'Die Hochzeit der Chani Kaufman' - Kapitel 16 - 21

  • Ich hab das letzte Kapitel noch vor mir aber bis auf die Geschichte mit der Rebbetzin war das hier sehr amüsant zu lesen.

    Rebecca wirft ihrem Mann Scheinheiligkeit vor, sie fühlt sich bevormundet, eingeengt, in Jerusalem wusste sie nicht worauf sie sich eingelassen hat und konnte nicht ahnen, dass ihr Mann sich so sehr verändert und sich so sehr in diese enge Gemeinde einlebt und fügt. Das bedeutet ja, dass nicht überall die Gebote so stark eingehalten und überwacht werden. Das ist wie ein Dorf in dem jeder jeden beobachtet und schaut, dass keiner über die Stränge schlägt.

  • Die Geschichte der Rebbetzin ist wirklich traurig, wobei ich immer noch auf die Erklärung warte, warum sie ihren Namen von Rebecca zu Rivka geändert hat. In einem säkularen Umfeld hätte sie sich vermutlich längst von ihrem Mann getrennt, aber in ihrer Gesellschaft ist das natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.

    Bei der Episode mit dem Fernseher musste ich erst grinsen, v.a. als es darum ging, dass der Fernseher ins Gartenhaus ausquartiert wird, damit man guten Gewissens sagen kann, man habe keinen "im Haus". Und der Fernseher im Schrank ist natürlich schon eine Art von Scheinheiligkeit - dass Chaim ihn dann ganz entsorgt, ist für ihn eine logische Konsequenz, aber für seine Familie nur schwer erträglich. Chaim verbannt ja mehr und mehr alles Weltliche aus dem Haus, Bücher, Musik etc. und er fordert das nicht nur von sich selbst, sondern auch von seiner Familie. Dass das für Rebecca, die einst lebenslustige Frau, nur schwer auszuhalten ist, kann ich gut nachvollziehen. Ich bin gespannt, ob es da noch zum großen Knall kommt!


    Chani und Baruch haben ihre ersten "Dates". Es hat mich überrascht, dass die beiden unbeaufsichtigt ihr erstes "Blind Date" haben durften - das hätte ich nicht gedacht. Ich bin fest davon ausgegangen, dass das erste Treffen bei der Jente stattfindet oder zumindest im Beisein der Eltern! Die beiden sind sich einigermaßen sympathisch, auch wenn Chani von Baruchs Äußerem nicht ganz überzeugt ist. Aber Baruch ist entschlossener denn je, seinen Willen bei der Wahl seiner Frau durchzusetzen - finde ich gut!


    Mrs Levy dagegen lässt nichts unversucht, um diese Beziehung doch noch zu verhindern. Aber sie schafft es nicht und ich fand es sehr unterhaltsam zu lesen, wie sie immer wieder gegen die Wand fährt und doch nicht aufgibt. An dieser Stelle hat mir auch gut gefallen, dass die Rebbetzin ihr die Stirn geboten hat - allerdings frage ich mich, wie sie reagieren wird, wenn herauskommt, was Avromi so treibt, wenn er nicht zu Hause ist.


    Chanis Auftreten fand ich bewunderswert. Diese Mädchen werden ja nun wirklich nicht zu selbstbewussten Frauen erzogen, aber sie lässt sich nicht einschüchtern und sagt Mrs Levy ordentlich die Meinung - Chapeau!


    LG, Bella

  • Chani und Baruch haben ihre ersten "Dates". Es hat mich überrascht, dass die beiden unbeaufsichtigt ihr erstes "Blind Date" haben durften - das hätte ich nicht gedacht. Ich bin fest davon ausgegangen, dass das erste Treffen bei der Jente stattfindet oder zumindest im Beisein der Eltern! Die beiden sind sich einigermaßen sympathisch, auch wenn Chani von Baruchs Äußerem nicht ganz überzeugt ist. Aber Baruch ist entschlossener denn je, seinen Willen bei der Wahl seiner Frau durchzusetzen - finde ich gut!



    LG, Bella

    So streng geht es also nicht zu, zumindest nicht für die jungen Leute. Sie dürfen sich zwar nicht berühren, können sich aber mal beschnuppern und miteinander reden. Das erinnert mich an die Sendung "First Dates", die immer vor dem Perfekten Dinner kommt. Da sehe ich manchmal noch den Schluss. Die wissen ja auch oft schon, das passt, könnte was werden oder nicht.


    Ich könnte mir schon vorstellen, dass es wie bei dem Fernseher öfter mal Heimlichkeiten gibt, mit denen man sich das Leben erleichtert. Aber man darf nicht darüber reden oder es jemanden wissen lassen. Und man muss es im Gebet bekennen. Aber das ist ja wieder das Scheinheilige, was mich stört und vermutlich auch viele, die so leben.

  • In diesem Kapitel ist so richtig was los ... Inzwischen finde ich das Buch tatsächlich spannend.


    Im Konflikt zwischen Rebecca/Rivka und Chaim konnte man die dicke Luft und die Frustration förmlich spüren. Auf Chaim bin ich ernsthaft sauer - er verbietet ihr quasi alles, was Spaß macht, aber tarnt es als Bitten. Als es um das Fahrrad geht sagt er zu ihr "du entscheidest im Haus" (S.252). Nur um wenige Tage darauf den Fernseher rauszuschmeißen, ohne sich mit Rebecca vorher abzusprechen. Ich wäre da auch in die Luft gegangen. Alles für seine Karriere - die scheint ihm wichtiger als alles andere zu sein, inklusive Rebeccas Bedürfnissen. Ich hoffe, dass es hier zum Knall kommt, der ist längst überfällig.


    Chani und Baruch sind ein nettes Paar, wie sie sich so beschnuppern. Chanis Reaktion auf Mrs Levy fand ich klasse! Jetzt wissen wir endlich, warum sie bei der Hochzeit meinte, dass ihre Schwiegermutter sie nicht mag. ich kann ja verstehen, dass sie nur das beste für ihren Sohn will, aber diese Einmischung geht wirklich zu weit. Das hat schon was von "Desperate Housewives".


    Ich bin auch schon gespannt, wie Rivka reagieren wird, wenn das mit Avromi heraus kommt. Und ob sie der gleichen Meinung wie ihr Mann sein wird oder nicht.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • In diesem Kapitel ist so richtig was los ... Inzwischen finde ich das Buch tatsächlich spannend.


    Im Konflikt zwischen Rebecca/Rivka und Chaim konnte man die dicke Luft und die Frustration förmlich spüren. Auf Chaim bin ich ernsthaft sauer - er verbietet ihr quasi alles, was Spaß macht, aber tarnt es als Bitten. Als es um das Fahrrad geht sagt er zu ihr "du entscheidest im Haus" (S.252). Nur um wenige Tage darauf den Fernseher rauszuschmeißen, ohne sich mit Rebecca vorher abzusprechen. Ich wäre da auch in die Luft gegangen. Alles für seine Karriere - die scheint ihm wichtiger als alles andere zu sein, inklusive Rebeccas Bedürfnissen. Ich hoffe, dass es hier zum Knall kommt, der ist längst überfällig.

    Das mit dem Fahrrad und dem Fernseher war denke ich exemplarisch für das ganze bisherige Leben der beiden in dieser Gemeinde. Aber Chaim hat als Rabbi einen schwierigen Stand. Wer die Rabbi Small Bücher (Krimis) von Harry Kemelmann kennt, weiß, wie abhängig sie vom Wohlwollen ihrer Gemeinde sind. Und da war es keine chassidische Gemeinschaft.

    Dass das mit Rebeccas Interessen und Vorstellungen vom Leben nicht konform geht liegt daran, dass ihre Freiheit als Mensch und speziell als Frau so eingeschnitten ist ohne einen Gegenwert.

  • Als es um das Fahrrad geht sagt er zu ihr "du entscheidest im Haus" (S.252). Nur um wenige Tage darauf den Fernseher rauszuschmeißen, ohne sich mit Rebecca vorher abzusprechen.

    Das fand ich auch ziemlich mies. :-(


    Alles für seine Karriere - die scheint ihm wichtiger als alles andere zu sein,

    Je orthodoxer seine Lebensweise wird, um so weniger zugänglich wird Chaim für andere Ansichten/Wünsche/Bedürfnisse - das wird hier wieder ganz deutlich. Dass ihm die Karriere so wichtig ist, das sehe ich ähnlich wie Findus : Er ist nicht nur der Alleinverdiener und muss für den Lebensunterhalt seiner ganzen Familie sorgen, sein Bestehen als Rabbi ist auch extrem vom Wohlwollen der anderen Rabbiner abhängig und nicht zuletzt auch von der Meinung, die die ganze Gemeinde von ihm hat. Das setzt ihn noch zusätzlich unter Druck, aber es entschuldigt sein Verhalten gegenüber Rivka trotzdem nicht.

    Wobei ich glaube, dass wir als säkulare Außenstehende uns da auch so manches zu einfach vorstellen... :gruebel


    LG, Bella

  • Er ist nicht nur der Alleinverdiener und muss für den Lebensunterhalt seiner ganzen Familie sorgen, sein Bestehen als Rabbi ist auch extrem vom Wohlwollen der anderen Rabbiner abhängig und nicht zuletzt auch von der Meinung, die die ganze Gemeinde von ihm hat. Das setzt ihn noch zusätzlich unter Druck, aber es entschuldigt sein Verhalten gegenüber Rivka trotzdem nicht.

    Wobei ich glaube, dass wir als säkulare Außenstehende uns da auch so manches zu einfach vorstellen... :gruebel


    LG, Bella

    Das ist ein Interessenskonflikt den ich nicht haben möchte. Er liebt ja Rivka aber ihm ist auch sein Ansehen in der Gemeinde und damit sein Lebensunterhalt wichtig. Ich wollte nur ein bisschen Verständnis für Chaim wecken, denn für uns selbst ist diese Lebensweise so fremd, dass man sich gerne auf so eine extreme Haltung einschießt. Gut heißen mag ich sie nicht. Und ich bin voll auf Rvikas Seite.

  • Aber ja, schlimm ist es allemal. Und ich möchte hier weder Mann noch Frau sein. Ich finde, wenn er seine Frau wirklich wirklich lieben würde, hätte er ihr das nicht zugemutet. Bei allem religiösem Eifer, sobald Menschen darunter leiden ist das vorbei. Der Mensch kommt vor der Religion, sonst ist es nichts wert.

  • Das ist ganz sicher so. Und wohl seit Beginn der Menschheit. Das ist ein tolles philosophisches Thema finde ich. Denn wann fing das an?? Wann fingen Menschen an, an ein höheres Wesen zu glauben und ihm zu opfern? Und vor allem warum Tier- und Menschenopfer?? Aber das führt weit über den Inhalt des Buches hinaus. Aber gut, dass man sich immer wieder Anregungen in Büchern holen kann.

  • Das mit der Entstehung der Religion haben sich andere auch schon gefragt. Das habe ich dazu gefunden: https://www.deutschlandfunkkul…ml?dram:article_id=342051


    Interessant, dass Theologen damit nichts anfangen können, weil sie den Schriften, als wie dem Alten und Neuen Testament den Vorzug geben. Aber das ist ja von Menschen geschrieben, was immer subjektives Erleben bedeutet, es kann also auch ganz anders gewesen sein. Und vorher gab es ja auch schon Religionen.

  • So gesehen ist das Christentum eher eine junge Religion. Aber jede Kultur scheint eine Religion entwickelt zu haben. Gab es Kulturen ohne? Mir fällt gerade keine ein ...

    Ja, laut Artikel waren die ersten Bestattungsriten ca. 60.000 vor Christus. Religion scheint ja zufällig entstanden zu sein. Und ja, das Christentum ist gerade mal 2019 Jahre jung.

  • ... ich kann ja verstehen, dass sie nur das beste für ihren Sohn will, aber diese Einmischung geht wirklich zu weit. Das hat schon was von "Desperate Housewives".

    Hihi, ich hab mir schon damals bei lesen gedacht, dass Menschen eben doch immer Menschen bleiben und sich in ihren Schwächen und Scheinheiligkeiten gern selbst etwas vormachen, auf Standesunterschiede achten und andere ausgrenzen, egal welcher Religion und wie sehr sie ihr verhaftet sind. Meistens passt da je religiöser, desto schlimmer, obwohl es doch eigentlich anders sein sollte :rolleyes. Ein gutes Beispiel dafür ist Baruchs Mutter mit ihren erstaunlich weltlichen Dünkeln und Verhaltensweisen.

  • Na, eigentlich ja noch weniger, da die Sache ja erst nach Jesu Tod so richtig ins Rollen kam... ;-)


    Ich glaube, irgendeine Art von Religion gibt es in jeder Kultur, da der Mensch von Natur aus nach Erklärungen für das Unerklärliche sucht.


    LG, Bella

    Ja, in dem link von mir stand ja, als die Menschen mit siedeln anfingen, und sie dadurch angreifbarer wurden haben sie angefangen vor ihre Siedlung gruselige Figuren hinzustellen. Dass man sich früher vor Donner fürchtete und sich vorstellte da grollt ein wie auch immer geartetes Wesen dürfte auch zu den ursprünglichen Formen der Religion gehören. Ich finde die indigenen Völker und ihre Religionen sind ja noch viel sinnvoller und lebensnaher als die jungen Religionen. Aber das ist Ansichtssache.

  • Viele der religiösen Regeln machten zur Zeit der Entstehung der Religionen auch noch Sinn. Als es keine Kühlschränke und keine Fleischuntersuchung gab war Schweinefleisch nicht ungefährlich, und einmal im Jahr zu Fasten ist ja generell keine schlechte Idee. Verhütung gab es ganz früher auch nicht, da half nur Enthaltsamkeit.

    Wobei mir bei den Regeln der Chassiden aufgefallen ist, dass die Wartezeit wegen des Nidda Zustands genau dann vorbei ist, wenn bei den meisten Frauen der Eisprung stattfindet.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss