'Die Wahrheit über Metting' - Seiten 151 - 216

  • Das Buch deprimiert mich, es scheint, als wären alle miesen Charaktere auf einmal in dem Nest verortet.


    Undich frage mich, ob die Gedanken, die Tomás hat, bezüglich der Ereignisse in der Schule, mit den Zigeunern, mir dem ekligen Dankwart, wirklich seines Alters entsprechend sind, oder er sie von einer späteren Warte aus hat. Gerade auch, was den Zaun um das Gelände der Fahrenden Leute betrifft. Die Brandstiftung ist ja heftig, dass das alles so hingenommen wird? Als Kind hat man ja wenig Möglichkeiten, was Tom auch so formuliert, die Erwachsenen haben die Macht, aber ob das alles im Sinne der Einwohner ist? Dass da keine Gegenstimmen kommen, sehr seltsam und sehr traurig.

  • Undich frage mich, ob die Gedanken, die Tomás hat, bezüglich der Ereignisse in der Schule, mit den Zigeunern, mir dem ekligen Dankwart, wirklich seines Alters entsprechend sind, oder er sie von einer späteren Warte aus hat.

    Ich habe mich auch schon gefragt, ob es seine Erinnerungen sind, die wir hier lesen. Ich sehe es wie du und denke mal, dass es so ist.

  • Kap. 10 endet damit, dass Tom einen Schlüsselbund hat. In Kap. 11 geht's weiter mit seinem Blutsbruder Filip, der offensichtlich auch einen Schlüsselbund für seine Situation gefunden hat.

    Erst Dr. Kurtus, den er mal schön aufs Kreuz legt.

    (KorinthenkackerAlarm: 5-stellig ist nicht 6-stellig)


    Anschließend deckt er Frau Awusis Bezug zu Sinti auf. Eine schöne Szene, wie Filip die Augen verschließt und damit Frau Awusi die Macht über ihn entreißt und die anderen Kinder sich mit ihm solidarisieren.

    (Damit ist es allerdings so, dass die Ressentiments gegenüber Sinti sich zumindest in der hier durch Filip vorgetragenen Geschichte zu bewahrheiten scheinen. Später fällt Frau Asuwi auch noch bei einem Diebstahlversuch auf. Hmmm...)


    Schappkow: Dieses Kapitel war bei dieser Thematik natürlich unvermeidbar (es wäre mir lieber, wenn es nicht notwendig wäre).

    Die Nazizeit und Nazis wurden in der Literatur natürlich schon sehr häufig aufgearbeitet. Ich finde es hier sehr originell gelöst. (Hundöh!)


    Frau Käding klingt für mich wie das Öffnen einer Kasse... 😉


    Ansonsten geht alles in Metting den Bach runter, die Menschen, die man gerne um sich hat, sterben, tauchen unter, gehen weg. Die "Zigeuner" werden dauerhaft vertrieben, der Pfarrer in den Selbstmord getrieben (Strange fruits...).


    Es ist wirklich unglaublich herzlos von Toms Mutter den Papierkorb vor das Bananenzimmer zu stellen, selbst wenn Tom verboten ist, dort langzugehen.


    Es wird dringend Zeit für den 2. Teil. Marieluises Brief ist eine schöne Überleitung.


    Zur Predigt von Tizian Odol fällt mir wieder einiges an Assoziationen ein (Kann mir bitte einer einen Wink geben, wenn ich zu viel rumschwafele und ich näher am Buch bleiben soll...).

    Vielleicht lohnt sich ein Blick in meine niederländische Heimat, das ist natürlich anders als in Deutschland, aber thematisch kann man sich auch dort fragen, was steckt eigentlich hinter diesem Begriff Heimat? Auch in der Niederlande ist das wegen des Vormarsch der Rechtspopulisten ein wichtiges Thema.


    Ich kann da nur den Blick aus meiner Sicht bieten, der ja als Niederländer von Deutschland aus ist:

    Ich stamme aus einer sehr großen Familie, bei meiner Mutter 11, bei meinem Vater 12 Geschwister (wir selbst dann nur noch 3). Das liegt daran, dass zu der Zeit die Katholiken mit den Protestanten in der Gegend im Wettkampf lagen, wer mehr Anhänger hat. Der katholische Pfarrer ging regelmäßig durch die Gemeinde und forderte die nächste Geburt an. Bei gleichzeitigem Rückgang der Kindersterblichkeit führte das zu großen Familien.

    Bei meinem Vater gingen die Söhne anschließend in die Priesterschule. Mein Vater war der vierte Sohn und mich gibt es nur, weil er aus der Priesterschule ausgerissen ist. Die nachfolgenden Söhne wurden dann nicht mehr dorthin geschickt.

    Mein ältester Onkel väterlicherseits hat seinerzeit eine Zeit lang Predigtverbot bekommen, weil er die Meinung vertrat, Himmel und Hölle wären lediglich Metaphern, das ewige Leben ebenfalls, es stände für die Nachwirkungen des eigenen Lebens auf der Erde.

    In der Niederlande gibt es trotz der geringen Größe auch so etwas wie einen Bibelgürtel, eine Gegend in der es z.B. auch Probleme mit Polio gab, da eine Impfung abgelehnt wird (Impfungen untergraben Gottes Wille).

    Zuweilen haben wir Familienfeste. Bei dem letzten mütterlicherseits waren es über 200 Gäste, das sind dann nur Onkel und Tanten von mir inkl. deren Kinder, Anhang und Kindeskinder. (Die väterliche Seite ist dank der Priester etwas weniger überbordend...)

    ("Nein, sag nichts, Du bist der ... von ...")

    Wir haben grob die Nationen der Gäste auf dem Fest durchgezählt und kamen auf 14.

    Soviel als Kurzexkurs zu meiner niederländischen Heimat...

  • Maarten  :wave Dein Beispiel ist schon interessant. Ich würde Heimat auch zunächst an meiner Großfamilie festmachen. Verhängnisvoll, dass Tomás keine anderen Verwandten hat, die sich für ihn einsetzen hätten können und seiner unmöglichen Mutter ins Gewissen reden könnten, dass ihr Verhalten ihm gegenüber absolut ungerecht ist. Dass sie ihm absichtlich seine Bildungsmöglichkeit nimmt, kann ich mir nur damit erklären, dass sie selber aus einer bildungsfernen Familie kommt. Leider erfährt man kaum etwas über ihren Werdegang.

    Jedenfalls ist es eher unüblich, dass Mütter ihren Kindern derart die Zukunft verbauen.


    Dann würde ich Heimat aber auch mit dem Ort verbinden, wo ich aufgewachsen bin. Leider erfahren wir über Metting fast nur Schlechtes. Als Kontrast wäre hier mal die Schilderung eines schöneren Erlebnisses nett gewesen. Das Einstecken der Eisstiele mit seinem "Blutsbruder" reicht da nicht für eine positive Bindung an den Ort.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Tante Li : ich merke beim Lesen Deiner Antwort, wie schwierig der Heimatbegriff in meinem Fall ist. Wenn die Familie Dorfgröße annimmt, man sich kaum noch kennt und sich über die Welt verteilt, taugt sie wenig als Heimat. Ich meinte auch eher die Entwicklung weg von einer religiös dominierten engen nationalen Gesellschaft zu einer offeneren, globaleren. Die leider gleichzeitig einhergeht mit einem aufkommenden Rechtspopulismus.

    Heimat ist bei mir auch deswegen schwierig, weil wir des Öfteren umgezogen sind.


    Aber zurück zum Buch: Aus meiner Sicht sind sie schon da, die positiven Seiten von Metting für Tom. Um das Eisdielenbeispiel zu nehmen: Eine Eisdiele ist ohne Freunde auch nur ein kalter freudloser Ort. Tom hatte einen Blutsbruder als Freund, was will man mehr. Ein Ort der Wärme und Geborgenheit war für ihn trotz der unglaublichen Enge die Wohnung von Mojca. Es gab David und Sylvia. Es gab Marieluise und das Vorlesen und es entwickelte sich etwas mit Melina.

    Der Bingopokal ist eine tiefe Erinnerung.


    All das wurde aber abrupt beendet.

    Und auch der Ring aus Eisstielen blieb unvollendet.

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Es sind nicht die Orte, Tante Li. 😉

    Für mich gehört der Ort, in dem ich aufgewachsen und meine besten Jugenderinnerungen gesammelt habe mit zum Heimatbegriff. Natürlich auch die Sprache. Da ich nicht sonderlich sprachbegabt bin, hat die deutsche Sprache schon etwas verbindend heimatliches.


    Maarten auch meine Verwandtschaft ist über mehrere Länder verteilt (auch in Holland!), aber solange sich alle bei einem Familientreffen auf deutsch unterhalten können, bedeuten sie für mich Heimat.

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    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Dieses Buch beeindruckt mich. Nur ein paar Gedankenfetzen, das meiste hat Maarten ja bereits gesagt (Ach, unterstehe dich, "weniger zu schwafeln", deine Assoziationen sind echt bereichernd für mein eigenes Gedankenkarussell. Und über die Niederlande weiß ich echt zu wenig, stelle ich gerade fest).


    Ich möchte Tom am liebsten anfeuern, als er an seinem 18. Geburtstag die Stadt verlässt, ihm auf der anderen Seite aber auch erklären, dass man seine Heimat nicht verlassen kann, man nimmt sie mit.


    Sehr berührend fand ich, wie er, statt weiter vorzulesen, die Bewohner aufgefordert hat, ihm ihre Geschichte, ihre Träume zu erzählen.


    Ich bin gespannt auf die nächsten Teile, ich kanns nicht erwarten, den erwachsenen Tom kennenzulernen.

  • Sehr berührend fand ich, wie er, statt weiter vorzulesen, die Bewohner aufgefordert hat, ihm ihre Geschichte, ihre Träume zu erzählen.

    Dazu ist mir nachträglich eingefallen: wenn er das mit seinen Eltern gemacht hätte, wäre das marode Verhältnis vielleicht doch noch zu kitten gewesen.

    Leider fand so gar keine Kommunikation zwischen ihnen statt.

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    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Dazu ist mir nachträglich eingefallen: wenn er das mit seinen Eltern gemacht hätte, wäre das marode Verhältnis vielleicht doch noch zu kitten gewesen.

    Leider fand so gar keine Kommunikation zwischen ihnen statt.

    Ich glaube die Fronten waren da zu verhärtet. Jeder hatte mit sich selbst genug Probleme und war zu gekränkt oder enttäuscht vom anderen. Und Tom suchte sich eben Ersatz, das waren die Bewohner des Heimes. Es wäre an den Eltern gewesen, da einzulenken, nicht Aufgabe des Kindes.

  • Manchmal muss man etwas verlassen, damit man ohne Bedauern zurück kehren kann. Melina, Filip, die gemütliche Wohnung gibt es ja für ihn nicht mehr. Marieluise ist tot. Seine Eltern sind mit sich selbst beschäftigt. Er ist ihnen ja nicht einmal eine gute Schuldbildung wert. Was also soll er da ausharren?


    Heimat ist da, wo man sich wohl fühlt. Ich bin auch schon oft umgezogen, meine Herkunftsfamilie ist in der ganzen Welt verteilt. Mir liegt absolut nichts an meinem Heimatort. Sind meine Eltern einmal tot, habe ich keine Veranlassung, da nochmal hin zu gehn.

    Bei Tom ist das anders. Für ihn sehe ich da noch Zukunft.

  • Das Buch deprimiert mich, es scheint, als wären alle miesen Charaktere auf einmal in dem Nest verortet.

    Ja, leider tauchen da kaum anständige Leute auf.


    Undich frage mich, ob die Gedanken, die Tomás hat, bezüglich der Ereignisse in der Schule, mit den Zigeunern, mir dem ekligen Dankwart, wirklich seines Alters entsprechend sind, oder er sie von einer späteren Warte aus hat. Gerade auch, was den Zaun um das Gelände der Fahrenden Leute betrifft. Die Brandstiftung ist ja heftig, dass das alles so hingenommen wird? Als Kind hat man ja wenig Möglichkeiten, was Tom auch so formuliert, die Erwachsenen haben die Macht, aber ob das alles im Sinne der Einwohner ist? Dass da keine Gegenstimmen kommen, sehr seltsam und sehr traurig.

    Ich habe mich auch gefragt, wo da eigentlich die kritische Presse oder Menschenrechtler sind. In den 1970er wurden doch schnell Missstände benannt - besonders dort in dieser Gegend -> Wendland!

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    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Ach, unterstehe dich, "weniger zu schwafeln", deine Assoziationen sind echt bereichernd für mein eigenes Gedankenkarussell.

    Ich finde es ist eine Gratwanderung. Ich selbst habe - wie vermutlich fast jeder - ein paar Jahrzehnte gebraucht, bis ich das "Deutschinterpretation"-Trauma überwunden hatte (was ja auch hier im Buch mit Dr. Theuert angesprochen wird). Eine Interpretation bestand bei mir aus Einleitung, Schluss und ein paar strukturellen Aspekten. Mit einer halben Spalte kam ich für eine Gedichtsinterpretation hin, das reichte dann meist für eine 4.
    Aus meiner heutigen Sicht ist das, was damals bei uns im Deutschunterricht gemacht wurde, ungefähr so sinnvoll, wie einem Erstklässler die Aufgabenstellung zu geben, eine möglichst realistische Beschreibung eines Orgasmus zu verfassen.

    Nach der jahrzehntelangen Überwindung des "Deutschinterpretation"-Traumas brauchte ich noch etliche weitere Jahre um überhaupt eine Ahnung davon zu bekommen, was Kunst wohl sein könnte.

    Eine Leserunde wie diese ist bei einem Buch wie "Die Wahrheit über Metting" aus meiner Sicht deswegen eine Gratwanderung, weil man durch diese verquere Art des Kunstbegriffs, wie er z.B. aus dem Deutschunterricht kommt, ständig droht in einen Schlaumeier-Wettbewerb zu verfallen.
    Wie kommt man auf die absurde Idee Kunst z.B. im Sinne einer Deutschinterpretation zu einem benoteten Leistungswettbewerb von Kindern zu machen? Es ist abgründig, widersinnig!

    Tom hat uns ein Buch voller schillernder Fische gegeben und ich möchte gerne auf viele dieser Fische zeigen, weil sie so schön sind. Aber sie sind schnell wieder verschwunden, weil man sie nur sehen kann, wenn der Blickwinkel gerade der richtige ist und der ist bei jedem anders. Es ist ein gemeinsames Erlebnis, ein Teilen. Hat man den ersten Fisch erst mal gesehen und weiß, wie er aussieht, sieht man die anderen plötzlich leichter.
    Es ist ähnlich wie bei diesen 3D-Bildern, die nur dann 3D sind, wenn man ein bisschen schielt und einen Punkt hinter oder vor dem Bild fokussiert. Man kann nicht erklären, wie man drauf schauen soll, man kann nur sagen, was man sieht und schon fokussiert man falsch und es ist wieder verschwunden. Es ist auch ähnlich wie das Erklären eines Witzes, was einfach ziemlich sinnlos ist.
    Kunst zu erleben hat überhaupt nichts mit einer intellektuellen Leistung zu tun, sondern mit eigenen Erfahrungen, mit dem eigenen aktuellen Gemütszustand, mit einer Offenheit, dem richtigen Zeitpunkt.
    Durch den Deutschunterricht und das Bildungsbürgertum ist daraus ein höchst unsinniger Wettbewerb geworden und es ist schwer von Kunst zu reden, ohne zu einem Wettbewerbsteilnehmer zu werden. (Sorry, ich schreibe mich gerade in Rage...)

    Es ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis schöne Dinge zu teilen. Wenn ich schillernde Fische sehe, möchte ich gerne darauf zeigen und sagen, schau da dieser wunderbare Fisch. Aber ich weiß, dass womöglich nur ich ihn in diesem Moment gerade sehen kann und er auch für mich dann schon wieder weg sein kann. Und gleichzeitig gibt es eben noch das Problem, dass es seine Magie verliert, wenn man zu sehr darauf zeigt. Ich weiß nicht, ob ich dafür das richtige Gespür habe.
    Nichts ist so nah an Magie wie Kunst, es lässt einen tiefe Wahrheiten in einem selbst erkennen.
    Und es hat einfach rein gar nichts mit dem formelhaften Kram aus meinem Deutschunterricht zu tun.

    Ich liebe diesen Moment, wo aus der Fassade von ein paar Worten, einer Metapher plötzlich eine dreidimensionale Welt wird, man hinter die Kulisse treten kann und sieht, wie es wirklich ist.

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Schön gesagt, Maarten! Ich wünschte, ich könnte die Fische auch so gut sehen. Leider verheddert sich mein Blick allzuschnell in den Schlingpflanzen.

    Dass Tom gut schreiben kann ist unbestritten, deshalb deute ich meist auf die Luftlöcher oder Schnecken auf den Wasserpflanzen.

    🐠 🦠 🐌:fisch

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  • Schön gesagt, Maarten! Ich wünschte, ich könnte die Fische auch so gut sehen. Leider verheddert sich mein Blick allzuschnell in den Schlingpflanzen.

    Dass Tom gut schreiben kann ist unbestritten, deshalb deute ich meist auf die Luftlöcher oder Schnecken auf den Wasserpflanzen.

    🐠 🦠 🐌:fisch

    😃

    Ich habe ganze Buchreihen gelesen, bei denen ich geschworen hätte, dass definitiv kein einziger Fisch drin ist. Als ich dann doch einen entdeckte, tauchten plötzlich Schwärme auf.

    Das kommt schon.

  • Gestern habe ich an einer schönen Aussichtsstelle gesessen und über ein Moseldörfchen geschaut. Dabei landete ich in Gedanken bei Toms Vater und seiner Modelleisenbahn und konnte mich in den Gedanken vertiefen.
    Die Modelleisenbahn passt natürlich in die Zeit, das gab es häufig als Hobby. Für Toms Vater ist sie das einzige, bei dem er bestimmen kann was passiert. Und auch das nur zum Teil, denn manchmal fühlt Tom sich von den Geräuschen von Toms Vater beim Spielen gestört und sobald Tom das zu erkennen gibt, passt Toms Vater sich auch hier an und spielt geräuschlos weiter.
    Vertiefe ich mich in diesen Gedanken, bekomme ich ein sehr klares Bild zu Toms Vater, dieser Fremdbestimmung, die sein ganzes Leben so einengt, dass er sich jede Woche lediglich auf ein paar einzelne Stunden zurückziehen kann, in der er eine Spielwelt nach seinen Spielregeln ablaufen lassen kann, wobei er auch da ja nicht das Leben spielt, dass er gerne hätte. Es ist seine einzige Möglichkeit überhaupt etwas selbst zu gestalten, wenn es auch nur eine Spielwelt ist, in der er bestimmen kann, was passiert.
    Ich finde es erschütternd.
    Die Modelleisenbahn ist in Toms Zimmer, Toms Vater ist zwar nicht in der Lage sein eigenes Leben zu gestalten, aber auf das von Tom nimmt er Einfluss, es ist der einzige Einfluss, den er hat. Tom ist ihm offensichtlich sehr wichtig, auch wenn man das vordergründig kaum sieht. Er ist nicht in der Lage, seine Liebe zu zeigen.
    Nach dem 'schlechten Benehmen' spielt der Vater erst mal nicht mehr in Toms Zimmer, er ist komplett fremdbestimmt. Später ändert sich das wieder und der Vater kommt wieder in Toms Zimmer, aber es hat sich etwas zwischen ihnen geändert, es wächst etwas zwischen ihnen heran.

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Es hätte etwas heranwachsen können, wenn der Vater für seinen Sohn eingestanden wäre und seinen Wunsch nach Bildung unterstützt hätte gegen den Rachedurst der Mutter. Leider hat er sich da als Weichei erwiesen. Wie abhängig war er von dieser Frau? Hatte er sich beim Aufbau des Heims so verschuldet, dass daraus eine ewige Abhängigkeit entstanden war? Welche Ausbildung hatte er eigentlich?

    Diese Fragen werden leider nicht behandelt.

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    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Anfangs dachte ich gar nicht, dass die Mutter so furchtbar werden kann. Von Müttern erwartet man ja eher etwas anderes. Aber wahrscheinlich steht sie auch unter dem Druck des Kleinstadtmiefs. Neben der Ausbildung fehlen aber noch weitere Angaben zu den Eltern. Eigentlich fehlt sogar alles. Sie sind einfach plötzlich da. Interessant wäre für mich vor allem zu wissen, ob sie selbst aus Metting stammen oder ob sie dort nur irgendwie gestrandet sind.


    Ich lese mal weiter ... auf der Suche nach den Fischen.

  • Es hätte etwas heranwachsen können, wenn der Vater für seinen Sohn eingestanden wäre und seinen Wunsch nach Bildung unterstützt hätte gegen den Rachedurst der Mutter. Leider hat er sich da als Weichei erwiesen.

    Er ist offensichtlich nicht in der Lage für sich selbst einzustehen. Obwohl er Schwierigkeiten hat, für sich selbst einzustehen und trotz der Legasthenie von Tom, die ein Gymnasium gerade damals schwierig macht, hat er es geschafft Tom gegen den Willen der Mutter aufs Gymnasium zu bringen. Das ist in diesem Kontext eine sehr große Leistung.

    Die Situation entgleist in mehrfacher Hinsicht, er hat Frau Awusi gegen sich, die Legasthenie ist und bleibt ein Problem und er hat wegen 'schlechtem Benehmen' noch weiter an Durchsetzungsvermögen verloren.

    Obwohl der Vater sich an dieser Stelle nicht durchsetzen kann, ist eine stärkere Bindung zwischen Tom und seinem Vater entstanden.