Gargoyle / The Gargoyle - Andrew Davidson

  • Gargoyle (engl.) = ursprünglich seltsam-fantastische, bizarre, groteske Figur aus Tier-, Mensch- und Fabelelementen, die an Gebäuden die Funktion eines Wasserspeiers erfüllt; in nicht-architektonischer Begrifflichkeit inzwischen auch als Bezeichnung für solcherlei Gestalten zu reinen Dekorationszwecken verwendet.


    Mehr darüber - inkl. Fotos - bietet wikipedia: klick!


    Über das Buch
    (via amazon.de)


    Das aufregendste Debüt der letzten Jahre: eine fesselnde Geschichte über die erlösende Kraft des Leidens und eine Liebe, die die Grenzen von Zeit und Raum überschreitet.
    Ein Mann fährt eine dunkle Straße entlang, als er plötzlich geblendet wird, sein Wagen in eine Schlucht stürzt und Feuer fängt. Er überlebt, wird mit schwersten Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert und hat in den Wochen der Rekonvaleszenz nur einen Gedanken: wie er nach seiner Entlassung Selbstmord begehen kann. Doch da taucht eines Tages eine mysteriöse Frau an seinem Krankenbett auf, die schöne Marianne Engel, Bildhauerin beeindruckender Gargoyles. Sie behauptet, sie seien einst Liebende gewesen vor siebenhundert Jahren in Deutschland, als sie eine Nonne war und er ein Söldner auf der Flucht. Ist diese Frau einfach verrückt? Oder ist sie der rettende Engel, der ihn aus seiner Verzweiflung und Todessehnsucht erlösen wird?


    Über den Autor
    (dito)


    Andrew Davidson wurde 1970 in Pinawa, Kanada, geboren. Nach seinem Literaturstudium an der University of British Columbia lebte er mehrere Jahre in Japan und konzipierte Englischkurse für japanische Internetseiten. Sein Debüt-Roman Gargoyle wurde bereits vor Erscheinen in 26 Länder verkauft und stieg sofort in die New- York -Times-Bestsellerliste ein.


    Offizielle Website zum Buch
    (in englischer Sprache)


    The Gargoyle



    Meine Meinung


    Ich finde Gargoyles faszinierend. Zusammen mit der Inhaltsangabe und dem Cover war das Grund genug, unbedingt dieses Buch haben zu wollen. Ein Schmuckstück ist es auf jeden Fall: das Cover ist eine Mischung aus alter Buchkunst und modernem Gothic-Rock-Stil, mit Prägung und Goldverzierung und schwarzem Buchschnitt als Dreingabe, in dem neuen großen Taschenbuch-Format mancher englischer Verlage. Ebenso gut gefiel mir die grafische Textgestaltung als Stilmittel an manchen Stellen: schwarze Balken mit weißer Schrift, japanische Schriftzeichen in einem Dialog, andere Satztypen für die wörtlichen Reden bestimmter Personen aus der Vergangenheit.


    Der Roman verfügt über einen starken Einstieg:


    Accidents ambush the unsuspecting, often violently, just like love. (p. 1)


    Im ersten Satz ist schon mal viel über dieses Buch enthalten.
    Denn auf den ersten Seiten werden wir Zeuge, wie der Ich-Erzähler, der den gesamten Roman hindurch namenlos bleibt, Opfer eines grausisgen Auto-Unfalls wird - wenn auch nicht unverschuldet.
    Davidson erzählt sehr genau: wie der Unfall geschah, wie er ablief, was der Protagonist denkt und fühlt. Ebenso, wie er ins Krankenhaus eingeliefert wird und wie schwer seine Verletzungen sind. Der Ich-Erzähler hat schwere Verbrennungen und Verstümmelungen erlitten - und Davidson schildert das alles so detailliert, dass es für mich Mimose bis hart an die Grenze des Erträglichen ging.


    Parallel dazu lernen wir den Erzähler auch ein bisschen kennen, den Edel-Junkie, Porno-Darsteller und -Produzent. Einerseits ist er ein armes Würstchen, geprägt von einem verdammt schlechten Start in das Leben und den zerrütteten Verhältnissen, in denen er bei Pflegeeltern aufgewachsen ist, spürbar in seiner emotionalen und sozialen Entwicklung zurückgeblieben. Gleichzeitig ist er ein ziemliches Ekel, zynisch und gefühllos, materiell eingestellt und oberflächlich, jemand, der sich sein Leben lang etwas auf sein hübsches Äußeres eingebildet hat. Ich fand ihn teilweise ätzend, teilweise sehr sympathisch, und gerade diese meine Ambivalenz zu ihm gefiel mir beim Lesen ausnehmend gut.


    Mit dem tollen Aussehen und der Karriere im Filmbusiness ist's nun vorbei - er ist grausam entstellt. Ein menschlicher Gargoyle, sozusagen.
    Es ist gerade der Zynismus des Erzählers, sein schwarzer Humor, der immer wieder in Form von bissigen Kommentaren in die Erzählung eingestreut ist, der verhindert, dass die Schilderungen von Unfall, Verletzungen und Krankenhauszeit nicht zu einer sopa-opera werden.


    Die glitzernde Show-Welt des Erzählers schrumpft auf sein Krankenzimmer zusammen, bevölkert nur von seiner Ärztin Dr. Nan Edwards, den drei Krankenschwestern, von Sayuri, seiner Physiotherapeutin, und Gregor, dem Psychotherapeuten.
    Und vor allem von Marianne Engel, dem schrägen Hippie, die sich in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses aufgrund einer unklaren Diagnose (schizophren? manisch-depressiv?) aufhält und ihr Geld mit Bildhauerei verdient - mit dem Schaffen von Gargoyles.


    Marianne Engel scheint wirklich gewaltig einen Sprung in der Schüssel zu haben; erzählt sie doch, sie und der Ich-Erzähler seien siebenhundert Jahre zuvor ein Liebespaar gewesen: eine klosterflüchtige Nonne mit Sprach- und Schreibtalent und ein fahnenflüchtiger Söldner mit Steinmetz-Fertigkeiten in der Gegend um Mainz.
    In Episoden erzählt Marianne Engel ihm ihre gemeinsame Geschichte; dazwischen eingeflochten sind Geschichten von Mariannes "Freunden": im alten Japan, im Florenz des Schwarzen Todes, in Island und dem viktorianischen England. Allesamt Geschichten, in denen es um große Lieben über den Tod hinaus geht.


    Trotz Mariannes offensichtlicher Geistesverwirrung stimmt er zu, nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus bei ihr einzuziehen - auch aus Neugierde; er will herausfinden, was an ihren Erzählungen womöglich wahr ist.
    Während Marianne zuerst ihn während seiner Rekonvaleszenz pflegt, wendet sich das Blatt im Laufe der Zeit, und der Erzähler lernt, sich um Marianne, die manisch Gargoyle um Gargolye aus dem Stein "befreit", und um ihren Hund zu kümmern.
    Und mit ihm rätseln wir, ob Marianne eine alte Seele ist, die in dem Erzähler ihren vor siebenhundert Jahren im Feuer umgekommenen Seelenverwandten wiedergefunden hat - oder ob sie wirklich psychisch krank ist und unter Realitätsverlust leidet.
    Das literarische Umkreisen der Frage, wo Glaube und Mystizismus aufhören und psychische Wahnvorstellungen beginnen, ob die Grenze dazwischen wohl je nach Epoche und Weltsicht nur Definitionssache ist - das ist für mich die größte Stärke des Buches.
    Neben einer Szene zwischen Ich-Erzähler und Marianne, die so voller Zärtlichkeit und Liebe ist, dass sich in mir alles zusammengeknäult hat und mir die Tränen nur so heruntergelaufen sind.


    Alles ganz fein, ganz wunderbar, krass und doch poetisch geschrieben, ein großartiges Buch -


    - bis es an der Zeit für die Auflösung war.


    Ich ahnte irgendwie, dass mich diese enttäuschen würde.
    Eigentlich ist der Schluss ganz gut gemacht - nicht plump, nicht an den Haaren herbeigezogen, plausibel erklärt, gut geplant.
    Und trotzdem konnte er mich nicht ganz überzeugen. Nach den drastischen, wuchtigen ersten beiden Dritteln des Buches kam mir das Ende zu säuselnd, zu fade - und vor allem ein klein wenig zu emotionsarm.
    Schade - davon hatte ich mir etwas mehr erhofft. Da fehlte mir etwas an erzählerischem Gewicht; es brachte meiner Empfindung nach das Buch insgesamt aus der Balance.


    Dennoch halte ich Andrew Davidson für einen Autor allererster Güte, eine wirklich großartige Entdeckung. Sein Sprachstil ist unkonventionell und sehr kreativ, eindringlich und ansprechend; seine Ideen originell und tiefgründig.
    Von seinen weiteren Werken verspreche ich mir sehr viel; von ihm können wir mit Sicherheit grandiose Bücher erwarten.

  • ...und hier die deutsche Ausgabe, die lt. amazon Ende Januar 2009 erscheinen wird:

  • Liebe Nicole,


    vielen Dank für die tolle Rezi.


    Das hört sich ganz nach einem Buch an, das ich haben muß. Da fängt das neue Jahr schon gut an, obwohl ich doch eigentlich nicht mehr so viele Bücher kaufen wollte. Na ja, der Vorsatz ist eh zwecklos. :lache

  • Zitat

    Original von ricki
    Das hört sich ganz nach einem Buch an, das ich haben muß. Da fängt das neue Jahr schon gut an, obwohl ich doch eigentlich nicht mehr so viele Bücher kaufen wollte. Na ja, der Vorsatz ist eh zwecklos. :lache


    Nicole hat dir aber bewusst verschwiegen, dass in dem Buch Sätze wie "A cheese strand dangled from her mouth to the edge of her nipple, and I wanted to rappel it like a mozzarella commando to storm her lovely breasts" vorkommen. Das solltest du im Prozess der Kaufentscheidung mit einbeziehen ... :grin

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Nicole hat dir aber bewusst verschwiegen, dass in dem Buch Sätze wie "A cheese strand dangled from her mouth to the edge of her nipple, and I wanted to rappel it like a mozzarella commando to storm her lovely breasts" vorkommen. Das solltest du im Prozess der Kaufentscheidung mit einbeziehen ... :grin


    :muah


    stimmt, da war dieser Satz :grin
    Nachdem Du mich im "Was lesen die Eulen gerade"-Fred auf die Rezi im Independent aufmerksam gemacht hattest, die diesen Satz erwähnt, kam er im Romantext tatsächlich noch. Im Roman passt er und wirkte auf mich keineswegs so komisch wie er isoliert rüberkommt.
    Marianne Engel betört den Ich-Erzähler nämlich auch mit Essen - darin schwelgt der Roman regelrecht und macht den Unterschied zwischen Sex (des Erzählers früheres Leben) und Sinnlichkeit (Mariannes Welt) deutlich.


    Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, dass dieses Buch gewaltig zu polarisieren vermag - und es gibt sicher auch Leser, die die Auflösung am Schluß ganz anders empfinden als ich.


    Zitat

    Original von ricki
    Das hört sich ganz nach einem Buch an, das ich haben muß. Da fängt das neue Jahr schon gut an, obwohl ich doch eigentlich nicht mehr so viele Bücher kaufen wollte. Na ja, der Vorsatz ist eh zwecklos. :lache


    sind wir nicht alle ein bisschen buchkauf-süchtig? :help :lache

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Nicole hat dir aber bewusst verschwiegen, dass in dem Buch Sätze wie "A cheese strand dangled from her mouth to the edge of her nipple, and I wanted to rappel it like a mozzarella commando to storm her lovely breasts" vorkommen. Das solltest du im Prozess der Kaufentscheidung mit einbeziehen ... :grin


    :lacht


    Das liest sich echt lustig, aber ich glaube, es könnte mich von meiner Kaufentscheidung nicht abbringen. :unschuld


    @ Nicole,


    ich liiiiebe Bücher, die polarisieren! Die sind meistens richtig gut - zumindest in meinen Augen.


    Ja buchkauf-süchtig, buchkauf-süchtig, buchkauf-süchtig........ yeah :rofl Ich muß mal wieder in der Suchtklinik vorbeischauen :rolleyes :help

  • Zitat

    Original von ricki
    ich liiiiebe Bücher, die polarisieren! Die sind meistens richtig gut - zumindest in meinen Augen.


    So geht's mir meistens auch!


    Zitat

    Original von ricki
    Ja buchkauf-süchtig, buchkauf-süchtig, buchkauf-süchtig........ yeah


    :lache


    Nach den Exzessen der letzten Wochen ist bei mir jetzt mal wieder Enthaltsamkeit angesagt - fällt mir bestimmt nicht SO schwer, ich habe im Laufe derselben einen Neu-SUB angehäuft, der mein Bücherherz lachen lässt, wenn ich nur hinschiele


    @ Eskalina


    Zitat

    Original von Eskalina
    Es hat mir schon jemand von dem Buch erzählt und sich hauptsächlich auf die grausamen Szenen am Anfang bezogen, die ja tatsächlich grenzwertig zu sein scheinen.


    Hängt bestimmt allein vom persönlichen Empfinden und der Toleranzschwelle ab. Ich fand's heftig, richtig heftig, ich habe mehrfach geschluckt und mich beim Zittern erwischt; ich bin da aber auch recht sensibel.


    Das hat mich aber auch über alle Maßen beeindruckt: wie unglaublich genau Davidson recherchiert haben muss. Über Brandunfälle und deren physiologische Auswirkungen, über OPs, Therapien, Medikamente und Spätfolgen - und wie sich das alles wohl anfühlen muss.
    Und das ganze dann auch noch für den Leser nachvollziehbar, spürbar zu machen - das ist große Kunst! :anbet


    @ Hasal


    Zitat

    Original von Hasal
    Mir gefällt ja das Cover der englischen Ausgabe sehr :grin


    Ich finde das der deutschen Ausgabe auch nicht so schlecht; solche Engelsflügel hat Marianne Engel auf ihren Rücken tätowiert, aber eine Nummer kleiner, wenn ich mich richtig erinnere.
    An dieses englische reicht es für mich allerdings nicht heran.
    (Ein ganz ähnliches Cover, mit einer Tattoo-Rückenansicht, hat die englische Hardcover-Ausgabe; und im Januar erscheint noch eine englische Taschenbuch-Ausgabe in Rot. Auch hübsch - aber nicht so gruftig wie die schwarze :chen )


    Zitat

    Original von Hasal
    Aber der Inhalt spricht mich auch sehr an...


    Obwohl die Grundidee nicht so ganz brandneu ist (mich hat es ein bisschen an "Die Hochzeitsgabe" von Geraldine Brooks erinnert und stellenweise an den Film "Hinter dem Horizont" mit Robin Williams), ist es insgesamt trotzdem ein ungewöhnliches Buch.

  • Das Buch steht schon seit einigen Wochen auf meinem virtuellen SUB der Stadtbuecherei. Seit auch hier in unserer Lokalzeitung eine ganzseitige Rezension zu diesem Buch zu finden war. Inzwischen bin ich auch auf der Warteliste ganz weit vorgerueckt, schon auf Platz 7 von weit ueber 200. Diese Rezi macht jedenfalls noch mehr Lust drauf.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Das Buch hört sich wirklich super an.
    Nur leider ist das Cover der englischen Ausgabe viel schöner. Aber leider gibt es ja erstmal nur als Gebundene Ausgabe.



    Edit:
    Mir fällt gerade ein, dass ich ja noch einen 10 € Gutschein vom Weltbild habe. Dann kostet das Buch ja auch nur noch 12 € für mich :chen
    Aber erst mal ein paar Meinungen von euch abwarten

  • Andrew Davidson, Gargoyle


    Eine Liebe, die die Jahrhunderte überdauert. Wer dabei an eine romantische Schnulze denkt, liegt in diesem Fall so richtig daneben. Romantik lässt Davidson allenfalls in den rückblickenden Erzählungen kurz aufleuchten, in der gnadenlosen Realität der Gegenwart hat sie nichts verloren.
    Ein drogensüchtiger Pornodarsteller verursacht einen Autounfall und überlebt mit schwersten Verbrennungen. Während der mehrmonatigen Behandlung seiner Verletzungen, die im Übrigen sehr detailliert beschrieben werden, hat er nur ein Ziel vor Augen: Selbstmord zu begehen, sobald er sich wieder selbständig bewegen kann.
    Irgendwann taucht die mysteriöse Marianne Engel an seinem Krankenbett auf und erzählt ihm, dass sie sich schon seit dem Mittelalter kennen und damals ein Liebespaar waren. Die Geschichte, die sie ihm im Laufe vieler Krankenbesuche erzählt, handelt von einer Nonne im 14. Jahrhundert und einem verwundeten Söldner, die schließlich gemeinsam fliehen.
    Da sie die einzige Kontaktperson außerhalb des Krankenhauses ist, zieht er schließlich bei ihr ein, als er das Krankenhaus verlassen kann. Marianne arbeitet recht erfolgreich als Bildhauerin von Gargoyle-Statuen. Den Auftrag dazu erhält sie eigenen Angaben zufolge von einer inneren Stimme, die sie „göttlich“ nennt. Eine Zeit lang funktioniert ihrer beider Leben ganz gut, bis sich Marianne so sehr in ihre Bildhauerei hineinsteigert, dass es zunehmend krankhafte Züge annimmt. Sie meint, nicht mehr genug Zeit zu haben, ihr Werk zu vollenden.


    Was Andrew Davidson in seinem Debütroman erzählt ist schon irgendwie eine Liebesgeschichte. Es ist auch eine Geschichte über jemanden, der einen neuen Lebenssinn findet, nachdem er alles verloren hat. Beides Beschreibungen, die mich eher von der Lektüre abgehalten hätten, lässt doch beides eine klischeehafte Erzählung befürchten.
    Sprachlich bewegt sich Davidson jedoch fern aller Klischees. Die Behandlung von Brandopfern bis ins Detail zu beschreiben, wobei die Haut immer wieder abgeschabt wird und verpflanzte Hautstücke wieder entfernt werden, ist nichts für zarte Gemüter. Andererseits ist z.B. die Beschreibung von Essen so herrlich bildhaft, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Es verdeutlicht auch die sinnliche Bedeutung des Essens für jemanden, dem aufgrund von abgestorbenen Nervenenden nicht mehr viele sinnliche Erlebnisse durch Berührungen möglich sind.
    Eine gute Vorstellung seiner Beschreibungskunst bekommt man auch bei der ersten Begegnung des Protagonisten mit Mariannes Agentin Jack: „Klein, aber Napoleon-klein; ein Klein, das sich immer an den eigenen Haaren hochzieht, um größer zu erscheinen. Dick, aber Wasserball-dick, mit Fleisch, das nicht wabbelte, sondern rund war, als suchte es nach einer Stelle zum Explodieren. Alter: Um die fünfzig? Schwer zu sagen, aber wahrscheinlich. Falten hatte sie keine, dafür war ihr Gesicht zu kugelförmig. Stoppelhaare, zuviel Rouge auf den Wangen […]Hände auf den Hüften. Die Augen auf Krawall gebürstet, als forderte sie mich auf, ihr einen Kinnhaken zu verpassen. (S.284)
    Vom Aufbau her ist das Buch klar strukturiert: Gegenwartsszenen werden von Marianne Engels Erzählungen aus der Vergangenheit abgelöst und zum Schluß wird beides einigermaßen zusammengeführt.
    Nicht ganz erschlossen hat sich mir allerdings der Sinn derjenigen Erzählungen, die nicht in Zusammenhang mit der Nonne/Söldner-Geschichte stehen. Marianne erzählt zwischendurch unter anderem Geschichten über eine unglückliche Liebe in Japan oder einen homosexuellen Isländer. Diese märchenartigen Geschichten sind durchaus interessant zu lesen, aber außer in der „Höllenvision“ des Ich-Erzählers während seines Morphiumentzugs, tauchen die Gestalten dieser Geschichten nicht mehr auf. Oder ist mir der größere Bezug nur nicht aufgefallen?


    Trotz dieses kleinen Fragezeichens hat mir das Buch gut gefallen. Vom Titel und von der Covergestaltung her hatte ich zumindest einen kleinen Fantasy-Einschlag erwartet. Den gibt es nicht, was aber auch nicht weiter schlimm ist. Das Buch hat genug anderes zu bieten: Flüssige Erzählweise, teilweise recht originelle Beschreibungen, starke Charaktere und ein paar Geheimnisse.

  • :freude


    Ich hab extra auf die rote Ausgabe gewartet, weil ich diese 23 cm-großen Trade paperbacks nicht mag (abgesehen davon, dass es 6 Euro weniger kostet) und hab es gerade aus der Packstation gezogen und es hat auch den von mir vielgeliebten schwarzen Buchschnitt. :-]
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