'Im Westen nichts Neues' - Kapitel 04 - 06

  • Ob es vielleicht auch deshalb so viele Mitläufer Hitlers gab? Weil die damalige Generation an Krieg gewohnt war und gar nicht so richtig wusste, wie sie sich in einem normalen Leben verhalten sollten? Natürlich liegen zwischen den beiden Weltkriegen ein paar Jahre dazwischen, aber nicht wirklich viele.


    Als die Szene mit den sterbenden Pferden beschrieben wurde, kam mir zwischendurch immer wieder der Gedanke, ob Remarque die sterbenden Menschen einfach so bezeichnet hat, weil ihre Todesschreie unmenschlich waren und eher denen von Tieren glichen, die am Leben bleiben wollten und mit ganzer Kraft danach schrien...


    Wenn nicht ich für mich eintrete, wer dann?
    Wenn ich nur für mich selbst eintrete, was bin ich?
    Wenn nicht jetzt, wann dann?



  • In diesem Abschnitt und besonders im 6. Kapitel, wird der Krieg fühlbarer, der Leser wird zum stummen und betroffenen Zaungast der Grauen an der Front! Selten gehen mir Geschichten und Erzählungen so nah. Verständlich, das die Soldaten um Paul keine Vorstellung mehr von einem normalen, alltäglichen Leben haben und keine entsprechenden Ziele benennen können!


    Einzig, die Ratten haben eine Zukunft!

  • Das eine Generation an Krieg gewöhnt ist führt nicht automatisch in die nächste große Katastrophe, da hat in Deutschland weit mehr dazu gehört, und nicht nur dort, auch in anderen Ländern. Die Jahre zwischen den Kriegen waren nicht viele aber sie waren wichtig. Probleme gab es in fast allen Bereichen des Lebens, dazu gehören nicht nur der Versailler Vertrag, ein uralter Antisemitismus, das Machtvakuum zwischen Kaiserzeitlichen Eliten und schwachen demokratischen Kräften, radikale wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse ... es gab leider keinen wirklichen Frieden im Frieden. Für keinen war das Leben mehr normal, weil sich alles verändert hatte, das machte es den Daheim gebliebenen genauso schwer wie die Zurückkehrern.

  • Für mich ist dieser Abschnitt gekennzeichnet von Tod und Perspektivlosigkeit.


    Ich finde es einfach nur bedrückend, das kann man gar nicht alles aufzählen. Dieses sinnlose Massensterben, wie sehr doch Glück und/oder Zufall über das eigene Überleben entscheidet, die makabre Seite des Krieges, das die Jungs schon vorher die bereitgestellten Särge für die Opfer an der Front sehen, das "Glück" an der Front gleich getötet zu werden, bevor man noch qualvoll tagelang dahinsiecht oder vielleicht sogar verletzt nicht gefunden wird, das der Krieg selbst die Tiere einbezieht, wie sehr die Jungs später verheizt wurden, in dem sie völlig unvorbereitet oder ungenügend ausgebildet an die Front gelassen werden ... die Aufzählung könnte man noch beliebig fortführen.


    Und dann die Frage nach dem Frieden und was man dann am liebsten machen würde. Während die älteren Kriegsteilnehmer schon mitten im Leben durch Familie und Beruf standen, hängen die Jungs um Paul vollkommen in der Luft. sie haben einfach keine Perspektive, weil sie durch den Krieg verdorben sind und ihre Unbedarftheit verloren haben.

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Macska, ich empfinde es genauso. Ich habe diesen Abschnitt gerade beendet und bin noch ganz gefangen von dieser harten, widerlichen, aber ehrlichen Beschreibung. Seltsamerweise sind es Pauls Gedanken über sein Leben früher, in dass er nicht mehr hineinpassen würde und seine Zukunft, die keine mehr ist, die mich wirklich betroffen machen. Für mich wird hier die Sinnlosigkeit von diesem Krieg so deutlich.


    Vieles beschreibt Remarque sehr eindeutig, vieles deutet er aber auch nur an. Und Letzteres ist es, was es noch schrecklicher macht. Diese Sätze über die neuen Rekruten, denen die Kleider nicht passen, da sie zu jung sind, eigentlich noch Kinder. Die Ratten, die die Gräben verlassen, weil sie eine bessere Nahrungsquelle gefunden haben und dick gefressen zurückkommen. Das Beschreiben des Schreiens der sterbenden Pferde ging mir beim Lesen durch und durch. Die Reaktionen der Soldaten genauso. Die Pferde sind vollkommen unschuldig, gehören nicht an diesen Ort und sind nur dort, weil der Mensch sie dazu zwingt. Eigentlich so wie die jungen Soldaten...


    Dieses Warten im Graben, die Angriffswelle, das Angreifen und Angegriffen werden, erzählt im Präsens macht alles sehr, sehr eindrücklich und so schwer. Und so bedrückend wie dieses Buch ist, so fühle ich mich auch.

  • Hier wird der Leser mitten in die Kriegshandlungen geworfen... Während der Schlacht geht alles so schnell, die Wartezeiten ziehen sich quälen hin. Und hier merkt man auch richtig, wie die Jungens Individualismus, Bildung und Zivilisiertheit komplett ablegen und zu funktionierenden Tieren werden, die einfach nur selber überleben wollen. Wie kann man einfach so andere, fremde Menschen umbringen, mit denen man sich in anderen Situationen vielleicht gut verstehen würde? Ganz einfach, wenn wir die nicht töten, töten die uns.
    In diesem Abschnitt wird ganz besonders deutlich, dass die Jungens vorne an der Front nur Kanonenfutter sind, mit deren Tod gerechnet wird, die aber von den Befehlshabern nicht als Menschen wahrgenommen werden...

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • Besonders diesen Abschnitt fand ich bedrückend, wie eigentlich das gesamte Buch, aber hier ist es besonders extrem. Den Krieg so beschrieben zu bekommen ist sehr beklemmend und macht so deutlich, warum ich froh bin, dass ich keinen Krieg selbst erlebt habe. Besonders die Gasangriffbeschreibungen sind schlimm.


    Aber ich frage mich, an welcher Front die Jungen kämpfen. So ganz klar ist es mir nicht, auch wenn es den Soldaten egal zu sein scheint.

  • Zitat

    Original von Saiya
    Macska, ich empfinde es genauso. Ich habe diesen Abschnitt gerade beendet und bin noch ganz gefangen von dieser harten, widerlichen, aber ehrlichen Beschreibung. Seltsamerweise sind es Pauls Gedanken über sein Leben früher, in dass er nicht mehr hineinpassen würde und seine Zukunft, die keine mehr ist, die mich wirklich betroffen machen. Für mich wird hier die Sinnlosigkeit von diesem Krieg so deutlich.


    Vieles beschreibt Remarque sehr eindeutig, vieles deutet er aber auch nur an. Und Letzteres ist es, was es noch schrecklicher macht. Diese Sätze über die neuen Rekruten, denen die Kleider nicht passen, da sie zu jung sind, eigentlich noch Kinder. Die Ratten, die die Gräben verlassen, weil sie eine bessere Nahrungsquelle gefunden haben und dick gefressen zurückkommen. Das Beschreiben des Schreiens der sterbenden Pferde ging mir beim Lesen durch und durch. Die Reaktionen der Soldaten genauso. Die Pferde sind vollkommen unschuldig, gehören nicht an diesen Ort und sind nur dort, weil der Mensch sie dazu zwingt. Eigentlich so wie die jungen Soldaten...


    Dieses Warten im Graben, die Angriffswelle, das Angreifen und Angegriffen werden, erzählt im Präsens macht alles sehr, sehr eindrücklich und so schwer. Und so bedrückend wie dieses Buch ist, so fühle ich mich auch.


    Das hast du perfekt beschrieben! Besonders die kurzen Andeutungen machen das Buch umso grausamer. Die beiläufige Erwähnung vermittelt das Gefühl, als wären die Umstände nicht weiter nennenswert.


    Die Kriegsszenen sind sehr grausam. Sogar Tode müssen "ein zweites Mal sterben". Und auch das Warten auf die nächste Schlacht belastet die Soldaten. Platzangst. Panik. Ratten und schwindende Nahrungsmittelrationen - ich kann mir kaum vorstellen, wie das die Soldaten ausgehalten haben!? Ich jammer ja schon, wenn ich Appetit bekomme und zum Kühlschrank laufen muss (mal etwas überspitzt formuliert).


    Durch Remarques Schilderungen explizite Schilderung frage ich mich immer wieder "Warum? Warum muss es soetwas geben?" Vor allem auch, weil ich die Euphorie von Freunden und Bekannten erschreckend finde, wenn sie über ihre Bundeswehr-Zeit sprechen. Sie diese Zeit sogar vermissen scheinen.

  • Diesen Abschnitt fand ich noch bedrückender als den ersten.
    Ich muss gestehen, dass ich das alles ziemlich distanziert lese - normalerweise bin ich jemand, der recht schnell bei Büchern mal mit den Tränen kämpft -, aber hier kann ich das alles nicht so recht an mich ranlassen.
    Alles ist so völlig hoffnungslos und sinnlos. Alles, was man den Jungs wünschen kann, ist von einem Tag zum nächsten zu überleben - und dann; und wofür? Ich wünsche dem Paul fast, dass er verletzt wird. Schlimm genug, dass er nach Hause kann - obwohl auch da ja nicht wirklich was auf ihn wartet -, denn über kurz oder lang wird wohl jeder aus dieser Kompanie sterben.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Zitat

    Original von muuuiuunuuiuuuw
    Durch Remarques Schilderungen explizite Schilderung frage ich mich immer wieder "Warum? Warum muss es soetwas geben?" Vor allem auch, weil ich die Euphorie von Freunden und Bekannten erschreckend finde, wenn sie über ihre Bundeswehr-Zeit sprechen. Sie diese Zeit sogar vermissen scheinen.


    Wer nicht selbst Soldat gewesen ist, wird das kaum nachempfinden können. Ich gehe mal davon aus, dass du nicht das "Graue Ehrenkleid der Nation" getragen hast.


    Mein Großvater war Major im Kaiserlichen Heer und für ihn war der Sinn des Krieges damals klar formuliert: "Für den Kaiser und das Vaterland!".


    Und auch während meiner Bundeswehrzeit gab es einen klaren Verteidigungsauftrag.


    Und warum muss das so sein, warum muss es Armeen geben?
    Würde ich einseitig abrüsten, wäre ich schutzlos dem Angriff potentieller Gegner ausgeliefert. Und das wird wohl niemand wollen - und da eine gleichzeitige totale Abrüstung eine reine Utopie ist, werden wir auch weiterhin Armeen haben. Und pazifistische Utopien haben noch niemals etwas Sinnvolles bewegt oder erreicht.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Wer nicht selbst Soldat gewesen ist, wird das kaum nachempfinden können. Ich gehe mal davon aus, dass du nicht das "Graue Ehrenkleid der Nation" getragen hast.


    Jap, das habe ich tatsächlich nicht.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Mein Großvater war Major im Kaiserlichen Heer und für ihn war der Sinn des Krieges damals klar formuliert: "Für den Kaiser und das Vaterland!".


    Und auch während meiner Bundeswehrzeit gab es einen klaren Verteidigungsauftrag.


    Dem Wehrdienst zum Schutz des Vaterlands anzutreten, kann ich sogar verstehen und stehe dem auch nicht feindlich gegenüber. Schließlich erweckt das den Eindruck, als diene man einer höheren Sache. Nur oftmals habe ich das Gefühl, dass viele die Bundeswehrzeit als einen Riesen-Spaß ansehen und genau das stört mich. Das soll nicht heißen, dass sie spaßbefreit ihre Zeit absitzen sollen, sie sollten nur den Ernst dahinter im Auge behalten.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Und warum muss das so sein, warum muss es Armeen geben?
    Würde ich einseitig abrüsten, wäre ich schutzlos dem Angriff potentieller Gegner ausgeliefert. Und das wird wohl niemand wollen - und da eine gleichzeitige totale Abrüstung eine reine Utopie ist, werden wir auch weiterhin Armeen haben. Und pazifistische Utopien haben noch niemals etwas Sinnvolles bewegt oder erreicht.


    Auch hier gebe ich dir Recht, denn auch wenn ich pazifistisch denke, bin ich dennoch Realist und weiß, dass absoluter Pazifismus - wie du schon sagst - utopisch ist. Meine Frage, warum es dennoch Kriege geben muss, ist darum eher rhetorisch gemeint.

  • Zitat

    Original von muuuiuunuuiuuuw
    Nur oftmals habe ich das Gefühl, dass viele die Bundeswehrzeit als einen Riesen-Spaß ansehen und genau das stört mich. Das soll nicht heißen, dass sie spaßbefreit ihre Zeit absitzen sollen, sie sollten nur den Ernst dahinter im Auge behalten.


    Warum warst Du dann nicht selbst dort, wenn es so wichtig ist. Aussagen mit "sie sollten ..." klingt gut, sind aber sehr einfach, wenn man nicht selbst betroffen ist.


    Zitat

    Original von muuuiuunuuiuuuw
    Meine Frage, warum es dennoch Kriege geben muss, ist darum eher rhetorisch gemeint.


    Tja, warum streiten sich Menschen? Bei Ländern geht es meist um Macht und Geld.

  • Zitat

    Original von xexos


    Warum warst Du dann nicht selbst dort, wenn es so wichtig ist. Aussagen mit "sie sollten ..." klingt gut, sind aber sehr einfach, wenn man nicht selbst betroffen ist.


    Warum ich nicht dort war: ich wurde ausgemustert. Aber selbst wenn ich gedurft hätte, hätte ich den Zivildienst bevorzugt. Wie bereits gesagt, ich kann verstehen, wenn jemand der Bundeswehr beitritt und zum Schutze des Vaterlandes (oder wem auch immer) dient. Für mich (!) ist das allerdings kein Grund.
    Und ich muss der Bundeswehr auch nicht beitreten, nur weil ich es als wichtig erachte. Liegt daran, dass ich andere politische/soziale Organe wichtiger finde.

  • Was mir beim Lesen dieses Abschnittes alles durch den Kopf und durch das Herz ging, kann ich gar nicht ausdrücken.
    Viele Szenen haben mich berührt, aber auch ratlos und leer zurückgelassen. Gleichzeitig genieße ich Remarques Schreibstil und sauge seine sprachlichen Bilder auf- und schäme mich fast dafür.


    Im vierten Kapitel haben mich die Gefühle der Soldaten berührt, besonders die Szene als der junge Soldat zu Paul robbt und sich an ihn schmiegt. Haben sie ihm den Gnadenschuss gegeben oder muss er auch so qualvoll streben wie viele andere? Das bleibt für mich offen.


    Immer wieder taucht das Motiv der verlorenen Jugend auf.


    Zitat

    "Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben." S. 67


    Ein weiteres Motiv, das immer wiedre auftaucht, ist die Kameradschaft untereinandre, die der einzige Halt ist.

    Zitat

    "So sitzen wir uns gegenüber, Kat und ich, zwei Soldaten, in abgeschabten Röcken, die eine Gans braten, mitten in der Nacht. Wir reden nicht viel, aber wir sind voll zarterer Rücksichtnahme miteinander, als ich mir denke, dass Liebende es sein können." S. 71


    Die Beziehung wirkt intensiver als eine Liebesbeziehung, weil sie existenzieller ist.


    Himmelstoß kommt an die Front und nun kehrt sich die Beziehung um. Jetzt sind es die Untergebenen, die überlegen sind, weil sie im Frontkrieg Erfahrung haben. Himmelstoß hat keine Macht mehr über sie. Macht hat lediglich die nackte Angst vor dem Tod.


    Kapitel 6 ist kaum zu ertragen. Wenn ich es beim Lesen kaum schaffe, wie kann es dann ein Mensch ertragen?


    Zitat

    "Wir liegen unter dem Gitter der Granatenbogen und leben in der Spannung des Ungewissen. Über uns schwebt der Zufall. " S. 75


    Überleben ist kein Geschick, es ist der pure Zufall, der die anderen trifft.


    Zitat

    "Aus uns sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern die Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Händen und Helmen der Tod hinter uns her, wir können ihm (...) ins Gesicht sehen." S. 83/84


    Die lebenshungrigen Gymnasiasten sind längst Kampfmaschinen geworden- oder Verteidigungsautomaten. Anders ist der Krieg auch nicht zu ertragen. Die eigene Degradierung zum Tier ist die Loslösung einer morlischen Schuld. Ein Tier folgt dem Instinkt und kann für sein Handeln nicht verantwortlich gemacht werden. Der Soldat an der Front auch nicht?
    Der Gegener ist zunächst ebenfalls kein menschliches Gegenüber, erst im Nahkampf bekommt der Feind ein Gesicht.
    Der Überlebenstrieb steht hier ganz klar im Fordergrund, es gibt keine Rechtfertigung für das unvorstellbare Leid.


    Zitat

    "Die braune Erde, die zerrissene, zerborstene braune Erde, fettig unter dne Sonnenstrahlen schimmernd, ist der Hintergrund rastlos dumpfen Automatentums (....) - so taumeln wir vorwärts, und in unsere durchsiebten, durchlöcherten Seelen bohrt sich quälend eindringlich das Bild der braunen Erde mit der fettigen Sonne und den zuckenden und toten Soldaten (...)" S. 85


    Die Sinnlosigkeit des Krieges verursacht mir an dieser Stelle Übelkeit. Die Machtgier der Befehlshaber führt die jungen Männer zur Schlachtbank.


    Der Wechsel zwischen Szenen mit Kampfhandlung, nüchterner Darstellung von Tötungsmethoden wie das Schädelspalten mit einem Spaten und dann wieder absolut idyllischen Sätzen wie "Der Abendsegen beginnt." (S. 87) sowie die Einblicke in die Ängste und die psychische Zerstörung der Menschen, das ist absolut eindringlich.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von muuuiuunuuiuuuw
    ...
    Durch Remarques Schilderungen explizite Schilderung frage ich mich immer wieder "Warum? Warum muss es soetwas geben?" Vor allem auch, weil ich die Euphorie von Freunden und Bekannten erschreckend finde, wenn sie über ihre Bundeswehr-Zeit sprechen. Sie diese Zeit sogar vermissen scheinen.


    Ich denke, dass man die Ausbildung im Wehrdienst überhaupt nicht mit den Zuständen im Krieg vergleichen. Schon gar nicht nach dem Lesen dieses Abschnittes.
    Das wird auch im Buch deutlich. Die Ausbildung und die damit verbundene Demütigung unter Himmelstoß und das tatsächliche Kriegsgeschehen haben nicht viel miteinandre zu tun. Himmelstoß und alle anderen "frischen" Rekruten treffen völlig unvorbereitet an der Front ein. Kats angeborener Überlebensinstinkt ist viel wertvoller als es jede Ausbildung sein kann.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Also, den Wehrdienst, den bis (ich gestehe, ich weiß nicht genau bis wann) irgendwann jeder leisten musste - oder eben Zivildienst als Ausgleich - kann man, glaube ich, nicht vergleichen mit dem, wie es ist, wenn jemand völlig freiwillig sich meldet und WEISS, dass er an der Front landen wird.
    Die Zeit bei der Bundeswehr haben viele meiner ehemaligen Mitschüler als Spaß empfunden. Einfach deshalb, weil jeder nur darum dort war, weil es eben so musste. Abi, dann Bundeswehr oder Zivildienst, dann Studium/Ausbildung.
    Ich fand deren Geschichten zwar immer eher ekelig als lustig - aber gut, ich bin ja auch ne Frau, Männer unter sich entwickeln da wohl einen anderen Humor*g*. Aber verwundert hat mich nicht, dass die die Zeit da ganz gut fanden und nicht wirklich ernsthaft bei der Sache waren, einfach deshalb, weil keiner wirklich freiwillig da war und wirklich keiner auch nur entfernt gedacht hat: das, was ich hier lerne, brauche ich mal im Krieg. Das war halt einfach: ich muss das jetzt eben machen und mach das Beste draus und dann studier ich endlich. Das hat keiner als Vorbereitung auf einen Krieg gesehen, anders ist es sicher, wenn sich jemand freiwillig meldet.


    Und da bin ich ganz bei Voltaire, natürlich braucht man - leider - gut ausgebildete Soldaten. Aber ich denke, wer das freiwillig macht und nicht nur als Zwangszwischenstation ansieht, bis er endlich machen kann, was er machen will, der ist dann auch mit dem nötigen Ernst dabei. Wer sich freiwillig meldet, muss ja auch damit rechnen, mal in einem Krisengebiet zu landen. Die "Zwangseingezogenen", die haben doch das nur als Übel angesehen - meistens jedenfalls -, das sie überstehen müssen, bis sie dann ihr Leben weiter leben können. Da hat doch keiner gedacht: Oh, hier lerne ich was Wichtiges! Falls ich mal an die Front muss! (Und ich finde das gut, dass wir in einer Zeit leben, wo man so denken kann) Meine Bekannten, die sich für den Wehrdienst entschieden haben, haben das nur darum gemacht, weil sie dachten: Zivildienst ist noch anstrengender. Und die hatten dann oft tatsächlich ne witzige Zeit da. Ernst genommen hat das keiner, weil ja, zum Glück, gar nicht im Raum stand, dass man in einen Krieg geschickt wird. Das musste man halt machen und fertig.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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  • Zitat

    Original von Frettchen
    Also, den Wehrdienst, den bis (ich gestehe, ich weiß nicht genau bis wann) irgendwann jeder leisten musste - oder eben Zivildienst als Ausgleich - kann man, glaube ich, nicht vergleichen mit dem, wie es ist, wenn jemand völlig freiwillig sich meldet und WEISS, dass er an der Front landen wird.
    ...


    Ich denke, dass man, auch wenn man Berufssoldat wird, sich nicht wirklich auf den Krieg vorbereiten kann. Zumindest nicht psychisch.
    Und schon gar nicht auf das, was danach auf einen zukommt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin