Vergiss ihn nicht - Liane Moriarty

  • Liane Moriarty: Vergiss ihn nicht



    Klappentext:
    Durch einen Sturz hat Alice kurzzeitig das Bewußtsein verloren - und offenbar jegliche Erinnerung an die letzten zehn Jahre ihres Lebens. Ist sie etwa nicht 29, wahnsinnig glücklich mit ihrem Ehemann Nick und schwanger mit ihrem ersten Kind? Nicht wirklich:
    "1998?" Eine besorgt dreinblickende Ärztin sah sie prüfend an. "Sind Sie da ganz sicher?"
    "Ja, natürlich", antwortete Alice. "Ich weiß das, weil mein Kind am 8.November 1998 auf die Welt kommen soll."
    "Die Sache ist nur", sagte die Ärztin langsam, "wir haben schon das Jahr 2008."


    Alice ist 39, hat bereits drei Kinder und ihre Ehe ist alles andere als glücklich… Sie und Nick befinden sich im Scheidungskrieg und offenbar hat Alice sich schon anderweitig getröstet - mit dem Schuldirektor ihrer Kinder.
    Ihr Problem: Sie erinnert sich an all dies nicht. Im Gegenteil: Sie und Nick sind doch so glücklich, denkt sie, ihre Liebe ist etwas ganz Besonderes. Sie mag ihr heutiges Ich nicht, das sie in den Erzählungen ihrer Familie wiederfindet. Kurzerhand beschließt Alice entgegen aller Ratschläge, ihre Ehe zu retten - bis sie ihr Gedächtnis wiedererlangt…



    Beurteilung:
    Eine faszinierende Geschichte: was wäre, wenn man sich an die letzten zehn Jahre seines Lebens nicht erinnern könnte? Alice versteht nicht, wieso ihr Mann so kalt zu ihr ist, schließlich sind sie doch jung verliebt und gerade erst verheiratet.. Sie erinnert sich nicht an die Geburten ihrer Kinder, ja, sie erkennt ihre Kinder nicht einmal. Und was ist mit ihrer Schwester passiert, die so unglücklich scheint?
    Es ist eine unvorstellbare Situation, die Alice aber zugleich einen Blick auf ihr Leben "von außen" gewährt. Sie sieht sich, wie eine Fremde sie sehen würde und was sie sieht, gefällt ihr nicht. Eine Rückkehr zu ihrem Ich, wie es vor zehn Jahren war, gibt es aber auch nicht. So beschließt Alice, ihr Leben zu verändern, Stück für Stück - bis sie wieder die Frau ist, die sie mag. Dieser Weg wird sympathisch geschildert und Alice ist dabei keine Zicke, ihr Ehemann kein Ekel und der Geliebte kein gewissenloser Ehebrecher.
    Ein faszinierendes Buch, das mir noch lange Zeit nachgegangen ist.


    Einziges Manko: Es handelt sich um eine Klappbroschur, die für diesen Preis überteuert ist!




    Originaltitel: What Alice forgot
    Übersetzerin: Sylvia Strasser
    Kategorie: Frauen
    Broschur
    Lübbe
    541 Seiten
    ISBN 3785760124 bzw. 978-3785760123

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

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  • Auch ich habe das Buch kurz vor meinem Urlaub zu Ende gelesen, kam aber einfach nicht zu einer ausführlichen Rezi danach.
    Ich danke dir für deine Ausführungen und kann mich nur anschließen, wobei ich denke, dass bei dem Umfang des Buches der Preis recht ok ist (ich lese gerade das neue Buch von K.Gier und das ist wesentlich dünner und kostet als Broschur auch 13,40€).


    Ich empfand Liane Moriartys Buch an manchen Stellen wohl als einen Tick klischeehaft, aber die Thematik ist sowas von mein Beuteschema, dass ich es für alle, die Gefühlvolles - aber nicht Schmalziges- und in Richtung Zeitreisen gehendes mögen, empfehlen kann.


    Vorsicht *gg*..es ist ein blaues Buch *zw*..und schööööön!

  • Ich habe es auch vor kurzem gelesen und muss sagen, dass ich es nicht schlecht fand. Am Anfang zieht es sich ein bisschen hin, aber es wird nah etwa der Hälfte richtig spannend. Ich würde also dazu raten, sich das Buch zu kaufen, allerdings nur als Taschenbuch.

    :lesend Carol Higgins-Clark: Decked


    "Moonlight is very romantic, but it's hell to read by."


    Amicalement vôtre :liegestuhl

  • Mir ist dieses Buch so richtig unter die Haut gegangen. Es gibt sogar eine Stelle, die ich meinen Mann hab lesen lassen, weil es sooo sehr an manche unsere Diskussionen erinnert hat.
    Mich hat es sehr nachdenklich gemacht, dieses Alltag mit Kindergarten, Schule, Mann- der lange Arbeitet ,auch mal lesen, und ähnlichkeiten mit dem eigenen Leben zu entdecken. Dieses Gefühl, alles selber machen zu müssen...


    Meine Meinung nach ist es ein Buch für Frauen, so über 30, mit Familie , die ach mal loslassen sollen, und das Vertrauen haben sollen, dass die Männer auch mal etwas auf die Reihe kriegen.


    :wave
    :blume

  • Hallo,


    nachdem dieses Buch ja mein Alter "anspricht".... na gut... ich bin nicht nur Ü30.. sondern auch Ü40... habe ich dieses Buch auch gelesen :-]


    Über den Inhalt habt ihr ja schon berichtet, daher starte ich mal direkt mit:


    Meine Meinung:


    Das Buch ist sehr flüssig geschrieben. Ich bin superschnell in die Geschichte hinein gekommen......


    Alice kann sich an die letzten zehn Jahre nicht mehr erinnern... sie hat sich selber sehr verändert (vom Aussehen her... sie ist nun sportlich...etc.) und kann die Kälte ihres Mannes nicht nachvollziehen...


    Kein Wunder... da sie sich nicht mehr erinnern kann, ist ihre letzte Erinnerung natürlich nur die Liebe zu ihrem Mann.... ihre Schwangerschaft.... die Freude über die Schwangerschaft..... und es ist ein großer Schock für sie, dass sich das alles soooo dermaßen geändert hat, dass sie nun kurz vor der Scheidung stehen...!!!


    Ein interessanter Gedanke.... was würde passieren, wenn man wirklich die letzten Jahre auslöschen könnte.... würde man etwas ändern?? Könnte man etwas ändern???


    Da mich der Gedanke fasziniert hat, war ich auch sehr fasziniert von diesem Buch....


    Und nicht nur das hat mir gut gefallen, sondern man will auch als Leser wissen, was genau geschehen ist.... mit der früheren Freundin, die sich zurückgezogen hat.... mit der Ehe.... mit der Schwester.. und und und


    Ich möchte nicht zu viel vorweg nehmen, sondern kann euch nur raten das Buch selbst zu lesen, wenn ihr einfach mal einen Roman zwischendurch lesen wollt..... ich kann es mir auch supergut als Urlaubslektüre vorstellen..


    Es ist nichts Weltbewegendes und keine sehr anspruchsvolle Literatur, aber sehr unterhaltsam und es hat zumindest mich dazu angeregt, mal über die eine oder andere Sache nachzudenken...


    Von mir also eine klare Leseempfehlung!!!

  • Als Alice nach einem Sturz wieder zu sich kommt, ist sie äußerst verwirrt. Wieso trägt sie solche Sachen? Was macht sie überhaupt in einem Fitnessstudio? Wieso sieht ihre Freundin Jane so alt aus? Und warum erkennt sie überhaupt die Leute nicht, die sich alle so um sie bemühen und sogar mit Namen ansprechen? Aber nicht nur die Leute sind ihr unbekannt, auch die Mode und die Frisuren haben sich über Nacht massiv geändert. Ihr Baby! Alice durchfährt es eiskalt. Sie ist doch schwanger, hoffentlich ist ihrer Rosine nichts passiert. Warum schauen alle so bestürzt und faseln etwas vom falschen Zeitpunkt, es ist doch ein Wunschkind? So langsam schält sich die Erkenntnis heraus, dass ihre Verletzung schwerwiegender ist, als zuerst gedacht. Denn Alice hat 10 Jahre ihres Lebens einfach vergessen. Kann sich ein Mensch denn in 10 Jahren so dermassen ändern? Die Person, die Alice mittlerweile zu sein scheint, gefällt ihr nämlich überhaupt nicht. Sie kann doch unmöglich diese knochige, gehetzte und verbiesterte Frau sein, die schon im Juni die Weihnachtstage verplant. Vor zehn Jahren, schwanger und glücklich mit ihrer großen Liebe Nick hätte sie sich niemals vorstellen können, dass lediglich ein Jahrzehnt später ihr Leben in Trümmern liegt. Irgendetwas muss fatal schief gelaufen sein, denn sie und Nick liefern sich einen erbitterten Scheidungskampf.


    Was haben wir in den letzten zehn Jahren unseres Lebens eigentlich gemacht? Haben wir uns in die Richtung entwickelt, die wir uns vorgestellt haben? Vielleicht ist es manchmal einfach an der Zeit, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen um zu schauen, wer man ist und wer man eigentlich sein will. Alice ist entsetzt über die Frau, die sie geworden zu sein scheint. Niemand mag sie wirklich, sie hat nie Zeit und ihre ganzen alten Freunde sowie ihre Schwester haben kein vertrautes Verhältnis mehr zu ihr. Auch den ganzen kleinen Freuden des Lebens scheint sie abgeschworen zu haben, ihr einziges Ziel besteht aus dem Versuch, Nick zu demütigen. Die Situationen sind teilweise herrlich abstrus, wenn Alice von völlig Fremden umgeben ist und ihnen zu erklären versucht, dass sie sich nicht an ihre Worte von letzter Woche erinnern kann. Die Effizienz der neuen Alice ist ihr fremd, immer mehr schimmert die alte Alice durch, zur Freude von Nick und ihren Kindern. Der Umgang mit ihnen fällt Alice besonders schwer, denn an sie kann sie sich nun überhaupt nicht mehr erinnern, immerhin waren sie ja vor zehn Jahren noch nicht geboren. Schwer vorzustellen, dass man sich an seine eigenen Kinder nicht mehr erinnert.


    Es ist aber nicht nur Alice Geschichte, auch ihre Schwester Elisabeth und ihre angenommene Großmutter Frannie bekommen viel Platz eingeräumt. Während Alice die Geschichte vorantreibt und durch ihren Gedächtnisverlust mehr in der Vergangenheit schwelgt, erzählt Elisabeth ihre Geschichte in einem Tagebuch, welches sie für ihren Psychiater Jeremy verfasst. Aus dem Blickwinkel einer verzweifelten Frau, die mit aller Macht versucht, ein Baby zu bekommen. Elisabeth schildert eindringlich die endlosen fruchtlosen Versuche, einen Embryo zu behalten. Ihre Gefühle, wenn wieder mal ein kleiner Astronaut sich verabschiedet hat, wallen durch das Buch hervor, niemand, der nicht in der selben Situation ist, kann auch nur annähernd verstehen, welche Gefühle durch ihren Körper jagen. Die Hoffnung, die sie sich nicht gestattet, das Fünkchen aber immer wieder durchflimmert. Die Ohnmacht und unendliche Traurigkeit, wenn Blutungen einsetzen. Die Verständnislosigkeit der anderen, die ihr raten, doch ein Kind zu adoptieren. Die Hilflosigkeit und Verzweiflung ihres Mannes Ben, der nichts tun kann, außer seinen Samen zu geben. Liane Moriarty findet Worte für all das, die es jedem gestatten, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und zu verstehen, annähernd zu verstehen, wie und vor allem welche Gefühle die Kontrolle übernehmen.


    Frannie hingegen schlägt sich mit einem ganz anderen Thema herum. Als Junggebliebene und auf der Höhe der Zeit hat sie einen eigenen Blog, in dem sie der ganzen Welt mitteilt, wie es um sie in ihrem Seniorenheim und in ihrer Familie bestellt ist. Ihre Einträge sind offen - vielleicht etwas zu offen, aber die Kommentare beschönigen auch nichts. In einem Ton, der derweil wohl überall im Internet herrscht, wird ihr beigepflichtet, sie getröstet, sie bestärkt, ihr Mut zugesprochen und auch offene Kritik geübt. Die Einträge sind meistens heiter und eine willkommene Abwechslung zur Geschichte, beinhalten sie auch kurz und knapp eine Reflektion des Geschehenen. Großmutter Frannie hat allerdings auch ihre eigenen Probleme bei der Planung eines Ausfluges, über die sie sich in ihrem Blog beklagt. Die Ratschläge daraufhin sind zwar unkonventionell, aber äußerst erfolgreich.


    Durch die verschiedenen Perspektiven, des ungewöhnlichen Plots und der fesselnden Thematik hat Liane Moriarty ein äußerst abwechslungsreiches, unterhaltendes und sehr nachdenkliches Buch geschrieben. Der Stil ist packend, flüssig und ironisch, ihre Charaktere realistisch, ihre Gefühle nachvollziehbar. Man begleitet sie ein Stück ihres Weges, merkt, wie sie sich verändern und an ihren Aufgaben reifen und wird durch aufschlussreiche Sprünge in die Vergangenheit durch verschiedene Stilmittel ausreichend mit Hintergrundinformationen informiert. Genau durch diese Abwechslungen ist das Buch sehr kurzweilig, die Seiten fliegen nur so dahin und man möchte einfach nur wissen, ob und wann Alice ihr Gedächtnis wiedererlangt. Vor allem aber auch, wie alle anderen Charaktere die Ereignisse verarbeiten und sich ihr weiteres Leben gestaltet. Hat der Gedächtnisverlust wirklich etwas bewirkt?


    Fazit


    Wissen Sie noch, wie ihr Stand heute vor zehn Jahren war? Hat sich ihr Leben so entwickelt, wie es geplant und gewünscht war? Ist ein Innehalten und Reflektieren eigentlich nicht eine gute Idee? Liane Moriarty hat ein wundervolles Buch über ein ungewöhnliches Ereignis geschrieben, das viele aktuelle und brisante Themen zur Sprache bringt oder einfach nur fesselnden Lesespaß verspricht.


    LG
    Patty

  • Hach, ein schönes Buch!! :-]
    Es ist jetzt nicht unbedingt ein Jahreshighlight aber es ist schön zu lesen und regt auf alle Fälle zum nachdenken an!


    Kleines Manko: ich hatte ein wenig das Gefühl, die Familie spielt den Gedächtnisverlust zu sehr runter.
    Sollte das jemandem in meiner Familie passieren, würde ich wahrscheinlich anders damit umgehen.


    Ansonsten kann ich das Buch jedem wärmstens empfehlen und vergebe gute 9 Punkte!

  • Dieses Buch habe ich dank der Aktion „Lies ein Buch, das Du blind aus dem Regal / ebook-Stapel gezogen hast.“ gelesen. Ohne diesen kleinen Anstoß hätte es wohl noch sehr viel länger in meinem SuB geschlummert, ohne dass mich die Lust, es auch zu lesen, gepackt hätte.


    Das quietschgelbe Cover verspricht schon typische Frauenromanlektüre und ab und an lese ich diese Art Roman ganz gerne, wenn die Geschichte nicht total klischeehaft erzählt wird. So war ich anfangs, ich gebe es zu, nicht so recht angetan vom Buchinhalt, versprach er doch, in eine Richtung zu gehen, die mir nicht so gefiel. Ich habe mich zu Beginn also etwas schwergetan und habe das Buch auch öfter zur Seite gelegt.


    Nach und nach jedoch habe ich die handelnden Figuren liebgewonnen und bin drangeblieben, auch wenn mich die Story nicht wirklich packen wollte. Doch das Buch ist auf eine Art vielschichtig; es geht natürlich primär um Alices Gedächtnisverlust und wie sie sich mit ihrem zehn Jahre jüngeren Ich in ihrem heutigen Leben zurechtfindet. Aber es geht auch um gebrochene Freundschaften, auseinander gelebte oder festgefahrene Beziehungen, veränderte Ansichten, die Alice sich niemals hätte erträumen lassen. Wo ist die alte Alice, die sich ihr Leben vor zehn Jahren gänzlich anders ausgemalt hat? Hat sie ihre Träume verwirklicht? Oder sind Lebensziele auf der Strecke geblieben?


    Alice, das steht fest, hat sich in diesen vergessenen zehn Jahren offenbar anders entwickelt, als sie sich das je vorgestellt hat. Ihre Ehe scheint gescheitert, mit ihrer Schwester versteht sie sich nicht mehr so gut und auch mit der immer so netten Nachbarin hat sie es sich ordentlich verscherzt. Aber sie nutzt ihre Chance und kann so einiges wieder ins Lot bringen. Es war höchst interessant und amüsant zu lesen, wie sie sich in ihrem neuen alten Leben zurechtfindet und wie ihre früheren Ansichten für frischen Wind in ihrem gegenwärtigen Leben sorgen.


    Das Buch hatte im ersten Teil einige Längen für mich, erst im zweiten Teil konnte ich mich so richtig in die Geschichte vertiefen und mit der ein oder anderen Figur mitfiebern. Hier geht insbesondere Elisabeths (das ist Alices Schwester) Schicksal zu Herzen. Als guter Gegenpol zu den ernsten Themen haben mir aber auch die eingestreuten Blogeinträge von Alices Grandma Frannie gefallen. Das Buch kann definitiv Anstoß geben, einmal darüber nachzudenken, wie man selbst nach einem derartigen Gedächtnisverlust zurechtkommen würde. Entspräche das eigene Leben noch den Vorstellungen, die man zehn Jahre zuvor hatte? Hat man sich selbst verändert? Zum Guten? Zum Schlechten? Eine besondere Art, sich ein Leben zu vergegenwärtigen – was wäre, wenn…


    Der Schluss ist keine Überraschung, sondern wie bei einem solchen Roman erwartet, lässt einen das Buch jedoch mit einem wohligen Gefühl zuklappen.


    Fazit: Alles in allem kein Fehlgriff, aber auch kein absolutes Highlight. Ich vergebe 6-7 Eulenpunkte für ganz solide Unterhaltung, die erst zum Ende hin wirklich interessant wird.