Die Hummerfrauen von Beatrix Gerstberger

  • ASIN/ISBN: B0DKTP7WDR


    Frauen, die ihren Mann stehen – ein absoluter Lesegenuss

    Worum es geht:
    Ann war mal eine Professorin, doch dann hat es sie, zusammen mit ihrer großen Liebe, nach Maine verschlagen. Die Liebe ist gegangen, doch Ann ist geblieben und wurde Hummerfischerin. Einzig ein blauer Hummer namens Mr. Darcy ist ihr nun ihr Wegbegleiter. Julie ist nach einem Unfall nicht mehr dieselbe. Ihr Kopf funktioniert nicht mehr so, wie es vor dem Unfall mal war. Da geht sie nach Maine und auch sie wird Hummerfischerin, was eigentlich eine Domäne der Männer ist. Mina kam schon als Kind in den Sommerferien immer nach Eagle Island. Nach einem schrecklichen Schicksalsschlag in der Familie gibt es für sie nur einen Ort, an dem sie sich Zuhause fühlt und das ist Eagle Island. Denn nur hier ist das Leben frei und irgendwie unbeschwert.

    Mein Fazit:
    Mich hat die Story von der ersten Seite an sofort gepackt. Hier wird die Geschichte von unterschiedlichen Frauen in unterschiedlichem Alter erzählt, die irgendwie eine richtige Sogwirkung auf mich entwickelt hat, weil sie so spannend in interessant ist. Dabei wird die Geschichte in unterschiedlichen Zeiten erzählt, was jedoch gar kein Problem darstellt, da man immer genau weiß, in welcher Zeit man gerade ist. Ich habe Mina, Ann und Julie gleich in mein Herz geschlossen. Die Menschen in Maine bilden eine wundervolle Einheit, stehen füreinander ein, wenn es nötig ist. Ich habe beim Lesen die Boote vor meinem Auge sehen können und fühlte mich, als wäre ich selber am Meer. Ein wundervolles Buch, das einem im Gedächtnis bleibt. Ich hätte gerne noch viel mehr gelesen. Für mich eins der schönsten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe.

    Von mir gibt es für diese tolle Sommerlektüre eine klare Leseempfehlung und volle 5 Sterne. *****


    Produktinformation

    • Herausgeber ‏ : ‎ dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
    • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 26. Juni 2025
    • Auflage ‏ : ‎ 4.
    • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
    • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 400 Seiten
    • ISBN-10 ‏ : ‎ 3423284765
    • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3423284769
  • Hummer, die einzigartigen Schätze von Maine ...

    Fast war ich ein wenig traurig die drei Frauen und das wunderbare Maine schon wieder verlassen zu müssen. Es war nach „Beeren pflücken“ für mich tatsächlich schon der zweite Ausflug in diese Region. Diesmal treffe ich auf drei starke Hummerfrauen, die jede für sich ihr eigenes Schicksal zu tragen hat.

    Mit diesem Buch mache ich es mir zur Aufgabe, die drei Frauen ein wenig näher kennenzulernen. Die älteste im Trio ist Ann, die in ihrem „ersten Leben“ Professorin war, sich dann aber entschloss alles hinter sich zu lassen und zusammen mit ihrer großen Liebe nach Maine zu ziehen. Die Liebe übersteht das Abenteuer nicht, doch Ann bleibt in Maine und wird Hummerfischerin. Ihr einziger treuer Wegbegleiter ist nun ein ungewöhnlicher blauer Hummer namens Mr. Darcy. Die Mittlere“ ist Julie, die nach einem schweren, beinahe tödlichen Unfall nicht mehr sie selbst ist. Ihr Kopf folgt einfach nicht mehr ihrem Herzen, oder ist es umgekehrt? Auch sie verschlägt es nach Maine, wo sie die Hummerfischerei kennen und lieben lernt und somit wieder einen Platz in ihrem Leben erobert. Das Küken Mina kennt die Insel schon von Kindesbeinen an. Jeden Sommer verbrachte die Familie dort, bis ein mysteriöses Ereignis dem Ganzen einen Strich durch die Richtung macht. Seit jenem letzten dort verbrachten Sommer ist nichts mehr so wie es war. Diesem Geheimnis möchte Mina auf den Grund gehen und kommt, nicht lange nach ihrer Ankunft – wie soll es anders sein – auch zur Hummerfischerei. Eagle Island scheint einfach eine magische Anziehungskraft auszuüben!

    Mir schien es beim Lesen dieses Romans, als blätterte ich nicht nur die Seiten des Buches, sondern auch die Seiten im Leben von Ann, Julie und Mina um. Schnell war ich versunken in dieser Geschichte um die drei starken Frauen, die das Schicksal auf so wunderbare Weise zusammengebracht hatte. Die wort- und bildgewaltige Sprache ließ mich die Rauheit der Natur, den Duft des Meeres und die Schroffheit der Menschen erleben, als wäre ich live dabei. Ich habe mit ihnen gelitten, gelacht und geliebt und bin nach wie vor ganz verzaubert von diesem wunderbaren Buch. Für mich ist dieser Debutroman von Beatrix Gerstenberger ein absolutes Highlight, das von mir selbstverständlich mit fünf Sternen die absolute Bestnote erhält. Ich habe „Die Hummerfrauen“ inzwischen schon im Freundeskreis weitergeben und wünsche dem Buch und der Autorin viel, viel Erfolg damit. Ich freue mich ausgesprochen, diesen Roman entdeckt zu haben und würde es immer weiterempfehlen!

  • Beatrix Gerstberger: Die Hummerfrauen. Roman, München 2025, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-28476-9, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 393 Seiten, Format: 13,8 x 3,44 x 21,5 cm, Buch: EUR 22,00, Kindle: EUR 16,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Ab und zu dachte Ann […], dass sich all dies zerbrechlich anfühlte. Als hielte das gewohnte Leben nur kurz die Luft an um jeden Einzelnen von ihnen in dieser Wohlfühlblase in Sicherheit zu wiegen und dann wieder auszuspucken.“ (Seite 201)


    Hier gibt’s viele Personen und drei Zeitebenen (2018, 2000 und 1982). Ich musste erst einmal ein paar Notizen machen, um mich in der Geschichte zurechtzufinden. Das hat sich aber gelohnt!


    Seattle, 2018: Mina Gray, Mitte 40, erhält überraschend einen Anruf aus Stone Harbor/Maine: Eine Freundin, bei der sie vor Jahren eine Weile gewohnt hat, ist verstorben. Nun soll sie zur Beerdigung kommen

    Mina fürchtet sich davor, mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden – und trotzdem reisen die beiden nach Maine.


    Was ist im Sommer 1982 passiert?


    Bis 1982 war es für die Familie Gray aus Philadelphia ein festes Ritual: Den Sommerurlaub verbrachten sie bei den Hummerfischern auf Eagle Island/Maine. Die Grays – der Jurist Richard, seine Frau „ich-war-mal-Vorstandssekretärin“ Judith und die Kinder Christopher (geb. 1970) und Mina (Jahrgang 1972).


    Die Kinder kennen es gar nicht anders. In der Hummerfischer-Familie Jones finden sie sowas wie Wahlverwandte. Von früh bis spät sind die Gray-Kinder mit dem beiden Jones-Söhnen Jack und Sam auf der Insel unterwegs.


    Und dann, im Sommer 1982, muss irgendwas Schreckliches passiert sein, von dem Mina nichts mitgekriegt hat. Die Grays reisen Hals über Kopf ab und kehren nie wieder nach Maine zurück. Es wird auch nie darüber gesprochen. Christopher ist seitdem völlig neben der Spur und kriegt sein Leben nicht auf die Reihe. Mit 30 kommt er bei einem Verkehrsunfall ums Leben.


    Zurück an den Ort der glücklichen Kindheit


    Stone Harbor/Eagle Island, 2000: Mina, die mit 28 Jahren noch immer bei ihren Eltern lebt, flüchtet vor Judiths theatralischer Trauer nach Stone Harbor, an den Ort, an dem sie zuletzt als Familie glücklich waren. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten.


    Durch Zufall landet Mina als Feriengast bei Ann Pretchett, 72, einer Hummerfischerin mit eigenem Boot – und bleibt. Ann ist rau, introvertiert und ein bisschen exzentrisch. So hält sie zum Beispiel einen blauen Hummer als Haustier. Sie hat ihn gefangen, seine Farbe hat ihr gefallen, also hat sie ihn behalten. Er heißt jetzt Mr. Darcy und wohnt in einem Aquarium in ihrer Küche.


    Ann ist keine Einheimische. Sie hatte vor Jahrzehnten mal ein vollkommen anderes Leben, ist in Maine hängengeblieben,


    Inzwischen haben sich die Leute an Ann und ihre Tätigkeit gewöhnt. Sie hat jetzt sogar eine Kollegin: Julie Barker (54). Auch sie hatte mal eine vielversprechende Karriere in einem gänzlich anderen Bereich und kam erst nach Maine und zum Hummerfischen, nachdem sie aufgrund eines schweren Unfalls ihren ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben konnte.


    Unter dem Schutz der Außenseiterinnen


    Die beiden ungleichen Außenseiterinnen – die zurückhaltende Ann und die laute, umtriebige Julie - sind befreundet. Beide akzeptieren, dass Mina Gray um ihren Bruder trauert und unbedingt herausfinden will, was 1982 auf Eagle Island passiert ist – auch wenn sie die Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht unbedingt begrüßen. Sie haben gelernt, dass es manchmal leichter ist, neu anzufangen, sich quasi zu häuten wie die Hummer. Aber gut, wenn es Mina bei der Trauerbewältigung hilft, dann soll sie eben nachforschen!


    Kein Anspruch auf Erklärungen


    Wenn jemand mehr über die Ereignisse von damals weiß, dann ist das Sam Jones, Minas Kumpel von damals. Auch Sam ist nicht begeistert vom Herumwühlen in der Vergangenheit.


    Dafür ist er umso begeisterter von der jetzt erwachsenen Mina. Ann und Julie sehen das mit Sorge. Ist ja schön, dass die beiden jungen Leute Gefallen aneinander finden, doch ihre Lebenspläne passen überhaupt nicht zueinander. Hoffentlich bahnt sich hier nicht die nächste Katastrophe an …!


    Im rauen und harten Leben der Hummerfischer ist der Tod allgegenwärtig. Sentimentalität findet wenig Raum. Und es gibt eine Menge ungeschriebener Gesetze: Dinge, die man nicht tut, sagt oder auch nur denkt. Wenn man diese Regeln befolgt, wird man vielleicht irgendwann von den Einheimischen akzeptiert. Und dann hat man Freunde fürs Leben.


    Kultur-Clash, durchaus komisch


    Ann, Julie und Mina tun sich mit diesem Hummerfischer-Kodex schwer. Sie sind eben von außen in eine enge, traditionsreiche Gemeinschaft hineingeraten. Dieser „Kultur-Clash“ ist mitunter durchaus komisch. Wenn sich zum Beispiel die schandmäulige Julie mit der spießigen Bibliothekarin Linda anlegt, statt sich brav von ihr belehren zu lassen. Und auch Julies Beziehung zu den Eheleuten Cooper hat ihre Momente. 😉


    In ihrer bildhaften Sprache erzählt uns die Autorin sehr mitreißend von berührenden Schicksalen. In erster Linie geht es natürlich um die drei Frauen, die an die Küste ziehen, weil sie sich von der Kraft des Meeres auf unterschiedliche Weise Heilung ihrer seelischen Wunden versprechen. Manchmal genügt ja schon Ablenkung durch harte Arbeit. Aber es geht auch um die Menschen, die in ihrer kleinen Welt wohnen bleiben, weil sie sich kein anderes Leben vorstellen können oder weil sie es aus Traditions- und Pflichtbewusstsein nicht wagen, ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen.


    Nicht jeder findet, was er sucht


    Alle haben hier nachvollziehbare Gründe für ihr Tun. Nur für Minas egozentrische Mutter Judith konnte ich wenig Mitgefühl aufbringen.

    Es ist in diesem Buch eben wie im richtigen Leben: Nicht jeder kann das finden, was er braucht und was er sucht. Weitermachen muss man trotzdem.


    Die Autorin


    Beatrix Gerstberger, geboren 1964, ist freie Autorin für ›Brigitte‹, ›Stern‹ und ›Geo‹. Sie schrieb den SPIEGEL-Bestseller ›Keine Zeit zum Abschiednehmen‹ über den frühen Tod ihres Partners und die Geschichten von weiteren jungen Witwen vor 20 Jahren, als sie für sechs Monate in einem Hummerfischerdorf in Maine lebte. Viele Jahre später kehrte sie an diesen Ort zurück, fuhr mit Hummerfischerinnen hinaus aufs Meer und sprach mit ihnen über das Leben, über Verluste, Trauer und das Weitermachen. Daraus entstand die Idee für diesen Roman. Beatrix Gerstberger lebt in Hamburg.


    ASIN/ISBN: 3423284765

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Drei Frauen, drei unterschiedliche Leben. Ann lebt seit geraumer Zeit alleine in Stone Harbour, nachdem sie von ihrer Lebensgefährtin verlassen wurde. Julie hat nach ihrem schweren Autounfall hier ein neues Leben begonnen und Mina hat es hierher gezogen, weil sie hofft etwas von den unbeschwerten Sommern ihrer Kindheit wiederzufinden nachdem ihr Bruder ums Leben kam.


    Die drei Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein und doch sind sie sich auch ähnlich. Jede kämpft mir sich und ihrem Platz im Leben. Während es bei Ann und Julie mehr darum geht, ob es das jetzt schon gewesen ist, hat Mina ihren Platz noch gar nicht gefunden.


    Mir hat dieses leise eher unspektakuläre Buch gut gefallen. Ich konnte mir das Dorf mit seiner Gemeinschaft gut vorstellen und mich auch gut in die drei Frauen hineinversetzen. In Rückblenden lernen wir auch Judith, Minas Mutter, in den Kinderzeiten Minas kennen. Sie war mir eher unsympathisch und auch das Verhalten Mina gegenüber in der Gegenwart ist nicht besser als damals.


    Ich kann das Buch nur empfehlen. Es ist schön zu lesen, schnörkellos und rau, wie das Leben an Maines Küste.


    9 von 10 Punkte

  • Hummer


    Drei Frauen, die alle mit ihren Schicksalen hadern. Was sie verbindet, ist das Fischen von Hummern.

    Ann ist über 70 und hat vieles erlebt. Doch eine Frau, die am Strand abgespült wurde ist für sie und die Mitfünfzigerin Julie etwas komplett Neues. Sie nehmen die junge Frau, Mina, bei Ann auf und bringen ihnen die Hummerfischerei näher. Dabei lernen die drei sich immer mehr kennen…

    Ich habe mich direkt in die Story eingefunden. Es war für mich sehr spannend, wie sich die einzelnen Geschichten entwickelten. Dabei spielen Vergangenheit und Gegenwart zusammen, um ein Mosaik zu vervollständigen. Dabei gewinnen die einzelnen Geschichten an Tiefe. Gefühle nehmen eine genauso große Rolle wie Geheimnisse und Altlasten. Ich habe das Buch mit seiner leisen, ruhigen Erzählweise sehr gemocht, auch wenn nicht immer alles in Tiefe besprochen wurde. Fünf Sterne.

  • Schön, aber nicht immer richtig gut


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    Die deutsche Autorin Beatrix Gerstberger hat im Jahr 2000 sechs Monate in einem Hummerfischerdorf in Maine, U.S. of A. verbracht, dort viel mit den Fischern gesprochen, sie auf ihren Booten begleitet und die Atmosphäre in sich aufgenommen, während sie den Tod eines nahestehenden Menschen zu verarbeiten versuchte. Im Nachgang ist dieser Roman entstanden, der in den Jahren 1982 und 2000 spielt, und ganz am Ende auch mehr oder weniger in der Jetztzeit.


    Hauptfiguren sind Ann, die in den Siebzigern ist und immer noch ihrer großen Liebe Carolyn nachtrauert, die sie vor Jahren einfach so verlassen hat, und die eigenbrötlerische, robuste Julie, die in den Fünfzigern ist und nicht so recht weiß, ob und wozu sie noch einen Mann in ihrem Leben braucht. Dazu kommt Mina, die Ende zwanzig ist, früher – vor achtzehn Jahren zuletzt – ihren Sommerurlaub mit der Familie im Dorf beziehungsweise auf der vorgelagerten Insel Eagle Island verbracht hat, bis irgendwas geschah – was genau, offenbart sich erst allmählich. Sie kehrt jetzt zurück, weil ihr Leben so ganz und gar nicht funktioniert, weil sie ihren kürzlich verstorbenen Bruder Christopher betrauert, mit dem sie die beste Zeit hier, in Maine verbracht hat, weil die Eltern, bei denen sie noch wohnt, eigentlich nicht auszuhalten sind und sich auch gegenseitig kaum aushalten. Sie kommt bei Ann unter, die als eine der wenigen Frauen im Dorf auf dem eigenen Boot nach Hummern fischt (die andere ist Julie), und einen davon namens „Mr. Darcy“ als Haustier hält.


    Beatrix Gerstberger erzählt von Freundschaft und Selbstverwirklichung, von Tradition und Emanzipation, vom Hummerfischen und von Trauerbewältigung, von Familienschicksalen und von der Liebe, sie schildert dieses kleine Biotop an der Küste als rustikal-pittoresken, männerdominierten, aber auch sehr kuscheligen Ort, und es gelingt ihr überhaupt, die Atmosphäre wirklich gut zu vermitteln, das oft sehr harte, stark verbundene Leben, die eingeschworene (wenn auch hier und da ganz schön stereotype) Gemeinschaft, die mit starren Regeln einhergeht und es Neuankömmlingen erst einmal sehr schwer macht, und Touristen, die den Einheimischen näherkommen wollen, sowieso.


    Die Ruppigkeit, nein, Struppigkeit der Gegend schlägt sich auch im Stil nieder. Gerstberger wechselt häufig die Perspektiven, die Kapitel sind in kurze Abschnitte zerteilt, wobei nicht immer klar wird, welchem Zweck die Aufteilung dient, denn manchmal geht es eigentlich nahtlos weiter, während auf der nächsten Seite zwischen zwei Abschnitten große Distanzen zurückgelegt werden. Die Sprache ist so schnörkellos wie die Kulisse der Erzählung, aber manchmal auch fast zu simpel, während es hier und da wirklich großartige Dialoge gibt, eingebettet allerdings in Erklärungen, wo zumindest mir Handlung und noch mehr Dialoge lieber gewesen wären. Die Figurenkonturierung gelingt nach meinem Geschmack nicht immer und gerät hier und da ganz schön klischeehaft.


    Tatsächlich habe ich die Dramaturgie des Romans zuweilen hinnehmen müssen, ohne ihr freiwillig zu folgen, weil sie zwingend wäre. Was ich sagen will: Das Familiendrama, auf das die Vergangenheitserzählung hinausläuft, habe ich mit der ziemlich holprigen Selbstfindung der Hauptfigur Mina nicht verknüpft bekommen, obwohl Mina natürlich an beidem beteiligt ist, und auch der geschilderte Weg aus den Zwängen der Tradition ist nach meinem Dafürhalten eher ein Labyrinth, das nicht besonders planvoll angelegt wurde. Doch obwohl zumindest mir nicht alles stimmig und konsequent vorkam, ist „Die Hummerfrauen“ ein unterm Strich schöner, sehr lesbarer, atmosphärischer Roman, dem man durchaus seine Schwächen in der B-Note verzeihen kann.

  • Nachklapp:


    Ein wesentliches Motiv von "Die Hummerfrauen" ist die Frage nach Schuld und Verantwortung (konkret am/für den Tod von Jack, einem einheimischen Jungen, der im Jahr 1982 bei einer Bootstour ertrank), auf die der Roman eindringlich die simple Antwort gibt: Lass die Vergangenheit Vergangenheit sein, frage nicht allzu lange nach Ursachen, lebe im Jetzt, stelle Dich den Herausforderungen des Alltags, bei denen Dir nicht hilft, wenn Du weißt, wer vor Jahrzehnten irgendeinen krassen Fehler gemacht hat. Das ist auch die Attitüde aller Dorfbewohner, das verbindende Element, das im diametralen Gegensatz zum gelebten Traditionsbewusstsein steht (das eigentlich, wie so oft, nur patriarchalischer Konservatismus ist).


    Mit diesem Aspekt des Romans hatte und habe ich so meine Schwierigkeiten.

  • Die Hummerfrauen liefern Denkanstöße


    Buchmeinung zu Beatrix Gerstberger – »Die Hummerfrauen«


    »Die Hummerfrauen« ist ein Roman von Beatrix Gerstberger, der 2025 bei dtv erschienen ist.


    Zum Autor:

    Beatrix Gerstberger, geboren 1964, ist freie Autorin für ›Brigitte‹, ›Stern‹ und ›Geo‹. Sie schrieb den SPIEGEL-Bestseller ›Keine Zeit zum Abschiednehmen‹ über den frühen Tod ihres Partners und die Geschichten von weiteren jungen Witwen vor 20 Jahren, als sie für sechs Monate in einem Hummerfischerdorf in Maine lebte. Viele Jahre später kehrte sie an diesen Ort zurück, fuhr mit Hummerfischerinnen hinaus aufs Meer und sprach mit ihnen über das Leben, über Verluste, Trauer und das Weitermachen. Daraus entstand die Idee für diesen Roman. Beatrix Gerstberger lebt in Hamburg.


    Zum Inhalt:

    20 Jahre zuvor hat Mina ihren letzten Urlaub als Kind mit Bruder und Eltern auf Eagle Island verbracht, einem Dorf mit Hummerfischern und wundervoller Natur. Nach dem Tod ihres Bruders und dem Zerwürfnis mit ihrer Mutter, will Mina einen Neuanfang an dem Ort wagen, an dem sie glückliche Tage verbracht hat. Dort begegnet sie den starken Frauen und Hummerfischerinnen Ann und Julie sowie ihrer Jugendbekanntschaft Sam.


    Meine Meinung:

    Dieses Buch bietet reichlich Denkansätze, vor allem zum Thema Umgang mit Verlusten. Ann (72) und Julie (Mitte 50) haben selbst einen Neuanfang auf Eagle Island gewagt und kümmern sich um Mina (Anfang 30). Die Hummerfischerei bietet einen festen, aber auch harten Rahmen für die Inselbewohner. Wenn etwas Schlimmes passiert wird kurz getrauert und dann wird zum Alltag zurückgekehrt. Durch mehrere Rückblenden erfahren wir mehr über Ann und Julie, aber auch über andere Dorfbewohner und Ereignisse jener Zeit. Sam hatte andere Pläne, aber durch den Tod seines Bruders akzeptiert er ungeschriebene Gesetze und bleibt auf der Insel. Sam und Mina kommen sich näher, aber der unterschiedliche Umgang mit Geschehenem macht es nicht einfach. Mina möchte Dinge hinterfragen, während Sam sie als abgeschlossen betrachtet. Schnell ist man bei der Frage »Wie hättest du dich unter diesen Umständen verhalten?« angelangt und gerät ins Grübeln.


    Fazit:

    Dieses Buch hat mich wiederholt zum Nachdenken angeregt, auch wenn die eigentliche Geschichte eher unaufgeregt abläuft. Deshalb bewerte ich den Titel mit vier von fünf Sternen (80 von 100 Punkten) und spreche eine Leseempfehlung aus.


    ASIN/ISBN: B0DKTP7WDR

    :lesend Beate Maly - Tod am Semmering

    :lesendEmily Rudolf - Das Dinner

    :lesend Achim Zons - Von Schafen und Wölfen

  • Als Kind verbrachte Mina Sommer voller Freiheit mit ihrer Familie in dem kleinen Fischerdorf Stone Harbour auf Eagle Island in Maine. Nun, fast zwanzig Jahre später, kehrt sie zurück an den Ort, wo sie immer so glücklich war. Sie wird von den Hummerfischerinnen Ann und Julie aufgenommen und fährt mit ihnen hinaus aufs Meer.

    Mir ist es nicht leichtgefallen, mich in diese Geschichte einzufinden. Es ist ein leiser Roman, in dem die Zeiten immer wieder wechseln. Der Schreibstil lässt sich angenehm lesen. Aber besonders atmosphärisch dargestellt ist die Landschaft dort in Maine und das Leben der Menschen, wenn die Touristen wieder abgereist sind.

    Die Fischerei ist ein Beruf für Männer. Doch Ann und Julie haben sich davon nicht beirren lassen und werden nun toleriert.

    Die 72-jährige Ann lebt alleine; nur der blaue Hummer Mr. Darcy leistet ihr Gesellschaft. Die 54-jährige Julie hatte einen Unfall und ist dabei, sich ein neues Leben aufzubauen. Sie ist geradeheraus, anpackend und hilfsbereit. Sie mag den Fischer Nat, macht es sich aber selbst schwer. Mina muss sich selbst wiederfinden, nachdem ihr Bruder plötzlich verstorben ist und sie sich mit der Mutter zerstritten hat. Auch möchte sie herausfinden, warum die Familie damals nie mehr dorthin zurückkehrte. Sie begegnet auch Sam, dem Freund aus Kindertagen, wieder und erfährt, dass auch er seinen Bruder verloren hat. Ann, Julie und Mina verbindet eine ungewöhnliche Freundschaft. Sie sind starke Frauen, die sich trotz mancher Widrigkeiten nicht unterkriegen lassen. Leider muss ich sagen, dass mir keine der Figuren wirklich nahekam.

    Ein ruhig verlaufender Roman über Freundschaft und Zusammenhalt wie auch über Verlust, Trauer und Neuanfänge. Mir hat diese nachdenklich stimmende Geschichte gefallen.


    7/10

  • Inseln und ihre Bewohner

    Kleine bewohnte Inseln an der US-Atlantik Küste. Die Menschen die hier leben, sind in zwei Lager geteilt. sie stehen sich auf keinen Fall feindlich gegenüber, aber eine Trennung besteht doch: einerseits die ständigen Bewohner der Inseln, andererseits sind da die Sommergäste, die vor Beginn der Herbststürme zurück in ihr Leben auf dem Festland der USA kehren. Aber es gibt auch Menschen, die kommen und dann bleiben. Die hier ihr Zuhause finden, Und da keiner der Bewohner der Inseln vor der Küste von Maine zu der indigenen Gruppe gehört, sind sie alle im Laufe der Zeit mal hinzugekommen. Es ist nur der Unterschied, gekommen um zu bleiben oder als Sommergast. Die drei Frauen, Ann (72), Julie (24) und Mina (28) gehören unterschiedlichen Generationen an, Julie und Mina sind hinzu Gekommene, alle drei werden zu Hummerfischerinnen, essen aber keinen Hummer. Hummer ist ihr Broterwerb.

    Ann ist Witwe, sie denkt oft an ihren verstorbenen Mann und an ihr Leben zurück, an die Rückschläge aber auch an die schönen Momente. Julie überlebte einen schweren Unfall, arbeitete viele Jahre als Hummerfischerin auf der Insel, hatte zum Schluss ihr eigenes Boot. Als NAt, ein Hummerfischer, Witwer wird, verliebt sich Julie in ihn, aber beide tun sich schwer mit ihrer Liebe. Nats verstorbene Ehefrau hatte schon in ihren letzten TAgen bestimmt, Nat müsse Julie heiraten, damit er versorgt ist. Aber Julie will mehr vom Leben, von Nat. Sie müssen beide einige Stolpersteine aus dem Weg schaffen, bis sie zueinander finden. Mina, die jüngste, der drei Hummerfischerinnen, war als Kind jeden Sommer auf der Insel, war unzertrennlich mit Sam, dem Sohn eines Hummerfischers. Die Väter waren auch gut befreundet, nur Minas Mutter hat nie in die Gesellschaft der Insel Zugang gefunden. In einem Sommer weigert sich die Mutter, auf die Insel zurückzukehren. Und dabei bleibt es. Mina ist unglücklich, kann nicht verstehen, weshalb. Und so kehrt Mina, als Erwachsene, allein auf die Insel zurück. Dabei wäre sie fast ertrunken. Sie findet Zuflucht bei Ann, so wie Jahre zuvor auch Julie bei Ann einen sicheren Hafen fand. Ihr Wiedersehen mit Sam, dem Jungen aus ihrer Kindheit, mit dem sie so viele glückliche Stunden verbracht hatte, verläuft etwas holprig. Ein Wiederanknüpfen an ihre Kindheit ist nicht möglich, sie müssen von Neuem zusammenfinden. Sam musste, nach dem Tod seines älteren Bruders, seine Träume aufgeben und Hummerfischer werden, obwohl er ganz andere Lebenspläne hatte. Die drei gEschichten von Ann, Julie und Minna haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Sie verbindet die Hummerfischerei, die Liebe zum Meer und zu der Insel, und sie geben sich Halt einander. Das Ganze wird so einfühlsam, ohne Pathos, und unaufgeregt erzählt. Erst ein Satz am Ende eines Gespräches, eine Bemerkung im Weggehen, eine kurze Erklärung, zeigt die unausgesprochenen Probleme auf, den Schmerz, der in den Menschen steckt, aber auch die Liebe und die Freude.

    Last but not least, ist Mr. Darcy da. ein großer blauer Hummer, der in Anns Haus in einem Aquarium lebt, wird von den drei Frauen gerne aus dem Aquarium geholt, gestreichelt und an den Fühlern gekrault. Alle Versuche, ihn wieder ins Meer zu lassen sind gescheitert, Mr. Darcy kehrt jedes Mal zurück zu Ann. Ein Hummer als Haustier ist ein stoischer und hartnäckiger Geselle

    Man muss dieses Buch nicht gelesen haben, aber es bereichert den Lesenden und lässt einen leisen, wehmütig-schönen Geschmack zurück- Lest es!

  • Mina fährt mit ihren Eltern und ihrem großen Bruder Christopher jeden Sommer in Urlaub auf die kleine Insel Eagle Island in Maine. Ihr bester Freund dort ist Sam, der Sohn eines Hummerfischers. 1982 soll allerdings das letzte Jahr gewesen sein, irgendetwas scheint passiert, doch niemand spricht darüber.


    Im Frühjahr 2000 entschließt Mina sich nach dem Tod ihres Bruders, doch noch einmal nach Eagle Island zu reisen, schafft es aber zunächst nur in das nahegelegene Stone Harbor, wo Ann, eine über 70jährige Hummerfischerin, sie aufnimmt.


    Ann ist vor Jahren in Stone Harbor gestrandet, hat dort zunächst mit ihrer Freundin Carolyn einen Gemüseladen aufgemacht, und sich nach der Trennung als eine der wenigen Frauen, die auf Hummerfang gehen, etabliert. Einer ihrer Fänge wurde zu einem Haustier, der blaue Hummer Mr. Darcy.


    Auch Anns Freundin Julie ist Hummerfischerin. Nach einem schweren Unfall musste sie ihre Karriere aufgeben, und hat sich nach Maine zurückgezogen.


    Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, die Hauptstory, die Geschehnisse in 2000 und 2001 aus Sicht der oben genannten drei Protagonistinnen, deren Leben sich immer mehr verbinden. Es gibt aber auch eine Reihe Rückblenden ins Jahr 1982, die überwiegend aus Sicht Judiths, Minas Mutter, erzählt werden. Prolog und Epilog dagegen spielen ungefähr 2018, hier erfährt man auch, was aus vielen Charakteren geworden ist.


    Die drei Protagonistinnen, Ann, Julie und Mina lernt man sehr gut kennen. Ich mochte sie sehr schnell, konnte mit ihnen mitfühlen und habe sie gerne begleitet. Auch andere Charaktere werden wiedererkennbar dargestellt, in der Regel subjektiv gebrochen durch die jeweilige Perspektive. Nicht jede:r ist sympathisch, manche:n lernt man auch erst nach und nach besser kennen. Minas Mutter ist aus ihrer eigenen Perspektive schon nicht sehr sympathisch, liest man von ihr aus Sicht ihrer Tochter, erkennt man erst, wie kalt sie tatsächlich ist. Mina tat mir hier oft sehr leid. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen ganz klar Frauen.


    Sehr gut gefallen hat mir das Setting. Der Hummerfang steht in dieser Gegend im Mittelpunkt, dazu kommt noch der Tourismus in den Sommermonaten. Dies alles wird sehr gut dargestellt, ich fühlte mich schnell mittendrin. Auch der Hummerfang selbst wird recht ausführlich aufgezeigt, ebenso wird klar, wie gefährlich er sein kann. Die Autorin lebte selbst eine Zeit lang in Maine, hat einige Hummerfrauen kennengelernt, und ist selbst mit hinausgefahren. Das Ganze hat sie so beeindruckt, dass es zum Thema ihres Debütromans wurde. Sie weiß also, wovon sie erzählt.


    Mit dem Ende war ich erst nicht so ganz glücklich, mir persönlich bleibt es etwas zu offen, aber letztlich kann ich damit doch leben, eine eigene Vorstellung habe ich auf jeden Fall.


    Wer gerne berührende Lebenswege durchdachter Charaktere begleitet, ist hier genau richtig, dazu gibt es ein interessantes, gut ausgearbeitetes Setting. Nur das Ende hätte ich mir ein bisschen anders gewünscht. Ich vergebe 9 Punkte.