'Die Dolmetscherin' - Seiten 101 - 185

  • Jetzt wissen wir, was der Erzählstrang mit Robert bedeuten soll, das war nicht ganz ungewöhnlich, wenn auch viele Frauen bis 1947/48 nicht an eine neue Beziehung dachten und den Kopf auch dafür nicht frei hatten. Außerdem begegnet uns der Mann, der den zweiten Weltkrieg eröffnet hat- und dem dafür praktisch nichts zugestoßen ist. Wir erfahren immer noch sehr viel historisch gesichertes und wenig romanhaftes, das entwickelt sich langsam und in Ansätzen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übrsihd

    :lesendLou Lingyuan Sehnsucht nach Shanghai :lesend Titus Müller Die Dolmetscherin

  • Nun sind wir also in Nürnberg. Leo ist Roberts Papa und ich muss sagen, für einen deutschen Mann dieser Zeit schon sehr reflektiert. Und er gibt Robert auch mit, dass Krieg nichts gutes ist. Ich finde es gut, wie er mit dem Jungen umgeht. Und selbst Horst hat irgendwie Respekt vor ihm, weil Leo ihm das Feld einfach so überlässt. Ob wir noch erfahren werden, warum er Charlotte so schnell aufgibt. Da kann ja nicht nur die kurze Bekannschaft mit Asta dahinter stecken.


    Der Auftakt der Prozesse zeigt, dass die Herren sich keiner Schuld bewusst waren. Und Göring ist ja der Meinung, dass er als Staatsmann behandelt werden müsste.


    Und dann sind da noch diese fanatischen SS Leute, die tatsächlich immer noch daran glauben, dass das dritte Reich wiederauferstehen kann. Das ging ja noch ne ganze Weile so, dass Alt-Nazis davon geträumt haben, die neue Ordnung wieder gegen die alte zu tauschen.

  • Leo ist Roberts Vater und er reagiert überraschend souverän auf Horst, mit dem seine Ehefrau Charlotte mit ihrem gemeinsamen Sohn Robert, im umgestalteten Kartoffelkeller lebt. Ihm gelingt, dass Horst Respekt vor ihm hat. Charlotte hat einerseits Gedanken, dass sie umgehend von Leo schwanger werden würde, dann aber sagt sie zu ihm „Du findest eine neue Frau.“ Sie kann sich offensichtlich nicht vorstellen, dass sie wieder mit Leo zusammen leben möchte in der ursprünglichen Familienkonstellation. Gut möglich, dass Asta und Leo sich näher kommen. Beide leben gefährlich und haben eine heimliche dunkle Verbindung.


    Spannend finde ich, dass bei den Nürnberger Prozessen das Simultandolmetschen angewendet wird, Hart, wenn sie 85 min am Stück konzentriert zuhören und übersetzen mussten. Heute wechseln sie sich nach einem Drittel der Zeit ab.


    Asta hat sich aktiv in den USA um Mitarbeit beim russischen Geheimdienst beworben, sie wurde nicht angeworben. Ihre Tante Clara war eine Kollegin von Emmy Göring und wurde wegen unbedachter Bemerkungen, verhaftet, misshandelt und weggesperrt. Asta will deswegen, dass Görings Handeln nicht nur ans Tageslicht kommt, sondern auch entsprechend bestraft wird. Wobei wir ja wissen, dass mit Todesstrafe jeder Mensch nur einmal bestraft werden kann, ob er nun der größte Verbrecher ist oder etwas weniger.


    Ich habe noch eine Anmerkung zu S. 182., dort steht: Acht Mio NSDAP Mitglieder/ 10% der Gesamtbevölkerungszahl Dtl. – etwas mehr, denn die Einwohnerzahl Dtl. betrug 1945 wohl etwa 69 Mio.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Nun sind wir also in Nürnberg. Leo ist Roberts Papa und ich muss sagen, für einen deutschen Mann dieser Zeit schon sehr reflektiert. Und er gibt Robert auch mit, dass Krieg nichts gutes ist. Ich finde es gut, wie er mit dem Jungen umgeht. Und selbst Horst hat irgendwie Respekt vor ihm, weil Leo ihm das Feld einfach so überlässt. Ob wir noch erfahren werden, warum er Charlotte so schnell aufgibt. Da kann ja nicht nur die kurze Bekannschaft mit Asta dahinter stecken.

    Das denke ich auch, dass er sich in Asta verliebt hat. Es wird in dem Abschnitt kurz die ehe zwischen Leo und Charlotte erwähnt. Es klang für mich so, als hatten sie nicht viel gemeinsame Zeit, bevor Leo in den Krieg musste. Es scheint Leo nicht zu erstaunen, was ihn zu Hause erwartet. Außerdem hat Leo ja einen Job zu erledigen. Die Beziehung zu Robert ist ihm auf jeden Fall wichtig.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Vermisst ihr es ein wenig? Hättet ihr lieber mehr persönliche Geschichte und Innenleben der Figuren gehabt, und die Historie wiegt zu schwer bzw. lässt die Figuren nicht atmen?

    Überhaupt nicht! Du sprichst in mir beides an. Das riesige Interesse an den historischen Ereignissen und fütterst zugleich die emotionale Ebene mit den persönlichen Schicksalen der Protagonisten. Ich lese deine Romane so gerne, weil ich die Mischung perfekt finde. Und eine ordentliche Portion Spannung ist ja auch mit dabei. :anbet

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Und dann sind da noch diese fanatischen SS Leute, die tatsächlich immer noch daran glauben, dass das dritte Reich wiederauferstehen kann. Das ging ja noch ne ganze Weile so, dass Alt-Nazis davon geträumt haben, die neue Ordnung wieder gegen die alte zu tauschen.

    Das geht ja leider bis in unsere heutige Zeit.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin