'Mit der Faust in die Welt schlagen' - Seiten 121 - 230

  • Also der Vater war bevor er Lukas und Philipps Mutter ehelichte mit Kathrin, der Nachbarin zusammen. Sie kann keine Kinder bekommen was ihr Mann ihr vorwirft. Seit sie Nachbarn sind, ist das Verhältnis wohl wieder aufgeflammt. Zumindest schläft der Vater in Philipps Keller, seinem Rückzugsort. Der zweite Abschnitt setzt eigentlich das Elend des ersten fort.

    Philipp sucht Kontakt zu den Rechten, weil es sich Zusammenhalt und eine Art Zugehörigkeit erhofft.

    Tobias, so jung er ist, in ihm steckt ein großer Zerstörungswille. Wenn die Familie auseinander fällt, gibt es wahrscheinlich kein Halten mehr.

    Bin noch nicht ganz am Ende, mal sehn wie es noch weiter geht. Düster auf jeden Fall.

  • Ich habe auch erst die ersten elf Kapitel dieses Abschnitts gelesen. Den Kindern scheinen ganz offensichtlich Alternativen und Perspektiven zu fehlen. Die Enkelin vom Direktor hat wohl eher ein fürsorgliches Elternhaus und sie weiß schon ganz genau, was sie will und vor allem, was sie nicht will.


    Philipp hingegen ist völlig auf der Suche und seine Eltern und die Nachbarn taugen nicht viel als Vorbild. Warum auch immer, das bleibt ja bislang etwas unklar. Die Rolle des Vaters im Kontext mit Uwe wurde zuvor ja auch kaum beschrieben.

  • Uwe war also der Onkel von Menzel, ob da noch was nachkommt? Ich verstehe nicht, warum der Vater ihm nicht geholfen hat. Die 100 Euro zur Beerdigung hätte er vielleicht vorher gebrauchen können.


    Eigentlich kann ich zum zweiten Buch wenig sagen. Außer dass es bedrückend und deprimierend weiter geht. Auch Tobias ist ja jetzt in diesen Kreis sozusagen aufgenommen. Zumindest hat er mit der Szene Bekannschaft gemacht. Sehr radikal scheinen sie noch nicht zu sein aber ich denke dieser Menzel wird ihre Nachfolgeschaft schon ausnutzen um mehr zu machen.

  • Philipp hingegen ist völlig auf der Suche und seine Eltern und die Nachbarn taugen nicht viel als Vorbild. Warum auch immer, das bleibt ja bislang etwas unklar.

    Weil sie selbst nicht so richtig wissen, wohin mit sich. Wer selber nicht fest steht, kann anderen keinen halt geben.

  • Uwe war also der Onkel von Menzel, ob da noch was nachkommt? Ich verstehe nicht, warum der Vater ihm nicht geholfen hat.

    Ein Teil Scham, weil man ihn zu viel mit dem Alkoholiker sehen könnte, das abfärben könnte. Ein Teil eigene Hilflosigkeit im Sinne von "Hab genug eigene Probleme", findet man immer wieder.

  • Die beiden Jungen treiben wie Blätter im Wind. Philipp hat in die Clique von Menzel gefunden und macht mit, obwohl er sich sichtlich nicht wohl fühlt. Wo soll er auch hin? Die Mutter arbeitet, wird offen betrogen und wehrt sich nicht. Der Vater ist auf seinem eigenen Suchweg nach Glück. Wer soll so einen jungen Burschen stärken, wenn sich keiner drum kümmert?

    Tobi schaut zu seinem großen Bruder auf. Seine vielleicht stärkste Bezugsperson ist der Großvater, aber der liegt teilnahms- und hilflos nach einem Schlaganfall im Bett. Tobi erkennt wenigstens noch die Not von Anderen, siehe Marcus. Aber er hat nicht vorgelebt bekommen, wie man anderen helfen kann, wenn sie das nicht direkt einfordern, wie man für seine Freunde da sein kann.

    Das Buch bedrückt mich sehr, aber das ist ja auch ein bedrückendes Thema. Ich finde der Erzählstil Rietzschels immer noch nüchtern, beobachtend, düster, und ich würde gerade eben auch etwas wärmeres lesen, aber der Autor erreicht mich. Sehr interessant, immer noch.

  • Das Buch bedrückt mich sehr, aber das ist ja auch ein bedrückendes Thema. Ich finde der Erzählstil Rietzschels immer noch nüchtern, beobachtend, düster, und ich würde gerade eben auch etwas wärmeres lesen, aber der Autor erreicht mich. Sehr interessant, immer noch.

    Interessant, dass Du es auch so empfindest. Aber ich finde gerade den Reiz des Lesens daran, dass man auch mal ein Nichtwohlfühlbuch gut finden kann. Außerdem erweitert es meine Sichtweise auf die Vorgänge, auch wenn der Autor ja die DDR gar nicht erlebt hat. Ich nur von kurzen Durchfahrten mit der Bahn und ein Tagesausflug Ostberlin. Ach ne, Rostock war ich auch noch. Aber natürlich war alles überwacht und Kontakt mit der Bevölkerung hat man tunlichst vermieden.

  • Mit der DDR hat das Buch aber kaum was zu tun. Die Wirren der Nachwendezeit, die anarchische Züge hatten, wird hier thematisiert.


    Die Probleme mit der Nähe zu Polen und die besondere Situation mit den Sorben war mir vorher nicht so bewusst.


    Wann wurden die Jungs geboren? Sind meine Rechnungen richtig?

    • Tobias wurde 2000 eingeschult und müsste folglich Jahrgang 1994 sein. Jetzt am Ende des zweiten Abschnitts (2006) ist er also erst 12 Jahre alt. Für einen 12-jährigen kommt er mir aber ganz schön nachdenklich und clever vor.
    • Philipp ist vier Jahre älter, also Jahrgang 1990 und nun 16 Jahre alt.

    Der Vater ist ja furchtbar. Vor den Augen seiner Söhne und seiner Frau betrügt er alle ganz offen mit der Nachbarin. Auch hier hätte ich gerne mal ein paar Erklärungen zu den Beweggründen und nicht nur diese schwach gezeichneten, schemenhafte Andeutungen.


    Interessant ist das Buch bzw. die beschriebene Zeit sowie die Ereignisse, aber ... ... ich wiederhole mich ...

  • Die DDR hat für mich insofern was damit zu tun, weil sie Eltern und Großeltern, jetzt mal auf die Familie bezogen, so gemacht hat wie sie sind. Und so geben sie das an die Kinder weiter.


    Etwas erklärungsschwach ist das Buch was Motive und Handlungen anbelangt. Allenfalls wird angedeutet und der Leser? soll den Rest dazu denken. Und jeder denkt anders. Der Vater war ja vor der Heirat mit Kathrin zusammen. Ob jetzt ihre Infertilität dazu geführt hat, dass er eine andere nahm, oder einfach die alte Liebe aufgeflammt ist, als sie in die Nachbarschaft zog? Spekulation. Dass seine Frau das alles so hinnimmt und ihn nicht von vornherein rauswirft? Worauf will das Buch hinaus? Das frage ich mich die ganze Zeit.

  • Die DDR hat für mich insofern was damit zu tun, weil sie Eltern und Großeltern, jetzt mal auf die Familie bezogen, so gemacht hat wie sie sind. Und so geben sie das an die Kinder weiter.

    Ja, Herkunft und Erziehung sind bei den älteren Generationen noch DDR-geprägt. Man könnte das auch über die Region und die wirtschaftlichen Verhältnisse ausweiten. Es ist aber eher der DDR-Mangelwirtschaft anzulasten, dass die Industrieanlagen dort marode waren. Dann kamen jedoch später noch Treuhand, Globalisierung und Digitalisierung dazu. Ländliche Regionen sterben ja nicht nur im Osten, auch der Westen hat mit diesen Themen zu tun. Der Osten aber um vieles intensiver. Ende der 90er Jahre gab es in Thüringen bspw. Landkreise mit einer Arbeitslosigkeit von 33 Prozent.

  • Das geschlossene Werk ist auch so trostlos. Schrecklich!


    Und eigentlich wird Philipp nur zum Nazi aus Unwissenheit und weil der coole Mitschüler davon spricht? Ich musstest mal weiter lesen. Bin erst ganz am Anfang. Zumindest ist es jetzt spannender ;)


    Der Junge soll nicht aufs Gymnasium gehen mit der offiziellen Begründung, dass er eh nicht Arzt oder Lehrer werden möchte :yikes

    Die verbauen ihren Kindern die ganze Zukunft. Das Buch deprimiert mich sehr.

  • Etwas erklärungsschwach ist das Buch was Motive und Handlungen anbelangt. Allenfalls wird angedeutet und der Leser? soll den Rest dazu denken. Und jeder denkt anders. Der Vater war ja vor der Heirat mit Kathrin zusammen. Ob jetzt ihre Infertilität dazu geführt hat, dass er eine andere nahm, oder einfach die alte Liebe aufgeflammt ist, als sie in die Nachbarschaft zog? Spekulation. Dass seine Frau das alles so hinnimmt und ihn nicht von vornherein rauswirft? Worauf will das Buch hinaus? Das frage ich mich die ganze Zeit.

    Das geht mir genau so. Ich empfinde es als bedrückend, kann aber den Handlungen und den Motiven der Figuren nur sehr begrenzt folgen. Aber erschreckend ist es schon, wie anders die Lebenswelt ist, auch wenn es Teil desselben Landes ist.


    Wobei natürlich viele Elemente auch in anderen Teilen Deutschlands vorkommen - nur die Häufung und die Tatsache, dass quasi jeder in einer ihm unvertrauten Welt leben und klarkommen musste, kennen wir so nicht.


    Ich werde das Buch bis zum Wochenende unterbrechen müssen, die nächsten Tage sind etwas hektisch und das Buch taugt nicht zum Lesen zwischen Tür und Angel.

  • Wobei natürlich viele Elemente auch in anderen Teilen Deutschlands vorkommen - nur die Häufung und die Tatsache, dass quasi jeder in einer ihm unvertrauten Welt leben und klarkommen musste, kennen wir so nicht.

    Das ist ja eh Typsache. Der eine kann das gut, der andere nicht so gut. Die, die es nicht so gut können, sind nicht zu beneiden.

  • Wobei natürlich viele Elemente auch in anderen Teilen Deutschlands vorkommen - nur die Häufung und die Tatsache, dass quasi jeder in einer ihm unvertrauten Welt leben und klarkommen musste, kennen wir so nicht.

    Ich kenne das schon aus unserer Familie. Meine Tanten waren zum Teil mit Flüchtlingen aus dem 2. WK also Sudetenland, Böhmen, Mähren , verheiratet, Auch ihre Familien mussten damals fliehen und es war immer wieder Thema, die Heimat.

    Sicher ist es noch anders, wenn plötzlich das Land in dem man lebte, es ist ja immer noch dasselbe, sich so verändert, dass man es nicht wieder erkennt.

    Das ist ja eh Typsache. Der eine kann das gut, der andere nicht so gut. Die, die es nicht so gut können, sind nicht zu beneiden.

    Das wird es sein. Es gibt ja wirklich viele, ich denke der überwiegende Teil der Bevölkerung in den nordöstlichen Bundesländern ( von mir aus) ist damit auch zurecht gekommen. Oder versucht, das Beste daraus zu machen. Auch im Westen fliegen einem nicht die gebratenen Tauben in den Mund. Auch da muss man arbeiten.

  • Sicher ist es noch anders, wenn plötzlich das Land in dem man lebte, es ist ja immer noch dasselbe, sich so verändert, dass man es nicht wieder erkennt.

    Die Identität, die man aus seiner Heimat, seinem Land zieht, ist nicht zu unterschätzen. In diesem Fall sind für sehr viele Leute Welten zusammengebrochen. Alles, was man bisher gelebt hatte, gelernt, gearbeitet, war scheinbar plötzlich nichts mehr und nichts mehr wert. Dann verklärt man das Früher, vergisst, dass da nicht nur nicht alles Gold war, sondern nicht mal geglänzt hat und ist frustriert über das Heute.

  • Puh, das ist ein ziemlich frustrierendes Buch. Ich kann schon verstehen, dass die Jugendlichen sich etwas suchen um ihren Frust raus zu lassen. Teilweise haben die Eltern zu wenig Geld, die Infrastruktur im Umkreis ist kaputt und die Eltern sind resigniert. Die einen suchen sich ein positives Hobby, die anderen ein negatives. Sie suchen einen Weg um sich irgendwie auszudrücken und mit Gewalt und Pöbeleien klappt das. Die Frage ist, wie man dem hätte zuvor kommen können. Wenn man die Gleichgültigkeit oder auch Resignation der Eltern sieht, ist das ja kaum möglich.

    ich frage mich vor allem auch, ob man es hätte verhindern können, dass „der Osten“ so geschwächt aus der Vereinigung hervorgeht. Wir sind mal an einem Freitag Nachmittag durch Dessau bzw. Orte drumherum gefahren und es waren kaum Leute auf der Straße. Überall runter gelassene Jalousien und völlige Stille. Das hat mich sehr getroffen, denn es ist ein tolles Stückchen Erde und bestimmt auch lebenswert.
    Sorry übrigens, dass ich immer „der Osten“ sage, mir fällt kein Synonym ein. Meine Oma hat immer „Drüben“ gesagt. Sie kam aus Sebnitz bei Dresden.

    Apropos Dresden. Wir waren ja im April dort und haben unfassbar nette und liebenswerte Menschen kennen gelernt. Leider fand ich die Stadt total verbaut, alte Gebäude zwischen bunten Neubauten. Das passte überhaupt nicht.

  • Dessau

    Da werde ich am kommenden Samstag sein.

    ich frage mich vor allem auch, ob man es hätte verhindern können, dass „der Osten“ so geschwächt aus der Vereinigung hervorgeht.

    Selbstverständlich hätte man es besser machen können. Die Annäherung hätte langsamer geschehen müssen. Das wollte aber gerade im Osten (die Himmelsrichtungen haben sich durch die Wiedervereinigung nicht geändert ;)) kaum einer. Kohl hätte vielleicht nicht gleich blühende Landschaften versprechen müssen und damit Begehrlichkeit schaffen. Fraglich ist aber, ob es wirklich gut geworden wäre. Es gab für so einen Vorgang ja auch keine Blaupause. Der Wille es gut zu machen, war aber sicher vorhanden.


    Der Westen war aber Anfang der 90er selbst kurz vor einer Rezession, die ohne ansteigende Binnennachfrage durch den Osten so auch gekommen wäre.


    Im Osten fehlen weiterhin ausreichend Arbeitsplätze in der Industrie. Diese sind aber auch im Westen weniger geworden. Ein Comedian formulierte mal "Wir sind immer noch Exportweltmeister. Früher haben wir aber Güter exportiert und heute exportieren wir Arbeitsplätze". Viele Arbeitsplätze sind nach Bulgarien, Polen, Tschechien usw. gewandert. Also dahin, wo die Lohnkosten viel niedriger sind. Daraus entstand dann Hartz IV, dass die Produktion in Deutschland wieder günstiger gemacht hat. Mit dem Nachteil, dass viele heute von nur einem Arbeitsplatz nicht mehr richtig leben können. In den USA ist das übrigens in weiten Teilen der Normalzustand. Dazu kommt dann auch noch der Aufstieg von China als Werkbank der Welt. Vieles, was früher in Deutschland produziert wurde, importieren wir nun von dort.