Was ist so toll am Mittelalter?

  • Das frage ich mich immer wieder, wenn ich in einen Buchladen gehe und in der Ecke für Historische Romane nach den Neuerscheinungen greife. Ein Blick auf den Umschlag genügt:


    "Regensburg 1154..."


    oder


    "Im Jahr 983 ...."


    Schon wieder! Mittelalter. Und ein Blick ins Eulenforum bestätigt es: über 4000 Einträge (!) zu "mittelalterlichen" Büchern. Die Bücher, die sich mit den umliegenden Jahrhunderten befassen liegen weit dahinter und können bestenfalls halb soviele Einträge verbuchen.


    Ist ja grundsätzlich schön und gut, dass es Romane gibt, die eine Geschichte erzählen, die im Mittelalter spielt, aber weshalb tritt dieses Genre so gehäuft auf? :lanze


    Liegt es daran, dass das Mittelalter so finster war und daher einen Reiz ausübt (Jungfrauen in Nöten, Hexenverbrennung, die Macht der Kirche, Ritter und Schwertkämpfe)?


    Oder kann man sich in Sachen Historie mit dem Mittelalter mehr Freiheiten erlauben, weil das gesellschaftliche Umfeld nicht so klar hervortritt oder dokumentiert ist wie beispielsweise zur Zeit der Französischen Revolution?


    Oder liegt es speziell an den deutschen Lesern, die einen geheimen Hang zu dieser Epoche haben?


    Aus dem Bekanntenkreis erklärte mir jemand, es müsse am "Herr der Ringe"- Hype liegen. Soll heißen, alles, was mit ähnlichen Requisiten aufwartet, kommt gut an. ?(


    Also denn, woran liegt es? Ich will's wissen.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Gegenfrage


    Was ist so toll an Krimis, an Liebesgeschichten, an Dramen, an Geschreibsel allgemein, die letzte Zeit war eben das Mittelalter hipp, darin fand, findet man Liebe, Crime, drugs Rocknroll, alles was in anderen Büchern eben auch so steht...hm

  • Alexx61


    Die Überschrift des Threads ist bewußt provokant gewählt. Ich möchte die Mittelalterromane damit keineswegs abwerten. Sie sind weder besser noch schlechter als Krimis, Liebesromane etc.
    Die einzige Frage, die hier im Raum steht, ist die, weshalb es gerade davon seit ein paar Jahren so viele gibt.


    P.S. Über Rock 'n Roll im Mittelalter muss ich noch nachdenken...

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Zitat

    Original von Alice Thierry


    . Ich möchte die Mittelalterromane damit keineswegs abwerten. Sie sind weder besser noch schlechter als Krimis, Liebesromane etc.
    P.S. Über Rock 'n Roll im Mittelalter muss ich noch nachdenken...


    Ich werte das auch gar nicht, ich hab mir darüber z.B. nie Gedanken gemacht, gibt Zeiten da verschling ich Mittelalterkrempel, dann gibts Zeiten wo ichs gar nicht lesen kann, jetzt ist halt die Mittelalterzeit, nächstes Jahr kommt wieder was anderes, das sich da jetzt viele Schreiberlinge dranhängen ist doch klar, auch die wollen leben und essen, oder?

  • Sind das wirklich mehr geworden in den letzten Jahren?


    Ich hab mich schon immer für historische Romane interessiert und von Anfang an eigentlich für das Mittelalter und die Renaissance. Die Epochen davor und danach haben mich hingegen kaum gereizt.


    Vom Herrn der Ringe bin ich jedenfalls nicht beeinflusst worden.


    Was mich genau daran reizt? Hab ich mir nie Gedanken drüber gemacht. Ich kann mich in diese Epochen einfach gut reinversetzen, die beflügeln meine Fantasie ;-)


    Hin und wieder brauche ich aber auch mal nen Krimi zur Abwechslung.

  • Ich kanns mir auch nicht wirklich erklären... bis jetzt gehöre ich auch nicht zu den Fans der historischen Bücher im Allgemeinen, aber seit geraumer Zeit denke ich darüber nach mal was Historisches zu lesen und wenn ich genauer überlege, dann soll es auch im Mittelalter spielen...
    Ein Erklärungsansatz wäre vielleicht, dass viele schon als Kinder das Mittelalter erfahren... wer verkleidet sich nicht gerne als Prinzessin oder als Ritter... aber hast du Karneval schonmal ein Kind gesehen, dass als Napoleon oder als meinetwegen als Caesar verkleidet war? Ausserdem spielen Märchen wie Dornröschen oder Aschenputtel gewissermassen auch im Mittelalter... es gibt ne Burg, nen Prinz, ne Prinzessin und ne böse Hexe... das gibt es im Mittelalter auch alles, zwar nicht unbedingt in den historischen Romanen, aber die Wurzeln könnten bei einigen dennoch da liegen!
    Bei mir in der Grundschule gab es zum Beispiel auch jedes Jahr eine Ritterwoche... und da wären wir schon wieder im Mitteralter!

    :wave Gruß Dany


    Die Wirklichkeit ist etwas für Leute, die mit Büchern nicht zurechtkommen.
    Leserweisheit

  • Bei mir ist die Erklärung, dass ich einfach Geschichte liebe. Injeglicher Form und Fassung. :grin


    Das ich jetzt aber mehr Mittelalterromane lese, könnte ich nicht sagen und mir wäre jetzt auch ohne dich nicht aufgefallen, dass es mehr Bücher zum Mittelalter gibt als zu irgendwelchen anderen Epochen :pille


    lg,

  • Mit der Epoche hat das sicherlich nur am Rand zu tun. Deshalb gehören die meisten dieser Romane eigentlich zur Fantasy.


    Das Wort Mittelalter löst eine unmenge verträumter Assoziationen aus, die mit der Epoche nichts zu tun haben: die Hexenverfolgung tobte in der Neuzeit, die schlimmsten Seuchen auch und das Rittertum wie wir es uns vorstellen, ist eine Erfindung der Romantik. Mir ist unter den Mittelalterromanfans unter meinen Freunden aufgefallen, das sie dabei an Essen mit den Fingern, extreme Unterschiede zwischen Arm und Reich, böse Kirchenmänner, Ritter im Harnisch, die alles :nono was sich nicht bei 3 in Luft aufgelöst hat, und viel nackte Haut. :rolleyes :pille


    Wenn ein Roman aus genau diesen Komponenten besteht, wird er totsicher erfolgreich. :lache

  • Zwar bin ich keine intime Kennerin der Mittelalterliteratur (genaugenommen kenn ich nur den Namen der Rose :grin), aber ich habe mich auch schon über die massive Mittelalterhäufung bei den historischen Romanen gewundert. :gruebel
    Vielleicht liegt das daran, dass das die älteste noch präsente Epoche in unserem "natürlichen" Umfeld ist. Mittelalterliche Städtchen und Burgen gibt's in unseren Breiten ja zuhauf, nach römischen Hinterlassenschaften muss man da schon länger suchen, und Himmelscheiben werden noch seltener ausgebuddelt. Das Mittelalter ist um uns, aber eben, anders als die deutlich besser dokumentierte Neuzeit, irgendwie auch fremd und unheimlich.
    Andererseits ist es bestimmt auch einfach eine Modeströmung, ich kann mich dunkel erinnern, dass vor 20 Jahren gerade Steinzeit angesagt war.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • hanako hat es schon korrigiert; die Hexenverfolgung wird immer wieder mit dem Mittelalter assoziiert, ist aber zumindest auf den deutschen Raum bezogen kein mittelalterliches, sondern ein neuzeitliches Phänomen.
    Und vor allem, wenn ich mir dann anhören muss in einem Seminar, dass die meisten denken, alle Burgen bestehen aus Stein (Vor allem, weil das Königtum nicht etwa ein fahrendes war...) oder aber jeder Bauer hatte vor seinem Pflug zwei prachtvolle Kaltblüter gespannt, dann ist das ein Bild, was geprägt wurde von der Romantik und von deren romantisch - verklärtem Geschichtsbild, aber dies sollten keine Punkte sein, die in einen historischen Roman, wo ich eine gewisse Recherche erwarte, seitens eines Autors, Einfluss finden sollten.


    Ich habe auch kein glückliches Händchen; immer, wenn ich einen historischen Roman lese, sind die Themenkomplexe ähnlich fantasievoll - Frauen, in Männerkleidern, Frauen, verfolgt von der Inquisition, Frauen, verfolgt, weil sie ein paar Kräuter gesammelt haben, Frauen, die grundsätzlich von Männern misshandelt, missbraucht oder sonst irgendwie schlecht behandelt werden.


    Entweder erwische ich die eher schlechteren historischen Romane oder aber derzeit verlaufen die meisten nach Stereotypen...

    Wenn ich ein Buch lese, ein gescheites ebenso wie ein törichtes,
    ist es mir, als lebte es und spräche mit mir. (Jonathan Swift, 1667 - 1747))


    :lesend Vladimir Nabokov - Lolita (Leserunde)

  • Ich mag auch ganz gern Mittelalterromane, warum das so ist, kann ich gar nicht sagen.
    Allerdings mag ich auch was danach kommt. Auch 18. u. 19. Jahrhundert. Nur was VOR dem Mittelalter war, mag ich nicht sooo gern. Aber vielleicht hab ich auch nur keinen guten Roman bis jetzt in den Händen gehalten.

  • Ich finde nicht, dass es was mit dem "Herr der Ringe-Hype" zu tun hat. Ist ne ganz andere Geschichte.


    Für mich ist es einfach interessant, zu erfahren, wie die Menschen damals gelebt haben. Wie die Frauen unterdrückt wurden, Hexen verbrannt wurden, Foltermethoden usw. Ein normales Sachbuch ist mir zu trocken, also les ich es lieber verpackt in einem Mittelalterroman.


    Super find ich auch, dass viele Geschichten in Städten spielen, in denen man selber schon oft war ("Die Tochter des Salzsieders" in Schwäbisch Hall oder "Die Hexe von Freiburg" in Freiburg). Man kann sich dann richtig das Treiben auf den Gassen vorstellen :-)


    Aber ja, es geht im Grunde immer wieder um das Gleiche: Frauen in Männerkleidern, Hexenverbrennungen, Wanderhuren usw. Aber dennoch ist jede Geschichte anders. Ich les halt alle paar Monate mal einen, das lässt sich aushalten.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    - Cicero


    :lesend Harlan Coben - Ich vermisse dich

  • Ich persönlich bin kein großer Fan vom Mittelalter. Durch meine Mutter komme ich aber immer daran, wenn ich mal Lust auf dieses Genre verspüre.


    Besonders gut fand ich z. B. "Die Säulen der Erde" von Ken Follett oder "Die Wanderhure" von Ivy Lorentz.

  • Kann es nicht einfach daran liegen, das nach 500 Jahren Antike 1000 Jahre Mittelalter und danach 500 Jahre Neuzeit die letzten 2000 Jahre ausmachen- da ist einfach 500 Jahre mehr Platz zum Schreiben. Und natürlich ist es auch so, dass mit Ausnahme der von Genre gut abgedeckten Griechen und Römer die Zeit ab 1000 n.Chr. dann so gut dokumentiert ist, dass man auch etwas wirklich historisches und nicht reine Fantasy verfasen kann.

  • Also durch Herr der Ringe bin ich nicht zum Historischen gekommen.


    Ich finds halt einfach schön und interessant zu lesen, wie die Leute so im Mittelater gelebt haben. Für mich hat ein Historischer Roman eine ganz spezielle Atmosphäre, eine "andere Welt" in die ich eintauchen kann, weg von dem modernen, dem Stress, dem Zeitalter der PC und Natels.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Kann es nicht einfach daran liegen, das nach 500 Jahren Antike 1000 Jahre Mittelalter und danach 500 Jahre Neuzeit die letzten 2000 Jahre ausmachen- da ist einfach 500 Jahre mehr Platz zum Schreiben. Und natürlich ist es auch so, dass mit Ausnahme der von Genre gut abgedeckten Griechen und Römer die Zeit ab 1000 n.Chr. dann so gut dokumentiert ist, dass man auch etwas wirklich historisches und nicht reine Fantasy verfasen kann.


    Huhu,


    wollte ich auch grad schreiben. Denke daran liegt es. Diese lange Zeitspanne bietet eine große Variation, da ist für jeden was dabei. ;) Und damit auch noch genug "Spielraum". Bei späteren Settings muss man eventuell schon zu sehr aufpassen auch zeitgetreu zu schreiben. Die Welt wandelte sich dann einfach zu schnell.


    Grüße!

    So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom- und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu. F. Scott Fitzgerald

  • Zitat

    weg von dem modernen, dem Stress, dem Zeitalter der PC und Natels


    Das faßt es m.E. zusammen, obwohl es inhaltlich natürlich nicht richtig ist. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, daß sich die Leute in eine einfachere, überschaubarere Welt zurückzuträumen versuchen, eine, die aus heutiger Sicht zwar immer noch verständlich und nachvollziehbar ist, aber weitaus beschaulicher, einfacher und irgendwie behaglicher. Tatsächlich ist das natürlich totaler Blödsinn. Die meisten Leute hatten eine Lebenserwartung von dreißiglangsam Jahren, sind an jedem Pups gestorben, mußten von Kindheit an rund um die Uhr arbeiten, standen in obskuren, knechtschaftsähnlichen Arbeitsverhältnissen, hatten so gut wie keine Freiheiten und/oder Rechte - und Dinge wie Freizeit gab es nicht, der Begriff ist erst viel später geprägt worden. Oder "Entfaltung". Berufsbilder wurden vererbt, Ehen oktroyiert, und nur wenige haben je ihr Heimatdorf verlassen. Es herrschten Monarchen. Viele Menschen waren Leibeigene. Von der Rolle der Kirche ganz zu schweigen. Mag sein, daß unsere Zeit "hektischer" ist oder uns wenigstens so vorkommt, aber die Lebensqualitäten sind nicht einmal vergleichbar.