'Die Anomalie' - Seiten 080 - 139

  • Ich vermute mal, dass das FBI die ehemaligen Insassen des Flugzeuges einsammeln, um sie mit sich selbst, sozusagen, zusammenzubringen.

    Nur mal nebenbei: Jeder Fan von Star Trek oder Dr Who weiß, dass man das nicht darf, weil es ein Paradoxon auslöst:grin


    Gerade interessieren mich die Figuren viel mehr als das Warum, der Grund weshalb das gleiche Flugzeug 110 Tage später nochmal landen will.

    Interessant fand ich zum Beispiel, dass die Beziehung von Lucie und André noch von seiner Seite her beleuchtet wurde, dem Blickwinjel eines reiferen Mannes, der eine so viel jüngere Frau begehrt und umwirbt.


    Miesel kommt nach seinem Freitod noch zu Ruhm. Für "Anomalie" hat er die Quintessenz seines Lebens zusammengeschnitten, gedrängt wovon? Hatte er von Anfang an vor, dass es sein letztes Werk sein sollte? Sein Vermächtnis? Dass er damit alles an Leben aus sich gegeben hätte und dann demselben ein Ende setzen würde? Und hat das mit dem Flug zu tun, nach dem er so verstört war?

    Ich denke ja.

  • Für mich ist dieses Buch das Ergebnis seines Fast-Flugzeugabsturzes. Auf S. 28 ist das ganz deutlich beschrieben, "plötzlich zerbricht etwas in Viktor" und dieses Zerbrechen scheint zu einer Art neuem Zugang zu seinen Gefühlen zu führen. Oder einer Art philosophischer Erweckung, der ich auch nicht so wirklich folgen kann.


    Jedenfalls hat der Verlag noch etwas von seinem posthumen Erfolg.


    Schon seltsam, dass die ehemaligen Fluggäste vom FBI oder ähnlichen Organisationen eingesammelt werden.

  • Nur mal nebenbei: Jeder Fan von Star Trek oder Dr Who weiß, dass man das nicht darf, weil es ein Paradoxon auslöst

    ... und die Leser von Harry Potter kennen die Time Turner, die zuerst Hermione Granger - später sie und HP - benutzt. Aber das (Star Trak, Dr. Who, HP) sind alles Fantasie Werke.


    Bei der Anomalie handelt es sich um einen in der ganz nahen Zukunft spielenden Roman, vergleichbar mit den Büchern von Michel Houellebecq. Nur ein Element verschiebt sich gegenüber unserer Gegenwart. Wie in einem Labor versucht der Autor den Einfluss dieses Elementes auf die Gegenwart auszutesten. Spannend.

    Viele Grüsse, Sequana :)


    Paris ist ein grosser Bibliothekssaal, der von der Seine durchströmt wird. (Walter Benjamin)

  • ... und die Leser von Harry Potter kennen die Time Turner, die zuerst Hermione Granger - später sie und HP - benutzt. Aber das (Star Trak, Dr. Who, HP) sind alles Fantasie Werke.


    Bei der Anomalie handelt es sich um einen in der ganz nahen Zukunft spielenden Roman, vergleichbar mit den Büchern von Michel Houellebecq. Nur ein Element verschiebt sich gegenüber unserer Gegenwart. Wie in einem Labor versucht der Autor den Einfluss dieses Elementes auf die Gegenwart auszutesten. Spannend.

    Ach stimmt, Hermine...:grin


    Würdest du diesen Roman mit Houellebecq vergleichen? Der drängte sich mir nicht direkt auf.

  • Für mich ist dieses Buch das Ergebnis seines Fast-Flugzeugabsturzes. Auf S. 28 ist das ganz deutlich beschrieben, "plötzlich zerbricht etwas in Viktor" und dieses Zerbrechen scheint zu einer Art neuem Zugang zu seinen Gefühlen zu führen. Oder einer Art philosophischer Erweckung, der ich auch nicht so wirklich folgen kann.

    In der Vita Miesels und Le Telliers gibt es Parallelen, aber das ist vielleicht gar nicht von Bedeutung. Übersetzer, Romanautor, Preisträger...allerdings hat Le Tellier Erfolg zu Lebzeiten.;)

  • Also ist exakt diese Maschine mit exakt diesen Passagieren vor 110 Tagen in New York gelandet? Na ja, exakt die Menschen können es wohl nicht gewesen sein, da der Pilot David Markle gerade stirbt (oh, das hört sich ja sehr makaber an...) und Miesel am 22.4. Selbstmord beging.... Alles sehr merkwürdig, ich kann es mir bisher absolut nicht erklären - aber das war ja vermutlich Sinn und Zweck des Autors, bei mir hat er es jedenfalls geschafft: ich bin total total verwirrt...

    Ansonsten finde ich seine "Vorstellung" der Personen mittlerweile wunderbar! In diesem Abschnitt was das Kapitel "Adrian und Meredith" mein absoluter Liebling, ich habe mehrmals schmunzeln müssen und bei der Passage: "...sie gewöhnt sich nicht an diese Studenten, die sich für Gottes eigene Brut halten..." (S. 100) sogar gelacht.... Auch das Kapitel Slimboy hatte einige nette unterschwellige Sticheleien (das Gespräch zwischen Ugo und Hélène), allerdings war mir bisher nicht so klar, dass Homosexualität in Nigeria eine Straftat ist und sooo verfolgt und hart bestraft wird, der Absatz auf S. 94, beginnend mit "Stille kehrte ein..." fand ich erschreckend.

    Überhaupt: der Schreibstil gefällt mir sehr gut, ich glaube, fast bei jedem Satz gibt es noch einen tieferen Sinn, ich glaube, es lohnt sich (wenn ich das Buch weiterhin so gut finde), es mit Abstand noch ein zweites Mal zu lesen....

    André kennen wir ja schon aus dem Kapitel um Lucie, aber ich fand es hier ganz spannend, auch Andrés Version kennenzulernen, seine Aussage: "Seine Freunde altern mit ihm, aber nicht die Frauen, die er liebt." (S.121) drückt ja viel aus, aber ich denke nicht, dass Lucie zu ihm zurückkehrt...

    Und Miesel hat posthum noch einen Riesenerfolg, ich gönne es ihm - obwohl ich sein Buch wohl nicht gelesen hätte... Auch hier die (feine) Ironie, als der Autor über die "Anomalisten (S. 85) schreibt...

    Doch, für mich hat es sich jetzt schon fast gelohnt, dieses Buch zu lesen, aber ich finde es auch gut, es in einer Leserunde zu lesen, so kann ich immer vergleichen, ob ihr es auch - oder ähnlich - empfindet... oder ob ich vollkommen falsch mit meinen Interpretationen liege...

  • Also ist exakt diese Maschine mit exakt diesen Passagieren vor 110 Tagen in New York gelandet? Na ja, exakt die Menschen können es wohl nicht gewesen sein, da der Pilot David Markle gerade stirbt (oh, das hört sich ja sehr makaber an...) und Miesel am 22.4. Selbstmord beging.... Alles sehr merkwürdig, ich kann es mir bisher absolut nicht erklären - aber das war ja vermutlich Sinn und Zweck des Autors,

    Anomalie eben, auch wenn es eigentlich unmöglich ist. Als wäre die zweite Maschine aus einer Art Zeit-Wurmloch auf die Erde zurückgekommen.

    Die armen Passagiere, die Besatzung natürlich auch. Sich nach einem solchen Flug von Militär umzingelt wiederzufinden, kann keine schöne Erfahrung sein.


    Mir gefällt die Szene, in der die obersten Krisenbewältiger mit den völlig verwirrten und überhaupt nicht dorthin passenden Miller und Wang in ihrem Krisenzentrum sitzen.

  • Mir gefällt die Szene, in der die obersten Krisenbewältiger mit den völlig verwirrten und überhaupt nicht dorthin passenden Miller und Wang in ihrem Krisenzentrum sitzen.

    Ja, das stimmt. Ich fand es aber schon erstaunlich, wie scheinbar schnell das FBI, das Militär und diverse andere Dienste bereit waren, sich die Wissenschaft dazu zu holen.

    Gut, es waren Miller und Wang, die das Protokoll, wie in solchen Krisensituationen zu verfahren ist, nach 9/11 verfasst haben.

  • Der Abschnitt hat mir weitaus besser gefallen als der erste und jetzt finde ich auch langsam den vielangepriesenen besonderen Humor :-]. Da waren schon wirklich komische Szenen dabei, am besten gefällt mir bisher der der Mathematiker in seinem zerfledderten Shirt.

    Ich hatte den Eindruck, dass alle Passagiere (von denen wir bisher gelesen haben) in irgendeiner Form von diesem Flug beeindruckt waren...

    Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen. Wohl auch kein Wunder nach so einer Extremsituation, da wird ja enorm viel Adrenalin ausgeschüttet und das setzt natürlich auch andere Kräfte frei. Oft positive, wie die Kreativität bei Miesel und Slimboy oder den Wunsch das Leben zu ändern wie bei Joanna oder auch Lucie (das steht zwar so nicht im Buch, ihre Trennung von André erfolgte aber auch nach dem Flug und könnte somit darauf zurückzuführen sein), aber auch sehr zerstörerische wie bei David (auch das steht so nicht im Buch, aber zumindest ein zeitlicher Zusammenhang wird angedeutet). Ich bin gespannt, ob das Buch da hinwill.


    Ich vermute mal, dass das FBI die ehemaligen Insassen des Flugzeuges einsammeln, um sie mit sich selbst, sozusagen, zusammenzubringen.

    Über die Geschwindigkeit, mit der weltweit gehandelt wird, war ich sehr erstaunt. Aber Zusammenführen fände ich momentan eine ganz schlechte Möglichkeit (abgesehen von dem Paradoxon). Da merken doch alle gleich, dass was nicht stimmt. Würde es nicht reichen, die zweitgelandeten Passagiere erstmal festzusetzen?

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Mir gefällt die Szene, in der die obersten Krisenbewältiger mit den völlig verwirrten und überhaupt nicht dorthin passenden Miller und Wang in ihrem Krisenzentrum sitzen.

    Sie gefiel mir auch sehr gut - und das Kopfkino ist sofort angesprungen: Adrian in seinem schlabberigen T-Shirt unter den korrekt uniformierten Militärs... Ich hatte es auch so verstanden, dass Adrian und Lisa (? - ich habe das Buch gerade nicht zur Hand) dieses Protokoll 42, nachdem jetzt gehandelt wird, eigentlich nicht ernsthaft geschrieben habe, eher unter der Sparte: was machen wir, wenn Aliens landen? Habt Ihr das auch so verstanden?

  • Oft positive, wie die Kreativität bei Miesel und Slimboy oder den Wunsch das Leben zu ändern wie bei Joanna oder auch Lucie (das steht zwar so nicht im Buch, ihre Trennung von André erfolgte aber auch nach dem Flug und könnte somit darauf zurückzuführen sein), aber auch sehr zerstörerische wie bei David (auch das steht so nicht im Buch, aber zumindest ein zeitlicher Zusammenhang wird angedeutet). Ich bin gespannt, ob das Buch da hinwill.

    Da stimme ich Dir voll und ganz zu...

    Würde es nicht reichen, die zweitgelandeten Passagiere erstmal festzusetzen?

    Nee, ich glaube nicht - weil man ja die Ursache erfassen will... Wobei ich da auch noch überhaupt nicht durchblicke...

  • Über die Geschwindigkeit, mit der weltweit gehandelt wird, war ich sehr erstaunt. Aber Zusammenführen fände ich momentan eine ganz schlechte Möglichkeit (abgesehen von dem Paradoxon). Da merken doch alle gleich, dass was nicht stimmt. Würde es nicht reichen, die zweitgelandeten Passagiere erstmal festzusetzen?

    Ich muss ein bisschen aufpassen, was ich schreibe, denn ich bin mit dem 3. Abschnitt fertig:engel. Gut, dass ich mir Notizen mache, dann weiß ich wieder was ich dachte.


    Sein wir mal ehrlich: Die Passagiere erstmal festzusetzen passt doch zu den Amerikanern. Aber vergleichen, ob die Personen wirklich einander gleichen müssen sie schon.

    Vielleicht DNA?

  • Ich muss nochmal auf David zurückkommen.

    Ganz am Ende des Abschnittes war ich überrascht, dass der Flugkapitän Markle David ist und dass es der gleiche Mann ist, dessen früher gelandetes Pendant gerade stirbt. Das ist die erste Verknüpfung, das erste zueinander in Beziehung setzen der Leben der Figuren, und dieser David kommt, im ersten Abschnitt und hier als Kapitän, am ehesten nahe.

    Vielleicht Blake, interessanterweise.

    Aber die Distanz ist möglicherweise gewollt.

  • Ich finde es schon wichtig, die Passagiere festzusetzen. Hätte man das nicht getan, wäre ja jeder nach Hause gefahren und wäre unvorbereitet auf seinen Doppelgänger gestoßen! Was für ein Chaos.


    Und ich denke auch, dass die beiden dieses 42. Protokoll nur deshalb geschrieben haben, weil es von ihnen erwartet wurde. Für einen Fall, den sich keiner wirklich vorstellen konnte. Und der ist ja nun wohl eingetreten.

  • Ich finde es schon wichtig, die Passagiere festzusetzen. Hätte man das nicht getan, wäre ja jeder nach Hause gefahren und wäre unvorbereitet auf seinen Doppelgänger gestoßen! Was für ein Chaos.


    Und ich denke auch, dass die beiden dieses 42. Protokoll nur deshalb geschrieben haben, weil es von ihnen erwartet wurde. Für einen Fall, den sich keiner wirklich vorstellen konnte. Und der ist ja nun wohl eingetreten.

    Natürlich ist das mit dem Festsetzen der Passagiere moralisch und sicher auch rechtlich sehr schwierig, aber was bleibt ihnen denn anderes übrig, als sie gemerkt haben, dass da was so garnicht stimmt? Da war das wohl die logische und auch einfachste Lösung. Was mich beeindruckt hat war das schnelle Einsammeln der elektronischen Geräte - schließlich hätte das ja auch große Probleme geben können, wenn jemand sich zuhause meldet.


    Ich lese es auch so, dass das 42. Protokoll (toller Name übrigends :grin) mehr als Witz gedacht war bzw. für eine überhaupt nicht vorstellbare Situation. Tja, und dann kommt doch was, mit dem man nicht rechnet ...

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Gerade interessieren mich die Figuren viel mehr als das Warum, der Grund weshalb das gleiche Flugzeug 110 Tage später nochmal landen will.

    Interessant fand ich zum Beispiel, dass die Beziehung von Lucie und André noch von seiner Seite her beleuchtet wurde, dem Blickwinjel eines reiferen Mannes, der eine so viel jüngere Frau begehrt und umwirbt.

    Da kann ich dir voll und ganz zustimmen.

    Ich habe fast noch gar keine Science Fiction-Bücher gelesen, ich bin also vollkommen unbedarft und habe gar keine Idee, warum das gleiche Flugzeug noch einmal landet, allerdings weniger beschädigt ist. Auch was es mit der Zeitverschiebung auf sich hat, ist mir ein Rätsel.


    Mir gefällt an dem Buch sehr, dass der Leser nach und nach mehr Kenntnis über die Personen gewinnt. Dazu der Perspektivwechsel, das ist ganz nach meinem Geschmack. Es gibt immer zwei Sichtweisen auf ein Erlebnis.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Miesel kommt nach seinem Freitod noch zu Ruhm. Für "Anomalie" hat er die Quintessenz seines Lebens zusammengeschnitten, gedrängt wovon? Hatte er von Anfang an vor, dass es sein letztes Werk sein sollte? Sein Vermächtnis? Dass er damit alles an Leben aus sich gegeben hätte und dann demselben ein Ende setzen würde? Und hat das mit dem Flug zu tun, nach dem er so verstört war?

    Ich denke ja.

    Ich denke, das ist der Schlüssel zum Verständnis der Zusammenhänge. Großartig, dass Tellier es auch "Die Anomalie" nennt. Jetzt halte ich es noch für verschwurbeltes Zeug , gepaart mit schönen Kalenderweisheiten. Herrlich, wie der Autor die Verlagsszene skizziert. :-]


    Mir hat in diesem Abschnitt am besten gefallen, dass Tina und Adrian es schaffen, den kompletten Krisenstab eines Landes an der Nase herumzuführen. Das Szenario 42 haben sie sich ja komplett ausgedacht. Ich habe herzhaft gelacht, als Adrian nicht über die Lippen brachte, dies einzugestehen. Zum Glück, denn ich glaube, das Ausmaß dessen, was sie in ihrem jugendlichen Leichtsinn angerichtet haben, war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.


    Ich fühlte mich etwas an die ersten Tage der Pandemie erinnert, als die ersten Wissenschaftler von dem Corona-Virus berichteten. Bis die bittere Wirklichkeit all diese theoretischen Erläuterungen einholte.


    Es gibt in diesem Abschnitt so viele Details, die ich mit Vergnügen gelesen habe, dass ich sie alle gar nicht aufzählen kann. Am besten gefällt mir Telliers Humor.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin