'Wer die Nachtigall stört' - Kapitel 11 - 16

  • Jetzt tauchen die ersten dunklen Wolken auf. Nicht nur, das Atticus einen Neger verteidigt darf/kann/muss, und das in einem der Südstaaten, auch die liebe Verwandtschaft mischt sich ein, frei nach dem Motto: schlimm, schlimmer, ich meine es nur gut.


    Ach was kenne ich die Probleme mit der Verwandtschaft, die sich als etwas besseres dünkt.


    Auch mit Dill scheint nicht alles so gut zu stehen, wie es bisher den Anschein hatte.


    Einsame Klasse ist die Szene vor dem Gefängnis, als Scout auf ihre naive Art den Lynchmob.


    Die bisher herzerwärmende Geschichte kippt jetzt langsam in die Richtung, die der Autorin Antrieb zum Schreiben war.


    Jem, Scout und Dill treten ein in die Welt der Erwachsenen, die so gar nichts heiles mehr hat.


    Bisher ist der Roman seinem Ruf, ein „Klassiker“ zu sein gerecht werden und ich kann verstehen, das Harper Lee danach nichts mehr veröffentlichen wollte.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Original von dyke
    Einsame Klasse ist die Szene vor dem Gefängnis, als Scout auf ihre naive Art den Lynchmob.


    Ganz meine Meinung! Wie sie da so vor sich hin plaudert, sich um höfliche Konversation bemühend ist sie sich der gefährlichen Situation überhaupt nicht bewusst. Erst sehr viel später daheim erkennt sie, in welcher Gefahr sie schwebten und dann kommen auch die Tränen.


    Jem wird langsam erwachsen, die 4 Jahre Altersunterschied machen inzwischen einen Unterschied und bringen ein bisschen Distanz zwischen den Geschwistern, aber nicht in ihrer Zuneigung zu einander.


    Dill ist wirklich eine arme Socke. Entzückend fand ich auch die Stelle, als Scout so ihre Lage überdenkt, nachdem Dill von seiner Einsamkeit berichtet hat. Sie überlegt und kommt zu dem Schluss, dass sie von ihrer Familie und sogar von der manchmal so gestrengen Cal gebraucht wird. Das ist wirkliches Glück! Und total niedlich wie Dill meint: "Du, Scout, wollen wir uns ein Baby kommen lassen?...." :grin


    Am Ende des Abschnitts wird es dann wirklich ernst - der Prozess beginnt und außer Miss Maudie scheint ganz Maycomb dabei zu sein.

  • In diesem Abschnitt hat mir die Geschichte mit Mrs Dubose sehr gut gefallen. Für Jem und Scout war sie zwar die Pest, aber die Botschaft, die Atticus den Kindern vermittelt hat, fand ich toll: ein starker Wille kann immer noch Berge versetzen, auch wenn der Körper nicht mehr mitspielen will. Und das paßt so wunderbar zu seinen Erziehungsmethoden, immer wieder versucht er den Kindern anhand realer Geschehnisse mit etwas auf den Weg zu geben.


    Zitat

    Original von dyke
    Die bisher herzerwärmende Geschichte kippt jetzt langsam in die Richtung, die der Autorin Antrieb zum Schreiben war.


    Eigentlich bis kurz vor Ende des zweiten Abschnittes dreht sich das Buch hauptsächlich um das behütete Leben Jem und Scouts. Die Verteidigung Tom Robinsons erschien mir die ganze Zeit eher wie ein Nebenhandlungsstrang, der aber immer nur mal wieder erwähnt wird. Das Buch scheint sich aber nun dem Kern der Geschichte zuzuwenden.


    Zitat

    Original von Lumos


    Ganz meine Meinung! Wie sie da so vor sich hin plaudert, sich um höfliche Konversation bemühend ist sie sich der gefährlichen Situation überhaupt nicht bewusst. Erst sehr viel später daheim erkennt sie, in welcher Gefahr sie schwebten und dann kommen auch die Tränen.


    Diese Szene hat mir auch super gefallen. Vor allem war sich Scout überhaupt nicht bewußt, daß sie gerade duch ihre belanglose Konversation ( ganz wie sie es von Atticus gelernt hat ) ein Unglück abwenden konnte.

  • Das Buch fesselt mich immer mehr - und mittlerweile stecke ich auch vollständig in der Geschichte drin, so dass ich etwas besser vorwärts komme, als noch beim 1. Abschnitt.


    Die Geschichte um Mrs Dubose hat mich sehr berührt. Ich finde es grossartig wie Atticus seinen Kinder seine für ihn wichtigen Werte vermittelt. Er hätte ja allen Grund gehabt seine Kinder von der alten Dame fern zu halten. Ach, wenn doch alle ein wenig mehr Atticus wären... ;-)


    Zitat

    Original von Lumos
    Jem wird langsam erwachsen, die 4 Jahre Altersunterschied machen inzwischen einen Unterschied und bringen ein bisschen Distanz zwischen den Geschwistern, aber nicht in ihrer Zuneigung zu einander.


    Ja, das ist wahr. Und das scheint Scout ganz schön zu schaffen zu machen - sie begreift nicht so recht, warum das geschieht und sich Jem so verändert: "Der hochbetagte Jem gab sich an jenem Sonntag in seinem Zimmer dem Studium der football-Zeitschriften hin, ..." (S. 149)


    Tante Alexandra finde ich sehr anstrengend - schon erstaunlich, dass sie tatsächlich Atticus' Schwester sein soll. Ich denke jedoch, dass es gerade auch in der damaligen Zeit viele solche spiessigen Zeitgenossen gegeben hat, die dachten über den anderen zu stehen.


    Dill tut mir sehr leid. Seine erfundenen Geschichten hat er wahrscheinlich auch für sich selber ausgedacht, damit er sich in seine Traumwelt flüchten kann. Ihm fehlt es auf jeden Fall an Liebe und Geborgenheit.


    Die Szene vor dem Gefängnis ist ebenfalls eine meiner Lieblingsszenen. Einfach grossartig wie Scout in ihrer naiven, aber liebenswerten Art Schlimmes verhindern konnte. :-)


    Ich hätte aber eine Frage zu Atticus: Wie ist das bei Pflichtverteidigern? Haben diese die Möglichkeit ein Mandat abzulehnen? Ich glaube es so verstanden zu haben, bin aber nicht sicher.


    Und wie kam der Name "Scout" zustande? Habe ich da was überlesen?

  • So langsam aber sicher wird der Altersunterschied zwischen Jem und Scout deutlich, der "hochbetagte" Jem liest football Zeitschriften und ist dem Baumhaus entwachsen, bestimmt nicht einfach für Scout, auch wenn sich die Geschwister nicht völlig entfremden, zumal auch noch die unsägliche Verwandtschaft dauerhaft im Haus eingefallen ist.
    Die Szene vor dem Gefängnis, als Scout mit ihrer kindlichen Naivität den mob auflöst, fand ich auch wunderschön, genauso wie die Geschichte um Mrs Dubose, die mich auch sehr berührt hat.


    Dill sollte diesen Sommer eigendlich zu Hause verbringen statt bei seiner Tante, er haut aber ab und macht sich alleine auf den Weg zu Scout und Jem, der arme Kerl kann einem wirklich leid tun, ich denke, dass er sich nur bei seinen beiden Freunden richtig Zuhause fühlt.


    Zitat

    Ich hätte aber eine Frage zu Atticus: Wie ist das bei Pflichtverteidigern? Haben diese die Möglichkeit ein Mandat abzulehnen? Ich glaube es so verstanden zu haben, bin aber nicht sicher.


    Sicher bin ich mir auch nicht, denke aber auch, dass ein Pflichtverteidiger ein Mandat ablehnen darf.

  • Zitat

    Original von Ayasha
    Tante Alexandra finde ich sehr anstrengend - schon erstaunlich, dass sie tatsächlich Atticus' Schwester sein soll. Ich denke jedoch, dass es gerade auch in der damaligen Zeit viele solche spiessigen Zeitgenossen gegeben hat, die dachten über den anderen zu stehen.


    Ich glaube, Alexandra zählte mit ihrer Einstellung in der damaligen Zeit zu der Mehrheit. Leute wir Atticus und Miss Maudie waren da wohl eher selten. Auch wenn Alexandra wirklich manchmal sehr nervtötend sein kann, bin ich sicher, daß sie nach ihrer Weltanschauung nur das Beste für Scout möchte.


    Zitat

    Original von Ayasha
    Ich hätte aber eine Frage zu Atticus: Wie ist das bei Pflichtverteidigern? Haben diese die Möglichkeit ein Mandat abzulehnen? Ich glaube es so verstanden zu haben, bin aber nicht sicher.


    Hmmm .... ich glaube, nur aus schwerwiegenden Gründen darf ein Anwalt einen Pflichtfall ablehnen. Genau weiß ich es aber auch nicht


    Zitat

    Original von Ayasha
    Und wie kam der Name "Scout" zustande? Habe ich da was überlesen?


    Die Frage kam ja im ersten Abschnitt schon mal auf, aber bisher habe ich auch noch keine Erklärung gefunden. Bei Jem läßt es sich ja noch aus seinem Namen ableiten.

  • Zitat

    Original von -Christine-
    Ich glaube, Alexandra zählte mit ihrer Einstellung in der damaligen Zeit zu der Mehrheit. Leute wir Atticus und Miss Maudie waren da wohl eher selten. Auch wenn Alexandra wirklich manchmal sehr nervtötend sein kann, bin ich sicher, daß sie nach ihrer Weltanschauung nur das Beste für Scout möchte.


    Ja, da hast du bestimmt recht. Sie ist ja kein böser Mensch - nur sehr nervig. ;-)


    Zitat

    Original von -Christine-
    Die Frage kam ja im ersten Abschnitt schon mal auf, aber bisher habe ich auch noch keine Erklärung gefunden. Bei Jem läßt es sich ja noch aus seinem Namen ableiten.


    Oh, sorry, wollte jetzt nichts doppelt nachfragen... :schuechtern

    Lesen ist ein grosses Wunder

    Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

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  • Zitat

    Original von Ayasha
    Oh, sorry, wollte jetzt nichts doppelt nachfragen... :schuechtern


    Nein nein, das war nicht als doppelte Frage aufgefaßt :knuddel1 .... ich warte nur noch immer auf die Aufklärung. Es hätte auch sein können, daß ich überlesen habe, wie Scout zu ihrem Namen kam. Das passiert mir manchmal, wenn mir ein Buch so gut gefällt. Anstatt es richtig zu genießen, neige ich dazu durchzuflitzen. :lache

  • Für mich wird immer mehr Atticus zur Hauptfigur. Er ist bewundernswert, setzt sich für die richtige Sache ein, und obwohl alle Welt ihn ahnen lässt, dass es kein Gewinnen gibt, macht er den Prozess trotzdem. Ich glaube, er würde ihn nicht abgeben. Eine höher stehende Moral kann es fast nicht geben.
    Seine Erziehung ist auch aus heutiger Sicht modern, er mag seine Kinder ja behüten, aber er schützt sie nicht vor dem bösen und unerklärlichen, er lässt es sie erleben und versucht, es ihnen so gut wir möglich zu erklären. Ich denke, so macht er seine Kinder fitt für die Erwachsenenwelt. Sie müssen sich auf ihre eigenen Eindrücke verlassen.
    Die Tante ist wahrlich lästig, aber da es nicht einfach ist, Scout inmitten der Damenwelt als kleinen Wildfang groß werden zu lassen, finde ich es gut, dass sie ein wenig Benehmen lernen soll. Klingt zwar jetzt altmodisch, aber später wird es ihr sicherlich nützen. Vielleicht wird sie mit Witz und Charme ebenfalls mal Anwältin.
    Das mit dem Kind fand ich auch sehr erheiternd.

  • Zitat

    Original von -Christine-


    Nein nein, das war nicht als doppelte Frage aufgefaßt :knuddel1 .... ich warte nur noch immer auf die Aufklärung. Es hätte auch sein können, daß ich überlesen habe, wie Scout zu ihrem Namen kam. Das passiert mir manchmal, wenn mir ein Buch so gut gefällt. Anstatt es richtig zu genießen, neige ich dazu durchzuflitzen. :lache


    :knuddel1 Ja, das mit dem Überlesen passiert mir auch schon mal... ;-)

  • Heute habe ich viel Zeit mit diesem Buch vor der Nase verbracht. Die Geschichte fasziniert mich; sie entwickelt sich sehr spannend. So nach und nach beginnt die Kindheit von Scout zu "bröckeln". Ihr Bruder fühlt sich ja schon sehr erwachsen. In manchen Szenen erscheint mir Scout ein wenig altklug, aber gerade bei der Geschichte vor dem Gefängnis wird klar, dass sie doch noch ein argloses Kind ist. Wie sie die Situation eigentlich unwissentlich entschärft, ist toll beschrieben.
    Atticus ist ein starker, interessanter Charakter, aber im Bezug auf seine Sprösslinge ist er wohl manchmal etwas hilflos, da er seine Schwester dazu holt. Alexandra sehe ich eigentlich auch so, dass sie für Scout zwar lästig ist, es aber letztendlich gut meint.
    Das Buch hat so viele beeindruckende Szenen zu bieten, ich bin angenehm überrascht und wundere mich, dass ich esnicht schon viel früher gelesen habe. :gruebel

  • Zitat

    Original von Klusi
    Atticus ist ein starker, interessanter Charakter, aber im Bezug auf seine Sprösslinge ist er wohl manchmal etwas hilflos, da er seine Schwester dazu holt.


    Ich denke Atticus ist hier als sehr vorbildlicher Vater beschrieben, alles andere als "hilflos". It takes a village to raise a child ist ein sehr bekanntes afrikanisches Sprichwort. Und genau das sieht man hier auch, da seine Kinder eben sehr gut in die weitere Familie und Gemeinde eingebunden sind.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Beatrix


    Ich denke Atticus ist hier als sehr vorbildlicher Vater beschrieben, alles andere als "hilflos". It takes a village to raise a child ist ein sehr bekanntes afrikanisches Sprichwort. Und genau das sieht man hier auch, da seine Kinder eben sehr gut in die weitere Familie und Gemeinde eingebunden sind.


    Hilflos war vielleicht der falsche Ausdruck. Aber vermutlich hat er den Eindruck, dass seine Tochter weiblicher Führung bedarf. Auch hat er durch den Prozess viel um die Ohren, so dass er sich nicht in dem Maße um seine Kinder kümmern kann, wie er das gerne möchte. Er ist ein sehr guter Vater, da gebe ich dir auf jeden Fall Recht.

  • Zitat

    Original von noani*
    Ich finde der Spitzname erklärt sich eigentlich von selbst, und ist für Scout, die so neugierig ist (und immer fragt, wieso die Dinge so sind, wie sie sind, und was sie bedeuten) und immer erkunden will, was in ihrer Umgebung passiert, super passend.


    Meinst du "Scout" steht für Pfadfinder ?

  • Zitat

    Original von noani*
    Meinst du "Scout" steht für Pfadfinder ?


    Ja, denke ich schon. Wofür sonst? Wobei, denke ich, nicht direkt Pfadfinder gemeint ist, sondern das, was man damit verbindet: Neugierde, Erkundungsdrang etc. Vielleicht auch ihre "undamenhafte" Art.
    Das würde halt alles auch sehr gut zur kleinen Jean Louise passen :)


    noani*, das hast du perfekt auf den Punkt gebracht! :-)

    Lesen ist ein grosses Wunder

    Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

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