'Die unbekannte Terroristin' - Seiten 072 - 121

  • Je länger ich lese, um so mehr begeistert mich das Buch und vor allem auch die Sprache des Autors. Es ist natürlich keine lockere, leichte Kost. Aber der Autor schafft es wahnsinnig gut, eine intensive, dichte und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, der ich mich nicht entziehen kann. Und auch die Personen sind so stark und eindrucksvoll gezeichnet. Sie sind mir zwar nicht unbeding alle sympathisch, aber sie wirken auf mich absolut echt und authentisch.


    Gina tut mir auf jeden Fall jetzt schon leid. Sie war wohl nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort und hat die falsche Person ( den Journalisten) verärgert. Und nun wird sie als Mittäterin eines Terroranschlages gesucht. Ich befürchte das Schlimmste für sie. Einer Stripteastänzerin wird man wohl nicht viel Glauben schenken.


    Ich frage mich, ob Tariq wirklich hinter dem vereitelten Anschlag steckt? Seine sterile, aufgeräumte Wohnung ohne persönliche Gegenstände ist auf jeden Fall merkwürdig. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob er nicht auch unschuldig ist und nur zufällig ins Kreuzfeuer geraten ist.


    Das Buch ist auf jeden Fall sehr fesselnd. Und es ist ein Buch, über das ich total viel nachdenke, dass jetzt schon in mir nachwirkt. So was mag ich sehr.

  • Ich frage mich, ob Tariq wirklich hinter dem vereitelten Anschlag steckt? Seine sterile, aufgeräumte Wohnung ohne persönliche Gegenstände ist auf jeden Fall merkwürdig. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob er nicht auch unschuldig ist und nur zufällig ins Kreuzfeuer geraten ist.

    Als die Bilder im Fernsehen kommen denkt ja die Puppe, dass der Mann der als Terrorist gezeigt wird, Tariq gar nicht ähnlich sieht. Das heißt es könnte auch ein völlig anderer sein. Aber wenn man die Leute hysterisch macht, wollen sie das nicht mehr genau wissen. Es muss noch ein Schuldiger gefunden werden.

    Genau wie sie, die ja auch wahrscheinlich keine Möglichkeit hat aus der Sache raus zu kommen. Vor allem wenn dieser Cody einmal anfängt seine Geschichten zu erfinden.

    Die Geschichte entwickelt hier einen Sog, den keiner mehr aufhalten kann, bis zum bitteren Ende.


    Ich finde auch den Gedanken, den sie am Ende des 2. Teils hat, mit der Bedürftigkeit der Menschen wunderschön formuliert.

  • Aber wenn man die Leute hysterisch macht, wollen sie das nicht mehr genau wissen. Es muss noch ein Schuldiger gefunden werden.

    Ja das ist wirklich das Schlimme an der Sache. Und auch der Fluch der Medien. Es wird ein Video gezeigt von zwei Personen, die vielleicht beide Unschuldig sind. Aber es interessiert keinen, ob es Beweise dafür gibt oder nicht. Hauptsache man hat jemanden, auf den man mit dem Finger zeigen kann und über den man sich den Mund zerreisen kann.

    Diesen Cody finde ich ganz fürchterlich. Er will sich an Gina rächen, weil sie ihn hat abblitzen lassen. Und er will wieder mehr Macht in der TV-Branche. Und dann ist es ihm egal, ob sie nur als "Zeugin" gesucht wird oder wirklich schuldig ist. Er macht daraus garantiert eine große Sache und Gina hat keine Möglichkeit mehr sich zu wehren.

  • Ja das ist wirklich das Schlimme an der Sache. Und auch der Fluch der Medien. Es wird ein Video gezeigt von zwei Personen, die vielleicht beide Unschuldig sind. Aber es interessiert keinen, ob es Beweise dafür gibt oder nicht. Hauptsache man hat jemanden, auf den man mit dem Finger zeigen kann und über den man sich den Mund zerreisen kann.

    In dem Buch ist es Cody und in Wirklichkeit sind es andere, die ihr Profil schärfen und ihre Macht auskosten wollen. Im Zweifel für den Angeklagten? Das gilt in der Medienbranche wohl nicht, Hauptsache die Einschaltquoten stimmen. Ob Unschuldige drauf gehen - egal. Ich finde es wirklich erschreckend, welche Macht inzwischen die Medien haben und vor allem, wie leicht man Menschen damit manipulieren kann. Das Buch ist furchtbar aktuell.

  • Ich finde auch den Gedanken, den sie am Ende des 2. Teils hat, mit der Bedürftigkeit der Menschen wunderschön formuliert.

    Ja, das war der kleine Freudenzipfel, der zwischendurch immer mal durchkommen muss, toll geschrieben und macht das Lesen einfacher.


    Neben den von euch bereits genannten Punkten finde ich die Beobachtung sehr interessant und wichtig, dass sich in Coledys Kopf sehr schnell seine erfundene Story als die Wahrheit manifestiert und das er bewusst solch eine Story gar nicht zusammenzimmern könnte. Das sich aus dem Anfangspunkt der guten Möglichkeit zur Rehabilitation gemischt mit Rache schnell eine neue Wahrheit wird. Was für ein Wahnsinn.

  • Ich kann mich euren Beiträgen nur anschließen. Das Buch hat auch eine Sogwirkung auf mich.

    Ja, das war der kleine Freudenzipfel, der zwischendurch immer mal durchkommen muss, toll geschrieben und macht das Lesen einfacher.

    Das hast du sehr schön beschrieben. :knuddel1


    Mich erinnert es sehr an "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Das habe ich als Jugendliche verschlungen und konnte meine Wut kaum aushalten. Das ist bei diesem Buch ähnlich. Was ist eine Stripperin schon wert?


    Beängstigend fand ich auch die Szene auf der Straße, als Gina gegen die Muslima gewettert hat. Gleich sprangen ihr Leute zu Seite und pflichteten ihr bei. Ich habe die Szene gelesen, als die erste Hochrechnung aus Thüringen angezeigt wurde.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mich erinnert es sehr an "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Das habe ich als Jugendliche verschlungen und konnte meine Wut kaum aushalten. Das ist bei diesem Buch ähnlich. Was ist eine Stripperin schon wert?

    Den Vergleich habe ich schon in anderen Zusammenhängen gelesen. Also bei Rezensionen über das Buch. Ich kenne nur den Film. Und sowas regt mich auch immer auf.

    Und der Wert einer Stripperin? Das könnte man ja auch fortsetzen, welche Arbeit muss man ausüben um etwas "wert" zu sein?

  • Und der Wert einer Stripperin? Das könnte man ja auch fortsetzen, welche Arbeit muss man ausüben um etwas "wert" zu sein?

    Das ist genau die zentrale Frage bisher. Cody stellt ja selbst die Frage im ersten Abschnitt.

    Wie wir das sehen, ist klar.

    Ich kenne Leute, die finden, dass Flüchtlinge, die im Meer krepieren, selbst Schuld sind. Es ist für Cody natürlich leichter, eine zurückgezogen lebende Stripperin zur Terroristin zu ernennen, als eine bestbezahlte Anwältin.

    Zumal er ja noch von ihr zurückgewiesen wurde.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich kenne Leute, die finden, dass Flüchtlinge, die im Meer krepieren, selbst Schuld sind. Es ist für Cody natürlich leichter, eine zurückgezogen lebende Stripperin zur Terroristin zu ernennen, als eine bestbezahlte Anwältin.

    Zumal er ja noch von ihr zurückgewiesen wurde.

    So Leute kenne ich leider auch. Zum Glück nicht näher.

    Sicher ist es leichter der Stripperin eine Geschichte anzuhängen, genauso hätte es eine Serviererin in einem Café treffen können. Und ob es die Zurückweisung ausmacht? Ich glaube, sie hat es selbst bemerkt, sie dachte ja noch, warum hat sie nicht das Dummchen gespielt sich zurück gehalten, sie hat einfach seine Aufmerksamkeit erregt. Und durch die aktuelle berufliche Demontage bietet sie sich jetzt als naheliegend an.

  • Vor allem wurde sie ja in dieser Szene polizeilich gesucht. Es war für sie ein Überdruckventil. Gruselig ist, dass der Hass auf andere Menschen so häufig als so ein Ventil genutzt wird, um von eigene Problemen ablenken zu können. :(

  • Das gilt in der Medienbranche wohl nicht, Hauptsache die Einschaltquoten stimmen. Ob Unschuldige drauf gehen - egal. Ich finde es wirklich erschreckend, welche Macht inzwischen die Medien haben und vor allem, wie leicht man Menschen damit manipulieren kann. Das Buch ist furchtbar aktuell.

    Das ist für mich total beängstigend, gerade weil es so authentisch wirkt und man es auch aktuell ständig erlebt in Zeiten von Fake News, manipulativer Informationsauswahl und (Führungs-)Persönlichkeiten, die sich alles so zurechtlegen, wie es am besten in ihr Bild passt. Seit Trump da als Vorreiter agiert, breiten sich diese Sicht- und Vorgehensweisen überall aus - und schlimm ist die zunehmende Akzeptanz bei den einen und die Resignation bei den anderen.

    Die Aktualität des Buches ist unglaublich.

    War es denn vor über 10 Jahren schon genauso?

  • Als ich eure Beiträge eben las, kam mir der Gedanke, dass Gina sich für diese ekelhaften Männer ausgezogen hat, aber dass Flanagan im Laufe der Geschichte diese Männer (Cody und Co.) bis auf die Haut auszieht und in ihrer abstoßenden Nackheit präsentiert.

    Ist als Metapher vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, hat sich mir aber gerade irgendwie aufgedrängt :S.


    Und dann macht sich Cody auch noch selbst etwas vor in seiner ekelhaften Selbstgerechtigkeit. Z.B. gleich zu Beginn von Kapitel 35. "... So etwas dachte er nicht, er hätte sich selbst verachtet, wäre er zu solch monströsen Lügen fähig gewesen." - Während er genau diese Lügen spinnt :uebel.


    Dieses sensationsgierige Ringen um Einschaltquoten um jeden Preis finde ich schrecklich, deshalb schaue ich mir in der Regel keinen Brennpunkt mehr an.

  • Aber der Autor schafft es wahnsinnig gut, eine intensive, dichte und beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, der ich mich nicht entziehen kann.

    Ja, das tut er. Meine Beklemmung nimmt ständig zu. Und man, jedenfalls ich, hat das Gefühl, dass es für Gina kaum einen Ausweg geben wird. Ist das bei euch auch so?

    Ich finde auch den Gedanken, den sie am Ende des 2. Teils hat, mit der Bedürftigkeit der Menschen wunderschön formuliert.

    :write Das habe ich mir auch markiert.

    U. a. diesen Satz:" Sie (die Puppe) überlegte sich, dass eines der Geheimnisse des Lebens im Geruch geliebter Menschen verborgen lag."

    (Das denke ich mir auch immer, wenn ich an meiner Enkeltochter schnuppere :-]).

  • Ja, das tut er. Meine Beklemmung nimmt ständig zu. Und man, jedenfalls ich, hat das Gefühl, dass es für Gina kaum einen Ausweg geben wird. Ist das bei euch auch so?

    Teils, teils. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Frauen alle Hebel in Bewegung setzen und durch ein schlaues Mannöver einen Ausweg finden. Oder auch nicht... Immerhin hat Gina zumindest eine Menge Geld gespart. Das könnte helfen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Teils, teils. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Frauen alle Hebel in Bewegung setzen und durch ein schlaues Mannöver einen Ausweg finden. Oder auch nicht... Immerhin hat Gina zumindest eine Menge Geld gespart. Das könnte helfen.

    Ein bisschen Hoffnung bleibt immer noch.

    Wenn es so käme, würde es mich freuen für Gina, sehr sogar. Nur mein Bauchgefühl, mein "beklemmtes", sagt mir etwas anderes.

  • Als ich eure Beiträge eben las, kam mir der Gedanke, dass Gina sich für diese ekelhaften Männer ausgezogen hat, aber dass Flanagan im Laufe der Geschichte diese Männer (Cody und Co.) bis auf die Haut auszieht und in ihrer abstoßenden Nackheit präsentiert.

    Ist als Metapher vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, hat sich mir aber gerade irgendwie aufgedrängt :S.

    Ich finde das ist ein sehr guter Vergleich.

  • Ja, das tut er. Meine Beklemmung nimmt ständig zu. Und man, jedenfalls ich, hat das Gefühl, dass es für Gina kaum einen Ausweg geben wird. Ist das bei euch auch so?

    Ja so geht es mir auch. Ich habe auch das Gefühl, dass es für Gina die Situation ziemlich aussichtslos ist.

    Ein bisschen Hoffnung setze ich allerdings auf den Polizisten Nick, er kommt mir vor, wie ein Mann, der sich für Gina einsetzen würde.


    Als ich eure Beiträge eben las, kam mir der Gedanke, dass Gina sich für diese ekelhaften Männer ausgezogen hat, aber dass Flanagan im Laufe der Geschichte diese Männer (Cody und Co.) bis auf die Haut auszieht und in ihrer abstoßenden Nackheit präsentiert.

    Ist als Metapher vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, hat sich mir aber gerade irgendwie aufgedrängt :S.

    Das finde ich total passend formuliert.


    Dass das Buch schon 13 Jahre alt ist, hatte ich echt nicht gedacht, so aktuell ist die Thematik.

    Aufs Erscheinungsdatum habe ich erst geguckt, als irgendwo von den neusten Klapphandys die Rede war.