Verlag erfindet Phantom-Autorin

  • Wenn das Buch gut ist, dann kann ich damit leben. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Keine sehr erfreuliche Tendenz, ich kann aber im Zweifel auch damit leben. Ob jetzt ein falscher Name mit veränderter Biographie auf dem Buch steht oder eine ganz erfundene Person, ist auch kein großer Unterschied mehr.


    Es würde aber sicher löblichere Maßnahmen geben, die Verlage treffen könnten, wie beispielsweise das Image von deutschsprachigen Krimi- und Thrillerautoren zu verbessern versuchen.


    Vor ein paar Jahren war deutschsprachiger Pop und Rock auch ein undenkbareres Projekt und heute schießens wie Schwammerln aus dem Boden.

  • Das finde ich jetzt etwas überzogen. Mit einem Pseudonym habe ich kein Problem, aber gleich eine ganze Biografie und eine andere Nationalität dazu erfinden? Ich würde mich da schon betrogen fühlen, wenn ich das Buch aufgrund der Nationalität der Autorin kaufen und dann feststellen würde, dass das alles erfunden wurde. Blödsinnig, das ganze. Besser wäre es, gezielt Werbung für deutsche Thriller-Autoren zu machen. Wenn das Buch gut ist, wird es sich herumsprechen. Und dann wird es sich auch ohne solche Tricks verkaufen.

  • Ich sage nur "Dorothea S. Baltenstein" :grin


    Tja, ein bisschen eine Mogelpackung ist es schon, einen deutschen Roman als Machwerk einer Amerikanerin auszugeben. Mich würde dabei vor allem stören, dass ich der Autorin ein anderes Wissen über den jeweiligen Kulturkreis zuschreiben würde als das, das sie tatsächlich besitzt. Sprich: Wenn eine Amerikanerin amerikanische Sitten beschreibt, würde ich denken, sie weiß, wovon sie redet, auch wenn mir manches vielleicht merkwürdig vorkommt. Beschreibt eine Amerikanerin deutsche Sitten, fände ich ihren Blickwinkel extra spannend. Stellt sich nun heraus, dass die Amerikanerin eine Deutsche ist, würde all das nicht mehr passen.


    Dazu passt auch die Diskussion "Wenn Männer unter Frauen-Pseudonym" schreiben, die hatten wir doch hier schon mal irgendwo.


    Was für mich gar nicht ginge, wäre, ein Buch als seine eigene Übersetzung auszugeben. Auch wenn das den Ruf der ÜbersetzerInnen von Belletristik vielleicht etwas heben könnte. ;-)


    Grundsätzlich gilt für mich: Hauptsache, das Buch ist gut. Allerdings kann ich nicht verhindern, dass ich ein Buch zugleich immer auch auf der Meta-Ebene lese, und da ist das Umfeld, in dem das Buch zustande gekommen ist, eben doch interessant.


    Darum schließe ich mich taciturus an (und Nikana):

    Zitat

    Es würde aber sicher löblichere Maßnahmen geben, die Verlage treffen könnten, wie beispielsweise das Image von deutschsprachigen Krimi- und Thrillerautoren zu verbessern versuchen.


    Bei Dorothea S. Baltenstein wusste ich allerdings im Voraus, worauf ich mich einlasse. :grin

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich sehe das so, wie MaryRead. Mich interessiert zwar in erster Linie die Handlung eines Buches, aber nebenbei schon auch der Autorenhintergrund und die Entstehungsgeschichte.


    Ist die Erfindung eines Phantoms aus Marketinggründen einfach der leichtere Weg? Woran liegt es, dass deutsche Autoren solche Schwierigkeiten haben, ihre Bücher auf dem Markt zu etablieren, wenn sie gut sind? Da muss man sich doch fragen, wieviel Desinteresse oder falsches Verständnis auf Seiten der Leser vermutet werden, wenn Verlage lieber zu solchen Mitteln greifen, als das Risiko einzugehen, eine wahre deutsche Vita auf den Klappentext zu drucken.

  • Zitat

    Original von MaryRead
    Ich sage nur "Dorothea S. Baltenstein" :grin


    Davon höre ich gerade zum ersten Mal. Ich habe die Geschichte auf der Homepage des beteiligten Lehrers nachgelesen und bin jetzt so neugierig auf das Buch, dass ich es mir wahrscheinlich kaufen werde, obwohl es überhaupt nicht mein Genre ist. Bei der Geschichte ist die Schummelei aber noch nachvollziehbar, da habe ich mit solchen Tricks weniger Probleme als bei diesem Thriller.

  • Zitat

    Original von Idgie
    Da muss man sich doch fragen, wieviel Desinteresse oder falsches Verständnis auf Seiten der Leser vermutet werden, wenn Verlage lieber zu solchen Mitteln greifen, als das Risiko einzugehen, eine wahre deutsche Vita auf den Klappentext zu drucken.


    Ich glaube nicht, dass sich die Verlagsmarketingfachleute so weit damit auseinandersetzen falsches Leserverständnis zu unterstellen, sondern dass sie lediglich ihre Verkaufszahlen sprechen lassen. Und die sprechen im amerikanischen Ladythrillerraum für sich. Im deutschen Ladythrillerbereich gibt es nicht ganz so viele Damen, die es wie Mary Higgins Clark, Joy Fielding, Karen Rose und wie sie alle heißen, weit gebracht haben (ad hoc fällt mir da nur Charlotte Link ein...). Aus wirtschaftlicher Sicht gesehen, finde ich die Idee sehr gut, da das Kosten-Nutzen-Verhältnis, wenn das Experiment funktioniert, positiv im Sinne der Nutzen ausfallen wird.
    Die Marketingmaschinerie in Gang zu setzen, um die Autorin oder den Autor bekannt zu machen und zu verkaufen, kostet da schon erheblich mehr Mühe und Geld.


    Mir persönlich sind die Autorenhintergründe beim Lesen eines Buches ziemlich egal. Wenn das Buch mit berührt, interessiert mich erst hinterher der Autorenhintergrund, was allerdings bei einem Ladythriller selten passiert. :lache

  • Zitat

    Original von SueTown
    Mir persönlich sind die Autorenhintergründe beim Lesen eines Buches ziemlich egal.


    Angesichts der Tatsache, dass die Verlage offensichtlich davon ausgehen, dass die breite Leserschaft in diesem genre nur amerikanische Autorinnen für gute Autoren hält, sollte das auch so bleiben. Wer sollte sich schon ernsthaft für gefakte Lebensgeschichten interessieren? :grin

  • Zitat

    Original von Idgie
    Wer sollte sich schon ernsthaft für gefakte Lebensgeschichten interessieren? :grin


    Die sind aber meistens spannender als die "echten" Hintergründe. :lache
    Ich sehe es eher so, dass ich weder bei Autoreninfos noch bei Biographien vom vollen Wahrheitsgehalt ausgehe. Es ist ja nichts neues, dass in diesen Bereichen öfter mal was dazu erfunden oder weg gelassen wird, um die Sache interessanter zu gestalten.

  • Kleine Ergänzung - es ist ja nicht nur ein Pseudonym erfunden worden:


    "Wer das Kleingedruckte in der „Deutschen Erstausgabe“ liest, erfährt, dass das Copyright bei Tamara Kelly liege und die amerikanische Originalausgabe 2005 bei „Nayeli Press“ in New York erschienen sei. Doch dieser Verlag existiert ebenso wenig wie die Patchworkfamilie, mit der die Autorin angeblich in Big Sur zusammenlebt."


    Also, jeder Marketingtrick ist erlaubt wenn das Buch gut ist?


    :wave
    Marcel

  • Damit habe ich kein Problem. Ich finde es nur bedauerlich, dass ein deutscher Autor/in zu solchen Mitteln (erfundene Biografie - nicht Pseudonym) greifen muss. Für die Verlage sind eben die Verkaufszahlen ausschlaggebend.


    Den erfundenen Verlag empfinde ich allerdings als eine bodenlose Frechheit.


    Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich doch gerade durch dieses Forum sehr viele wirklich gute deutsche Schriftsteller gefunden habe.

  • Hallo Nudelsuppe,
    ich habe den Artikel gelesen und auch, dass es nicht nur um ein Pseudonym geht, sondern darum, dass dem Leser (aus Marketinggründen) ein völlig anderes Bild vorgegaukelt wird, um das Buch leichter an den Leser zu bringen. Und nein, ich finde, das geht einfach zu weit. Aus Lesersicht mag ich das nicht, so verschaukelt zu werden. Aus Autorensicht mag das anders sein, denn wenn man vor die Wahl gestellt wird, entweder mit einer falschen Vita einen Bestseller zu landen, oder unter richtigem Namen und Geschichte gar nicht erst veröffentlicht zu werden, wird die Entscheidung wohl eher auf die erste Variante fallen.


    Auch, wenn mir klar ist, dass nirgends so gelogen wird, wie in der Werbung, muss ich sowas nicht gut heißen und mögen. Irgendwann wird es eine Selbstverständlichkeit, dass man Autoreninfos für grundsätzlich getürkt hält, da kann man sie meiner Meinung nach auch gleich ganz weglassen. :-(

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

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  • Zitat

    Original von Mary
    Den erfundenen Verlag empfinde ich allerdings als eine bodenlose Frechheit.


    Ja, da hört die dichterische Freiheit bei mir auch auf. Pseudonym, von mir aus samt Patchworkfamilie, damit kann ich (mit obigen Vorbehalten) leben.

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  • Mich stört es, denn ich suche bei jedem englischsprachigen Buch die Original-Ausgabe, vergleiche die Preise, versuche Leseproben zu finden und entscheide mich dann, ob ich die übersetze Version oder das Original kaufe. Ich wäre wohl ziemlich sauer, wenn ich hier trotz dieser präzisen Angabe das Original nicht finden würde.

  • Das wird aber doch zu einem Selbstläufer. Wenn man sich für einen amerikanischen Autorennamen entscheidet, dann ist der nächste Schritt - in diesem Fall die Angabe des erfundenen Originaltitels und Angaben zu den angeblichen Rechten und Übersetzern doch vorprogrammiert, oder glaubt ihr, dass man die Leser so verschaukeln kann, dass sie sich nicht fragen, warum eine amerikanische Autorin zuerst über einen deutschen Verlag veröffentlicht wird?

  • Zitat

    Original von Idgie
    Das wird aber doch zu einem Selbstläufer.


    Das ist es auch eher, was mich stört. Mit einem Pseudonym inkl. erfundener Biografie kann ich durchaus - auch moralisch - leben. Aber die damit ausgelöste Kettenreaktion finde ich bedenklich. Trotzdem, unabhängig davon, ob die Autoreninfos interessieren oder nicht, will kein Leser oder Mensch an der Nase herumgeführt werden. Deswegen heiße ich solche Marketingaktionen sicherlich nicht gut, auch wenn sie mich nicht überraschen. Nicht zuletzt kann es ja auch peinlich werden, wenn sich jemand über diese hochgelobte amerikanische Autorin auslässt und sich ein paar Minuten später herausstellt, dass es eine "stinknormale" deutsche Autorin ist. Der Schuß kann, auch für den Verlag, nach hinten losgehen. Denn solche Peinlichkeiten möchten sich die meisten Menschen ersparen.