'Die Wahrheit über Metting' - Seiten 001 - 080

  • Nee, an Lindenberg habe ich echt nicht gedacht. Es ist schon so, wie Salonlöwin das angedeutet hat: Es werden Namen für solche Heime gewählt, die eine Perspektive zu geben scheinen, aber eigentlich täuschen - und dann auch wieder ziemlich klar sagen: Endstation. Ich habe lange über Wortspiele mit Begriffen wie "Abend", "spät", "Dämmerung" und ähnliche nachgedacht, und dann kam mir der Horizont in den Sinn, der ja tatsächlich unerreichbar ist.

  • Nee, an Lindenberg habe ich echt nicht gedacht. Es ist schon so, wie Salonlöwin das angedeutet hat: Es werden Namen für solche Heime gewählt, die eine Perspektive zu geben scheinen, aber eigentlich täuschen - und dann auch wieder ziemlich klar sagen: Endstation. Ich habe lange über Wortspiele mit Begriffen wie "Abend", "spät", "Dämmerung" und ähnliche nachgedacht, und dann kam mir der Horizont in den Sinn, der ja tatsächlich unerreichbar ist.

    Irgendwo habe ich mal "Feierabendheim" gelesen=O

    Feierabend wovon? Nie endende Feierabend? Nach diesem Feierabend kommt nicht mehr viel.

    Wie ich vorhin schon schrieb: es ist die Endstation, der Ort, von dem man nicht mehr weggeht, außer für immer von der Welt.

    Und ja, es ist der Ort für die, die entweder Keinen mehr haben oder die keiner mehr will, aber nicht immer. Ich finde es ungerecht, wenn wir hier alles über einen Kamm scheren würden. Es gibt auch andere Gründe, warum ein alter Mensch nicht mehr in seiner Wohnung leben kann und sich in die Hände einer Vollzeitpflege begeben muss.

    Aber das ist nicht das Hauptthema des Buches und bei Weitem nicht die einzige Baustelle von Metting.

  • Ich finde es ungerecht, wenn wir hier alles über einen Kamm scheren würden.

    Ja, und das soll es auch nicht sein. Es gibt sehr, sehr viele Pflege- und Altenheime, in denen überaus achtsam mit den Bewohnern umgegangen wird, in denen die Bewohner als Menschen im Mittelpunkt stehen, in denen sich die Pflegekräfte bis zur Selbstaufgabe bemühen, ihren Schützlingen ein angenehmes Leben zu bereiten. Es gibt viele Menschen, die freiwillig, bewusst und nach langer Vorplanung ins Heim ziehen - und sich freuen, einen guten Platz gefunden zu haben. Es gibt, davon abgesehen, auch viele Misch- und Hybridformen, von WG-Konstrukten über stufenweise betreutes Wohnen bis zum Luxussanatorium. Es gibt allerdings auch Profitstreben, enge Vorgaben der Pflegekassen, Optimierungszwänge, genervtes oder lustloses Personal - und Angehörige, die ihre Alten lieber heute als morgen loswerden. Aber die Situation der stationären Pflege ist eigentlich nicht das Thema von Metting, jedenfalls kein zentrales.


    Und für mich steht grundsätzlich außer Frage, dass es für pflegebedürftige Alte besser ist, wenn sie so lange wie möglich im Kreis ihrer Familie leben können. Aber auch das ist eine komplexe Thematik, bei der viele Aspekte zu berücksichtigen sind.

  • Das würde und kann ich alles so unterschreiben.

    Ich bzw. meine Familie sind gerade sehr persönlich betroffen, daher bin ich da ziemlich dünnhäutig.


    In Metting gibt es noch mehr als genug Baustellen...

    Ich bin gerade in Abschnitt 3 und schreibe nachher etwas im 2. Abschnitt.

    Wenn ich von meinen Eltern zurück bin;)

  • Irgendwo habe ich mal "Feierabendheim" gelesen=O

    Feierabend wovon? Nie endende Feierabend? Nach diesem Feierabend kommt nicht mehr viel.

    Den Begriff kenne ich auch. In der DDR sehr gebräuchlich, ob er im Westen benutzt wurde, weiß ich nicht.

    Feierabend wovon? Vielleicht vom Lebensende? Nach längerem Nachdenken komme ich zu der Auffassung, dass Feierabendheim nicht besser als ein Altenheim namens Horizont ist und von der Tatsache ablenken soll, dass Menschen ihrem Lebensende entgegensehen.

  • ...und von der Tatsache ablenken soll, dass Menschen ihrem Lebensende entgegensehen.

    Was ja nichts Schlimmes ist, sondern der Lauf der Dinge, des Lebens. So sehe ich das! Ich weiß jetzt schon, und ich kommuniziere das auch vor meinen Kindern, dass ich, wenn ich in vielen Jahren doch pflegebedürftig über ein beherrschbares Maß hinaus werde, nicht von meinen Kindern gepflegt werden will, sondern dann in ein Pfegeheim möchte. Ich halte es für ein großes Problem, dass Niemand über den Tod sprechen möchte, geschweige denn den Gedanken daran zulassen.

    Aber das nur neben dem Thema des Romans.


    Heime in der DDR waren gruselig! Wie es im Westen Deutschlands war, kann ich nicht sagen.

    Tomaś kann mir nur Leid tun, und vielleicht ist noch gar nicht abzuschätzen, was diese Kindheit mit ihm gemacht hat.

  • Ich finde Alten- oder Pflegeheim viel ehrlicher als Seniorenresidenz oder ähnlich Beschönigendes. Wir haben ja letztes Jahr unseren Vater bis zum Schluss in meinem Elternhaus gepflegt und das war unterschiedlich gut. Ich denke, er hatte sich von den wechselnden Pflegekräften der Diakonie lieber versorgen lassen wollen als von meiner Mutter und mir. Die konnten das einfach professioneller. Dagegen wäre er im Heim wohl schneller verhungert und verdurstet und hätte sich nicht so lang mit seinen Schmerzen quälen müssen. Nur eine meiner Omas ist im Heim gestorben und hat es dort gehasst, obwohl sie täglich Besuch von ihren Kindern bekommen hat.


    Im Horizont scheinen keine Besuche von Verwandten stattzufinden. Was ich für ziemlich unwahrscheinlich halte. Ich kenne da eher ein zu viel an Aufmerksamkeit, die den Rythmus der Pflegekräfte durcheinander bringt.


    Als Kind in so einer Umgebung aufzuwachsen stelle ich mir schon sehr bizarr vor. Normalerweise gruseln sich Kinder vor Altem, Krankem und Totem.

    Bei dem Verhältnis mit Marieluise musste ich gleich an Harold and Maude denken. Vielleicht ist es gar nicht so abwegig, wenn sich Pubertierende für unkonventionelle Alte interessieren :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Was ja nichts Schlimmes ist, sondern der Lauf der Dinge, des Lebens. So sehe ich das! Ich weiß jetzt schon, und ich kommuniziere das auch vor meinen Kindern, dass ich, wenn ich in vielen Jahren doch pflegebedürftig über ein beherrschbares Maß hinaus werde, nicht von meinen Kindern gepflegt werden will, sondern dann in ein Pfegeheim möchte. Ich halte es für ein großes Problem, dass Niemand über den Tod sprechen möchte, geschweige denn den Gedanken daran zulassen.

    Aber das nur neben dem Thema des Romans.

    Ich habe da, gerade auch wegen meiner Eltern ; ), eine ebensolche Einstellung. Ich möchte es meinen Kindern keinesfalls zumuten, mich pflegen zu "dürfen" . Ich habe jetzt noch keinen Einblick, wie die Insassen des Horizont mit dem Tod umgehen. Ich vermute nur mal, dass man, je älter man wird, dem Tod also näher rückt, ihn umso mehr fürchtet. Allerdings ist das wohl auch von Person zu Person unterschiedlich. Momentan halte ich es noch für natürlich, dass das Leben endet.

  • Als Kind in so einer Umgebung aufzuwachsen stelle ich mir schon sehr bizarr vor. Normalerweise gruseln sich Kinder vor Altem, Krankem und Totem.

    Bei dem Verhältnis mit Marieluise musste ich gleich an Harold and Maude denken. Vielleicht ist es gar nicht so abwegig, wenn sich Pubertierende für unkonventionelle Alte interessieren :gruebel

    Ich muss da widersprechen. Kinder gruseln sich nicht vor Altem, Kranken und Totem. Ich sah meine Großmutter mit 7 Jahren im Sarg. Offen, wie es damals normal war. Da hat mich nix gegruselt, ich fand es nur kalt. Kinder geben nur die Reaktion der Erwachsenen darauf zurück. Wenn die Eltern zu Krankheit und Tod ein natürliches Verhältnis haben, werde es die Kinder auch so sehen. Das schließt aber Trauer nicht aus.

  • Ich finde die Assoziationen zum Begriff Horizont interessant. Für mich ist es im Kontext hier der Lebenshorizont, der Tag für Tag näher rückt und für die Bewohner des Horizonts bereits erdrückend nah gekommen ist.

    Auf Metting bezogen ist es für mich der Tellerrand über den man nicht hinausblickt. Assoziiert mit dem eigenen Mief in dem man erstickt. (Vielleicht liegt's daran, dass ich selbst in einer Stadt in einem Talkessel lebe...)

  • Eigentlich unerreichbar.

    Schrieb ich doch. Der Horizont ist die Kante einer Kugel. Aber Kugeln haben überhaupt keine Kanten. Man läuft auf etwas zu, das sich mit der gleichen Geschwindigkeit wegbewegt.

  • Ich muss da widersprechen. Kinder gruseln sich nicht vor Altem, Kranken und Totem. Ich sah meine Großmutter mit 7 Jahren im Sarg. Offen, wie es damals normal war. Da hat mich nix gegruselt, ich fand es nur kalt. Kinder geben nur die Reaktion der Erwachsenen darauf zurück. Wenn die Eltern zu Krankheit und Tod ein natürliches Verhältnis haben, werde es die Kinder auch so sehen. Das schließt aber Trauer nicht aus.

    Den einzigen Toten, den ich als Kind erlebt hatte, war ein Nachbar zu dem ich sonst kaum Bezug hatte. Ich fand diese Leiche gruselig. Dann war ich damals mit zu Besuch in einem Altenheim; an den Geruch und die mageren Körper in den Betten habe ich mich noch lange mit Grausen erinnert.

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  • Schrieb ich doch. Der Horizont ist die Kante einer Kugel. Aber Kugeln haben überhaupt keine Kanten. Man läuft auf etwas zu, das sich mit der gleichen Geschwindigkeit wegbewegt.

    Ein Horizont ist die sichtbare Grenze zwischen Himmel und Erde - eine Trennung, von der man weiß, dass es weitergeht auch wenn man das nicht mehr sehen kann.


    Ich denke da auch an die Stargate-Serien, wo der Ereignishorizont den Eingang zum Wurmloch bezeichnet.

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  • Ein Horizont ist die sichtbare Grenze zwischen Himmel und Erde

    Äh. Na ja. Das mag vielleicht so gewesen sein, als man die Erde noch für eine Scheibe hielt, um die die Sonne kreist. Tatsächlich aber ist der Horizont die Linie, ab der die Oberfläche der Kugel, auf der man sich befindet, nicht mehr zu sehen ist. Diese Linie verschiebt sich mit der Bewegung auf sie zu mit der gleichen Geschwindigkeit von einem Weg. Dass sich da Himmel und Erde berühren, dachten die Menschen, äh, früher. ;)

  • Wenn ich auf meinem Balkon stehe, sehe ich am Horizont die Nürnberger Burg - sieht von mir sehr zweidimensional aus, aber ich weiß, dass sie ein dreidimensionales Gebilde ist, weil ich da selber schon herumgelaufen bin.


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    . . . und ich weiß, dass Nürnberg dahinter noch weitergeht, obwohl ich das nicht mehr sehen kann.

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  • Schrieb ich doch. Der Horizont ist die Kante einer Kugel. Aber Kugeln haben überhaupt keine Kanten. Man läuft auf etwas zu, das sich mit der gleichen Geschwindigkeit wegbewegt.

    Ich hatte ja auf den post von Maarten geantwortet, der den Horizont als etwas festes, unabänderliches darstellte. Als Lebensende quasi. Für mich passt der Zusammenhang aus den genannten Grund nicht.

  • Ich hatte ja auf den post von Maarten geantwortet, der den Horizont als etwas festes, unabänderliches darstellte. Als Lebensende quasi. Für mich passt der Zusammenhang aus den genannten Grund nicht.

    Und ich hatte den Horizont im Kontext des "Horizont" mit Lebenshorizont assoziiert. Dessen Ende sich nicht verschiebt, wenn man sich ihm nähert.

    Daher die Verwirrung...

  • Wie ich an verschiedener Stelle immer wieder gerne betone, bin ich kein Leserundentyp. Hier kommt aber einiges zusammen, das mich zumindest ein bisschen mitlesen lässt.


    1. Mein Geburtsort heißt Mettingen. Das weist eine gewisse Nähe zu Metting auf.

    2. Die Gebäudeform des Horizonts ist ein Kreuz. Das klingt spannend ...

    3. Lehrer*innen spielen offenbar eine gewisse Rolle.

    3. Ich liebe Lyrik.
    4. Tom ist Tom ist Tom.
    6. Sätze wie:
    „Möglicherweise hatte man Jan Friesmanns langfristige posthume Wirkung ein wenig überschätzt.


    Mit anderen Worten: Ich werde mich hier wohl ab und zu ein wenig einmischen


    Erste inhaltliche Frage: Wenn Metting am Rand der Lüneburger Heide liegt, kommt mir die Passage auf Seite 77 seltsam vor, die sinngemäß von sechs Jahren Grundschule ausgeht. Hier scheint mir das Berliner Schulsystem verpflanzt worden zu sein. In den 70ern dürfte im gesamten Westen Deutschlands die vierjährige Grundschule der Regelfall gewesen sein ...
    Oder?

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Ich meine mich zu erinnern, dass es in Niedersachsen eine Orientierungsstufe (5.-6.Klasse) gab :gruebel.