'Die Dolmetscherin' - Seiten 101 - 185

  • So, bevor ich mir alles durchlese, hier einige Gedanken zu dem Abschnitt von mir.


    Ich habe mich nicht so intensiv mit der Nachkriegszeit beschäftigt bisher, so dass ich viele Informationen sehr interessant finde. Auch wie die Russen ihr eigenes "Spiel" spielten und INteressen hatten. Es ist nicht sehr überraschend, aber alleine auch das Verhör von Göring, aber auch die Informationen, die sich inoffiziell wollten.


    Asta hat sich derweil stark zwischen den Mächten verstrickt. Sie spioniert für die Russen, aber aus eigenen Antrieb, da sie eigene Interessen verfolgt, fühlt sich als Deutsche und steht in Lohn für die Amerikaner, zu denen sie ja auch zum Teil gehört. Ob sie sich damit nicht übernommen hat.


    Toll finde ich es auch, wie Titus die Innensicht mehrerer Beteiligter aufzeigt und sich in die hineinversetzt. So auch vom Richter Jackson, oder auch Naujocks. Jeder hatte aus seiner Sicht Grüne und eine bestimmte Weltsicht, die dadurch gut zum Ausdruck kommt.


    Und trotz der großen Ereignisse, die im Roman passieren, so schön zeigt er auch kleine kostbare Beobachtungen und Momente auf. So vor allem die Szenen mit Robert. Zum einen ist es traurig, wie er aufwächst, aber um so schöner ist es, wie er sich eigene kleine schöne Momente schafft, zum Beispiel mit den eingepflanzten Blumen...


    Mit Leo und Charlotte wird es wohl eher nichts mehr werden. Ihre Ansichten gehen zu weit auseinander. Aus heutiger Sicht ist es quasi verwerflich, wie Charlottes Sicht auf die Alliierten ist, aber aus damaliger Sicht war diese Einstellung sicherlich nicht sehr selten. Immerhin hat man jahrelang die Propaganda gehört.


    Dass auch Erich Kästner dem Prozess beiwohnte, war eine Information "To Go", die ich auch gerne mitnehme.

  • Und trotz der großen Ereignisse, die im Roman passieren, so schön zeigt er auch kleine kostbare Beobachtungen und Momente auf. So vor allem die Szenen mit Robert. Zum einen ist es traurig, wie er aufwächst, aber um so schöner ist es, wie er sich eigene kleine schöne Momente schafft, zum Beispiel mit den eingepflanzten Blumen...

    Ohne diese kleinen "Kostbarkeiten wäre der Roman fast zu düster und deprimierend.


    Nach dem wiederholten Ansehen des "Fritz Bauer" Films der ja gegen Windmühlen kämpft, wundert man sich nicht, dass die Amerikaner kein wirkliches Interesse hatten, die Nazizeit zu verarbeiten und die "Nebentäter" zu suchen und zu verurteilen. Mit dem Sieg über Nazideutschland haben sie ja auch genug geleistet. Und die Hilfe zum Wiederaufbau ist auch nicht ohne. Die meisten Deutschen wollten den Krieg und die Zeit des Faschismus und ihre Mitläufer- und Täterschaft nur noch vergessen und alles hinter sich lassen.

    Von daher passt eigentlich das in unseren Augen vielleicht lasche Vorgehen.

  • Ja, diese eingestreuten kleinen Kostbarkeiten fand ich auch sehr schön.


    Passend dazu ein Zitat von Albus Dumbledore: Happiness can be found even in the darkest times if only one remembers to turn on the light. ;)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ja, diese eingestreuten kleinen Kostbarkeiten fand ich auch sehr schön.


    Passend dazu ein Zitat von Albus Dumbledore: Happiness can be found even in the darkest times if only one remembers to turn on the light. ;)

    :write

    Petra, du findest immer die perfekten Worte! :thumbup::-]

  • Ich bin von den ganzen Vorgängen bei Gericht und von Astas Einsatz beim Simultan-Dolmetschen richtig fasziniert. Asta und ihre Kollegen sind ja geradezu Pioniere auf diesem Gebiet.


    Ich war vor Jahren bei einem Nürnberg-Besuch im Saal 600 und der Ausstellung des Memorium Nürnberger Prozesse, das muss 2014 gewesen sein. Was mir insbesondere im Gedächtnis geblieben ist, war die Tatsache, dass das Simultan-Dolmetschen quasi für die Nürnberger Prozesse erfunden wurde. So was gab es vorher in der Form nicht.


    Und es ist eine Wahnsinnsleistung, die da vollzogen wurde, und natürlich eine enorme Verantwortung. Beim Lesen konnte ich Astas Unruhe vor dem ersten Einsatz total nachvollziehen und auch ihre Suche nach Wörtern während der Übersetzungen war so plastisch dargestellt, als würde man selbst vorm Mikrofon sitzen.


    Bei den Angeklagten ist es schon erschreckend, wie aus diesen quasi Staatsmännern kleine Niemande werden. Bis auf Göring, der sich immer noch rühmt und sich überheblich in Sicherheit wiegt, ihm könne man ja nichts anhaben. Dem Prozess als solches beizuwohnen finde ich auch spannend.


    Und dann gibt es da ja noch den Strang um Robert und Leo. Sehr rührend, die Annäherung der beiden, vor allem, da diese auch irgendwie glückt. Leo ist vielleicht nicht ganz der Vater, den Robert sich vorgestellt hat, aber er ist ihm gut gegenüber und er kann Horst doch auf seine Art irgendwie Paroli bieten. Horst erkennt ja auch an, dass Leo gar nicht so übel ist.


    Es ist allerdings eine auf eine Art seltsame familiäre Konstellation oder bzw. kommt es mir seltsam vor, dass Charlotte immer noch mit Horst zusammenbleibt, während ihr Ehemann aus dem Krieg heimgekehrt ist. Solche Situationen gab es sicher öfter (also dass die Frau mit einem neuen Lebensgefährten zusammen war und dann plötzlich mit ihrem (vielleicht totgeglaubten) Heimkehrer-Ehemann konfrontiert wurde). Ich hätte jetzt eher gedacht, dass frau aufgrund der damals herrschenden Konventionen eher wieder mit ihrem Ehemann gemeinsam lebt. Wobei Leo auch keine Anstalten gemacht hat, wieder einen Platz bei Charlotte einzunehmen. Die beiden merken wahrscheinlich auch, dass die Kriegsjahre zwischen ihnen stehen und sich jeder anders weiterentwickelt hat.


    Allerdings hat Leo einen Auftrag von den Amerikanern erhalten und vielleicht ist es dann besser für ihn, wenn er nicht zu Frau und Kind zurückkehrt, sondern sich im Untergrund aufhalten kann. Erste Kontakte mit ehemaligen SS-Männern knüpft er bereits. Ich kann nur hoffen, dass er nicht auffliegt und womöglich Robert noch Schaden davonträgt...

  • Vermisst ihr es ein wenig? Hättet ihr lieber mehr persönliche Geschichte und Innenleben der Figuren gehabt, und die Historie wiegt zu schwer bzw. lässt die Figuren nicht atmen?

    Ich kann mich da den anderen nur anschließen: Perfekte Mischung! Bei historischen Romanen gehören harte Fakten unbedingt dazu, zu viel Innenansicht, also persönlich Ansichten einer Person, kann da auch ein falsches Bild von einer Situation oder Begebenheit hervorrufen.

  • Man hätte auch verstanden, wenn er Charlotte wegen Horst eine Szene gemacht hätte. Aber es hätte auch irgendwie nicht zu ihm gepasst. Er ist ein gebrochener Mann, der sich sehr schuldig fühlt. Und ich kann mir vorstellen, dass er auch aus diesem Grund sich nicht herausnimmt, über andere zu urteilen oder gar zu verurteilen. Ihm ist das Wichtigste, dass es seiner Familie gut geht und im Moment kann er ihnen leider keine Sicherheit bieten.

    Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass Leo jemand ist, der irgendwem eine Szene macht. Er scheint mir ein ganz ruhiger, eher in sich gekehrter, sehr feinsinniger Mann zu sein, dem vor allem auch das Wohl seines Kindes am Herzen liegen dürfte. Schön fand ich auch, dass er Robert an dessen ersten Schultag noch trifft und mit ihm einige Worte wechselt. Sicher, um ihm Mut zuzusprechen.

  • Ich kann mich da den anderen nur anschließen: Perfekte Mischung! Bei historischen Romanen gehören harte Fakten unbedingt dazu, zu viel Innenansicht, also persönlich Ansichten einer Person, kann da auch ein falsches Bild von einer Situation oder Begebenheit hervorrufen.

    Ja mir geht es ehrlich gesagt so, für mich bleiben die Figuren irgendwie unausgefüllt

    Viele Grüße
    Thomas


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    wyrd bid ful aræd - Das Schicksal ist unausweichlich