'Klara und die Sonne' - Seiten 211 - 304

  • Ich finde den abwesenden Vater mehr als die Mutter an Josies Wohl interessiert. Vielleicht zeigt er es auch nur offener, weil er weniger Angst vor der Verletzung hat, denn er geht ha wieder und ist nicht immer mit seiner Tochter zusammen.

    Das finde ich auch. Das Gespräch mit Klara im Auto fand ich sehr berührend (irgendwie finde ich kein besseres Wort. :help). Ich meine die Szene, als er mit Klara bespricht, dass Klara nie Josie wird ersetzen können, weil es das Herz ist, was einen Menschen ausmacht. Die Seele bzw. das Wesen eines Menschen kann niemand imitieren.

    Ich denke auch, dass der Vater mit der Vernichtungsaktion der Cooting-Maschine auch bewirken will, dass Klara kaputt geht und somit der Plan des Ersetzens zum Scheitern verurteilt ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Eine Kopie von Josie anfertigen und Klara soll sie mit Leben füllen? Das ist wirklich gruselig und erinnert mich an eine Folge von „Black Mirror“. In der hat eine Frau ihren verstorbenen Freund bauen lassen, der sich dann so verhalten hat wie auf seiner Social Media Seite. Am Ende hat sie ihn auf dem Dachboden gesperrt, weil sie es nicht mehr ertragen hat. Es war kein Streit möglich und er hat keinen eigenen Willen gehabt, ihr nach dem Mund geredet.


    Ich finde ganz schon schlimm, dass dieser Capaldi glaubt mit seinen Fragen raus zu finden, ob Klara Josie sein könnte. Ob es wirklich Menschen gibt, die so denken?

    Meint ihr Klaras Verwirrung kommt von der Entnahme der Flüssigkeit oder doch eher von den vielen Menschen? Sie ist das ja nicht gewohnt. Man hat deutlich gemerkt, dass sie total überfordert war.


    Genomeditierung: Optimierung der Gene? Ob das nachträglich erfolgt oder vor der Geburt?

  • Das finde ich auch. Das Gespräch mit Klara im Auto fand ich sehr berührend (irgendwie finde ich kein besseres Wort. :help). Ich meine die Szene, als er mit Klara bespricht, dass Klara nie Josie wird ersetzen können, weil es das Herz ist, was einen Menschen ausmacht. Die Seele bzw. das Wesen eines Menschen kann niemand imitieren.

    Ich denke auch, dass der Vater mit der Vernichtungsaktion der Cooting-Maschine auch bewirken will, dass Klara kaputt geht und somit der Plan des Ersetzens zum Scheitern verurteilt ist.

    Das sehe ich genau so . Wahrscheinlich Ist das, was der Vater hier über das menschliche Herz erklärt, die entscheidende Aussage des Romans: Was macht uns als Menschen aus? Was macht uns zum Menschen und einzigartigem Individuum?


    Ich traue dem Vater zu, dass er Kkara beschädigen wollte, auch wenn er nichts gegen sie hat.

  • Ich traue dem Vater zu, dass er Kkara beschädigen wollte, auch wenn er nichts gegen sie hat.

    Ich denke, Josie zu bewahren stand dabei im Vordergrund. Er ist für mich der einzige, der Klara als das sieht, was sie ist, eine Maschine. Sie "dient" dem Menschen, nicht umgekehrt. Von den Erwachsenen ist mir der Vater am nächsten.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich musste beim Abzapfen von Klaras Flüssigkeit an eine Art Opferritual denken. Eine fast religiöse Handlung. Ging es euch auch so?

    Und wie kommt eine künstliche Maschine darauf? Schon allein in der Szene mit der Sonne fand ich die Idee von einem künstlichen Wesen unglaublich.

    Ja, ich fand dieses selbstlos Geben Klaras auch sehr erstaunlich.

    Klara hat versucht ihre Beobachtungen einzuordnen, zum Beispiel die Heilung von Bettelmann und seinem Hund. So ist sie auf die Heilnahrung der Sonne gekommen. Ein religiöses Bewusstsein möchte ich Klara aber nicht andichten .

  • Das habe ich mich auch gefragt. Ich habe es mir damit erklärt, dass sie Daten aufgespielt bekommen hat, in denen sowas enthalten ist.
    ihre Beobachtungen müssen ja auch mit den Schlussfolgerungen verbunden werden.

    Meinst du, dass das in ihrer Programmierung vorgesehen war? Ich weiß nicht...Die anderen KF schienen dafür kein Bewusstsein zu haben.

  • Ja, ich fand dieses selbstlos Geben Klaras auch sehr erstaunlich.

    Klara hat versucht ihre Beobachtungen einzuordnen, zum Beispiel die Heilung von Bettelmann und seinem Hund. So ist sie auf die Heilnahrung der Sonne gekommen. Ein religiöses Bewusstsein möchte ich Klara aber nicht andichten .

    Ja, das fand ich auch.

    Ich denke, dass Klaras Sonnentheorie auch vom Zufall abhängig ist. Sie ist von Sonnenenergie abhängig, also ist es naheliegend, dass sie Sonnenergie als heilend empfindet. Dann hat sie ja zufällig Bettelmanns "Auferstehung" gesehen in ihrer Zeit am Fenster. Also hat sie dies miteinander verbunden. Das war sicherlich Zufall.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Vorneweg: ich mag das Buch, weil es sehr viel anstößt und zum Überprüfen der eigenen Werte anregt, aber ich finde es sehr anstrengend zu lesen. Ich komme nicht vorwärts, denn sobald ich ein paar Seiten gelesen habe, reichen mir die ganzen Informationen und Eindrücke schon wieder. So komme ich leider gar nicht in einen Leseflow. :( Schade.


    Zumindest hat sich in diesem Abschnitt einiges geklärt. Wir wissen, warum Josie krank ist (ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass diese Genoptimierung erst im Kindestalter durchgeführt wurde - wie auch immer ;)) und was es mit diesem Porträt auf sich hat. Diese Auflösung ist für mich sehr stimmig, irgendwie hat das ganze Buch in diese Richtung geführt und vieles macht jetzt wirklich Sinn.


    Ich bin sehr froh, dass ich der Mutter Unrecht getan habe und sie sich jetzt doch als liebende Mutter herausstellt, die bewusst nichts Böses gegenüber Josie im Sinn hat. Auch wenn ihre eigene Verzweiflung sie zu Handlungen treibt, die - gelinde gesagt - sehr fragwürdig sind.


    Am schlimmsten finde ich es ehrlich gesagt für Josie. Sie lebt, aber die Mutter denkt darüber nach, wie sie sie ersetzen kann. Es ist die Frage, wieviel Josie weiß. Aus den Gesprächen geht hervor, dass sie sicher etwas ahnt.

    Das finde ich auch. Und das ist für mich das Tragischste an der ganzen Sache: Josie lebt noch (ob sie eine reale Überlebenschance hat, wissen wir leider nicht) und die Mutter plant hintenrücks schon ihren Ersatz und handelt danach. Dadurch verletzt sie Josie, wie beim geplanten Ausflug, als sie Josie wohl ganz bewusst ausgrenzt und daheimlässt um zu sehen, ob sie mit Klara als Josie klarkommt.


    Ich denke schon, dass sie etwas ahnt. Im ersten Moment dachte ich auch, dass es für Josie ganz furchtbar sein muss, dass sie ersetzt werden soll. Aber vielleicht hat es für sie auch etwas tröstliches. Ich denke, dass sie weiß, dass sie vielleicht stirbt. Sie hat miterlebt, wie sehr ihre Mutter um Sal getrauert hat bzw. dies immer noch tut. Vielleicht ist es für Josie, leichter zu gehen, wenn sie weiß, dass Klara an der Seite ihrer Mutter bleibt. Das könnte ich mir zumindest vorstellen.

    Dass ist ein sehr interessanter Gedanke und ich denke, Regenfisch hat damit recht. Josie liebt ihre Mutter, das kommt wiederholt sehr deutlich zum Ausdruck. Sie möchte nicht, dass es ihr nach ihrem Tod schlechtgeht und wenn diese Lösung der Mutter hilft, ist es auch für sie gut. Trotzdem würde ich mir sehr wünschen, niemand, vor allem nicht ein Kind, müsste so denken und könnte die gesamte Kraft aufs Überleben richten.


    Die Mutter geht davon aus das Josie stirbt und deswegen wird eine künstliche Josie nachgebaut, die dann von Klara bewohnt werden soll? Was für eine schlimme Vorstellung. Keine Person kann doch einfach ersetzt werden, wie gruselig.

    Für uns eine ganz furchtbare Vorstellung, das stimmt! Ich glaube auch nicht, dass dieses Ersetzen klappt. Die Mutter glaubt es ja selber nicht. Es kann vielleicht eine außenstehende Person getäuscht werden, aber alle anderen werden doch in dieser Nachbildung immer die Maschine sehen und nie die echte, lebende Josie. Abgesehen davon mache ich mir praktische Gedanken: sie würde nicht altern, wäre also von daher schon "unnatürlich" und vor allem könnte sie sich nie ändern. Und auch das gehört zum Leben dazu.


    Allerdings möchte ich noch einen anderen Gedanken ins Gespräch bringen: vor ein paar Monaten habe ich im Radio ein Reportage darüber gehört, wie sich jemand aus social-media-Nachrichten eine KI programmiert, die so tut, als wäre sie eine Verstorbene. Ich hab mal im Netz gesucht, ihr könnt die Geschichte z. B. hier nachlesen: https://www.stern.de/digital/nach-ihrem-tod--mann-erschafft-chatbot-seiner-verstorbenen-verlobten-30633810.html


    Auf den ersten Blick: furchtbar. Für mich definitv keine Möglichkeit der Trauerbewältigung. ABER bei genauerem Hinsehen/Nachdenken vielleicht im Einzelfall eine Möglichkeit, den "Überlebenden" den Abschied zu erleichtern. Nicht als Dauerlösung, aber für einen weiteren Schritt. Eine Gelegenheit, manches für sich (nicht für den Verstorbenen) zu klären und loszuwerden. Nicht umsonst empfehlen Psychologen, man könne/solle Verstorbenen Briefe schreiben. Da gehts nicht um den Empfänger, sondern darum, selber weiterleben zu können. Und von daher: wenns hilft und wems hilft - warum nicht?


    Das sehe ich genau so . Wahrscheinlich Ist das, was der Vater hier über das menschliche Herz erklärt, die entscheidende Aussage des Romans: Was macht uns als Menschen aus? Was macht uns zum Menschen und einzigartigem Individuum?

    :writeDa gebe ich dir recht. Egal ob man jetzt an das Herz (wie der Vater), an eine Seele oder an das menschliche Bewusstsein glaubt, das macht unser Menschsein aus. Allerdings frage ich mich, ob dieser Capaldi recht hat und irgendeine Generation nach uns sich von dieser Vorstellung löst. Für mich unvorstellbar, aber wie sieht es in X Jahren aus???


    So, jetzt ist der Post total lang geworden und ich wollte ja noch was zu Klara und der Cooting-Maschine und dem Vater und ... schreiben - das spar ich mir momentan lieber mal auf. Ihr merkt aber, auch wenn das Lesen mühsam ist - Gedanken hab ich zum Buch genug! :S

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ihr merkt aber, auch wenn das Lesen mühsam ist - Gedanken hab ich zum Buch genug!

    Das macht es zu einem so guten Leserunden Buch - man kann und muss sich Gedanken um die Dinge machen, die da vorkommen.


    Es gibt viele Menschen, die mit ihren verstorbenen Liebsten Kontakt halten, indem sie mit ihnen sprechen, Briefe schreiben. Mein Schwiegervater hatte ein Bild seiner verstorbenen Frau auf einem Tisch stehen und hat ihr jeden Abend erzählt, was er gemacht hat, dass er sie vermisst. Das hat ihm sehr geholfen.

    Allerdings gibt es da für mich Grenzen, nämlich wo es um "Ersatz" geht, den Wunsch, den Verlust künstlich ungeschehen zu machen.

    Ich finde auch die Vorstellung gruselig, sein gestorbenes Haustier klonen zu lassen.

  • aber ich finde es sehr anstrengend zu lesen. Ich komme nicht vorwärts, denn sobald ich ein paar Seiten gelesen habe, reichen mir die ganzen Informationen und Eindrücke schon wieder. So komme ich leider gar nicht in einen Leseflow. Schade.

    Das tut mir leid, dass Du das Buch eher als anstrengend empfindest. Ich selber habe es beim Lesen gar nicht als anstrengend empfunden, sondern ich war die ganze Zeit total neugierig und hibbelig und wollte unbedingt wissen, wie die Zusammenhänge sind und wie die Geschichte wohl ausgeht. Deswegen habe ich das Buch für meine Verhältnisse sehr schnell gelesen und dabei vielleicht auch die eine oder andere Information überlesen oder verpasst.

    Ich denke aber, das ist ein sehr gutes Buch, um es irgendwann noch einmal zu lesen.:)

    ( Ich glaube das habe ich bisher bei jedem Buch von Ishiguro am Ende gedacht :lache . Seine Bücher sind immer so interessant und versetzten mich in sehr intensive Stimmungen. "Was vom Tage übrig blieb" habe ich tatsächlich auch ein zweites mal gelesen )

  • Das tut mir leid, dass Du das Buch eher als anstrengend empfindest. ...

    ...

    ( Ich glaube das habe ich bisher bei jedem Buch von Ishiguro am Ende gedacht :lache . Seine Bücher sind immer so interessant und versetzten mich in sehr intensive Stimmungen.

    Keine Ahnung, woran das bei dem Buch lag, denn eigentlich las ich es ja gern. Vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken dazu ;). Oder es war nicht die passende Zeit fürs Buch. Egal - mittlerweile bin ich durch :).


    Hast du bei "Die Ungetrösteten" auch den Wunsch nach einem Re-Read? :grin Bei "Klara und die Sonne" könnte ich es mir durchaus in ein paar Jahren vorstellen, man liest das Buch wahrscheinlich mit dem jetzigen Wissen nochmal ganz anders.


    Zurück zu dem Abschnitt, ich wollte noch was zu Klaras "Zerstöraktion" und der Hilfe des Vaters schreiben. Ja, es ist schon ein sehr ungewöhnliches Verhalten für eine KI. Zumindest das, was ich mir unter einer KI und ihrem Tun vorstelle :grin.


    Und wie kommt eine künstliche Maschine darauf? Schon allein in der Szene mit der Sonne fand ich die Idee von einem künstlichen Wesen unglaublich.


    Für mich hat sie erstmal das getan, was eine KI tut und tun soll: sie hat Beobachtungen verknüpft und ihrer Meinung nach sinnvoll und vor allem logisch zusammengefügt. Dann ging sie aber noch zwei Schritte weiter: zum einen verhandelte sie (wie gelernt) mit dem Wesen Sonne, zum anderen wurde sie selbst sehr aktiv. Das finde ich sehr interessant und hier frage ich mich auch, wie von euch schon angesprochen, ob ihr das einprogrammiert wurde. Da bin ich bei ganz bei dem Gedanken von Booklooker : Hat Klara eine ganz individuelle Struktur, vielleicht durch einen bewussten Zusatz oder auch einen "Fehler" in der Programmierung?

    Ein religiöses Bewusstsein möchte ich Klara aber nicht andichten .

    Nein, das hat sie sicherlich nicht. Interessant finde ich aber, dass wir bei Klaras Verhalten sofort an Religion und religiöse Riten denken. Sind (manche) Religionen vielleicht sogar so entstanden? Wir wissen ja, wie Klara auf die Schlussfolgerungen mit der Sonne kommt, aber wenn es jemand nachahmt, der dieses Wissen nicht hat. Geht es dann in Richtung Religion? :/


    Mich hat nur gewundert, wie hilfsbereit Rick und auch der Vater sind und Klara bei ihrem - für die beiden wahrscheinlich völlig abstruses und unerklärliches - Vorhaben unterstützen. Wobei ich wie ihr den Eindruck habe, dem Vater wäre es gar nicht so unrecht, wenn Klara beim Abzapfen der Flüssigkeit zumindest einen Teil ihrer Fähigkeiten verliert - dann wäre sie vielleicht für das ganze Vorhaben nicht mehr geeignet und es platzt.


    Ich war aber auch sehr erleichtert, dass Josie bei ihrem Vorhaben bleibt und dadurch zeigt, dass sie nach wie vor Josie retten will und bedinungslos unterstützt. Nachdem Klara bei dem Gespräch mit der Mutter im Auto auch schon überlegt, ob das nicht der bessere Weg sei, hatte ich schon Bedenken. Ich glaube, Josie braucht jemanden, der an sie glaubt und dem ihr Weiterleben extrem wichtig ist - ohne Hintergedanken!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021