Alles was wir geben mussten - Kazuo Ishiguro

  • Ja, ich hab es auf Deutsch gelesen. Ich lese leider kaum in englischer Sprache, obwohl ich es mir ständig vornehme. Ich habe diesem Thread entnommen, dass es im Original besser sein soll, aber das nützt eben der deutschen Auflage wenig - leider!

  • das stimmt, es ist wirklich schade, dass die Übersetzungen oft nicht so gut sind.


    ich bin genau aus dem Grund dazu übergegangen, hauptsächlichlich die englischen Originale zu lesen. Aber das ist natürlich nicht für jeden eine Option.

  • Eine Utopie, die so lebensnah wirkt, dass sie Gänsehaut erzeugt.
    Mich hat in erster Linie traurig gemacht, wie ergeben alle betroffenen Personen in ihr Schicksal waren. Das und der kindliche Stil der Erzählerin stehen in scharfem Kontrast zur eigentlichen Geschichte.
    Dieses Buch hat mich eingesaugt, gefesselt und verstört. Ich werde sicher noch länger immer wieder daran denken.

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Die deutsche Übersetzung hat mir sprachlich gar nicht gefallen.


    Zum Inhalt: Ich fand es spannend, wie man am Anfang überlegt hat, was das nun für Spender und Betreuer sind, was das für eine besondere Zukunft ist. Wie man nach und nach ahnt, um was es wirklich gehen könnte, es aber noch nicht glauben will.


    Aber was ich mich während dem Lesen durchgehend gefragt habe:



    Ich finde Ishiguro hat das Thema wahnsinnig gut in seinem Roman behandelt und den Leser wirklich zum Nachdenken gebracht. Dadurch, dass er alles andere gleich gelassen hat und es in unserer Zeit, in unserer Welt spielt, wirkt es auch nicht wie ein abgedrehter Science-Fiction-Roman, sondern als durch aus möglich für die Zukunft, wenn auch schrecklich.

    Bücher sind Schokolade für die Seele. Sie machen nicht dick. Man muss nach dem Lesen nicht die Zähne putzen. Sie sind leise. Man kann sie überall mitnehmen. Nachteil: Selbst das dickste Buch hat eine letzte Seite, und man braucht wieder ein neues.

  • BelleMorte : Genau das, hab ich in meinem Beitrag auch gemeint. Ich hab dich ganze Zeit nur gedacht: TUT DOCH WAS DAGEGEN!!!

    Bücher sind Schokolade für die Seele. Sie machen nicht dick. Man muss nach dem Lesen nicht die Zähne putzen. Sie sind leise. Man kann sie überall mitnehmen. Nachteil: Selbst das dickste Buch hat eine letzte Seite, und man braucht wieder ein neues.

  • Ich habe das Buch gestern in einem Rutsch durchgelesen und bin auch tief berührt.
    Ich frage mich, ob ausser der Sterilisation noch etwas geändert wurde, damit die Kollegiaten so ruhig waren oder ob man tatsächlich so wird, wenn man mit dem Gedanken von klein auf aufwächst.
    Sehr nahe gegangen ist mir die Beschreibung der verhaltenen Träume der Personen, mit der Gewissheit, das alles von aussen bestimmt wird und über einen verfügt werden wird, alle Träume also Gegenstandslos sind.
    Ich denke auch, das sich die Ich-Person nicht weiter mit dem wie und was des Spendens auseinander setzten wollte. Sie wußten, was sie waren und was auf sie zukam, aber weiter wollten sie nicht denken. Es gibt Dinge, die sind zu furchtbar, um sie auszusprechen.


    Allerdings


    Ich wußte auch, worum es geht in dem Buch, was das Spenden bedeutet. Aber ich fand es völlig unwichtig, denn das Buch behandelt ja nicht davon, das Geheimnis, was sie sind, aufzudecken, sondern wie es ist, so jemand zu sein.


    Die einfache schlichte Sprache hat mir sehr gefallen, sie passte zu dem Bericht, den Kathy lieferte. Ich habe wie immer in Deutsch gelesen.
    Ein sehr intensives und beeindruckendes Buch.

  • Es ist schon ein bischen länger her, dass ich das Buch gelesen habe. Ich habe das Buch angeborchen, da ich absolut nicht durchblicken konnte, um was das Buch ging. Ich hatte die ganze Zeit ein großes Fragezeichen über meinem Kopf gahabt

    ... Liebe, die, weil sie nie genung bekommt,
    stets schon im Augenblick lebt, der noch kommen wird.
    Marcel Proust

  • Zitat

    im übrigen frag ich mich da allerdings manchmal auch, ob man bei asiatischen autoren nicht auch den blickwinkel ändern muß. die sind ja oft doch anders drauf als wir.


    Ishiguro hat zwar japanische Wurzeln ist aber Brite durch und durch, man sollte sich also nicht vom Namen täuschen lassen... Aber ändert ja nichts, denn Briten sind ja auch anders drauf als wir ;-)

  • Zitat

    Original von lesterschwein
    Es ist schon ein bischen länger her, dass ich das Buch gelesen habe. Ich habe das Buch angeborchen, da ich absolut nicht durchblicken konnte, um was das Buch ging. Ich hatte die ganze Zeit ein großes Fragezeichen über meinem Kopf gahabt


    Was ein Beispiel dafür wäre, das es dem Leser bei diesem Buch sogar hilfreich sein kann, wenn er weiss, worum es geht.
    Ich denke, das ich ohne das Wissen um die Handlung auf den ersten Seiten auch ratlos gewesen wäre.

  • Eigentlich mache ich um alle Bücher, die nur annähernd mit Science-Fiction zu tun haben, einen großen Bogen – Kazuo Ishiguro hat mich aber eines Besseren belehrt.
    In nüchterner, distanzierter Sprache erzählt er von einer Zukunftsvision, als wäre sie heute schon alltäglich. Die Protagonistinnen Kathy, Tommy und Ruth sind wie Menschen von nebenan, ich hoffte, bangte und litt mit ihnen und schüttelte fassungslos den Kopf über die dahinterstehende Idee.
    Eine Warnung, wohin uns die Wissenschaft führen kann und dass die Setzung einer ethischen Grenze in Bezug auf Gentechnik verdammt schwierig ist. Ebenso ein Zeugnis dafür, wie gruppendynamische Merkmale entstehen, ein Buch über Loyalität, Freundschaft, Ausgrenzung und passive Anpassung an ein System.



    Am Schluss bleiben einige Fragen offen, was mich aber nicht weiter störte. Ishiguro lässt Platz für eigene Gedanken, Schlüsse und Szenarien.


    Ich persönlich finde den Originaltitel passender und treffender!

  • Ich habe den Roman am Sonntag ausgelesen.


    Mich hat die Lektüre sehr angerührt. Dadurch, dass Kathy den Leser mit ihrem Lebensbericht direkt anredet, entsteht ein besonderes Vertrauensverhältnis und man hat das Gefühl, ihr nahe zu sein. Zudem entsteht eine geheimnisvolle und vertraute Atmosphäre zwischen Leser und Erzählerin, weil sie annimmt, man sei Betreuerin wie sie.


    Vieles wird nur angedeutet, und der Leser hinterfragt die Strukturen der vorgestellten Gesellschaft.
    Die Vermischung von moralischen Überlegungen zu den Themen Wissenschaft und Ethik, und dann das Aufzeigen der Auswirkungen von Entscheidungen auf Individuen ist für mich sehr gut gelungen! Insbesondere die Auflösung bestimmter Geheimnisse, die nach und nach erfolgt, erhöht das Grauen.


    Wie Jersey schon sagte,

    Zitat

    Kathy, Tommy und Ruth sind wie Menschen von nebenan

    und man baut eine enge Verbindung zu ihnen auf. Ruth war sicher nicht mein Liebling, aber sie hat Dynamik in die Beziehung zwischen ihr, Kathy und Tommy gebracht.


    Ihr habt ihr ja schon sehr ausführlich diskutiert, was soll ich noch groß ergänzen?! Deshalb nur noch mein Fazit:


    Wer auch immer das Buch als "langweilig" oder "nichtssagend" bezeichnet, hat meiner Meinung nach den Sinn des Buches nicht erfasst!


    Ein tolles Buch! Sehr empfehlenswert! :anbet

  • Ich muss noch mal tief durchatmen, bevor ich überlege, was ich hier schreibe.


    Es ist nicht die erste Geschichte dieser Thematik, die ich gelesen habe. Bücher über


    gibt es viele. Ich frage mich nur, warum mich keines davon so berührt hat wie dieses.


    In vielen vorhergehenden Posts kam die Frage auf,


    Genau das ist es, was mich so bewegt hat. Die Art, wie die Geschichte erzählt wird, ist eine völlig andere als die bekannte.
    Es gab keinen großen Schreckensmoment, in dem die ganze Wahrheit herauskommt, denn das geschieht langsam und fast nebenbei. Es gibt auch keine Frage der Protagonisten nach Gerechtigkeit und dem Warum. Das bleibt dem Leser überlassen.
    Mich hat nicht die Tat an sich, das Spenden, am meisten geschockt, sondern die stoische Ruhe, mit der Kathy und die anderen es erst wissen, dann ertragen.


    Die Spannung der Geschichte entsteht nicht durch den Inhalt, sondern durch die ruhige Art, wie er beschrieben ist. Das macht das Buch grausamer als jeden Sci-Fi-Thriller.

  • Ich hab das Buch gestern "abgeschlossen".


    Wie viele andere wusste auch ich schon vorab, worum es eigentlich ging (da die große Schlußerklärung bei der Corine-Verleihung ja Schauspielerisch dargestellt wurde) und war deshalb am Anfang auch erst mal verwirrt, dass da so ruhig von mehr oder weniger normalem Internats-Alltag berichtet wird und den ganz normalen Problemen die Jugendliche haben. Irgendwann fragt man sich dann, wo kommen all die Kinder eigentlich her? Warum hört man nichts über Eltern oder Ursprung?


    Die Art und Weise wie Kathy die Geschichte erzählt, hat auf mich den Eindruck gemacht als würde sie es entweder einem ihrer Spender erzählen (immer wieder die Anmerkungen: "Ich weiß nicht wie es bei ihnen war, aber in Hailsham...") oder vielleicht eine Art Tagebuch schreiben die sie einem Nachfolger oder sogar eines Tages ihrem eigenen Betreuer gibt? Jemand der vielleicht den Mut hat, sich gegen ein vorbestimmtes Schicksal wie dieses aufzulehnen.



    Wer mir in dem Buch tierisch auf die Nerven ging war Ruth. Ich kann Leute die sich so krankhaft in den Mittelpunkt stellen müssen absolut nicht leiden. Kathy schreibt zwar immer wieder, dass Ruth auch für sie da war, wenn es ihr mal schlecht ging, aber auf eine Freundin die sich gegen mich stellt sobald eine dritte Person anwesend ist die sie beindrucken möchte, könnte ich gerne verzichten. Als Ruth noch klein ist schäumt sie über vor Phantasie, benutzt aber auch das schon um sich zur Anführerin der Geheimwache zu machen. Vermutlich ist es eben ihre Art mit der ganzen Situation umzugehen, aber das macht sie mir auch nicht sympathischer.



    Ein gruseliger Roman, vor allem auch deshalb weil die ganzen Eröffnungen, die für den Leser (zumindest für den, der den Inhalt noch nicht kennt) ein Schock sind, ganz ruhig und fast nebenbei erwähnt werden. Die Kollegiaten wissen das ja alles schon, für sie ist es nichts neues. Und da der Leser ja ebenfalls als ein Kollegiat gesehen wird, werden diese Dinge auch nicht weiter ausführlich erklärt.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Ich habe den Roman ebenfalls gerade beendet und meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Die Geschichte an sich fand ich zwar sehr gelungen und lesenswert, aber wenn ich solche Utopien lese, müßen sie schon sehr nah an der Realität bleiben um mich nachhaltig beeindrucken zu können.


    Mir ging es wie den meisten hier, daß ich mir während und nach dem Lesen folgende Fragen stellte:


  • Ein Buch das einen berührt und gleichzeitig schockiert. Was wäre wenn... es beschäftigt mich immer noch. Sehr lesenswert.

    Manchmal ist es besser durch Schweigen den Eindruck von Inkompetenz zu erwecken, als durch Reden letzte Zweifel daran auszuräumen.