Hörbücher im Radio

  • Gleich vorweg, ich hege meine Bedenken, sowohl gegen die Bücher der Schriftstellerin, die ich gelesen habe als auch die Person Juli Zeh und ihre Äußerungen in unterschiedlichen Zeitungsinterviews, die sowohl eine Sprache der Blasiertheit und Überlegenheit gegenüber der brandenburgischen Landbevölkerung als auch von großem Unverständnis und wenig Sensibilität gegenüber deutscher Zeitgeschichte sprechen.


    Nach dem zweideutigen Titel "Unterleuten" geht es im Hörbuch um "Übermenschen".

    Bereits in den ersten Minuten des ersten Hörabschnitts wird deutlich, dass wir es mit der mit Selbstzweifeln geplagten Dora als Übermensch und dem ländlichen Brandenburg und über Menschen zu tun haben.

    Die allseits gepriesenen Sprachfertigkeiten Juli Zehs wirken nicht nur pathetisch, bildungsbürgerlich bis altklug, sondern überstrapazieren die Nerven des Hörers erstrecht, wenn passagenweise Wikipedia Artikel zitiert werden und eine Metapher die nächste jagt.

    ("Jetzt muss sie (gemeint ist der Hund) aufstehen mit der Würde eines Großstadttiers, das den gefiederten Landpomeranzen die Meinung sagt.")

    Doch dabei belässt es Juli Zeh nicht. Sie beschwört stakkatoartig den Zeitgeist von Social Media, Google und Ebay herauf verbunden mit dem wenig unterschwelligen Vorwurf, wie weit die Provinz von der Großstadt entfernt sei.

    Anna Schudt ist für dieses Stück Literatur die richtige Stimme und Verstärker für den Tonfall in "Über Menschen".

    Mit großer Höranstrengung habe ich den ersten Abschnitt zu Ende gebracht und belasse es dabei. So wie Juli Zeh und ich keine Freunde werden, so werden auch die Sprache und Ideen ihrer Bücher mir fern bleiben.

  • Juli Zeh

    Ich habe den ersten Teil gehört und mehr muss ich davon auch nicht hören.

    Zuallererst nervt mich die Stimme der Sprecherin und das ist für mich immer schwer zu ertragen. Und diese Geschichte der aus der Stadt gekommenen "Neu-Dorfpomeranze" ist spätestens in diesem Buch nicht einmal mehr neu.

    Das einzig für mich Nachvollziehbare sind die Gedanken der Erzählerin beim Umgraben. Die kann man sich auch in OWL machen. Mit Lehmboden und Gierschwurzeln.


    Empfehlen möchte ich euch dagegen dieses: Die Reise um mein Zimmer - Xavier de Maistre


    Leider kann ich die Info, will lange man das nachhören kann, nicht finden.

    de Maistre lebte im 18. Jh und führte ein recht abwechslungsreiches Leben. Diese Zimmerreise geht aufgrund der beschriebenen Gegenstände und der Gedanken des Autors dazu natürlich weit über das Zimmer hinaus. Manche Gedanken erinnern an Sternes: Tristram Shandy, Gentleman.

    Für mich ist es auch eine interessante Ergänzung zu Proust. Vor allem nicht so ausschweifend. :lache

  • Rumpelstilzchen, ich habe nach Deinem Beitrag noch einmal nachgedacht.

    Zunächst zur Stimme. Ja, die Sprecherin strapaziert den Hörer, aber sie passt wunderbar zum Text. An dem Zusammenspiel gibt es nichts zu beklagen ;).

    Ein Aspekt, auf den ich in meinem obigen Beitrag nicht eingegangen bin, ist folgender:

    Auch wenn die grundsätzliche Idee einer Stadtflucht aufs Land mit dem Gedanken "back to the roots" nicht neu ist, wäre ich bei der Stange geblieben, wenn die Idee gezündet hätte.

    Hat sie aber nicht. Dora muss nicht sympathisch sein, wenn sie wenigstens schön, klug oder beides, wenigstens pfiffig oder mit einer anderen markanten Eigenschaft ausgestattet wäre, hätte das dem Einstieg gutgetan. Worin sie allerdings bis an ihre Grenzen geht, ist ihre Bissigkeit. Doch die hätte ich bis zum Ende nicht ertragen.


    Ich warte schon auf die Rückmeldungen zweier Mitstreiter .

  • Salonlöwin ich finde sie eher unerträglich selbmitleidig und in einer eigenartigen Blase lebend. Und mit den markanten Eigenschaften stimme ich dir zu. Mit ein wenig Humor wäre sie viel erträglicher.

    Und vielleicht ist auch die gute Passung zwischen Figur und Stimme für mich so unerträglich. Die eine steigert die Wirkung der anderen.

    Ich bin auch gespannt auf die MithörerInnen.

  • Rumpelstilzchen, "Blase" trifft es ausgezeichnet und es ist erstaunlich, wie viele Leser der Roman anspricht, wenn man auf Bestseller-Platzierung und Feuilleton schaut.

    Das Stichwort Humor möchte ich noch aufgreifen. Zeitgenössische Literatur, Corona, Selbstfindung und Humor sind unmöglich in einer Geschichte zu verarbeiten, zumindest wenn es um Juli Zeh geht. Ihre Stärken liegen gewiss an anderer Stelle.

  • Das Stichwort Humor möchte ich noch aufgreifen. Zeitgenössische Literatur, Corona, Selbstfindung und Humor sind unmöglich in einer Geschichte zu verarbeiten, zumindest wenn es um Juli Zeh geht. Ihre Stärken liegen gewiss an anderer Stelle.

    Ohne eine ordentliche Portion Selbstironie wird es eben oft arg zäh.


    Na, wer weiß welche Selbstfindungen und Erkenntnisse wir eben nicht hören konnten. Ich entschwinde dann nachher wieder zu Proust. Auch schwierig, aber anders. ;)

  • Na, da habe ich ja Glück, dass ich Eure Meinungen noch gelesen habe. Dabei hat Dennis Scheck das Buch in seiner Sendung so gelobt. Aber das Urteilsvermögen eines MRR geht ihm einfach ab. Da verlasse ich mich lieber auf Euch beide.

  • Also, ich mag das Juli-Zeh-Buch. Aber ich kenne auch nichts anderes bin ihr. Es passt wunderbar zu einer Strickauszeit.

    Ich mochte bisher alle Bücher, die ich von Juli Zeh gelesen habe recht gerne. Deswegen werde ich bestimmt ihr neues Buch auch lesen. Und schön, dass es Dir gefällt Booklooker .:) Jetzt war ich schon ein wenig verunsichert wegen der vielen schlechten Meinungen dazu hier in dem Thread. Aber ich werde es einfach selbst probieren. Allerdings als Buch und nicht als Hörbuch.

  • Ich habe bis jetzt nur Unterleuten von ihr gelesen. Neujahr liegt noch hier. Ich bin ja auch kein Freund von Hörbüchern, aber ich glaube nicht, dass ich diese ellenlangen Überlegungen von Dora auch lesen möchte, während sie in die brandenburgische Erde sticht.

  • Bei Am Morgen vorgelesen auf NDR hat gestern Der Schneeleopard begonnen.


    Ich finde die Lesung ganz gut, wenn auch etwas sehr getragen vorgetragen.


    ASIN/ISBN: 3839818761

    Ein anderer Radiosender hatte das Hörbuch bereits im Programm und nach kurzem Anhören habe ich es dabei belassen. Das Thema hätte mich begeistert, doch Sprache und Vortrag haben mich nicht überzeugt. Da ich noch ein anderes und komplexeres Hörbuch an der Angel habe, das mich sehr beschäftigt (und über das ich im Moment nicht schreiben möchte), habe ich dieses Hörbuch vorerst abgebrochen, schließe aber einen zweiten Versuch nicht aus.