'Alles, was wir geben mussten' - Kapitel 21 - Ende

  • :gruebel Möglicherweise war es Absicht des Autors, die Spender so bereitwillig zu zeichnen, um zu zeigen, dass Menschen ihr Schicksal annehmen können, wenn sie keine andere Möglichkeit in dieser Gesellschaft haben.


    Tommy hätte aus Frust Selbstmord begehen können, wollte dann aber wohl doch noch für diese letzten Spende wertvoll sein - hat vielleicht mit seinem Selbstwertgefühl zu tun, das ihm von Kindheit an eingeimpft worden ist. :gruebel

    Das hat mit dem Vorhandensein von KEINEM Selbstwertgefühl zu tun. Denn genau dieses wird ihnen von Anfang an bewusst genommen. Schafe, die freiwillig zur Schlachtbank gehen. So wurden sie erzogen.

  • Tommy hätte aus Frust Selbstmord begehen können, wollte dann aber wohl doch noch für diese letzten Spende wertvoll sein - hat vielleicht mit seinem Selbstwertgefühl zu tun, das ihm von Kindheit an eingeimpft worden ist.

    Das war in der Tat auch mein Gedanke. Ich hätte es in gewisser Weise als konsequent empfunden. Doch war dieser Schritt für ihn als Gefangener dieses Systems zu abwegig. Er ist zwar bis aufs Mark getroffen und will sich eigentlich nicht damit abfinden, will oder kann aber auf der anderen Seite nichts dagegen tun. Das zeigt wieder einmal, wie effizient die Methoden von Hailsham bzw. des ganzen Systems sind und macht es für mich nur noch unheimlicher.

    :lesend Jay Kristoff; Nevernight - Die Rache

    :lesend Laura Imai Messina; Die Telefonzelle am Ende der Welt (eBook)

    :lesend Rebecca Gablé; Teufelskrone (Hörbuch: Detlef Bierstedt)

  • Und je länger ich über das Buch nachdenke, desto abstoßender finde ich die von Ishiguro in dem Interview getätigten Aussagen. Nichts, aber auch gar nichts ist an einer derartigen Aufzucht, Haltung und Willenlosigkeit optimistisch.


    Diese Art meiner Auseinandersetzung mit dem Autor macht es dann aber wieder zu einem nicht unwichtigen Buch für mich.

  • Das hat mit dem Vorhandensein von KEINEM Selbstwertgefühl zu tun. Denn genau dieses wird ihnen von Anfang an bewusst genommen. Schafe, die freiwillig zur Schlachtbank gehen. So wurden sie erzogen.

    Das ist die Außenansicht. Aber für die Spender liegt ihr Wert eben in ihren guten Körpern und den für diese Gesellschaft wertvollen Organen - daraufhin wurden sie erzogen und das haben sie wohl auch verinnerlicht und ziehen ihren eigenen Selbstwert daraus.


    Das Ganze ist ja zum Glück nur ein Gedankenexperiment.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Das sehe ich komplett anders. Das ist das Resultat von gezielt angewendeter Gehirnwäsche und psychischer Kindesmissbrauch und kein Selbstwertgefühl. Opfer solcher Methoden fühlen sich oft verantwortlich und schuldig. Mir fehlt da jegliches Verständnis und optimistisch ist das nicht, sondern traurig und widerlich.

  • :( Ich habe auch nicht gesagt, dass dergleichen die Täter entschuldigt oder dass ich dieses System in irgendeiner Weise positiv sehe.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Das ist die Außenansicht. Aber für die Spender liegt ihr Wert eben in ihren guten Körpern und den für diese Gesellschaft wertvollen Organen - daraufhin wurden sie erzogen und das haben sie wohl auch verinnerlicht und ziehen ihren eigenen Selbstwert daraus.


    Das Ganze ist ja zum Glück nur ein Gedankenexperiment.

    Sie versuchen zwar, sich einzureden, dass sie einen Wert hätten aber eigentlich ringen sie mit ihrer Lage und würden nichts lieber als ihr Schicksal abwenden. Sie sind weder glücklich noch können sie wirklich ihren Wert für die Gesellschaft fühlen. Aber sie sehnen sich danach, dass ihr Opfer nicht wertlos ist. Erschreckend, dass sie sich nicht wehren. Das ist das eigentlich dramatische. Dass ihr Selbstwertgefühl so gering ist, dass sie nicht aufbegehren gegen dieses Programm. Und um ihre Wehrlosigkeit zu rechtfertigen vor sich selber, nehmen sie ihre Rolle an.



    Mir fehlt da jegliches Verständnis und optimistisch ist das nicht, sondern traurig und widerlich.

    Ja, sehr seltsam, was der Autor da optimistisch findet. Im Film kommt zumindest noch mehr rüber, dass Kathy und Tommy kurze Zeit glücklich sein dürfen und dass sie gemeinsam ihre Opferrolle besser annehmen können. Aber ja, das ist alles extrem traurig.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    T.J. KLune - Mr Parnassus Heim für magisch Begabte


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Für mich ist neben der Frage des unfreiwilligen "Spendens" auch die Beziehungslosigkeit der Kinder und deren Folgen ein wichtiges Thema.


    Die Kinder werden - meiner Meinung nach ganz bewusst - so aufgezogen, dass sie keine stabilen Beziehungen zu irgendwelchen Vertrauenspersonen aufbauen können, weil ihnen die von frühester Kindheit an, nicht vorgelebt wurden.

    Da ist der Begriff "Aufseher" schon richtig gewählt.

    Und das hat ihr restliches Leben lang schreckliche Auswirkungen für die Kinder. Ich denke noch nicht einmal an den frühen Tod. Ihnen wird ja auch in ihrem Leben alles genommen, was das Leben lebenswert macht.

    Je länger ich darüber nachdenke, desto schrecklicher erscheint es mir.

    Denn - was habe ich denn in meinem Leben Wertvolles? Die Beziehungen zu den Menschen, die ich liebe.

    Wenn mir nicht möglich ist, solche Beziehungen aufzubauen, nützt mir auch das ganze Drumherum nicht.

  • Rumpelstilzchen  :gruebel Die wichtigsten Beziehungen sind die der Kinder untereinander. Kathy vermisst Hailsham ja hauptsächlich wegen der Gemeinschaft, die so dort mit den anderen hatte. Sie erzählt ja, dass sie als Betreuerin zu denen eine viel engere Bindung spürt, als zu Spendern, die nicht von dieser Einrichtung kamen.

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie sich Kinder entwickeln, die ohne erwachsene Bezugsperson aufwachsen. Leider erfährt man nichts über das frühkindliche Stadium. :(

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Tante Li, vielleicht ist das auch besser, darüber nichts zu erfahren.


    Das ist ja das Schlimme - die Kinder vermissen Wärme und Liebe, können sie aber auch untereinander nicht wirklich geben.

    Gerade das Ende zeigt das deutlich - auch wenn Kathy nicht mehr Betreuerin von Thommy sein konnte, sie hätten sich trotzdem weiterhin sehen können, wenn auch unter Schwierigkeiten.

    Irgendwie sind alle zu jeder Zeit auf ihre Funktionen reduziert.

  • Das ist ja das Schlimme - die Kinder vermissen Wärme und Liebe, können sie aber auch untereinander nicht wirklich geben.

    Es wird ihnen ja auch nicht vorgelebt. Also wenn überhaupt, dann lernen sie mal aus dem Fernsehen etwas über "normale" Beziehungen. Aber sie haben keine Eltern oder andere, die ihnen vorleben, wie Menschen sich miteinander verhalten.


    Um so länger wir drüber reden, um so schlimmer wird die Geschichte, ehrlich gesagt. So alleine hätte sie mich gar nicht so lange beschäftigt und die Feinheiten hätte ich wohl verdrängt.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    T.J. KLune - Mr Parnassus Heim für magisch Begabte


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ja, alleine gelesen hätte ich das Buch wahrscheinlich als langweilig und unrealistisch abgetan und nicht weiter darüber nachgedacht. :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Um so länger wir drüber reden, um so schlimmer wird die Geschichte, ehrlich gesagt. So alleine hätte sie mich gar nicht so lange beschäftigt und die Feinheiten hätte ich wohl verdrängt.

    Das geht mir ganz genauso. Ich habe das vorher noch nie bei einer Leserunde so empfunden.
    Es gab schon schlechte Bücher und trotzdem großartige Runden. Diese hier beende ich mit eine Art Widerwillen und keinem guten Gefühl (ich weiß nicht, wie ich das sonst beschreiben soll - mir fehlen gerade die richtigen Worte) und das gefällt mir nicht. Das liegt aber nicht an euch, sondern nur am Buch.

  • Saiya  :wave Ich hoffe, Du hast jetzt ein richtig schönes Buch zum Lesen. :keks

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle