Die Landkarte der Zeit - Félix J. Palma

  • Zitat

    Original von -Christine-
    sapperlot - Wow, was für eine tolle Rezi !!! :anbet Man glaubt direkt, Palma schreibt weiter ...


    Eine weitere - hammergeile - Rezi die noch mehr neugierig auf dieses Buch macht. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ein großartiges Buch und eine wunderbare Hommage an H. G. Wells.
    Ja, es hat seine Längen, ja, es gibt ein paar Ungereimtheiten, und ja, es ist nicht immer alles ganz nachvollziehbar. Aber es ist ein Buch, das den Leser fest im Griff hat, voller Humor und kleiner Seitenhiebe. Ein Buch, das das London im ausgehenden 19. Jahrhundert neu auferstehen läßt. Ein Buch, das die Phantasie auf die Reise schickt, auf eine Reise durch die Zeit. Die Figuren bleiben gelegentlich blass, andere dagegen schillern durch die gesamte Handlung.


    Ein runder, vergnüglicher Lesegenuß, dessen kleine Schwächen ich gerne in Kauf genommen habe. Denn wäre es ein perfektes Buch, hätte es sicher einiges von seinem Charme eingebüßt. Das Spiel mit der Zeit und mit der Phantasie geht voll auf.

    Ach ja: Und was für ein Buch, das die Eulen zu so großartigen Rezensionen inspiriert :anbet

  • Meine Meinung
    Heute Morgen bin ich mit dem Roman "Die Landkarte der Zeit" fertig geworden und ich muss doch sagen, dass es mich einigermaßen verwirrt zurückgelassen hat. Aufgrund dieser Verwirrung bin ich möglicherweise auch nicht in der Lage, für alle hier fundiert und ausgereift genug meine Kritikpunkte anzubringen – dennoch möchte ich gerne meine Meinung posten.
    "Die Landkarte der Zeit" ist ein nettes Buch mit einer netten Geschichte und einem ganz netten Schreibstil – um mich wirklich begeistern zu können, hat das aber nicht reichen können.


    Meine Kritik gliedert sich in zwei Aspekte: zum einen die inhaltliche Struktur der Geschichte und zum anderen aber auch immer wieder die Sprache des Romans.
    Der Roman besteht aus drei Teilen, die für mich keinen erkennbaren Zusammenhang bilden. Mir hat in der Geschichte einfach immer wieder zumindest der Ansatz eines roten Fadens gefehlt. Von Andrew, dessen Geliebte Marie Kelly von Jack the Ripper umgebracht wird, zu den Lianesen in einem rosa Zeitloch, zu H.G. Wells, der eine für mich lange undurchsichtige Nebenrolle spielt. Und dazwischen immer wieder Zeitreisen, Paralleluniversen und die Frage, ob das alles wirklich passiert oder vielleicht dann doch nur fingiert ist. Im zweiten und dritten Teil war es für mich noch schwieriger der Geschichte zu folgen – bei den kitschigen Liebesbriefen von Claire und Tom bin ich dann immer mehr ausgestiegen. Die letzten Abschnitte über Wells und seine Schriftstellerkollegen Bram Stroker und Henry James habe ich als etwas spannender empfunden, aber einen wirklichen Sinn hat das alles für mich nicht mehr gemacht. Die "Auflösung" am Ende habe ich als eine Enttäuschung empfunden, da sie einfach sehr schwach ist.


    Auch sprachlich hatte ich große Schwierigkeiten mit dem Roman. Zum einen hat mir nicht gefallen, dass der Erzähler sich immer wieder direkt an den Lesern wendet. Zum anderen empfand ich die Sprache aber auch immer wieder als schwülstig, kitschig. Sätze wie "Ein Blick ist ein Brunnenschacht ohne Grund, in dem Platz für alles ist" und schiefe Metaphern wie "[…] der Klang ihrer Stimme erinnerte an wehende Gardinen" konnten mich einfach nicht begeistern.


    Das Fazit meines Buches läuft leider darauf hinaus, dass ich den Sinn und die Geschichte und vor allem auch das Ende des Romans aufgrund einer Vielzahl an Handlungssträngen, Ungereimtheiten und Abzweigungen nicht verstanden habe. Vielleicht mag das daran liegen, dass das Buch total toll ist und ich einfach die falsche Leserin dafür bin oder auch an der Tatsache, dass ich einfach nicht verquer genug denken kann, um metaphysisch von Paralleluniversum zu Paralleluniversum driften zu können – aber für mich ist "Die Landkarte der Zeit" über weite Strecken einfach kein Lesegenuss gewesen. Am Ende bleibt "Die Landkarte der Zeit" nichts mehr, als ein Buch was leichte Unterhaltung bietet, von Attributen wie Wunderwerk oder auch große Literatur jedoch - meiner Meinung nach - weit entfernt ist.

  • Wow, was soll ich sagen ... Félix J. Palma hat der „Zeitmaschine“ ein neues, fantastisches Leben eingehaucht. Er hat uns die Erinnerung gegeben, und ihr den Raum, den sie verdient hat. Vielen Dank dafür!
    Ich gebe zu, dass ich das Buch von Wells (bisher) nicht gelesen habe, aber wie oft ich den Film - das Original von 1960 - schon gesehen habe, kann ich gar nicht mehr zählen. Meine kleine Schwärmerei sei mir verziehen, denn hier geht es ja um Palmas Buch: „Die Landkarte der Zeit“ ;-)


    Ganz zu Anfang hatte ich leichte Schwierigkeiten mit der recht ausufernden Schachtelsatz-Erzählweise. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo Herr Palma mich hinführen möchte und im 19. Jahrhundert war ich gedanklich noch nicht angekommen.
    Andrew jammert vor sich hin und kann sich einfach nicht entscheiden, bis er sich dann schließlich doch entscheidet, nie wieder etwas entscheiden zu müssen. Sprich, er will sich das Leben nehmen.
    Im Nachhinein finde ich das wieder ziemlich niedlich, denn die Theatralik passt wie Faust aufs Auge in dieses Theater. Aber im ersten Moment des Lesens war ich doch leicht genervt und dachte, hoffentlich geht das jetzt nicht über 700 Seiten so weiter.
    Ich kann nur jedem empfehlen, der den Anfang eventuell ebenfalls langatmig oder gar langweilig finden sollte - lest unbedingt weiter, es lohnt sich!


    Das kuriose an dem Buch ist, unter anderem aber auch, dass es immer mal wieder solche Szenen geben wird, die einen verzweifeln, stöhnen oder mit den Augen rollen lassen. Und kurz bevor man versucht ist das Buch aus der Hand zu legen passiert genau das, was man nicht erwartet und man ist wieder mitten drin und denkt sich: Wie macht dieser Kerl das nur, immer im richtigen Moment da zu sein und einen erneut einzufangen? Teilweise glaubte ich sogar ein leises höhnisches Lachen hören zu können.


    „Die Landkarte der Zeit“ ist ein riesiges Überraschungsei. Nur die Schokolade muss man sich selber besorgen. (In meinem Fall waren das etliche Rollen Rolo von Macintosh, die heute von Nestle sind. Die Zeit bleibt eben doch nicht stehen) ;-) Man kann mit den Figuren spielen, mit ihnen rätseln, spekulieren, sie hassen, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, und weil man mindestens hundert Mal seine Meinung ändert, geht man noch mal zum Supermarkt und kauft Nachschub an Schokolade.


    Ich mag gar keine einzelnen Szenen benennen und weiter darauf eingehen (außerdem sind es viel zu viele und wenn man einmal anfängt ... ), denn ich denke es ist für den Leser wesentlich aufregender alles selber auspacken zu dürfen.
    Hinterher mit anderen Lesern darüber zu reden ist ohne Frage ein weiteres Highlight. Denn es gibt genug Stoff zum diskutieren, spekulieren und auf- oder abklären.


    Für dieses Buch sollte man sich unbedingt Zeit nehmen ... ganz besonders für den Schluss, auch wenn es da extrem schwer fällt, weil man endlich wissen möchte/muss was nun wirklich hinter allem steckt. Keinesfalls sollte man auch nur ein einziges Wort überlesen, denn genau das würde am Ende fehlen, und der Punkt, der die Geschichte abschließt würde unsichtbar bleiben.
    Ich für meinen Teil war begeistert. Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, das meine Fantasie derart in Wallung versetzt hat. Das war Gehirnjogging bis in die hintersten Windungen, Massage, Marter, Euphorie ... und Spaß.
    Und auf seine ganz eigene Weise sogar sehr romantisch :-)

  • Ich bin nach wie vor zwiegespalten in meiner Meinung. Palmas Schreibstil fand ich grandios, weil er genau auf der Linie liegt, die ich mag: Schachtelsätze, weit ausholend, umfassend. Gut gefallen haben mir auch die vielen kleinen Nebengeschichten, bei denen man nie weiß, ob sie nun für das große Ganze wichtig sind oder ob der Autor - mal wieder - auf eine falsche Fährte führt, denn das tut er in diesem Buch sehr gerne. Das hat manchmal schon was sehr magisches. Er spielt mit Illusionen, wiegt den Leser in Sicherheit, der glaubt, eine bestimmte Sache durchschaut zu haben - und im nächsten Moment verpufft dann die Illusion mit einem lauten Knall. Man weiß eigentlich nie, woran man genau ist. In diese Verwirrung hinein meldet sich dann obendrein ein allwissender Erzähler, dessen Identität unbekannt ist.
    Es gibt ganze Passagen, die großartig sind, es gibt aber auch Passagen, die deutlich Längen aufweisen, daher hat mich das Buch nicht völlig für sich einnehmen können. Außer acht lassen darf man auch nicht die kleinen Logikfehler, die der Autor eingebaut hat, über die man aber mit einem Augenzwinkern hinwegsehen kann.
    Nicht anlasten kann man ihm hingegen die Fehler, die beim Übersetzen des Buches ins Deutsche gemacht wurden und über die ich mich mehr als einmal geärgert habe, weil sie teilweise sinnverfälschend waren.
    Insgesamt gebe ich dem Buch 8 Eulenpunkte.

  • Meine Meinung


    "Die Landkarte der Zeit" von Felix J. Palma ist ein Zeitreiseroman.
    "Die Landkarte der Zeit" von Felix J. Palma ist ein Roman über H.G.Wells.
    "Die Landkarte der Zeit" von Felix J. Palma ist ein Roman über die Kraft der Liebe.
    "Die Landkarte der Zeit" von Felix J. Palma ist alles das.


    Gleich auf den ersten Seiten schaffte es der Autor, mich mit seiner Geschichte zu fesseln, die, geschrieben in vielen schönen Worten und langen Sätzen, an jeder Stelle des Romans meine volle Aufmerksamkeit erforderte. Nichts läuft wie erwartet. Nach jeder Ecke erfolgt eine unerwartete Wendung, und das meist gerade dann, wenn man meint, die Geschichte durchschaut zu haben.


    Gibt es Zeitreisen? Ja - nein - vielleicht - doch - eher nicht ... Anders als erwartet beantwortet dieses Buch diese Frage, nachdem wir vergnüglich der Beantwortung eben dieser Frage nachgejagt sind. Und gerade in den letzten Kapiteln muss man höllisch aufpassen, um den Anschluss nicht zu verlieren.


    Alles in allem war ich gut unterhalten und amüsiert. Deshalb sind auch ein paar Ungereimtheiten und zwischenzeitliche Längen, denn die gab es auch, für mich verzeihlich.
    Noch erwähnen will ich den schön gestalteten Schutzumschlag, der den Bogen zwischen dem alten London und der mit bedächtigem Ticken vergehenden Zeit spannt.


    Von mir 9 von 10 Punkten

  • Zitat

    Original von Pelican


    Ich bin schon sehr gespannt auf die Leserunde und schau' sicher öfter rein, das Buch hat ungemeines Diskussionspotential.


    Diskussionspotential ist immer was feines, wobei ich das bei diesem Buch ehrlich gesagt nicht vermutet hätte... Bin aber auf jeden Fall total neugierig und werde mir das Buch sobald wie möglich zulegen!

  • Felix J. Palma hat einen fein gewobenen und verzwickten Schelmenroman geschrieben. Der Klappentext ist ausgiebig und fast meint man, zuviel zu erfahren. Aber weit gefehlt, denn die Handlung ist viel tiefgründiger, ausufernder, vertrackter als der Klappentext, und sowie kommt irgendwie alles ganz anders, als der Leser meint.


    Der allwissende Erzähler, als der er sich selber bezeichnet, nimmt uns Leser mit auf die Reise ins viktorianische England. Die Menschen sind zukunftsorientiert, das britische Empire strotzt vor Selbstbewusstsein, man fühlt sich auf der Höhe der Zeit und es gibt sogar einen Patentamtsangestellten, der glaubt, man könne alle Büros schließen, denn es wäre ja alles erfunden. H.G. Wells hat mit seinem Roman "Die Zeitmaschine" für Furore gesorgt. Und Wells hat auch einen wichtigen Platz in diesem Roman. Er ist sozusagen der Dreh- und Angelpunkt. Der Autor hat ein feines Handlungsnetz gewoben, in dem man sich aber nicht verirrt, sondern vom allwissenden Erzähler fein und staunend durchgeführt wird. Wirklich jeder Faden wird verknüpft und jeder Punkt ist irgendwie miteinander verbunden, und wenn auch über Umwege.
    Und gerade, wenn man als Leser glaubt, verstanden zu haben, wie der Autor bzw der allwissende Erzähler seine Geschichte aufgezogen hat, setzt er im letzten Teil nochmal einen drauf.


    Manchmal gerät das Buch etwas geschwätzig und ausholend. Aber die Idee und die Umsetzung sind einfach zu gut. Was ist Wahrheit, was ist Betrug? Und was rechtfertigt eine Lüge? Ist jede Entscheidung, die wir treffen, die richtige? Und was würde passieren, wenn wir zurückgehen könnten und uns genau anders entscheiden würden?


    Palma schreibt einfach wunderbar in einer Sprache, die dem 19. Jahrhundert angemessen ist, ohne antiquiert oder aufgesetzt zu wirken. Man folgt ihm und seinem Erzähler gerne durch das Buch, das so manchen wirklich interessanten Gedanken ganz nebenbei aufwirft. Die Geschichte kommt in einem wirklich schönen Schlußbild zu einem befriedigenden Ende.


    "Die Landkarte der Zeit" ist ein wunderbarer und aussergewöhnlicher Lesegenuss. Von mir gibts volle Punktzahl!

  • Meine Meinung: „Die Geräusche, die wir nachts manchmal hören, dieses Knarren, das wir alten Möbeln zuschreiben, sie sind vielleicht nichts anderes als die Schritte eines unserer zukünftigen Ichs, das unseren Schlaf bewacht und ihn nicht zu unterbrechen wagt.“


    Was würde man tun, wenn man durch die Zeit reisen könnte? Würde man das Leben eines geliebten Menschen retten können, indem man seinen Mörder tötet? Könnte man die letzte große Schlacht der Menschen gegen Maschinensoldaten ansehen und dann zurückreisen und die Entwicklung und den Bau dieser zukünftigen Weltherrscher verhindern? Diese Fragen sind es unter anderem, mit dem sich dieser Roman beschäftigt, doch es findet sich noch viel mehr in diesem üppigen Werk rund um die Zeit.


    Felix J. Palma hat einen Erzähler eingesetzt, der immer wieder zwischendurch das Wort ergreift und sich direkt an den Leser wendet, ihn einbindet und so manches Geschehen mit einem verschmitzen Lächeln auf dem Gesicht kommentiert.
    Überhaupt ist vieles, was man da über Zeitreisen und Paralleluniversen erfährt, nicht ganz ernst gemeint und bei einigen Passagen ist sehr klar zu erkennen, wie der Autor mit Freude an Illusion und Desillusion des Lesers gearbeitet hat.


    Die Handlung, besser gesagt, ihr Ausgangspunkt ist im viktorianischen London angesiedelt und so bedient sich der Erzähler der blumigen und manchmal etwas ausschweifenden Sprache dieser Epoche, die wunderbar zu der Geschichte passt. Diese Sprache ist es auch, die die Atmosphäre des Buches ausmacht, die die Stimmungen und Bilder erschafft und einen dadurch beim Lesen selbst auf eine Zeitreise schickt. Trotzdem muss man sich auf diesen Stil einlassen, muss manchmal etwas Geduld mitbringen, und auch über kleine Ungereimtheiten sollte man großzügig hinwegsehen, denn man wird immer wieder mit überraschenden Wendungen belohnt, oder kann kleine Anspielungen entdecken, die es wert sind, nicht überlesen zu werden.


    Zeitreisen sind modern in London, seitdem H.G. Wells (der später übrigens einer der Protagonisten sein wird...) seinen spektakulären Roman „Die Zeitmaschine“ veröffentlicht hat. Viele Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Frage, ob und wie diese Reisen möglich sind und die Firma Murray Zeitreisen bietet sogar den betuchten Touristen einen Ausflug in das Jahr 2000 an, den sie so schnell nicht vergessen werden.


    Palma erzählt mehrere Geschichten rund um das Thema und verwebt sie nur locker miteinander. Spannend und interessant sind sie allemal. Jede seiner Figuren hat einen ganz persönlichen Grund, um die Gegenwart zu verlassen und genau diese Gründe sind es dann, die jede einzelne Geschichte so erzählenswert machen. Spannend, humorvoll, üppig und furios kann man dieses gelungene Werk auf jeden Fall nennen.


    Mein Fazit: Meine Empfehlung für alle, die weder vor dem Thema Zeitreisen noch vor der oben beschriebenen Sprache Angst haben. Wer „Jonathan Strange & Mr.Norell“ von Susanna Clarke gern gelesen hat, der wird auch dieses Buch lieben. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, es zu lesen und ich hoffe, dass man noch mehr von diesem Autor lesen wird – Leider kann ich nicht in die Zukunft reisen, um die Auslagen der Buchhändler abzuklappern…

  • Ich fand das Buch von Anfang an interessant geschrieben- liebe ich doch beim Lesen Verwicklungen nachzuspüren, zu spekulieren wohin die Reise geht auf die der Autor mich einlädt, auch wenn ich diesmal am ende der Reise lange überlegen musste, ob mir das Reiseziel gefällt, kann ich nur jedem empfehlen diese Reise durch die Landkarte der Zeit zu unternehmen- ein Zeitreise, die auch nicht davor halt macht Fragen an den Leser und sein Selbstverständnis, seine Träume und Wünsche in und von der Zeit zu stellen. Ein spannendes und vor allem ein unterhaltsames Buch.

  • Vielleicht muss in der Literatur eine neue Kategorie für Felix J. Palmas "Die Landkarte der Zeit" gefunden werden. Vielleicht fällt es dem Leser schwer, ein Muster in diesem Werk von über 700 Seiten zu finden. Und dennoch - oder gerade deshalb - sollte dieses Buch ein großes Maß an Aufmerksamkeit erhalten!


    Im Zentrum dieser Neuerscheinung steht das London des späten 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit, in der Jack the Ripper große Unruhe in das nächtliche London bringt. Es ist die Zeit, in der sich der Sohn aus gutem Hause in eine verarmte Prostituierte verliebt. Andrew und seinem Cousin Charles ist das erste Drittel des Buches gewidmet.


    Gefolgt von den Geschehnissen um die 'Zeitreisen Murray', die zahlungskräftige Engländer in das London des Jahres 2000 zu befördern wissen, wo sich die gelangweilte Claire in einen Held moderner Kämpfe verliebt.


    Verwoben werden diese Stränge im letzten Drittel, welches vom Leser sicher die höchste Denkleistung fordert. Hier stellt Palma sein ganzes Talent zur Schau, mit Sprüngen in Zeit und Logik zu hantieren.


    Ich hatte ein echtes Stück guter Unterhaltungsliteratur in Händen - wie in Wellenbewegungen haben sich spannende, phantastische und romantischen Passagen immer wieder überlagert und somit durchweg eine hohe Aufmerksamkeit vom Leser gefordert. Dieses Buch liest sich sicher leichter, wenn man die Möglichkeit hat, längere Abschnitte zu lesen und nicht nur morgens kurz vor der Arbeit drei-vier Seiten schafft. Dann könnte der Einstieg und Verbleib in dieser verstrickten Denke um Vergangeheit und Zukunft wahrscheinlich sehr schwer fallen.


    Ein Buch für Leser, die Spass daran haben, auch Nebenschauplätzen zu besuchen und die es mögen, diversen Rätseln der Logik zu folgen.

  • So, hier nochmal eine verkürzte Version meiner Rezi, nachdem sie mir vorher in den Äther verschwunden ist und ich jetzt keine Lust mehr habe, das alles nochmal zu schreiben :fetch:


    Palma nimmt in seinem Roman die besten Motive der verschiedenen Genres der Viktorianik (den klassischen Abenteuerroman, Gaslight Fantasy, Steampunk usw), wirft diese in einen Topf und zaubert daraus etwas ganz neues und bezauberndes.
    Er hat es geschafft, mich wie kein anderer Autor dieses Jahr für fast 2 Wochen an sein Buch zu fesseln und das trotz einiger kleinerer Längen!


    Dieses Buch wird man entweder mögen oder nicht- etwas dazwischen gibt es nicht. Und es verlangt dem Leser einiges ab: man muß die verschnörkelte Sprache abkönnen, immer mitdenken und v.a. dem Autor vertrauen und sich von ihm führen lassen, auch wenn man selbst über wiete Strecken keinen roten Faden erkennen kann.


    Ich war jedenfalls begeistert.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Ganz so begeistert wie die meisten hier bin ich nicht.
    Dafür hatte das Buch in einigen Abschnitten zu viele Stellen, die mir zu langweilig oder schwulstig waren.
    Gut gefallen hat mir, wie der Autor mit der Sprache jonglierte. Der Schreibstil hat mir größtenteils gut gefallen.
    Weniger gut gefielen mir die Wiederholungen und auch die Liebesbriefe habe ich nur überflogen. Teilweise driftete mir der Autor zu stark ab.


    Ohne die Kommentare der mitlesenden Eulen wären mir sicherlich auch viele Einzelheiten entgangen. Deren Hintergrundwissen und die in Erfahrung gebrachten Details waren eine Bereicherung für den Inhalt des Buches.
    Nach Schulnoten würde ich hier eine 3, also ein befriedigend vergeben. Und das hat mich das Buch auch. Nicht mehr und nicht weniger.

  • Im großen und ganzen hat mich das Buch ganz gut unterhalten aber mein bestes für diese Jahr ist es bestimmt nicht. Zeitreisen sind meiner Meinung nach im übertragenem Sinn gemeint, z.B. die Theateraufführung und auch Träume. Die Geschichte hat mich an vielen Stellen zum schnellen weiterlesen animiert an einigen war es allerdings viel zu langatmig oder ich habe den roten Faden verloren wenn es überhaupt einen gab. Das Ende hat mich dann nur noch total verwirrt zurück gelassen da ich nicht mehr mitkam beim Springen der verschiedenen Personen und unterschiedlichen Zeiten.
    Ich würde 6 von 10 Punkten vergeben.

  • Wir befinden uns im Jahre 1896. Seltsame Dinge geschehen in London.
    Andrew versucht, nachdem seine große Liebe, die Prostituierte Marie, auf grausame Weise von Jack the Ripper ermordet wurde, sich das Leben zu nehmen. Sein Cousin kann ihn im letzten Moment davon abhalten, indem er Andrew von seiner Entdeckung erzählt: Die "Agentur für Zeitreisen Murray" kann Menschen in die vierte Dimension reisen lassen. Hat Andrew dadurch die Möglichkeit seinen Fehler wieder gut zu machen und Marie zu retten?
    Zur gleichen Zeit haben auch weitere Personen mit dieser dubiosen Zeitreiseagentur zu tun. Es scheint sich ein Chaos anzubahnen, dass sämtliche Zeitschranken durcheinander bringt.
    Felix J. Palma schildert in „Die Landkarte der Zeit“ eine wirklich außergewöhnliche Geschichte. Dabei vermischt er verschiedene Elemente und Personen aus der Geschichte miteinander. So trifft man zum Beispiel auf Jack the Ripper oder H. G. Wells.
    Auch versteht Palma es ausgezeichnet verschiedene Genre zu mixen. So liest sich das Buch manchmal wie ein Fantasyroman, dann nimmt es wieder Züge eines Kriminalromans an, und auch das Historische kommt nicht zu kurz.
    Palmas Erzählstil hat mir unwahrscheinlich gut gefallen – so wie alles an diesem Buch und dieser unbeschreiblich schönen, traurigen, phantastischen und unterhaltsamen Geschichte. Palma erzählt unglaublich poetisch, ironisch, einfühlsam und abwechslungsreich.
    Dabei schuf er eine Geschichte mit Tiefgang, eine Geschichte, die einem noch lange Zeit nach dem Lesen im Gedächtnis bleibt. Der Sog der Handlung nahm mich regelrecht gefangen, weswegen ich dieses unglaublich faszinierende Buch nicht aus der Hand legen konnte.
    Dennoch gab es vor allem im Mittelteil für mich einige Längen, da Palma es exzellent versteht den Leser lange im Dunkeln tappen zu lassen, bevor man weiß was denn jetzt eigentlich das zentrale Ereignis ist. Dieses minimale Defizit wird aber durch ein grandioses Finale ausgeglichen. Auch kann man diesen Punkt nicht wirklich als "Defizit" betrachten.
    Für mich war „Die Landkarte der Zeit“ ein unbeschreiblich schönes und tief berührendes Buch mit starken und authentischen Charakteren, die alle ein wichtiger Teil der Geschichte und nicht wegzudenken sind.
    Mein Lesehighlight 2010 und für jeden nur empfehlenswert.


    5 von 5 Sternen!

  • So, ich habe eine Weile gebraucht, meine Rezi zu schreiben, weil ich erst mal alles sacken lassen wollte. Ich hoffe nur, ich habe jetzt nichts wichtiges vergessen:


    Zum Inhalt:
    London, 1896. Andrew hat vor acht Jahren die Liebe seines Lebens durch Jack the Ripper verloren. Er sieht keinen anderen Ausweg, als sich zu erschiessen. Zum Glück spürt sein Cousin Charles ihn rechtzeitig auf und kann ihn davon überzeugen, ihn zu Gilliam Murray, der Reisen ins sagenumwobene Jahr 2000 organisiert, zu begleiten. Vielleicht könnte er ja auch eine Reise in die Vergangenheit, bei der man die entscheidenden Momente "geraderücken" kann, ermöglichen?
    Claire wiederum ist gelangweilt von der Flut ihrer langweiligen Verehrer. Keiner davon kann sie reizen. Doch dann taucht plötzlich Hauptmann Shackleton aus dem Jahr 2000 auf, der so ganz anders ist als die Männer, die sie bisher getroffen hat. Kann diese Liebe bestehen?


    Schreibstil:
    Was mir extrem aufgefallen ist, sind Palmas lange Sätze. Er liebt es, verschachtelte Satzgebilde zu fabrizieren, die -das ist allerdings die Ausnahme- auch schon mal zwei Seiten lang sein können. Da ich oft nur abends im Bett zum Lesen komme, ist es mir zeitweise schwer gefallen, diese zu entwirren... Dennoch ist seine blumige Sprache ganz zauberhaft zu lesen. Auch der allwissende Erzähler, der keine Hemmungen hat, dem Leser genau das -nämlich, dass er mehr weiß als wir- immer wieder auf die Nase zu binden, ist ein Detail, das ich sehr gelungen fand. Was die Tiefe der Geschichten angeht und die epische Breite mit der sie erzählt werden, erinnert mich Palma an Irvings "Zirkuskind" oder auch "Gottes Werk und Teufels Beitrag".


    Meine Meinung:
    Dieses Buch war so ganz anders als meine übliche "Literatur". Oft sind die Dinge hier nicht wie sie zu sein scheinen. Ich fühlte mich zeitweise wie in einem Spiegelkabinett, wo man dreimal hinschauen muss, um hinter die Fassade zu blicken. Man muss sich auf die Geschichte einlassen, um sie genießen zu können und wird dafür nicht nur einmal mit überraschenden Wendungen und komischen Szenen belohnt. Es lädt jeden ein, zu spekulieren, zu fantasieren, zu philosophieren.


    Fazit:
    Mit Sicherheit das außergewöhnlichste Buch, das ich seit langem gelesen habe und jede seiner 720 Seiten nicht nur wert, sondern Genuss pur!



    Von mir gibts volle Punktzahl und den Titel "Jahres-Highlight-Anwärter"

    Liebe Grüße :wave


    Waldmeisterin


    Every day I give my family two choices for dinner: take it or leave it!


    Nulla unda tam profunda quam vis amoris furibunda

  • „Die Landkarte der Zeit“ – Zeitreisegeschichten wunderbar anders und eine humorvolle Hommage an H. G. Wells, den Erfinder der Zeitreiseromane, der in all diesen Geschichten eine tragende Rolle spielen soll.
    Die Geschichten hängen zusammen und sind miteinander verflochten. Der Einstieg fällt leicht, die Schreibweise ist flüssig und humorvoll, die Charaktere sind lebendig und sympathisch, wie z. B. der liebenswerte Draufgänger Charles Winslow, überraschende Wendungen und einem großartigen Finale. Auch die Geschichten in den Geschichten lassen sich gut lesen und tragen (zum Teil mit Tiefe und Weisheit) zum Verständnis des Ganzen bei.
    Dann verliert das Buch leider an Fahrt. Die Handlung zieht sich, weist ziemliche Längen auf und war für mich etwas zu poetisch.
    Bei der letzen Episode findet das Buch fast wieder zur alten Form zurück. Man schwankt, ob es sich dieses Mal um eine echte Zeitreise handelt oder doch nicht, Palma hat einen schon zu oft hinters Licht geführt.
    Das Ende des Buches: seufz und Buch zu.


    Alles in allem ein ganz besonderes Buch und so wunderbar anders. Gute Unterhaltung geschrieben in einer sehr schönen Sprache und Geschichten, die Phantasie und Logik anregen.


    Meinen Dank an Félix J. Palma für dieses unterhaltsame und phantasievolle Buch. Auch meinen Dank an den Übersetzer Willi Zurbrüggen, der alles in wohlgefällige deutsche Worte geformt hat. Meinen Dank an den Kindler Verlag und an die Büchereule für eine interessante Leserunde.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Eine Umfassende Hommage an den Autor H.G. Wells, das ist wohl der Hauptzweck dieses Buches, das seinen Leser mit Sprachwitz durch einen regelrechten Karneval an Absonderlichkeiten führt. In insgesamt drei Teilen die einen jeweils anderen Protagonisten als Hauptdarsteller haben und die doch immer wieder an den selben Punkt kommen, wo nämlich eben jener H.G. Wells helfend eingreifen muss um die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
    Wir lernen den lebensmüden Andrew kennen, dessen Geliebte vor 8 Jahren das letzte Opfer von Jack the Ripper war und der sich nun an ihrem Todestag umbringen will. Gerade noch in letzter Sekunde kann sein Cousin Charles schlimmeres verhindern und ihm einen ungewöhnlichen Vorschlag machen: Was wäre, wenn man Zeitreisen in die Vergangenheit unternehmen könnte um sie zu verändern?
    Im Mittelpunkt der zweiten Geschichte steht die Zukunft des Jahres 2000 in dem die letzten Überlebenden der Menschheit unter Führung des tapferen Hauptmanns Derek Shackleton gegen eine Übermacht aus Maschinenmenschen kämpft, die die Weltherrschaft übernehmen will. Klingt aufregend? Gerade deshalb bietet die Firma "Zeitreisen Murray" den erstaunten Bewohnern des Jahres 1896 die Möglichkeit, an diesem bedeuteten Ereignis teilzuhaben. Mit einer Straßenbahn geht es geradewegs durch die 4. Dimension in die Zukunft. Auch die junge Claire, Tochter aus gutem Hause, nimmt an dieser Reise teil und hofft in der Zukunft der langweiligen Gegenwart und ihren ebenso langweiligen Männern entfliehen zu können.
    Zuguterletzt sieht sich der junge und für seinen Beruf etwas zu empfindsame Inspektor Garrett einer Serie von grausamen Morden konfrontiert, die mit keiner Waffe seiner Zeit durchführbar wären. So gibt es für ihn nur eine Schlussfolgerung. Einer der Kämpfer die er bei seiner Reise ins Jahr 2000 bewundern durfte, muss mit ihnen zurück in die Vergangenheit gereist sein und mordet jetzt mit einer futuristischen Wunderwaffen scheinbar planlos durch die Gegend. Das bereitet dem Reiseveranstalter Gilliam Murray einiges an Kopfzerbrechen und so "bittet" er H.G. Wells, den Inspektor bei seinen Nachforschungen zu unterstützen und etwas zu leiten.


    In diesen drei Geschichten die doch alle miteinander verwoben sind (nicht nur durch Wells) bekommt der Leser ein durchaus glaubhaftes Bild einer wissenschaftsgläubigen Gesellschaft präsentiert, in der man nichts mehr für unmöglich hielt und dem Erfindungsreichtum der Menschheit scheinbar grenzenlose Zuversicht entgegenbrachte. Alles was der Mensch in der Lage war sich auszudenken würde auch früher oder später realisiert werden, seien es Zeitreisen oder intelligente Maschinenmenschen. Man erlebt aber auch, dass es immer die gleichen Beweggründe sind, über die Zeiten hinaus verbindend, die die Menschheit antreiben: Verzweiflung, Liebe, Sehnsucht, Gier.
    Palma bedient sich in seiner Geschichte auch historischen Personen um seine Protagonisten in den Geist jener Zeit zu betten, wie z.B. den Elefantenmenschen, Jack the Ripper, natürlich H.G. Wells, Henry James, Bram Stoker, Arthur Conan Doyle und den im Fall Jack the Ripper verantwortlichen Chefermittler Inspektor Abberline.


    Mir hat der ausschweifende und oft humorvoll-verspielte Stil des Autors sehr zugesagt, bei vielen Formulierungen spürt man regelrecht das Augenzwinkern zwischen den Zeilen. Ein sehr unterhaltsames Buch, das den Leser das eine oder andere Mal auch überraschen wird. An die Zeit in der es spielt angepasst und für ein spanisches Werk oft erstaunlich britisch. Meine Kritikpunkte wären wohl nur, dass manche der Protagonisten mir nicht sonderlich sympathisch waren, und der Schluss dann doch sehr komplex-verwickelt wirkte.


    Ich habe es sehr genossen und werde weitere Erscheinungen des Autors sicher aufmerksam verfolgen.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda