'Trophäe' - Seiten 061 - 112

  • Noch keiner da? Das Kapitel fand ich ziemlich heftig. Vor allem der Vergleich zwischen Buschmännern und aussterbenden Tierarten. Ich musste direkt an die Naturvölker in Papua-Neuguinea denken, die abgelegen genug leben, um erst entdeckt worden zu sein, als man nicht mehr ganz so unbedarft Völker dezimiert hat, und die soweit ich weiß nicht auf Edelmetall Vorkommen sitzen. Und an die Indianer/native Americans, die genauso mies wie die Buschmänner behandelt wurden.


    Jetzt wissen wir, was ein Menschenleben wert ist. Die Buschmänner lehnen also Geld ab, können aber mit der ehrenvollen Jagd leben. Ob sie sich mit nicht-tödlichen Waffen wie Paintball arrangieren könnten? Dann gäbe es natürlich keine Trophäen. Wobei ich das besonders gruselig finde. Ausgestopfte Menschen?!? <X


    Bin gespannt, wie das "Jagdwild" ermittelt wird. Ob sich jemand freiwillig opfert, oder ausgelost wird?

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Es war mir ja schon vorher bekannt, wo die Buchreise hingeht. Aber das mindert nicht die Spannung, wie sich das ganze entwickelt. Hunters Gefühlslage wird sehr eindringlich erklärt aber ich kann trotzdem nicht verstehen, wie er sich so schnell darauf einlässt. Sorry, das ist schon erschreckend und krank für einen gebildeten Mann. Auch die Idee, das wäre doch für die Buschmänner in ihrer vertrackten Lage noch das hilfreichste ist einfach nur infam und menschenverachtend. Überhaupt seine Arroganz. Die Wilderer sind Mörder. Aha. Und was ist er? Auf Augenhöhe mit dem Nashorn. So ein Blödsinn. Das redet er sich ja alles sehr schön heroisch, wie er jagt.

    Was ich noch eher vertehe ist diese abgebrochene Jagd, dass die ihn unbefriedigt zurück lässt. Das ist Enttäuschung, okay. Der Coitus Interruptus der Jagd treibt den Jäger durch den Busch. Ich musste da sofort an Moby Dick und dessen Jäger denken. Kaptän Ahab war auch so ein Mann.

    Wobei ich das besonders gruselig finde. Ausgestopfte Menschen?!?

    Das kann ich nicht glauben. Wo will er denn den hinstellen? Ich finde es ja schon abartig, dass man Schrumpfköpfe in seiner Wohnung ausstellt. Seine Frau ist mir total unsympathisch. Die regt sich auf, weil der ausgestopfte Mensch aus dem Museum weg musste. Meine Güte, wozu brauche ich denn einen realen menschlichen Körper. Im Museum tut es doch wirklich eine Nachbildung. Die Faszination des ausgestopften Wesens finde ich in der heutigen Zeit schräg. Früher, okay, da konnte man das nicht alles so getreu nachbilden. Aber heutzutage doch alles möglich. Kann man sogar ausdrucken. Der Mensch ist eigentlich immer noch ein Neandertaler - sag ich immer. So weit ist es mit unserer Kultur und Intelligenz und Entwicklung nicht weit her.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Trophäe - Gaea Schoeters



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Über diesen Abschnitt denke ich schon lange nach.

    Schwierig, sich auch nur annähernd in die Denkweise der indigenen Menschen hineinzuversetzen.

    Ich weiß, dass für sie das Individuum eine sehr viel geringere Rolle spielt als die Gemeinschaft.


    Unsere Denkweise ist ja fast entgegengesetzt. Die Rechte des Individuums sind fast unangreifbar, auch

    wenn die Gemeinschaft dabei leidet.

    Der Vergleich hinkt natürlich, aber zugunsten der Freiheit des Autofahrers wird es hierzulande wohl nie

    etwas mit einem Tempolimit. Auch wenn dadurch Menschenleben gerettet würden.

  • Übrigens finde ich die Szene auf S. 87, 88, in der Hunter den Überfall eines Leoparden fürchtet, "lautlose Mörder, die unangekündigt ohne die geringste Vorwarnung und völlig grundlos zuschlagen, ohne auch nur hungrig zu sein",

    einfach großartig.

    Exakter kann man ihn selber nicht beschreiben.

  • Ein sehr intensiver Abschnitt. Puh.


    Jeans und Van Heeren stellen Hunters Grenze und Weltbild auf den Kopf - und bei mir auch. Klasse waren hier einige Stellen, die Hunter direkt konfrontieren: Jeans sagt ihm, er war noch nie in Afrika, Jeans ist nicht erschreckt über die Jagd auf eine Menschen, obwohl Hunter diese Reaktion erwartet und wünscht. Van Heeren zeigt, wie gut er Menschen kennt und manipuliert, Hunter erkennt das und lässt sich willig darauf ein. Im Grunde war seine Zusage sicher, als er den Whiskey genommen hat. Van Heeren ist wie Hunter White für mich ein Bild eines Typ Mensch, hier jemand, der den Kontinent für den eigenen Profit ausbeutet, weil er reichen Menschen jedes Erlebnis liefer kann, was sie sich wünschen und dafür das System und die Korruption ausnutzt.


    Was Hunter gar nicht reflektiert, seine körperliche Erregung, als er den Jungen beim jagen beobachtet, und als er daran zurück denkt. Das kam mir bei der Nashornjagd nicht so explizit geschildert vor, das zeigt doch das enorme Interesse, was Hunter an diesem schrecklichen Tabubruch hat.

  • Zumindest ist Hunter klar, dass es ein Tabubruch ist. Van Heeren überredet ihn schon, auch wenn es nicht sonderlich schwer ist ... Der Schritt von der Faszination zur Tat ist das entscheidende. In Gedanken ist vermutlich jeder von uns schon mal zum Mörder geworden oder hatte Gedanken wie "schade, daneben".


    Und lasst uns nicht über Tempolimit diskutieren - ich bin ziemlich genervt, wenn ich auf freien Autobahnen 130 fahren muss. Mit einem Limit bei 160 km/h könnte ich leben, aber das schlägt ja keiner vor ...

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Ja, den Abschnitt fand ich auch sehr intensiv. Das es nun um einen Menschen als Jagdopfer geht, wusste ich durch Spoiler leider schon.


    Für mich ist aber ein ganz anderer Aspekt in diesem Abschnitt wichtig. Hier wird unserer Zivilisation extrem der Spiegel vor das Gesicht gehalten und die Auswirkungen unseres Lebens werden hier benannt. Unser schönes freies Leben ist halt nur für uns schön und frei, aber jedes Agieren hat halt auch irgendwo auf der Welt negative Auswirkungen bzw. Kosten. Diese Kosten berücksichtigen wir nur nirgendwo und können uns dadurch dann Gewinne ausrechnen. In einer vollständigen Kalkulation würde es aber keine Gewinne geben und damit auch oftmals keine Begründung mehr für unser Verhalten.

  • Afrika hat(te?) reiche Bodenschätze, von Diamanten bis zu seltenen Erden. Die werden vor allem in den Industrieländern benötigt. Wird ein Vorkommen in einem Naturschutzgebiet entdeckt, hat die Natur das nachsehen, es sei denn, das Naturschutzgebiet erwirtschaftet mehr. Und das ist schwierig - ein paar Nashorn-Abschuss-Lizenzen reichen da nicht aus. Aber grundsätzlich sind Nationalparks und Reservate mit angeschlossenen Lodges und Touren für Touristen das, was noch am besten funktioniert.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Übrigens finde ich die Szene auf S. 87, 88, in der Hunter den Überfall eines Leoparden fürchtet, "lautlose Mörder, die unangekündigt ohne die geringste Vorwarnung und völlig grundlos zuschlagen, ohne auch nur hungrig zu sein",

    einfach großartig.

    Exakter kann man ihn selber nicht beschreiben.

    Stimmt. Auch ich empfinde Hunters Weltsicht als verzerrt. (Oder er lügt sie sich zurecht.) Er nennt ja auch die Wilderer, die SEIN Nashorn erschossen haben, Mörder. :pille

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Trophäe - Gaea Schoeters



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich finde ihn trotzdem nicht abstoßend, sondern eher faszinierend. Ich könnte mir gut vorstellen, mich auf einer Party mit ihm zu unterhalten. Er ist zwar nicht unbedingt sympathisch, aber weder dumm noch langweilig. Daher stelle ich ihn mir als interessanten Gesprächspartner vor. Und völlig von der Hand zu weisen sind seine Argumente ja nicht. Auch die Idee der Menschenjagd stößt ihn zunächst ab, sein moralischer Kompass ist also (noch?) nicht völlig kaputt.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Ja, den Abschnitt fand ich auch sehr intensiv. Das es nun um einen Menschen als Jagdopfer geht, wusste ich durch Spoiler leider schon.

    Ich wusste es nicht, hatte aber bereits im ersten Abschnitt so eine Ahnung - wie hätte man die Ansichten und Taten von Hunter (und seiner Frau als Sammlerin der Trophäen) sonst noch steigern können?


    Wobei ich das besonders gruselig finde. Ausgestopfte Menschen?!? <X

    Ist der Schritt wirklich so weit? Wir stellen Leichname in Museen aus - seien es Moorleichen, Mumien oder Skelette aus längst vergangenen Tagen. Auch die im Buch erwähnten Schrumpfköpfe kann man in Museen bewundern. Gunther von Hagen wird mit seinen Körperwelten von vielen gefeiert.

    Übrigens finde ich die Szene auf S. 87, 88, in der Hunter den Überfall eines Leoparden fürchtet, "lautlose Mörder, die unangekündigt ohne die geringste Vorwarnung und völlig grundlos zuschlagen, ohne auch nur hungrig zu sein",

    einfach großartig.

    Exakter kann man ihn selber nicht beschreiben.

    Den Abschnitt habe ich mir auch markiert - sehr treffend.

  • wie hätte man die Ansichten und Taten von Hunter (und seiner Frau als Sammlerin der Trophäen) sonst noch steigern können?

    Genau dies ist aus meiner Sicht ja auch der Punkt der Autorin. Die Großwildjagd einfach mal weiter denken, um die Idiotie deutlicher zu machen. Wenn wir Tiere angeblich durch Töten bwz. euphemistisch "durch Entnahme" schützen, wie sähe das aus, wenn wir diese Handlung auch auf Menschen übertragen? Diese Ideologie hatten wir vor 100 Jahren in Deutschland, das ist nicht weit von Euthanasie entfernt.

  • Bei Menschen haben wir Geburtenkontrolle. Wobei es da ja auch Diskussionen über das Recht auf Fortpflanzung gibt - eine sehr schwierige Diskussion. Im Tierreich wird Schwäche nicht toleriert, da erledigt sich das von selbst.


    In dem Artikel, der im Thread zum ersten Abschnitt verlinkt ist, wird auch erwähnt, dass Großwildjäger gerne starke, imposante Tiere jagen. Würde man deutlich weniger und nur schwache, kranke oder "behinderte" Tiere zum Abschuss freigeben, wäre das Problem vielleicht keins.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Genau dies ist aus meiner Sicht ja auch der Punkt der Autorin. Die Großwildjagd einfach mal weiter denken, um die Idiotie deutlicher zu machen. Wenn wir Tiere angeblich durch Töten bwz. euphemistisch "durch Entnahme" schützen, wie sähe das aus, wenn wir diese Handlung auch auf Menschen übertragen? Diese Ideologie hatten wir vor 100 Jahren in Deutschland, das ist nicht weit von Euthanasie entfernt.

    So weit müssen wir nicht gehen. Man sehe einfach in ein durchschnittliches Forsthaus in Deutschland. Dort hängen unzählige Geweihe und ausgestopfte Tiere an der Wand, was mich bereits in jungen Jahren bereits mehr gegruselt als fasziniert hat.

    Der Unterschied zur heimischen Tierwelt besteht nur darin, dass die Big Five eine größere Lobby haben als die Tiere in Europa.

    Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Tiere, die "niedlich" aussehen, als mehrheitlich schützenswerter angesehen werden, als Tiere, die nicht durch ihre Erscheinung auffallen.

    https://www.peta.de/themen/speziesismus-artenschutz/


    Ganz allgemein geschrieben finde ich, dass es Gaea Schoeters ausgezeichnet schafft, mit ihren Figuren und der aufgeworfenen Problemstellung Reibung zu erzeugen. Die Diskutanten dieser Leserunde wissen oder erahnen, was nach ihrer Sozialisation richtig und was falsch ist, ob allerdings ähnliches für die Menschen gilt, die mit den Tieren leben, bleibt ebenso in der Schwebe wie der Punkt, ob wir als Gutmenschen sie für ihr (Über-)Leben kritisieren dürfen.

  • Ich finde das Ausstellen von Leichnamen, ohne Genehmigung der Personen (Körperwelten hat diese angeblich) und ohne Bandagen, pietätlos.

    Schrumpfköpfe sehe ich da allerdings differenziert, bei denen ist der Mensch kaum noch erkennbar. Im Haus wollte ich allerdings keinen haben - viel zu gruselig

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss