegenteil. Ihre Probleme meistern sie mit Bravour und wenn es um Doc geht, kennt ihre Fantasie und Hilfsbereitschaft sowieso keine Grenzen, wenn sie ihn auch gleichzeitig für ihre eigenen Zwecke einspannen. Denn sie wissen genau, was ihm fehlt. Was mich immer so tief berührt ist der zutiefst menschliche Umgang Steinbecks mit seinen Figuren. Niemand kann das so herrlich und, bei aller Schelmerei, so ergreifend wie er.

  • Den Prolog fand ich auch so richtig gelungen und mir war auch gleich wieder klar, weshalb ich Steinbeck so gerne lese.


    Als düster empfinde ich die Stimmung auch nicht, aber auch nicht so gelöst und heiter wie beim Vorgängerband. Ab und an gab es ja schon eine Schelmerei - Marihuanapflanzen auf der Plaza - genial :grin


    Schade, daß der Kramersladen einen neuen Besitzer hat, von dem wir hoffentlich noch eingies erfahren werden. Ja, der Doc lebt derzeit nur für seine "Forschungen" mit den Tintenfischen und ein neues Mädel in der Flotten Flagge. Vielleicht bringt sie etwas Schwung rein. Genial fand ich wieder Old Tennisschuh, wie kommt ein Autor auf solche Bezeichnungen? :lache:gruebel

  • Ich bin im vierten Kapitel. Irgendwie hatte ich aus der Straße der Ölsardinen einen Doc vor mir, der alkoholsüchtig und alt ist, aber da habe ich mir wohl ein falsches Bild vom ihm gemacht. Er war da anscheinend ein junger Mann und ist jetzt in den mittleren Jahren. Für mich hätte sich Steinbeck anscheinend nicht darauf verlassen dürfen, dass ich mir selbst ein Bild von den Personen mache, aus der Art, wie sie sprechen.

    Steinbeck kann wundervolle Beschreibungen wie "Über Doc und Mack senkte sich goldschimmernde Schwermut wie herbstlicher Blätterfall, eine Schwermut, die zu gleichen Teilen aus Old Tennisschuh und alten Zeiten zusammengebraut war" oder "Wo fängt Unzufriedenheit an? Es ist einem ganz schön warm, aber man fröstelt doch. Man hat zu essen, aber der Hunger zwickt einen. Man ist geliebt, aber die Sehnsucht schweift ins Neue, Unbekannte."

    Wenn er dann noch spannender schreiben würde, dann wäre ich echt begeistert...

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Wenn er dann noch spannender schreiben würde, dann wäre ich echt begeistert...

    Ja, so verschieden sind halt die Vorstellungen von Spannung. Spannung muss nicht immer mit der Keule hinter der Ecke lauern. Steinbeck schreibt sehr wohl spannend, aber er schreibt keinen Thriller oder Horror um des (Verkaufs)Effektes willen. Geschichten, die der Seele gut tun und so wunderbare Botschaften vermitteln wie Steinbecks Bücher bräuchten wir wesentlich mehr.

  • Ich bin auch wieder begeistert davon, wie es Steinbeck schafft, mit ein paar Sätzen die Personen so lebendig vor meinem Auge entstehen zu lassen.:anbet

    Doc mit seinen Tintenfischen finde ich herrlich. Erst versucht er die Aquarien so angenehm wie möglich für sie zu gestalten. Und dann reizt er sie mit Nadeln und chemischen Mittel, bis sie sich gegenseitig umbringen. Oder er gibt ihnen Kokoain zum Schlafen.

    Und Fauna ist auch eine tolle Person. Sie kauft eine Kiste präparierte Affenköpfe, nur um sie vom Markt fernzuhalten. :rofl Einfach göttlich.

    Ich genieße das Lesen wirklich sehr. Es ist für mich so, wie Leselampe geschrieben hat: Ein Buch, das meiner Seele gut tut.

  • Ein nächstes Highlight war das 3. Kapitel ("Geschnörkel 1"). Wieder dachte ich, dass schon allein das Lesen dieses Kapitels das Lesen des ganzen Buches lohnt.


    Docs Besessenheit für die Tintenfische nimmt schon groteske Züge an. Und seine Schreibblockade bezüglich der Abhandlung unterbricht er nur zu gerne mit allen möglichen Ablenkungen. Wer kennt das nicht - alles erledigen nur nicht das, was wichtig ist, aber nicht von der Hand geht?


    Joseph Maria ist wieder ein herrlich schräger Charakter, der gut in die bunte Menagerie der Cannery Row passt. Ich habe beinahe Tränen gelacht, wie er einen Weg suchte, beim Schach zu betrügen.


    Und im tollen Abschluss dieses Abschnitts habe ich über Hazel amüsiert, der sich vehement gegen Faunas Horoskop sträubt. Seine Zukunft als US-Präsident verursacht ihm Panik. Mir nicht... Hazel wäre sicher nicht der schlechteste Präsident. ;)

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

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  • Ich habe nun auch endlich den ersten Abschnitt hinter mich gebracht. Ganz so begeistert bin ich noch nicht. Noch kommt mir alles so vor wie eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten vor, aber das wird sicher noch. Die kleinen Episoden, die ihr nanntet, gefielen mir auch. Ganz düster ist es vielleicht nicht, eher alles noch ein wenig gehemmt.


    Helft mir bitte noch einmal auf die Sprünge, wer war Frankie? :/

  • Helft mir bitte noch einmal auf die Sprünge, wer war Frankie?

    Frankie ist der kleine, lernbehinderte Junge aus dem ersten Band. Doc hatte ihn unter seine Fittiche genommen. Er ist ein wenig zurückgeblieben. Ich kann mich noch an die Szene erinnern, als Frankie bei einer Feier helfen möchte das Bier zu servieren und dann das ganze Tablett fallen lässt. Und anschließend gräbt er sich vor Scham in eine Kiste mit Holzwolle ein. Ich fand ihn im ersten Band sehr berührend.

    Ganz so begeistert bin ich noch nicht. Noch kommt mir alles so vor wie eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten vor, aber das wird sicher noch.

    Ja, es sind schon mehr oder weniger nur Aneinanderreihungen von kleinen Episoden. Trotzdem gefällt mir das Buch wieder sehr gut. Die einzelnen Geschichten verbindet die Sorge aller vom Doc und das langsame Normalisieren des Lebens nach dem Krieg.

  • Mir kommt die Stimmung auch deutlich ernster vor, als im ersten Band, aber es passt, immerhin ist der Krieg gerade erst zu Ende und alle müssen erst wieder langsam den Weg zurück in die Normalität finden.

    Wobei sich aber scheinbar nur Doc so richtig schwer tut. Die Tintenfische sind da wohl auch nicht die Lösung, ich denke, Mac hat da eher den richtigen Rächer, was dem Doc fehlt:grin


    Was aus Frankie geworden ist, wüsste ich auch zu gerne.

  • Ich hab den ersten Band aus der Fischdosenstraße zwar noch nicht durch, aber ich fand den auch ziemlich deprimierend..., also nicht die Schreibweise, sondern die Lebensumstände der Leute mitten in der großen Depression, wenn sie in Rohren leben etc.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich hab den ersten Band aus der Fischdosenstraße zwar noch nicht durch, aber ich fand den auch ziemlich deprimierend..., also nicht die Schreibweise, sondern die Lebensumstände der Leute mitten in der großen Depression, wenn sie in Rohren leben etc.

    Und wo leben die Ärmsten der Armen mitten in Europa heute? DAS ist mMn deprimierend...

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Und wo leben die Ärmsten der Armen mitten in Europa heute? DAS ist mMn deprimierend...

    Ja, das ist auch sehr deprimierend, aber kommt in dieser Geschichte nicht vor.


    Den Optimismus und die Lebensfreude habe ich nicht so empfunden Zwergin , aber ichl bin erst zur Hälfte durch.

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