Amelie Fried - Schuhhaus Pallas. Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte

  • Über die Autorin
    Amelie Fried, geb. 1958, ist bekannt als Fernsehmoderatorin und als Autorin von Fernsehromanen und Kinderbüchern. Sie ist verheiratet mit dem Drehbuchautor Peter Probst, der den Anstoß zu diesem Buch gab und maßgeblich daran mitgearbeitet hat. Amelie Fried und Peter Probst haben zwei Kinder und leben in Oberbayern.


    Kurzbeschreibung
    Amelie Fried auf den Spuren ihrer Familiengeschichte in der NS-Zeit. Frieds Großvater lebte als Jude und Österreicher in Ulm und besaß dort das Schuhhaus Pallas. Nach 1933 gerät er ins Visier der Nationalsozialisten: Nahe Verwandte des Großvaters werden im KZ ermordet. Er selbst überlebt nur durch einen unglaublichen Zufall. Nach dem Krieg führt die Familie wieder ihr gutbürgerliches Ulmer Leben. Amelie Frieds Vater wird der große Zeitungsverleger seiner Heimatstadt - trotzdem schweigt dieser Mann des Wortes sein Leben lang über die Nazizeit. Warum, das unter anderem versucht seine Tochter in diesem Buch zu ergründen. Sie selbst musste nach ihrer Familiengeschichte erst forschen. Sie erzählt sie, weil ihre eigenen Kinder sie erfahren sollen - sie und alle anderen, die wissen wollen, was damals gewesen ist.


    Meine Meinung
    Die Autorin ist sicher vielen – besonders vielen Frauen – durch ihre lustigen und teils auch ironischen Kolumnen in Frauenzeitschriften bekannt. Doch nun hat sie ein Buch veröffentlicht, das sich von ihren anderen bisher erschienenen Büchern ganz deutlich abhebt. Hier geht es nicht um die bekannt-bewährte leichte Kost, hier wird uns starker Tobak serviert.


    Die Autorin schreibt nämlich über ihre Familie. Und das, was sie über sie herausgefunden hat. Darüber dass ein großer Teil dieser Familie den Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist und auch darüber, wann und wie sie das herausgefunden hat. Denn ihr Vater wollte zeitlebens nie über diese Zeit sprechen. Und wie Amelie Fried lange nach seinem Tod herausgefunden hat, aus gutem Grund.


    Das Buch ist die Geschichte einer Familie. Nur einer exemplarischen Familie unter ganz vielen, die versucht haben, diese Zeit irgendwie zu überstehen. Man liest von den verschiedensten Versuchen, irgendwie durchzukommen…. Erst durch Kopf in den Sand stecken, dann mit den verschiedensten Plänen. Einige gelingen – andere misslingen.


    Und so entdeckt die Autorin im Laufe ihrer Recherchen die Spuren von immer mehr Verwandten, die Opfer dieser unsäglichen Zeit geworden sind und sie entdeckt ein paar wenige, die entkommen konnten und deren Flucht sie an die entlegensten Ecken der Welt führte.


    Man sieht die beschriebenen Plätze teils auch durch die Augen der Autorin „doppelt“: einmal so, wie sie heute sind und einmal so, wie sie wohl damals waren. Auch – und gerade - in meiner Stadt gibt es ganz viele dieser Orte.


    Das Buch ist eine Art dokumentarischer Chronik, dabei vermischt die Autorin geschickt historische Daten mit den Vorkommnissen in ihrer Familie und flicht auch eigene Gedanken ein. Das Ergebnis ist sehr gut lesbar und zumindest für mich – die sich sehr für diese Zeit interessiert – ein sehr interessanter Lesestoff gewesen.


    Das Buch selbst ist mit etlichen Bildern und einem umfangreichen Erklärungsteil versehen. In diesem habe ich nicht so oft nachgeschlagen, der auf den letzten Seiten abgedruckte Stammbaum aber war mir immder wieder eine wertvolle Hilfe, weitläufige Verwandte „an der richtigen Stelle“ einzuordnen.


    An dieser Stelle möchte ich auch auf das Projekt Stolpersteine aufmerksam machen, das mir erstmals in Berlin begegnet ist (aber eben auch in diesem Buch) und das es bereits in vielen deutschen Städten gibt – eine, wie ich meine, schöne kleine Idee gegen das Vergessen.


    Wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hat: Das Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen.


    Wer mehr darüber wissen möchte, hier noch ein Link zum Projekt Stolpersteine

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Danke Batcat für deine Rezi!

    Zitat

    Die Autorin ist sicher vielen – besonders vielen Frauen – durch ihre lustigen und teils auch ironischen Kolumnen in Frauenzeitschriften bekannt. Doch nun hat sie ein Buch veröffentlicht, das sich von ihren anderen bisher erschienenen Büchern ganz deutlich abhebt. Hier geht es nicht um die bekannt-bewährte leichte Kost, hier wird uns starker Tobak serviert.


    Das habe ich auch gleich gedacht, so kenne ich die Amelie Fried gar nicht, das Buch, die Thematik ist wirklich überraschend.
    Ihr lockere Schreibstil gefällt mir sehr. Bin gespannt wie sie ein ernstes Thema meistert.

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Danke für Deine Rezi. Habe das Buch sofort auf meine Wunschliste gesetzt. Das Projekt Stolpersteine kenne ich. In nahen Brühl gibt es sehr viele von diesen Stolpersteinen. Eine wirklich gute Idee!!

  • :danke für die Rezi - ist sofort auf die Wunschliste gewandert


    Amelie Fried ist nun nicht gerade eine Autorin, deren Bücher ich kaufe, aber dies scheint eine ganz neue Seite an ihr zu sein.


    Ich glaube, Stolpersteine gibts in Nürnberg auch, bin mir aber nicht ganz sicher

  • Danke, freut mich, daß Euch die Rezi gefallen hat.


    Richie,


    auch in Nürnberg gibt es Stolpersteine. Mir sind in der Innenstadt erst neulich welche vor dem Hirmer aufgefallen, falls Du den kennst. :wave

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hallo Batcat,
    kannst du sagen, warum der Vater der Autorin die Familiengeschichte verschweigt, ohne zuviel über das Buch zu verraten?


    Stolpersteine gibt es auch bei uns in der Stadt. Einige sogar. Leider sind sie nicht sehr haltbar. Die eingeprägten Daten scheinen bei viel belaufenen Steinen leider schon nach kurzer Zeit zu verblassen, so dass die Opfer schon wieder in Vergessenheit zu geraten drohen.
    Berufsbedingt habe ich in einigen alten Dokumenten Spuren auf jüdisches Leben in meiner Stadt gefunden, die abrupt abreißen - wahrscheinlich mit der Verschleppung der Einwohner in Vernichtungslager. Ich fand das immer sehr beklemmend.


    Mit meinem Großeltern konnte ich leider auch nie über diese Zeit reden. Ein bißchen verstehe ich sie, denn sie waren immer in der Defensive mir gegenüber. Mein Großvater hat jeden Versuch einer Unterhaltung abgeblockt, nur meine Großmutter hat versucht, mir zu erklären, dass sie sich aktiven Widerstand allein mit drei kleinen Kindern einfach nicht leisten konnte. Sie hat sich durch die Zeit durchgemogelt, so gut es ging und musste mit ihrem losen Mundwerk schon vorsichtig genug sein, nicht allzuviel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

  • Zitat

    Original von Idgie
    Hallo Batcat,
    kannst du sagen, warum der Vater der Autorin die Familiengeschichte verschweigt, ohne zuviel über das Buch zu verraten?


    Leider nein.


    Aber es lohnt sich, das Buch zu lesen. ;-)


    Wenn Du aber drauf bestehst, kann ich Dir das gerne spoilern.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe das Buch praktisch in einem Rutsch verschlungen. Zugegeben war ich erst neugierig, was Frau Fried denn wohl in einem so schmalen Büchlein (knapp 150 ziemlich reich bebilderte Seiten als Story) zu berichten hat. Mir waren bis dahin nämlich auch nur die Bücher über die modernen emanzipierten Frauen geläufig. Aber ihr ist es damit gelungen, einigen Schicksalen ein Gesicht zu geben.

  • Ich kenne von der Autorin bis jetzt noch nichts, aber dieses Buch habe ich mir direkt auf die Wunschliste gesetzt, weil mich die Thematik auch sehr interessiert.


    Wenn nicht ich für mich eintrete, wer dann?
    Wenn ich nur für mich selbst eintrete, was bin ich?
    Wenn nicht jetzt, wann dann?



  • Auch bei mir hier in der tiefsten Provint gibt es Stolpersteine. Eine angemessen Sache finde ich.
    Ich habe das Buch auch gelesen.
    Es gefiel mir sehr gut, vor allem, dass sie auch beschrieben hat wie nahe ihr diese Sache geht. Ich war vor kurzem auf einer Lesung von ihr über dieses Buch. Manchmal konnte sie den Zuhörern nicht in die Augen schauen, weil es sie selber wohl immer noch berührte. Echt mutig so etwas zu veöffentlichen.

  • Also ich habe es jetzt auch an zwei Tagen gelesen und ich war wirklich überrascht - positiv. Ich hatte Amelie Fried bisher in einer Schublade, die mich wirklich nicht interessiert und dieses Buch hatte ich gekauft, weil mich das Thema neugierig gemacht hat.


    Ich finde sie hat es wirklich geschafft, in ihrer Familie zurückzugehen und verschiedene Mitglieder (wieder) zu finden und hat sich mit ihren Wurzeln intensiv beschäftigt. Man merkt, daß sehr viel Herzblut in diesem Buch steckt und unheimlich viel Recherche. In fand auch den Anhang und den Stammbaum sehr hilfreich.


    Ein Buch das ich wirklich empfehlen kann.