Wo bitte geht's zu Gott? Fragte das kleine Ferkel.

  • @ churchill:


    Hast Du in die Vita von Herrn Schmidt-Salomon geschaut? Da ist die Rede von einer „postfamilialen Familie“ (2 biologische + 3 soziale Kinder + 3 weitere Erwachsene), die in der Vordereifel leben. Für mich ist das Abschreckung genug.
    Disclaimer: Ich habe kein Problem mit alternativen Lebensformen, aber bitte nicht schon wieder diese Alt-68-ger-Geschichten.

  • Zitat

    Original von churchill
    Eine Indizierung (die selbstverständlich Schwachsinn gewesen wäre) hätte das Buch populär gemacht. So wird es eines unter Millionen Bilderbüchern sein. Gut so :grin


    genau das ist ja meine befürchtung, churchill!


    aber da ich das buch selbst noch nie in der hand hatte, kann ich jetzt nicht einfach sagen: schlecht so. und falls ich es doch eines tages gelesen haben sollte, müsste ich dir vielleicht auch noch zustimmen. ne ne, da lass ich das lieber...


    bo :grin

  • Ich habe das Buch jetzt mehrmals gelesen und verstehe die Aufregung nicht ganz.


    Ferkelchen und Igelchen machen sich auf die Suche nach Gott. Knuffige Gestalten, liebevoll gezeichnet, genau die richtigen Kinderbuchfiguren. Was sie entdecken, ist unverständlich, seltsam, erschreckt sie - sie ziehen für sich den Schluss, dass sie den von den Religionsgemeinschaften (reduziert auf Judentum, Christentum, Islam) propagierten Gott nicht brauchen, und so sehe ich das Buch auf diesen Seiten eher als Kritik an den Religionsgemeinschaften denn als Kritik an einem übergeordneten Wesen à la Gott.


    Man kann natürlich anführen, dass die Religionsgemeinschaften hier auf wenige Aspekte reduziert worden wurden, dass sie nicht gänzlich dargestellt wurden, dass ihre Gotteshäuser zu Gespensterburgen werden, aber ich empfinde die Darstellung trotz (vielleicht etwas zu) starker Überzeichnung der Religionsvertreter als einem Kinderbuch angemessen.


    Denn die Reaktionen von Ferkel und Igel sind logisch. Natürlich ist es "gemein", dass bei der Sintflut alle Babys, Igelomas und Schmetterlinge ertrunken sind. Natürlich stellt sich bei den unzähligen Religionen dieser Welt die Frage, ob es eine richtige gibt, bzw. die Frage der beiden Tiere, wer ihnen garantiere, dass "Mohammed das [=Islam] nicht bloß erfunden hat".
    Denn welche Religion hat nicht in gewissem Maße den Anspruch, richtig, oder sogar alleinig richtig zu sein? Daraus erklären sich die Reaktionen des Rabbis, des Bischofs und des Muftis.


    Die dargestellten Religionsvertreter ereifern sich über diesen scheinbare Missachtung ihres Glaubens - jedoch war dies nicht einmal die Intention der beiden Tiere, die eher unvoreingenommen und neugierig wirken. Wohl ist aber diese ereifernde Darstellung der Religionsvertreter gewollt durch Autor und Zeichner. Diese Darstellung mag übertrieben sein, ja, aber soweit ich das überhaupt beurteilen kann, reagieren manche Leute, die sich in religiösen Gefühlen (unabhängig ob zu Recht oder nicht) verletzt sehen, zuweilen harsch, was für mich zwar nachvollziehbar ist, wofür ich aber kein Verständnis habe. Aber eben nicht alle reagieren so.
    Die Darstellung ist also vereinfacht und klischeehaft, was in Kinderbüchern ja nicht unbedingt vermeidbar ist. Hier bietet sich ein Kritikansatz (auch wenn ich den Antisemitismusvorwurf für ungerechtfertigt halte), ich selbst bin mit der Vereinfachung und Überzeichnung nicht wirklich glücklich.


    Ein solches Kinderbuch kann keine detaillierte und differenzierte Darstellung auf dem in Glaubensfragen vielleicht angemessenen Niveau bieten, auch merkt man anhand der "gelenkten" Handlung ganz klar die Intention des Verfassers, die sich gegen den (von den Religionsgemeinschaften vermittelten) Glauben wendet.
    Aber Meinungen sind erlaubt, auch diese, niemand wird zu diesem Buch gezwungen - ebenso gibt es ja auch religiöse Literatur.


    Ansonsten stellt sich auch die Frage, wie differenziert, facettenreich und neutral Nicht- und Andersgläubige in christlicher Kinderliteratur beschrieben werden (was ich nicht einschätzen kann), bzw. in den heiligen Schriften der Religionen (auch hier habe ich nur eingegrenztes Wissen).
    Ein Kinderbuchvergleich wäre sicher interessant, aber wo findet sich ein neutraler Beurteiler?


    Den Vorwurf, dass die Religionsgemeinschaften als gewalttätig dargestellt werden (Ersticken durch Thora), lässt mich auflachen, jedoch nicht vor Vergnügen. Ein Blick in das Kinderfernsehprogramm zeigt, wie harmlos die Streitszene im Buch im Vergleich zu manchen Zeichentrickserien ist...


    Am meisten persönliche Probleme an diesem Buch bereitet mir das Endgedicht. Blieb das Buch noch in dem Maße tolerant, dass es jedem seinem Glauben erlaubte und vielmehr die gemeinschaftliche, geregelte Ausübung kritisierte ("Und wenn [es Gott] doch [gibt], dann wohnt bestimmt nicht in diesen Gespensterburgen"), wird hier der Glaube in schauerlichen Reimen grundsätzlich als Hokuspokus abgetan, was mir persönlich zu "krass" scheint. Dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen.


    Ich habe nichts gegen Religionskritik oder Glauben und auch nichts dagegen, dass sie in Kinderbüchern vorkommen. Möge jeder seinen Kindern zumuten, was er möchte - auch wenn ich generell dafür plädiere den Kindern die Entscheidung (später!) selbst zu überlassen ;-).


    Aber ich habe etwas gegen Bücher, die ihren Weg als den einzig richtigen begreifen. Seien es religiöse oder nichtreligiöse.
    Und bei diesem Buch bin ich mir da nicht sicher.


    Auf jeden Fall zählt dieses Buch zu den Büchern, die nicht ohne Erklärungen der Eltern auskommen, das liegt nicht daran, dass dieses Buch schlecht ist, sondern an der Glaubensthematik.


    Fazit
    Ein Buch, dass eine Meinung vertritt, die zwar kritisiert werden mag, ebenso wie sie selbst kritisiert, die aber ebenso ein Recht auf Existenz (auch in Kinderbüchern) hat wie andere Meinungen. Mir persönlich sagt das Buch nur teilweise zu, aber gemäß der angestrebten Aussage finde ich es vom Text und Inhalt her gelungen.


    :wave bartimaeus


    Edit: Grammatikalischer Fehler
    Edit2: Korrekturen von Fehlern, die ich zu später Stunde übersehen habe.

  • Zitat

    Original von bartimaeus


    Denn die Reaktionen von Ferkel und Igel sind logisch. Natürlich ist es "gemein", dass bei der Sintflut alle Babys, Igelomas und Schmetterlinge ertrunken sind.


    Nun, auch wenn ich dieses Buch nicht gelesen habe, so erdreiste ich mich dennoch, die Frage zu stellen:
    Wird denn in diesem Buch nun eine Relligionsgemeinschaft für die Sintflut zur Rechenschaft gezogen?


    Wenn es sie denn gab diese Sintflut...und einiges deutet ja darauf hin, dass es ein solches oder ähnliches Ereignis in der Entstehungsgeschichte der Erde gegeben hat, dann kann man doch keine Religion/keinen Glauben dafür verantwortlich machen.


    Ich bleibe dabei, dieses Buch erscheint mir einfach ziemlich unlogisch....und ich denke, dass es mir auch nicht logischer erschiene , wenn ich es selber lesen würde.


    :wave

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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  • Zitat

    Original von Joan
    Nun, auch wenn ich dieses Buch nicht gelesen habe, so erdreiste ich mich dennoch, die Frage zu stellen:
    Wird denn in diesem Buch nun eine Relligionsgemeinschaft für die Sintflut zur Rechenschaft gezogen?


    Der Rabbi lässt Ferkel und Igel nicht in den Tempel, weil sie keine Juden sind und kleine Ferkel "schon gar nicht rein" kommen. Das findet das kleine Ferkel nicht nett. Daraufhin sagt der Rabbi, Gott sei auch nicht nett. Er sei allwissend und allgütig, aber könne auch ganz schön zornig werden. Um das zu beweisen, erzählt er die Geschichte von der Sinnflut.


    Zitat

    aus dem Ferkelbuch
    "Eines Tages", sagte der Rabbi, "ärgerte sich Gott der Herr, so sehr über die Menschen, dass er sich entschloss, alles Leben auf der Erde zu vernichten."
    "Alles Leben?", fragte das Ferkel erschrocken. "Alle Menschenbabys, alle Omas und alle Tiere?" Auch die Ferkel, die Igel, die Schmetterlinge und die kleinen Meerschweinchen?"


    Ich hab keine Kinderbibel, aber ich hab diese Darstellung aus dem Kinderbuch "Noahs Arche" von Peter Spier gefunden: Link


    Zitat

    aus: "Noahs Arche" von Peter Spier
    In der Zeit, als Noah lebte, waren die Menschen böse. Neid, Betrug und Hass bestimmten ihr Leben. Nur Noah war anders. Er liebte Gott und lebte nach seinen Geboten. - „So dürfen die Menschen auf meiner Erde nicht leben,“ sagte Gott, „ich will eine große Flut schicken und all diese Menschen darin umkommen lassen – nur Noah und seine Familie nicht. [...] Alles, was auf der Erde lebt, soll sterben.“


    Ich finde, das entspricht ziemlich genau der Darstellung im Ferkelbuch. Nur dass im Ferkelbuch noch überlegt wird, warum eigentlich auch alle Ferkel, Igel, Schmetterlinge und Meerschweinchen sterben müssen, bis auf ein Paar jeder Art, weil Gott sich über die Menschen ärgert. Ich finde die Frage gar nicht mal unangebracht.


    Zitat

    Original von Joan
    Wenn es sie denn gab diese Sintflut...und einiges deutet ja darauf hin, dass es ein solches oder ähnliches Ereignis in der Entstehungsgeschichte der Erde gegeben hat, dann kann man doch keine Religion/keinen Glauben dafür verantwortlich machen.


    Wird auch nicht gemacht. Aber Ferkel und Igel kommen zu dem Schluss, dass der Rabbi die Geschichte bloß erfunden hat, um ihnen Angst einzujagen. Igel und Ferkel beschließen, dass sie nicht an einen Gott glauben, der kleine Meerschweinchen ertränkt.


    Zitat

    Original von Joan
    Ich bleibe dabei, dieses Buch erscheint mir einfach ziemlich unlogisch....und ich denke, dass es mir auch nicht logischer erschiene , wenn ich es selber lesen würde.


    Zumindest hättest Du Dir dann aber Dein eigenes Bild gemacht. ;-)

  • Zitat

    Original von Joan
    Wenn es sie denn gab diese Sintflut...und einiges deutet ja darauf hin, dass es ein solches oder ähnliches Ereignis in der Entstehungsgeschichte der Erde gegeben hat, dann kann man doch keine Religion/keinen Glauben dafür verantwortlich machen.


    Das wird auch nicht gemacht. Vielmehr wird die Darstellung der Sintflut als Strafe Gottes kritisiert. Und diese könnte man Religionen anlasten.
    Ich schließe mich Delphin da an. Die Frage, warum auch Tiere - können Tiere sündigen? - bestraft wurden, ist interessant.


    In diesem Punkt bin ich einer Meinung mit Igel und Ferkel - an einen solchen Gott möchte ich nicht glauben.

  • Delphin


    Da hast Du recht, ich könnte mir ein eigenes Bild machen, aber ich möchte das Buch möglichst nicht kaufen, das Geld gebe ich halt doch lieber für eine andere Art von Buch aus. :grin
    Ich möchte einfach generell ein paar Dinge die in Kinderbüchern gezeichnet und geschrieben werden etwas hinterfragen.
    Kinderbücher schaue ich mir immer im Wartezimmer meines Arztes an, die liegen dort zuhauf herum. Einige gefallen mir, andere wiederum widerstreben meiner ganz persönlichen Einstellung: das fängt halt schon dort an, wo Tiere in Kleider und Schuhe gezwängt werden.


    Und eben, ob es nun gut sei, Tiere auf die Suche nach Gott zu schicken....ich weiss nicht so recht.


    :wave

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  • Ach, das nicht nur hier so heiss umkämpfte Ferkel-buch ist auch von ihm, seh ich grad.


    Ich hab ja grad die rezi zu einem ganz anderem Buch gesucht, in dem ich grad den endspurt erreiche, und stelle fest, unsere bilderbuch-säkularisten lassen in der rezi-schreibung aus, sofern sie es überhaupt lasen... - schämts euch! Muss schon wieder ich? :-(

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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