So 'n Gedicht ...

  • Zitat

    Original von Iris
    Außerdem ist es erstaunlich, daß dieser kurze Text Material für zwei Buchtitel gibt:
    Johannes Mario Simmel, Niemand ist eine Insel
    Ernest Hemingway, To Whom the Bell Tolls (dt. Wem die Stunde schlägt)


    Ja, liegt aber daran, daß die zwei Zeilen von Donne zu den sehr berühmetn und vielzitierten in der Lit. gehören. Es gibt Zeiten, da kommen sie in der englischsprachigen Literatur in jedem zweiten Roman auf die eine oder andere Weise vor. Fast so schlimm wie William S.
    Tut ihrer Wirkung aber nie Abbruch, fällt mir grad auf. Es scheint keine Parodien zu geben, wie sie z.B. Giller oder Schöthe hervrorrufen.
    ;-)
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • The Road Taken


    Two roads diverged in a yellow wood,
    And sorry I could not travel both
    And be one traveler, long I stood
    And looked down one as far as I could
    To where it bent in the undergrowth;
    Then took the other, as just as fair,
    And having perhaps the better claim,
    Because it was grassy and wanted wear;
    Though as for that the passing there
    Had worn them really about the same,
    And both that morning equally lay
    In leaves no step had trodden black.
    Oh, I kept the first for another day!
    Yet knowing how way leads on to way,
    I doubted if I should ever come back.
    I shall be telling this with a sigh
    Somewhere ages and ages hence:
    Two roads diverged in a wood, and I-
    I took the one less traveled by,
    And that has made all the difference.


    (Robert Frost, 1875 - 1963)

  • Zum Frühlingsanfang ein besonderes Schätzchen, das ich schon immer gerne mochte.


    Walter von der Vogelweide
    (ca. 1170 -1230)


    Unter der linden


    Under der linden
    an der heide,
    dâ unser zweier bette was,
    dâ muget ir vinden
    schône beide
    gebrochen bluomen unde gras.
    vor dem walde in einem tal,
    tandaradei,
    schône sanc diu nahtegal.


    Ich kam gegangen
    zuo der ouwe:
    dô was mîn friedel komen ê.
    dâ wart ich empfangen
    hêre frouwe
    daz ich bin sælic iemer mê.
    kust er mich? wol tûsentstunt:
    tandaradei,
    seht wie rôt mir ist der munt.


    Dô hete er gemachet
    alsô rîche
    von bluomen eine bettestat.
    des wirt noch gelachet
    inneclîche,
    kumt iemen an daz selbe pfat.
    bî den rôsen er wol mac
    tandaradei,
    merken wâ mirz houbet lac.


    Daz er bî mir læge,
    wesse ez iemen
    (nu enwelle got!), so schamte ich mich.
    wes er mit mir pflæge,
    niemer niemen
    bevinde daz wan er und ich
    und ein kleinez vogellîn:
    tandaradei,
    daz mac wol getriuwe sîn.

  • Oh, Gedichte - schön! Ich wollte ja mal alle meine Lieblingsgedichte auswendig lernen. :grin


    Solas :wave


    When I am Dead, My Dearest
    by Christina Georgina Rossetti
    (1830-1894)


    When I am dead, my dearest,
    Sing no sad songs for me;
    Plant thou no roses at my head,
    Nor shady cypress tree:
    Be the green grass above me
    With showers and dewdrops wet;
    And if thou wilt, remember,
    And if thou wilt, forget.


    I shall not see the shadows,
    I shall not feel the rain;
    I shall not hear the nightingale
    Sing on, as if in pain:
    And dreaming through the twilight
    That doth not rise nor set,
    Haply I may remember,
    And haply may forget.

  • und noch eins...


    Solas :wave


    CCXLVI. Ozymandias of Egypt
    P. B. Shelley
    I MET a traveller from an antique land
    Who said:—Two vast and trunkless legs of stone
    Stand in the desert. Near them on the sand,
    Half sunk, a shatter'd visage lies, whose frown
    And wrinkled lip and sneer of cold command
    Tell that its sculptor well those passions read
    Which yet survive, stamp'd on these lifeless things,
    The hand that mock'd them and the heart that fed.
    And on the pedestal these words appear:
    "My name is Ozymandias, king of kings:
    Look on my works, ye mighty, and despair!"
    Nothing beside remains: round the decay
    Of that colossal wreck, boundless and bare,
    The lone and level sands stretch far away.

  • Und noch zwei vom lieben Shakespeare...


    Solas :wave


    Let me not to the Marriage of True Minds
    Let me not to the marriage of true minds
    Admit impediments. Love is not love
    Which alters when it alteration finds,
    Or bends with the remover to remove.
    O no! it is an ever-fixed mark
    That looks on tempests and is never shaken;
    It is the star to every wand'ring bark,
    Whose worth's unknown, although his height be taken.
    Love's not Time's fool, though rosy lips and cheeks
    Within his bending sickle's compass come;
    Love alters not with his brief hours and weeks,
    But bears it out even to the edge of doom.
    If this be error and upon me prov'd,
    I never writ, nor no man ever lov'd.


    My mistress' eyes are nothing like the sun
    My mistress' eyes are nothing like the sun;
    Coral is far more red than her lips' red;
    If snow be white, why then her breasts are dun;
    If hairs be wires, black wires grow on her head.
    I have seen roses damask'd, red and white,
    But no such roses see I in her cheeks;
    And in some perfumes is there more delight
    Than in the breath that from my mistress reeks.
    I love to hear her speak, yet well I know
    That music hath a far more pleasing sound;
    I grant I never saw a goddess go;
    My mistress, when she walks, treads on the ground:
    And yet, by heaven, I think my love as rare
    As any she belied with false compare.

  • Der Panther
    Im Jardin des Plantes, Paris




    Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe


    so müd geworden, daß er nichts mehr hält.


    Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe


    und hinter tausend Stäben keine Welt.





    Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,


    der sich im allerkleinsten Kreise dreht,


    ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,


    in der betäubt ein großer Wille steht.





    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille


    sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,


    geht durch der Glieder angespannte Stille -


    und hört im Herzen auf zu sein.




    Rainer Maria Rilke, September 1903

  • Federico II Roger - Canzonetta


    Farò come l' ausgello
    quand' altri lo distene,
    che vive ne la spene
    la quale ha ne lo core
    e no more
    sperando di campare.


    E aspettando quello
    viveragio con pene,
    ch' io non credo aver bene;
    tant' è lo fino amore
    e 'l grande ardore
    ch' agio di tornare


    a voi, donna, d' amare,
    di tutte gioi' compita,
    ch' avete la mia vita
    da gioia dipartita
    e da alegranza.


    E mille anni mi pare
    che fu la dipartita;
    e parmi la redita
    quasi fallita
    per la disianza.[i]



    Die Übersetzung, die ich habe, ist ziemlich mäßig, deshalb stelle ich sie nicht rein, das täte dem Liedchen furchtbar unrecht. Dieses Altitalienisch klingt einfach so schön!

  • Es gibt da eins, das hätte ich WIRKLICH gern geschrieben! Wirklich gern!


    Prometheus


    Johann Wolfgang von Goethe


    Bedecke deinen Himmel, Zeus,
    Mit Wolkendunst!
    Und übe, Knaben gleich,
    Der Disteln köpft,
    An Eichen dich und Bergeshöhn!
    Mußt mir meine Erde
    Doch lassen stehn,
    Und meine Hütte,
    Die du nicht gebaut,
    Und meinen Herd,
    Um dessen Glut
    Du mich beneidest.


    Ich kenne nichts Ärmeres
    Unter der Sonn als euch Götter.
    Ihr nähret kümmerlich
    Von Opfersteuern
    Und Gebetshauch
    Eure Majestät
    Und darbtet, wären
    Nicht Kinder und Bettler
    Hoffnungsvolle Toren.


    Da ich ein Kind war,
    Nicht wußte, wo aus, wo ein,
    Kehrte mein verirrtes Aug
    Zur Sonne, als wenn drüber wär
    Ein Ohr zu hören meine Klage,
    Ein Herz wie meins,
    Sich des Bedrängten zu erbarmen.


    Wer half mir wider
    Der Titanen Übermut?
    Wer rettete vom Tode mich,
    Von Sklaverei?
    Hast du's nicht alles selbst vollendet,
    Heilig glühend Herz?
    Und glühtest, jung und gut,
    Betrogen, Rettungsdank
    Dem Schlafenden dadroben?


    Ich dich ehren? Wofür?
    Hast du die Schmerzen gelindert
    Je des Beladenen?
    Hast du die Tränen gestillet
    Je des Geängsteten?


    Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
    Die allmächtige Zeit
    Und das ewige Schicksal,
    Meine Herren und deine?


    Wähntest du etwa,
    Ich sollte das Leben hassen,
    In Wüsten fliehn,
    Weil nicht alle Knabenmorgen-
    Blütenträume reiften?


    Hier sitz ich, forme Menschen
    Nach meinem Bilde,
    Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
    Zu leiden, weinen,
    Genießen und zu freuen sich,
    Und dein nicht zu achten,
    Wie ich.


    Johann Wolfgang von Goethe

  • Eines meiner ew. Lieblinge bleibt :


    Canzoniere XXXV.
    Solo e pensoso i più deserti campi
    (Petrarca)


    Solo e pensoso i più deserti campi
    vo mesurando a passi tardi e lenti,
    e gli occhi porto per fuggire intenti
    ove vestigio uman l'arena stampi.


    Altro schermo non trovo che mi scampi
    dal manifesto accorger de le genti;
    perché ne gli atti d'alegrezza spenti
    di fuor si legge com'io dentro avampi;


    sì ch'io mi credo omai che monti e piagge
    e fiumi e selve sappian di che tempre
    sia la mia vita, ch'è celata altrui.


    Ma pur sì aspre vie né si selvagge
    cercar non so ch'Amor non venga sempre
    ragionando con meco, et io co'llui.


    Übersetzungen gibt es davon mehrere (im Titel kann es zB. heißen "Allein und sinnend durch die ödsten Lande" oder auch "Allein und sinnend, zögernd trägen Schritts" --- gut, es ist eher ein Wintergedicht :lache ),
    auch H.-J. Ortheil verwendet das Sonett in "Das Licht der Lagune".

  • Der von Kürenberg - Falkenlied


    Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.
    dô ich in gezamete, als ich in wolte hân,
    und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
    er huop sich ûf vil hôhe und vlouc in ándèriu lant.


    Sît sach ich den valken schône vliegen,
    er vuorte an sînem vuoze sîdîne riemen,
    und was im sîn gevidere alrôt guldîn.
    got sende sî zesamene, die gelíeb wéllen gerne sîn!



    Übersetzung:
    Ich zog mir einen Falken länger als ein Jahr.
    Als ich ihn gezähmt hatte, wie ich ihn wollte haben,
    und ich ihm sein Gefieder mit Gold wohl geschmückt hatte,
    hob er sich in die Lüfte und flog in andre Lande.


    Seitdem sah ich den Falken schön fliegen.
    Er trug an seinem Fuße seidene Bänder,
    und es war ihm sein Gefieder ganz rotgolden.
    Gott sende sie zueinander, die gerne geliebt sein wollen.

  • Zum heutigen Tag der Poesie ziehe ich mal diesen Faden hoch.


    An einen Autographensammler

    Muß man sich schon wieder plagen?
    Also wieder ein Gedicht?
    Soll ich wagen, nein zu sagen? –
    Nein, ich bin kein Bösewicht!

    Dehne dich, Poetenleder!
    Werde flüssig, alter Leim!
    Sieh, schon tröpfelt aus der Feder
    Der mit Angst gesuchte Reim!

    Und so zeig' ich mit Vergnügen
    Mich als einen netten Herrn. –
    Ach, mitunter muß man lügen,
    Und mitunter lügt man gern!


    Wilhelm Busch

    (1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Passend zum gestrigen Frühlingsanfang :flowers


    März

    Es ist ein Schnee gefallen,

    Denn es ist noch nicht Zeit,

    Dass von den Blümlein allen,

    Dass von den Blümlein allen

    Wir werden hoch erfreut.

    Der Sonnenblick betrüget

    Mit mildem, falschem Schein,

    Die Schwalbe selber lüget,

    Die Schwalbe selber lüget,

    Warum? Sie kommt allein.

    Sollt ich mich einzeln freuen,

    Wenn auch der Frühling nah?

    Doch kommen wir zu zweien,

    Doch kommen wir zu zweien,

    Gleich ist der Sommer da.


    Johann Wolfgang von Goethe

  • Zum Trost den Wintermüden :keks


    Hoffnung


    Und dräut der Winter noch so sehr

    Mit trotzigen Gebärden,

    Und streut er Eis und Schnee umher,

    Es muss doch Frühling werden.


    Und drängen die Nebel noch so dicht

    Sich vor den Blick der Sonne,

    Sie wecket doch mit ihrem Licht

    Einmal die Welt zur Wonne.


    Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht,

    Mir soll darob nicht bangen,

    Auf leisen Sohlen über Nacht

    Kommt doch der Lenz gegangen.


    Da wacht die Erde grünend auf,

    Weiss nicht, wie ihr geschehen,

    Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf

    Und möchte vor Lust vergehen.


    Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar

    Und schmückt sich mit Rosen und Ähren

    Und lässt die Brünnlein rieseln klar,

    Als wären es Freudenzähren.


    Drum still! Und wie es frieren mag,

    O Herz, gib dich zufrieden;

    Es ist ein grosser Maientag

    Der ganzen Welt beschieden.


    Und wenn dir oft auch bangt und graut,

    Als sei die Höll' auf Erden,

    Nur unverzagt auf Gott vertraut!

    Es muss doch Frühling werden.


    (Emanuel Geibel 1815-1884, deutscher Lyriker)

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

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  • Schneeglöckchen

    Sie ist erwacht,

    des Winters einzige Blume.

    In Tod und Nacht

    träumte die stumme

    Botin des Frühlings

    von Licht und Leben.


    Wie sie sich heben

    alle die sprießenden Spitzen,

    zum Himmel bange

    bebend sich richten!

    aber droben

    die Sonne schläft.

    Roh durchs Land die Stürme toben,

    lachen kalt der schlichten

    furchtsam strebenden Zarten,

    heulen ein Lied von Krieg und Streit:

    Nur die Starken, Harten

    preiset der Reigen

    der eisernen Zeit!


    Duftlos neigen sich

    die weißen reinen

    scheuen Köpfchen

    zur Erde wieder

    entsagend nieder

    und weinen

    selber ins Grab sich.


    Doch nicht minder,

    du einsame Blume,

    tröstet dein Blühen

    die Menschenkinder.

    Nicht ist vergebens

    dein kurzes Mühen:

    alles des Lebens

    Brausen und Glühen,

    das uns der Frühling schickt,

    du fühlst es nahn!

    Mit neuem Glauben blickt

    auf seine Bahn,

    winkt ihm Dein Gruß,

    rastlos wandernd der Mensch.


    Keimt doch zitternd in Ihm auch

    manche lautere Blume

    aus dem dunklen Grunde des Herzens,

    die verblühen muß,

    ehe die andern

    sicher strebenden,

    mächtiger treibenden

    Wurzeln sich regen:

    Zielen entgegen! -


    Richard Dehmel (1863 -1920)

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Diana Wynne Jones: Howl's Moving Castle

  • Frühlingsahnen


    Wohlig merken unsre Sinne

    Nun den Frühling allgemach,

    Denn es trauft aus jeder Rinne,

    Und es tropft von jedem Dach.


    Leise regt sich im Theater

    Dieser Welt ein Liebeston;

    Nächstens schreien viele Kater,

    Und der Hase rammelt schon.


    So auch uns ergreift die Glieder

    Wundersame Lebenskraft;

    Selbst solide Seifensieder

    Fühlen ihren Knospensaft.


    Treibet das Geschäft der Paarung!

    Lasset der Natur den Lauf!

    Denn ihr wisset aus Erfahrung,

    Einmal hört es leider auf.


    Ludwig Thoma

  • Du musst das Leben nicht verstehen

    Rainer Maria Rilke


    Du musst das Leben nicht verstehen,

    dann wird es werden wie ein Fest.

    Und lass dir jeden Tag geschehen

    so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen

    sich viele Blüten schenken lässt.


    Sie aufzusammeln und zu sparen,

    das kommt dem Kind nicht in den Sinn.

    Es löst sie leise aus den Haaren,

    drin sie so gern gefangen waren,

    und hält den lieben jungen Jahren

    nach neuen seine Hände hin.