'Mehr als die Finsternis' - Seiten 001 - 087

  • Mir ist in diesem Absatz wieder aufgefallen, dass ich es mag, wenn in historischen Romanen die Sprache der Zeit verwendet wird, auch wenn wir heute über Begriffe wie Mohr, Mongolismus oder Fräulein stolpern.


    Ansonsten habt ihr irgendwie schon alles gesagt, was mir beim lesen so durch den Kopf schoss.


    Schön, dass es zumindest zwischenmenschlich auf Gut Mohlenberg positiv läuft, dass die Wirtschaftslage gerade einer solchen Einrichtung arg zusetzt, ist ja erwartbar.


    Auch ich finde Fräulein Wermut eine hochinteressante Figur - ich hoffe wirklich, sie über diesen Roman hinaus wiederzusehen.


    Und über den zu ausführlichen Klappentext habe ich mich auch schon etwas geärgert.

  • Jaaa, wobei ich immer über die Wortwahl "im Krieg geblieben" stolpere - oder habe ich mich da zu sehr in irgendetwas verbissen?

    Nein, ich finde diese dezenten Umschreibungen auch immer furchtbar. Er ist von uns gegangen und so ähnliche Bezeichnungen für Verstorbene.

    Da fand ich ein Satz Friederikes ganz toll, ging so ähnlich wie, wer immer geradeheraus sagt was Sache ist, hat eine gesunde Seele. Weil so viel ungesagt oder verschleiert wird, kommt nichts dabei heraus.

    Was mir noch auffiel, das Downsyndrom oder Trisomie 21 wird noch mit mongoloid beschrieben , der Hydrocephalus als Wasserkopf bezeichnet. Ist das einfach zeitgetreu wiedergegeben? Also klar waren die Bezeichnungen früher so und hier zu der Zeit auch wohl gebräuchlich.


    Ich finde es wirklich schön, Friederike beim Umgang mit ihren Patienten und den nervenden Begleitpersonen zu beobachten. Der Gouvernante hat sie ja gleich den Zahn gezogen. Und siehe, was kommt dabei heraus? Die Frau ist ganz anders als sie sich gibt. Sehr klug und weise.


    Was den Bruder anbelangt, da bin ich auch noch nicht sicher, er wird ja nur kurz erwähnt, aber auch die Geschichte des Onkels, der totgeschwiegen wird, da wundert es mich nicht dass Luise rebelliert. Ich bin gespannt, wie das weiter geht.

  • Also dieses "im Krieg geblieben" kann ja auch was anderes bedeuten, als dass er im Feld gefallen ist. Vielleicht ist der Bruder einfach verschwunden und ist eigentlich vermisst? Oder Ist in Frankreich geblieben, weil es ihm dort so gut gefallen hat? Oder er ist desertiert und wurde hingerichtet. Da gibt es ja viele Möglichkeiten.

  • Was mir noch auffiel, das Downsyndrom oder Trisomie 21 wird noch mit mongoloid beschrieben , der Hydrocephalus als Wasserkopf bezeichnet. Ist das einfach zeitgetreu wiedergegeben? Also klar waren die Bezeichnungen früher so und hier zu der Zeit auch wohl gebräuchlich.

    Das ist einfach zeitgetreu wiedergegeben. Downsyndrom oder Trisomie 21 sagte man erst sehr viel später und deshalb verwende ich diese Begriffe dann auch nicht, sondern das, was damals üblich war. "Mongoloid" war noch bis in die 1990er eine teilweise liebevolle Bezeichnung. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir im Medizinstudium im Rahmen eines Kurses auch Wohneinrichtungen für Behinderte besucht haben. Damals änderte sich gerade das Bewohnerbild. Waren bis in die 1980er Jahre überwiegend Menschen mit Trisomie in diesen Einrichtungen, waren es ab den 1990ern überwiegend Menschen, die Geburtsschäden als Frühgeburten oder direkt unter der Geburt davongetragen hatten. Damals erzählte uns der Leiter der Einrichtung, der wirklich ein Herz für seine Bewohner hatte: "Am liebsten sind uns die Mongoloiden, das ist nie ein Problem, die sind freundlich und sozial, die kann man überall integrieren." Würde er das jetzt, 30 Jahre später sagen, würde man ihm sofort unterstellen, er wolle Menschen herabwürdigen - was aber in dem Kontext gar nicht der Fall war.

    Interessant war vor dem Hintergrund noch etwas anderes - die Zahl der Menschen mit Trisomie geht zurück - was an pränataler Diagnostik liegt. Die Eltern wollen das "perfekte" Kind, ein Kind mit Down-Syndrom wird in den meisten Fällen abgetrieben. Und dann ist es oft so tragisch, wenn Eltern, die wirklich alles geplant haben, inkl. sämtlicher Früherkennung, weil sie sich Perfektion wünschen, einen beginnenden Abort haben, z.B. im 6. Monat - und dann alles tun, damit das Frühchen durchkommt, aber es blieb in den 1990er Jahren (inzwischen ist es besser geworden), ein erhebliches Risiko, dass diese Ultrafrühchen schwerstbehindert sind und nicht einmal laufen oder sprechen lernen. Es gibt eben keine Sicherheit. Deshalb fangen jetzt auch schon wieder viele werdende Eltern an, auf die Früherkennung zu verzichten, weil sie sich nicht entscheiden wollen, ein Wunschkind nur deshalb abzutreiben, weil es nicht perfekt ist.

  • Ich habe ja Zwillinge und bei der Nackenfaltenmessung gab es Bedenken, dass da eine Behinderung sein könnte. Wir haben dann ne Fruchtwasseruntersuchung machen lassen, allerdings ist uns erst danach so richtig klar geworden, was wir für eine Entscheidung treffen hätten müssen. Die Abtreibung eines Fötus hätte ja zum kompletten Abort führen können, daher haben wir da im Nachhinein ein wenig den Kopf über uns selbst geschüttelt.

    Wir mussten die Entscheidung glücklicherweise nicht treffen, dafür habe ich seit dem massive Ischiasbeschwerden...


    Aber vermutlich hätten wir uns dann den Rest der Schwangerschaft auf das Leben mit einem behinderten Kind eingestellt. Heute sind die beiden 16 Jahre alt und pumperlgesund :-)

  • Also dieses "im Krieg geblieben" kann ja auch was anderes bedeuten, als dass er im Feld gefallen ist. Vielleicht ist der Bruder einfach verschwunden und ist eigentlich vermisst? Oder Ist in Frankreich geblieben, weil es ihm dort so gut gefallen hat? Oder er ist desertiert und wurde hingerichtet. Da gibt es ja viele Möglichkeiten.

    Ja, genau an solche Möglichkeiten denke ich... Die Umschreibung hört sich für mich nicht an, wie "für das Vaterland gefallen", deshalb bin ich misstrauisch... Aber vielleicht habe ich in letzter Zeit auch zu viele Krimis gelesen... Bezüglich des Bruders habe ich auch noch einen anderen Verdacht...

  • sondern das, was damals üblich war. "Mongoloid" war noch bis in die 1990er eine teilweise liebevolle Bezeichnung.

    Ja, "mongoloid" habe ich auch noch während meines Studiums als durchaus gebräuchliche Beschreibung in Erinnerung... Downsyndrom oder Trisomie 21 kam erst bedeutend später... Aber wo wir das gerade besprechen: gibt es eigentlich zwischen diesen beiden Begriffen einen Unterschied?

  • Ja, "mongoloid" habe ich auch noch während meines Studiums als durchaus gebräuchliche Beschreibung in Erinnerung... Downsyndrom oder Trisomie 21 kam erst bedeutend später... Aber wo wir das gerade besprechen: gibt es eigentlich zwischen diesen beiden Begriffen einen Unterschied?

    Downsyndrom bezieht sich auf den Ernstbeschreiber des Zustandsbildes (Krankheitsbild will ich nicht schreiben, weil es ja keine Krankheit ist). Sowie Herr Alzheimer die entsprechende Demenz als erster beschrieb. Ich persönlich finde Trisomie 21 besser, weil man dann gleich weiß, was gemeint ist - das sind eben Menschen, die das Chromosom 21 dreifach statt doppelt haben. Und das ist der einzige Unterschied. Problematisch ist allerdings, dass es sich nicht nur auf die geistige Entwicklung auswirkt, sondern dass bei Trisomie 21 auch vermehrt Herzfehler auftreten, die dann leider auch oft eine verminderte Lebenserwartung zur Folge haben. Allgemein haben Menschen mit Trisomie 21 im Vergleich zu Menschen ohne diese "Störung" eine geringere Lebenserwartung, allerdings im Durchschnitt "nur" um ca. 10 Jahre, wenn sie keine schwerwiegende Herzfehlbildung haben.

  • Gleich zu Beginn des Buches unbekannte Personen, die sich mysteriös verhalten. :thumbup: Das gefällt mir. Auch Friederike ist mir sehr sympathisch. :) So selbstbewusst, schlau und eben nicht auf den Mund gefallen. Was ebenfalls auf ihre neue Patientin zutrifft - Luise, gleichfalls selbstbewusst, schlau und wortgewandt.

    Zwei starke Frauen, wunderbar. Die Gouvernante ist noch undurchsichtig und wahrscheinlich hat sie was auf dem Kerbholz. Anfangs dachte ich, dass sie wegen der Unbekannten da ist und nicht wegen Luise. Also, dass Frau Wermut absichtlich den Dienst als Luises Gouvernante angetreten hat, um der noch Unbekannten zu helfen bzw. dass die Unbekannte und die Gouvernante irgendwie zusammengehören.


    Die Trauer um Bernhard sitzt bei Friederike noch tief. Doch das Reiten und ihre Tochter geben ihr viel Kraft. :)


    Das Rätsel gefällt mir bis jetzt sehr gut. :) Ich bin gespannt, was noch alles so zu Tage kommt.

  • Ich bin gespannt, wie dir Fräulein Wermut am Ende gefallen wird ;-)