Tatort - Das Sonntag-Abend-TV-Programm?

  • Gut gespielt und inszeniert war er allemal, ich habe mich nur gefragt, warum der Anwalt gleich tot geschossen werden musste. Reicht es nicht ihn zu verletzen? Ja, dann wäre die Handlung eine andere gewesen aber soweit ich weiß, sollen Täter ja nur handlungsunfähig geschossen werden. Die Szene hat mir etwas irritiert. Aber sonst darf es so weiter gehen.

  • Findus, das war eine Entscheidung, die innerhalb von Sekundenbruchteilen gefällt werden musste. Wirklich und sicher zu verhindern war die Tötung des Molkereibesitzers nur durch einen tödlichen Schuss:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Finaler_Rettungsschuss


    Allerdings gehörte der minutiöse Ablauf durchaus zu den logischen Fallstricken des Konstrukts. Da waren sehr, sehr viele Eventualitäten, die nicht eintreten durften. Aber es wurde ja auch die Version der Geschichte erzählt, in der es eben auf diese Art ablief, und nicht eine von den vielen anderen möglichen. ;)

  • So einfach ist das leider nicht immer. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist in jedem Falle eine Güterabwägung vorzunehmen. Denn auch der Täter/Geiselnehmer steht unter dem Schutz des Art.1 GG. In diesem Falle ist der Blick in die Entscheidungssammlung des BVerfG sehr hilfreich.


    An allererster Stelle steht hier immer die Frage nach Art. 1 Abs.1 GG unserer Verfassung- der Menschenwürde- dem obersten Wert in unserem grundgesetzlichen Wertesystem, welcher besagt, dass diese unantastbar ist.

    Dabei stellt man sich unweigerlich die Frage, ob nicht gerade bei einer Geiselnahme mehrere Personen, nämlich Opfer und Täter beteiligt sind? Ist die Menschenwürde einer Person dann höher zu werten, als die einer anderen?

    Nein, jeder Mensch, selbst extreme Gewaltverbrecher, deren Handeln für viele unverständlich und unentschuldbar ist, haben das Recht auf Wahrung ihrer Menschenwürde. Dieses Verständnis ist einer der essentiellen Bestandteile und Grundpfeiler unserer Verfassung.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich kenne mich mit Waffen und schießen ja nun mal gar nicht aus, aber wenn ich doch getroffen werde, also Arm, Schulter, Bein, zucke ich ja zusammen oder so, dann treffe ich nicht mehr, das wäre sicher zu bewerkstelligen gewesen. Und auch wenn der Täter erschossen wird, kann es doch noch sein, dass er im selben Moment abdrückt und dann beide tot und/oder verletzt sind. Ich fand es doof, weil man so den Täter, der in dem Fall ja auch nur unter Druck handelte, nicht mehr befragen konnte.

    Den vermeintlichen Showdown in der Gefängniszelle fand ich jedoch super. Wie konnte das passieren. Klar, hätten sich die Kommissare ja denken können, dass der nicht zum Vergnügen mit dem Milchmann sprechen will. Aber im Prinzip gibt es an diesem Tatort wenig auszusetzen. Die meisten langweilen mich ja nur noch, der jetzt nicht.

  • Und noch ein guter. Bei "Borowski und das Glück der Anderen" hat mich nur das große A im Titel gestört. Davon abgesehen war das ein fein konstruierter, toll besetzter, morbide-lässiger, kluger Unterhaltungsfilm mit Mordaufklärung (vulgo "Krimi"), bei dem sich ein entspannt wirkender Axel Milberg von der unglaublichen Katrin Wichmann als Peggy Stresemann ganz uneitel an die Wand spielen ließ.


    Und Ihr so? 8)

  • Geht so. Trotz durchweg guter schauspielerischer Leistungen hat mich die Geschichte nicht richtig zu packen bekommen. Irgendwie fanden sich darin zu viele Zufälle und Ungereimtheiten. Wobei mir die Kernaussage gefiel. Und das Wohnungsmassaker natürlich. :grin

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Axel Milberg ist es eigentlich immer wert das Fernsehgerät einzuschalten. Aber auch er schaffte es kaum diese krude und an den Haaren herbeigezogene Geschichte zu retten. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen nimmt pro Jahr eine Menge Gebührengeld ein - da wird doch wohl noch ein kleiner Betrag für einen Rechercheur drin sein. Es muss doch möglich sein wenigstens einen Ansatz von Realität und Glaubwürdigkeit mit in diese Geschichte einzubauen.

    Dabei können es die Kieler Tatortmache nun wirklich viel besser. Naja, jeder kann ja mal ins Klo greifen - dass muss man auch den Kieler Tatortmacher einfach mal zubilligen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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  • Voltaire, was war denn da so falsch recherchiert und deshalb unglaubwürdig - vom sehr frühen Verfallsdatum* des Loses bei der - allerdings fiktiven - Lotterie abgesehen?


    *Edit: In Deutschland gilt bei Lottospielen - unabhängig vom Anbieter - die 13-Wochen-Regel. Ab der Ermittlung der Gewinnzahlen hat man grundsätzlich 91 Tage Zeit, um seinen Anspruch geltend zu machen. Danach verfällt der Anspruch. In der gestrigen "Tatort"-Folge drohte der Verfall schon nach wenigen Tagen.

  • Tom  


    Ich habe deine Bemerkung leider erst jetzt gesehen.


    Für die Ehefrau des Getöteten bestand durchaus - auch nach erstem Hinsehen ein begründeter Anfangsverdacht - und da hätten die Ermittler es niemals zulassen dürfen, das sie sich in die Badewanne setzt. Wichtige Beweismittel könnten so ggf. verloren gehen oder würden auch vom Gericht evtl. nicht zugelassen werden.


    Intensive Nachbarschaftsbefragungen wurden offensichtlich nicht vorgeommen.


    Da das Opfer und seine Gattin aus den Gläsern getrunken hatten, hätte hier ein DNA-Test gemacht werden müssen, denn es bestand ja immerhin die Möglichkeit einer weiteren anwesenden Person.


    Wenn ich nachdenke, fallen mir sicher noch weiter Sachen ein. Ich war seinerzeit als StA (ist schon ewig her) zwar nicht mit Tötungsdelikten befasst, aber so einiges ist mir dann doch noch in Erinnerung geblieben. ;)

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  • Vorweg geschickt: Ich habe den letzten Tatort nicht gesehen und beurteile ihn auch nicht.

    Die paar Tatorte, die ich vor Jahrzehnten gesehen habe, haben mich leider gar nicht überzeugt, insgesamt wie das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen der letzten Jahre.

    Dennoch verfolge ich hier und an anderen Stellen die Diskussionen um die Reihe und frage mich, woher dieser Hype kommt und auch, warum die Produzenten auf Lokalkolorit setzen, wenn die Schauplätze eben nicht den Tatsächlichkeiten entsprechen.

    Schon vor Jahren wurde ein Kieler Tatort nach Hamburg verlegt, im letzten Tatort wurde im Hamburger Umland, immerhin noch Schleswig-Holstein, gedreht.

    Den Location Scouts fällt offensichtlich nichts mehr ein.

    Wenn alle Bilder gezeigt und alle Geschichten erzählt sind, warum wird die Reihe dann nicht eingestellt?

  • Salonlöwin, die Tatort-Folgen von heute haben mit denen "vor Jahrzehnten" nicht mehr viel gemein. Es wird experimentiert, es gibt Genremixe, es gibt sehr unterschiedliche Ermittlersituationen, das Sujet wird mal ernst genommen und mal karikiert.


    Alle Bilder sind längst gezeigt, alle Geschichten sind längst erzählt. Die paar Plots, die es gibt, sind um ein Vielfaches überbesetzt. Aber es kommt ja überhaupt nicht darauf an, eine völlig neue Geschichte zu erzählen, weder beim "Tatort", noch bei Romanen und allen anderen Formen der Erzählkunst. Entscheidend ist das Wie. Und da gibt man sich hin und wieder richtig viel Mühe, weshalb sich die Ergebnisse sehen lassen.


    Das Recht, nicht hinzuschauen, hat außerdem jeder.

  • Tom, wir werden nicht miteinander ins Geschäft kommen.

    Anspruch und beste Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen lassen sich schon lange nicht mehr verwirklichen. Ein Blick ins Fernsehprogramm reicht.

    Letztlich ist es dann auch egal, wo der Tatort spielt und wenn Schauplätze verlegt werden. Das Publikum scheint es nicht zu stören.

    Und ja, das Recht die Kiste ausgeschaltet zu lassen habe ich. Genauso wie das Recht zu hinterfragen und die Pflicht, Gebühren dafür zu zahlen.

  • Ich will Dir nichts verkaufen, Salonlöwin. Ich bin der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Medienangebote an Bedeutung gewinnen, weil der Journalismus allerorten entkernt wird, weil die Konsumenten für Recherche und Qualität und Ausbildung nicht mehr (direkt) zu zahlen bereit sind. Gleichzeitig verflacht ohne Frage das reine Unterhaltungsangebot, weil auf Sendezeiten und -plätze kaum einer mehr was gibt, schließlich ist sogar der aktuelle "Tatort" ab dem Moment der Erstausstrahlung für drei Monate im Netz verfügbar. Und die guten Serien und Filme, von Eigenproduktionen abgesehen, schaut man längst anderswo und auf andere Art. Der "Tatort" ist übrigens überwiegend eine gute Eigenproduktion - meiner Meinung nach.


    Ich habe ein paar Jahre direkt neben einer Schule in Berlin-Friedenau gewohnt, die aufgrund ihrer Architektur und Einordnung ins städtische Umfeld eine bei Film- und Fernsehschaffenden beliebte Location ist. Diese Schule befand sich mindestens schon in Köln, Freiburg und München - und das sind nur die Verwendungen in deutschen Fernsehproduktionen, die ich zufällig gesehen habe, weshalb davon auszugehen ist, dass sie eigentlich schon in jedem Bundesland (vom Saarland abgesehen) zum Einsatz gekommen ist. Ein Freund von mir vermietet einen Bauernhof im Berliner Speckgürtel an Filmproduktionen. Dadurch ist dieser Bauernhof sogar schon bis in die Provence gekommen. ;)


    Voltaire erwartet, dass jeder Plot einer staatsanwaltlichen Prüfung standhält, Du erwartest offenbar, dass mindestens geografisch alles stimmt. Ich erwarte, gut und klug unterhalten zu werden, wenigstens ab und zu (zum Beispiel am Sonntagabend). Dann muss ich mich auch nicht darüber ärgern, dass parallel auf den zig anderen öffentlich-rechtlichen Kanälen Schunkelschwachsinn oder Karnevalssitzungsübertragungen oder Warentestsendungen oder Kochshows laufen. Für die es offensichtlich auch ein Publikum gibt. Und alle treffen sich dann wieder um zwanzighundert zur "Tagesschau".

  • :klugscheiss zwanzigfünfzehn ist die "Tagesschau" schon vorbei ;)


    Es gibt mittlerweile so viele Sender, auch öffentlich-rechtliche, dass ich immer noch etwas interessantes zum Anschauen finde. Die Schwachsinnssendungen braucht man wirklich nicht schauen.


    Den Tatort schaue ich üblicherweise nicht, weil mir vor den realistisch dargestellten Verbrechern gruselt. Als damals der erste Franken-Tatort groß in unserer Lokalzeitung angekündigt wurde, habe ich ihn mir ausnahmsweise mal angeschaut - mit besonderem Augenmerk auf die lokalen Besonderheiten. Da fällt dann schon auf, dass es unrealistisch ist, in Nürnberg auf dem Hauptmarkt frische Sachen einzukaufen, wenn die Hausfrau am Rathsberg wohnt - als hätte Erlangen keinen Marktplatz!

    Von der Story und der Darstellung der Mordermittlung war ich auch nicht überzeugt. Sympathische Figuren fand ich auch nicht - also habe ich das nicht wiederholt.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

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  • Die lokalen Ungenauigkeiten sind aber halt auch den Örtlichkeiten geschuldet. Die Locationscouts suchen dabei natürlich nach stimmigen Orten und außer den Einheimischen weiß ja keiner, ob das jetzt korrekt ist, wenn z.B. am Bahnhof links abgebogen wird und man dann direkt vor der Oper steht... ;-)

    Ich habe das bei "Dreiviertelmond" gemerkt. Da war eine Szene, in der die Protagonisten vom Flughafen nach Gostenhof gefahren sind und sich dabei im Auto unterhalten haben. Im Film wurde das Auto dabei von oben gefilmt und es fuhr am Kanal entlang.

    Nürnberger wissen natürlich, daß die Strecke nicht mal ansatzweise in die Nähe des Kanals führt - aber es war halt einfach stimmungsvoller, die Unterhaltung während einer ruhigen Fahrt entlang des Kanals zu führen als im wuseligen Stadtverkehr...

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Die Franken-Tatorte kucke ich nicht gerne, eben weil ihr da die lokalen Ungereimtheiten so auffallen. Bei den anderen Locations fällt mir das schlichtweg nicht so auf, weil ich mich da einfach nicht so auskenne.

    Beim ersten Frankentatort haben auch die Wegstrecken so gar nicht gepasst und im zweiten sind sie innerhalb von ner halbe Stunde vom Nürnberger zum Münchner Flughafen gefahren, das ist selbst Nachts bei freier A9 schon kaum möglich, geschweige denn tagsüber (das sind ca. 180km)

  • Der letzte Franken-"Tatort" war dicht an der Genialität, Streifi. Vielleicht gibst Du dem einfach noch eine Chance.


    Wenn ich einen Film sehe, der in Berlin (oder an einem anderen Ort, den ich sehr gut kenne) spielt, und dann sieht man in einer Szene irgendwas im Hintergrund, das ganz woanders ist als das, was man in der gleichen Szene zwei Sekunden später im Gegenschnitt im Hintergrund sieht, weil bei der Sichtung des Rohmaterials festgestellt wurde, dass es beim ersten Versuch misslungen ist und man woanders nachgedreht hat, weil es zu schwierig war, die erste Location dafür noch einmal absperren und alles drumherum lahmlegen zu lassen, dann amüsiere ich mich. Es ist nur ein Film. Es ist nicht die Realität.


    Und wer realistische Darstellungen des Alltags will, der sollte sich überhaupt keine Filme und erst recht keine Fernsehkrimis anschauen. Echte Ermittler arbeiten nicht wie diese Leute. Sie haben ganz andere Tagesabläufe, ganz andere Kommandostrukturen, eine ganz andere Vorgehensweise. Sie machen überwiegend ganz viel Routinearbeit. Sie haben selten - außer in Sonderkommissionen, aber eigentlich nicht einmal dort - die Möglichkeit, sich ausschließlich einem Fall zu widmen. Sie arbeiten an den Fällen nicht kontinuierlich. Sie speichern Zeugendaten nicht als Kontakte in ihren Handys und wissen auch nicht nach dem ersten Gespräch alles über die Familienverhältnisse auswendig. Sie erinnern sich nicht an jedes Detail jedes zurückliegenden Falls. Sie haben nicht so endlos viele Freiheiten wie ihre Fernsehkollegen. Sie sind nicht emotional so involviert. Und, und, und. Da kommt es auf ein paar weitere Verbiegungen, die der Dramaturgie dienen, auch nicht mehr an. Fernsehkrimis müssen unrealistisch sein, weil sie sonst sterbenslangweilig wären.